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the mission - NEGAtief

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Letzte Instanz<br />

CoppeLIus<br />

Deathstars<br />

MetaLLspürhunDe<br />

projeCt pItChfork<br />

<strong>the</strong> MIssIon<br />

CaMoufLage<br />

sChanDMauL<br />

Februar / März 09<br />

ausgabe 18 - Jahrgang 4<br />

Deathstars Leaves eyes<br />

MetaLLspürhunDe<br />

gratis zuM<br />

MitnehMen


eDItorIaL InhaLt<br />

Ist Euch eigentlich aufgefallen, wie gering der<br />

Einfluss der seit Monaten in düstersten Farben gezeichneten<br />

globalen Finanzkrise auf unsere Szene<br />

wirkt. Vielleicht liegt es daran, dass die Währung<br />

des Undergrounds in Kreativpunkten und nicht in<br />

Euro gerechnet wird. Vielleicht ist die seit Jahren<br />

gebeutelte Musikbranche einfach auch resistent<br />

geworden, hat eigene Wege und Mittel aus der Krise<br />

gefunden. Lässt man unser aktuelles Inhaltsverzeichnis<br />

Revue passieren, dann wird angesichts der<br />

Stilvielfalt eines schnell klar: Gerade in Zeiten der<br />

Krise hat Musik nicht nur einen einzigen Ausweg<br />

zu bieten. Diese innere Zuflucht könnt ihr honorieren,<br />

indem ihr hin und wieder ein Album käuflich<br />

erwerbt oder in einem der unzähligen legalen<br />

Kaufportale herunterladet. Das nennen die Politiker<br />

gerne Revitalisierung der Märkte. Wir nennen das<br />

Selbsthilfe und bieten im Heft einige krisenfeste<br />

„Investitionsoasen”. Umsonst gibt es diesesmal für<br />

die Neuabonnenten: Fünf Freikarten zum Dunkelfestival<br />

am 0. März in Fulda sowie 0 Maxis der<br />

Deathstars. Wir freuen uns auf Eure Zuschriften.<br />

Eure Redaktion<br />

negatIef abO<br />

Schon wieder ist das <strong>NEGAtief</strong> in Eurem Club<br />

vergriffen? Media Markt und Saturn haben auch<br />

keine mehr? Holt Euch das <strong>NEGAtief</strong> nach Hause!<br />

Ihr zahlt lediglich einen Jahresbetrag von 1<br />

Euro für Porto und Verpackung und habt sechs<br />

Mal im Jahr noch vor dem Streetdate das <strong>NEGAtief</strong><br />

in Eurem Briefkasten. Schickt eine E-Mail mit<br />

dem Betreff „Abo“ und Eurer Postadresse an<br />

redaktion@negatief.de.<br />

Schloss Cottenau – 95339 Wirsberg<br />

Tel. 09227/940000<br />

kontakt@negatief.de www.negatief.de<br />

Herausgeber: Danse Macabre, Inh.: Bruno Kramm,<br />

Schloss Cottenau, 95 9 Wirsberg<br />

Chefredaktion: Ringo Müller (V.i.S.d.P.), Bruno Kramm<br />

Redaktion: Gert Drexl, Marius Marx, Norma Hillemann,<br />

Peter Istuk, Poloni Melnikov, Maria Mortifera, Heiko Nolting,<br />

Tyves, Oben, Siegmar Ost, Stephanie Riechelmann,<br />

Diana Schlinke Layout: Stefan Siegl<br />

Lektorat: Ringo Müller<br />

5 Tourdaten<br />

7 Soundcheck<br />

35 Lichtkunst: Gert Hof<br />

48 Hörspiel: Sacred 2<br />

38 Camouflage<br />

16 Coppelius<br />

19 Curious<br />

22 Deathstars<br />

36 Digital Factor<br />

26 Eisenfunk<br />

9 Ensoph<br />

58 The Eternal Afflict<br />

37 Fading Colours<br />

8 Heavy-Current<br />

20 Jabberwock<br />

40 Leaves’Eyes<br />

32 Leichtmatrose<br />

10 Letzte Instanz<br />

14 Metallspürhunde<br />

28 The Mission<br />

33 Noisuf-X<br />

21 Project Pitchfork<br />

42 The Pussybats<br />

54 QEK Junior<br />

57 Sara Noxx<br />

24 Schandmaul<br />

46 Supreme Court<br />

50 Violet<br />

52 Voodoma<br />

44 Wertstahl<br />

34 X-Rx<br />

Vervielfältigung oder auszugsweise Verwendung benötigt<br />

der schriftlichen Genehmigung. Keine Haftung für<br />

unverlangt eingesandte Informations- und Datenträger.<br />

Die Artikel geben nur die Meinung der jeweiligen Verfasser<br />

wieder. Nach dem deutschen Pressegesetz Art.9 sind<br />

wir verpflichtet, darauf aufmerksam zu machen, dass für<br />

sämtliche redaktionellen Beiträge in unserem Heft eine<br />

Unkostenpauschale für Vertrieb an den Auftraggeber berechnet<br />

wurde. Trotz dieses Geschäftsverhältnisses entsprechen<br />

jedoch sämtliche Textbeiträge der persönlichen<br />

Meinung des jeweiligen, unentgeltlichen Verfassers und<br />

seiner Interviewpartner. Das <strong>NEGAtief</strong> versteht sich als<br />

eine, im Sinne der allgemeinen Verbreitung der alternativen<br />

Musikszene dienenden Publikation, die gerade<br />

kleinere Firmen durch eine preisbewusste aber alternative<br />

und flächendeckende Publikation ihrer vertriebenen<br />

Künstler unterstützt.<br />

....in diesen Läden gibt es das <strong>NEGAtief</strong><br />

Media Markt: Aschaffenburg, Augsburg, Bad Dürrheim, Bochum,<br />

Chemnitz, Dessau, Dresden-Nickern, Duisburg, Flensburg,<br />

Goslar, Groß Gaglow, Gün<strong>the</strong>rsdorf, Heide, Heilbronn, Herzogenrath,<br />

Hildesheim, Kaiserslautern, Karlsruhe, Koblenz, Krems,<br />

Leoben, Limburg, Linz, Magdeburg, Memmingen, München,<br />

Nürnberg-Kleinreuth, Oldenburg, Pforzheim, Porta Westfalica,<br />

Reutlingen, Saarbrücken ,Sindelfingen, Stuttgart, Trier, Viernheim,<br />

Vössendorf, Weiterstadt, Wien, Wien Hietzing, Wiesbaden<br />

Saturn: Augsburg, Bad Oeynhausen, Bergisch Gladbach,<br />

Braunschweig, Bremen, Darmstadt, Dortmund, Dresden,<br />

Düsseldorf, Erfurt, Essen, Euskirchen, Frankfurt, Gelsenkirchen,<br />

Gelsenkirchen, Göttingen, Graz, Hagen, Halle, Hamburg,<br />

Hamm, Hanau, Hannover, Ingolstadt, Kaiserslautern, Karlsruhe,<br />

Kassel, Klagenfurth, Kleve, Köln, Köln-Hürth, Köln-Porz,<br />

Krefeld, Leipzig, Leverkusen, Linz, Magdeburg, Mainz, Moers,<br />

München (Stachus), Münster, Neuss, Oberhausen, Reutlingen,<br />

Röhrsdorf, Saarbrücken, Stuttgart, Vössendorf, Weimar, Wien<br />

Millennium City<br />

Expert: Andernach, Bad Kreuznach, Burbach, Dillenburg,<br />

Ehringshausen, Friedberg, Gießen, Hachenburg, Koblenz,<br />

Mainaschaff, Nastätten, Neuwied, Siegen, Waldbröl, Wetzlar,<br />

Wiesbaden<br />

Best Music World GmbH Münster<br />

Cover Schallplatten Berlin<br />

Unger Sound & Vision GmbH Paderborn<br />

Zoff Records H.-J- Pitzke Bremen<br />

...in diesen Clubs gibt es das <strong>NEGAtief</strong>:<br />

Capitol, Kir, Club Pavillon, Topact, K17, Darkflower, Kuz,<br />

Come-In, Ringlokschuppen, Nachtcantine, Musikbunker,<br />

Kulturbahnhof Kato, Kufa / SB, Dominion, Factory, RPL, Schützenparkbunker,<br />

Nerodom, Markthalle, Forellenhof, Shadow,<br />

Meyer, Freeze Frame, Zentrum Zoo, X, Beatclub, Rockfabrik,<br />

Uni 1, Südbahnhof, Kulthallen, Underground, Musik<strong>the</strong>ater,<br />

Unikum, Sonic, Crash, Melodrom, Komplex, Loop, Mau Club,<br />

Nachtwerk, Dark Dance, Boiler Room, Matrix, Club Trafo, Meier<br />

Music Hall, Musik<strong>the</strong>ater, Archiv, Alchimistenfalle, Bloodline,<br />

Shadow, Eleganz / Bigstone, Nachtwerk Musikklub, Extrem<br />

und tanzbar, Loop, Koma<br />

... und über Xtra-X<br />

oder per Abonnement bei<br />

www.<strong>NEGAtief</strong>.de


And One<br />

1 .0 . Magdeburg - Factory (Ladies)<br />

1 .0 . Magdeburg - Factory (Men)<br />

0.0 . Dresden - Beatpol (Ladies)<br />

1.0 . Dresden - Beatpol (Men)<br />

Eisbrecher<br />

19.0 . Duisburg - Pulp<br />

0.0 . Herford - X<br />

1.0 . Würzburg - Posthalle<br />

6.0 . Berlin - Columbia Club<br />

7.0 . Dresden - Reithalle<br />

8.0 . Magdeburg - Factory<br />

9.0 . Frankfurt a.M. - Batschkapp<br />

Letzte Instanz<br />

0.0 . Erfurt – Gewerkschaftshaus<br />

1.0 . Glauchau - Alte Spinnerei<br />

.0 . Nürnberg – Hirsch<br />

.0 . Stuttgart - Röhre<br />

.0 . CH-Zürich - Abart<br />

5.0 . Ludwigshafen – Das Haus<br />

6.0 . A-Salzburg – Rockhouse<br />

7.0 . Lindau - Club Vaudeville<br />

ausgewählte tOurdaten<br />

8.0 . Bochum - Matrix<br />

01.0 . München – Backstage<br />

0 .0 . Köln – Kulturkirche<br />

0 .0 . Dresden - Reithalle Straße E<br />

0 .0 . Rostock – Mau<br />

05.0 . Hamburg - Knust<br />

ALbuM WEEK 3<br />

1 V.A. - Advanced Electronics<br />

Vol.7<br />

2 Die Form - Best of XXX<br />

3 V.A. - Re:Connected (3.0)<br />

4 Leæ<strong>the</strong>r Strip - Science For<br />

The Satanic Spawn<br />

5 Krystal System - Underground<br />

6 Wynardtage - The Grey Line<br />

7 Faderhead - FH3<br />

8 Klangstabil - Math & Emotion<br />

9 The Plastic Noise Experience<br />

- Reiz und Reaktion<br />

10 FGFC820 - Law & Ordnance<br />

Myk Jung durchleuchtet die Schatten<br />

Der Augenblick von Inspiration III<br />

Meiner Treu, was könnte man denn<br />

bloß für diese Ausgabe als schemen<strong>the</strong>mischen<br />

Gedankengang zusammenschnüseln,<br />

sich aus den Fingern<br />

saugen, an den Haaren herbei ziehen<br />

oder gar aus der leeren Luft schnappen?<br />

Denn siehe! Der Kopf ist leer, der<br />

Zeitdruck groß – und der Moment der<br />

Inspiration will nicht eintreten. Ah, da<br />

sind wir ja schon mitten im Thema! Ich<br />

könnte einen Abschluss der zwei vorhergegangenen<br />

Analysen zum Thema<br />

„Inspiration“ schreiben, sozusagen die<br />

Trilogie abrunden; Trilogien haben was,<br />

wollte ich schon immer mal entwerfen.<br />

Ich schrieb ja über Künstler, über jene<br />

Menschen also, die den<br />

Auftrag in sich spüren,<br />

Neues zu erschaffen, und<br />

die unterschiedlichen Auf-<br />

Lesungstermine:<br />

Mi, 01.04.09: Köln,<br />

Wohnzimmer<strong>the</strong>ater<br />

fassungen über göttliche Intuition, den<br />

Kuss der Muse etc. anhängen… Wie<br />

aber reagieren diese Menschen, wenn,<br />

obzwar herbeigefleht, der Augenblick<br />

der Inspiration partout nicht eintreten<br />

will? Wenn der Kuss der Muse ausbleibt,<br />

Schreibblockade und Schaffensunfähigkeit<br />

an dessen Stelle treten?<br />

Wenn die Leichtigkeit des kühnen<br />

Kreierens der Antriebslosigkeit, der<br />

Ideenarmut Platz gemacht hat? Wenn<br />

Nervosität, ja Panik ob dieser Erkenntnis<br />

die Situation obendrein erschweren<br />

und somit den Teufelskreis komplettieren?<br />

Diese Frage habe ich schon<br />

zahlreichen Musikern gestellt. Die<br />

Mehrheit kennt den fluchenswerten<br />

Zustand der mentalen<br />

Leere, und diejenigen, die<br />

behaupten, ihn nicht zu<br />

kennen, sind oftmals noch<br />

06.0 . Bremen – Schlachthof<br />

07.0 . Frankfurt – Batschkapp<br />

german electronic webcharts<br />

ALbuM WEEK 3<br />

1 V.A. - Advanced Electronics<br />

Vol. 7<br />

2 Hocio - Tora! Tora! Tora!<br />

3 Elegant Machinery - A Soft<br />

Exchange<br />

4 Final Selection - Clockworks<br />

5 Leæ<strong>the</strong>r Strip - Retention No.<br />

2<br />

6 V.A. - Nacht der Maschinen<br />

Vol. 2<br />

7 Wynardtage - The Grey Line<br />

8 V.A. - Electropop Vol.1<br />

9 Massiv in Mensch - Meanwhile<br />

Back in <strong>the</strong> Jungle<br />

10 Digital Factor - Look Back To<br />

Go Forward<br />

ziemlich jung, zuweilen gar<br />

so optimistisch, dass sie<br />

tatsächlich glauben, dieser<br />

Situation niemals anheim<br />

fallen zu müssen! Doch die<br />

meisten jener, die die Inspirationsarmut<br />

schon kennen<br />

gelernt haben, scheinen<br />

verdammt abgeklärt damit<br />

umzugehen: Sie behaupten,<br />

selbst wenn die Hohlheit<br />

über einen längeren<br />

Zeitraum andauert, nicht<br />

die Nerven zu verlieren,<br />

Vertrauen darin zu haben,<br />

dass allzu bald wieder eine<br />

inbrünstige Schaffensphase<br />

anbrechen würde. Sie<br />

kämpfen und ringen nicht in unerquicklichem<br />

Krampfe vor dem Monitor,<br />

sondern lassen schlicht los: beschäftigen<br />

sich mit anderen Dingen, lesen<br />

Bücher, gehen spazieren, suchen Zerstreuung,<br />

widmen sich irgendwelchen<br />

Jobs, denn sie wissen: Schaffenslaune<br />

lässt sich nicht erzwingen. Geduldiges<br />

08.0 . Berlin – Postbahnhof<br />

09.0 . Hannover – Musikzentrum<br />

Lost Area<br />

1 .0 . Magdeburg - Factory<br />

Support für And One<br />

1.0 . Dresden - Beatpol<br />

Support für And One<br />

Metallspürhunde<br />

8.0 . CH-Zürich -<br />

X-tra - Album-Release<br />

1 .0 . Wittenberg/Lu<strong>the</strong>rstadt -<br />

Club 7er<br />

1 .0 . Freiberg - Train Control<br />

1.0 . Bochum - Zwischenfall<br />

Project Pitchfork<br />

0.0 . Leipzig - Werk<br />

1.0 . Bremen - Schlachthof<br />

6.0 . Duisburg - Pulp<br />

7.0 . Zwickau - BPM Club<br />

8.0 . Görlitz - Nostromo<br />

Abwarten, unverkrampftes Lockerbleiben,<br />

keine Unruhe aufkommen lassen,<br />

sich nicht quälen etc.: solches ist die<br />

Devise! Natürlich gibt es auch Exempel<br />

des Gegenteils, wie immer – zum<br />

Beispiel diese Zeilen hier, harr.<br />

schemen<strong>the</strong>men.de<br />

myspace.com/schemen<strong>the</strong>men<br />

5


tipp der redaktion<br />

Jabberwock<br />

„Sweet Limbo“<br />

Was hier aus den Boxen<br />

schreit, blubbert und<br />

groovt, kann nur aus<br />

Frankreich kommen.<br />

In frecher und unkonventioneller<br />

Manier<br />

brennen die Elektroclasher ein Feuerwerk voller<br />

musikalischer Gewitz<strong>the</strong>it ab, ohne je den songdienlichen<br />

Aspekt zu vergessen. Die kompakten Songs<br />

sind allesamt extrem eingängig und spannend anzuhören.<br />

Elemente aus New Wave, Ska, Elektro, EBM<br />

und Synthpop verbinden sich, als hätten sie schon<br />

immer zusammengehört. Sobald man sich jedoch<br />

mit den Texten auseinandersetzt, fällt die Guillotine<br />

der gnadenlosen Abrechnung mit unserer westlichen<br />

Spaßgesellschaft: Rastlosigkeit, Verlustängste, Medienwahn,<br />

radikale Religiosität oder das Dilemma<br />

Freiheit contra Sicherheit sind nur ein Teil des Jabberwockschen<br />

Kosmos. Die Krönung jedoch zum<br />

Schluss: Die 70er Jahre Diskohymne „Le Freak“ als<br />

geisteskranke Coverversion. GERt DRExl<br />

Metallspürhunde<br />

– „Böse Wetter“<br />

Die Schweizer Hundearmee<br />

ist wieder an<br />

der Front und tanzt<br />

am Abgrund unserer<br />

Zivilisation. Auf ihrem<br />

bisher geradlinigsten<br />

und dunkelsten Album<br />

zelebriert das Quartett den Ritt ins Verderben<br />

der Menschheit. Wo früher der Sprachgesang des<br />

Oberwadenbeißers Michel manchmal eine Portion<br />

zu gleichförmig war, tritt heute perfekt intonierter<br />

Wechselgesang mit der stimmlich gewachsenen<br />

Femme fatale Marion, die bereits auf der Clubhymne<br />

„Was hat Dich bloss so ruiniert“ brillierte. Musika-<br />

lisch nicht minder abwechslungsreich, pendelt die<br />

Nadel, pardon der Leselaser zwischen straighten<br />

Elektronummern und krachigen Gothgitarrenstampfern<br />

mit filmorchestraler Horizonterweiterung. Und<br />

sogar Balladeskes findet Einzug in den Metallspürhundekosmos<br />

(„Sie will fliegen“). Absoluter Anspieltipp<br />

ist jedoch die Kritik der materiellen Welt, „Wo<br />

gehst Du hin“. Die CD wird durch ein detailreich<br />

illustriertes Comicbooklet der russischen Künstlerin<br />

Aminess abgerundet. maRiuS maRx<br />

Wertstahl<br />

„kontrol“<br />

EBM lebt. Seit dem Relaunch<br />

des frühen Elektrominimalismus<br />

durch<br />

Artists wie Spetznaz<br />

scheint das Elektrogenre<br />

auf den Nostalgiegeschmack<br />

gekommen<br />

zu sein und befeuert dankenswerterweise die Tanzflächen<br />

mit Styles abseits des Noise oder Hellectros.<br />

Wertstahl stehen zwar nicht im Alphabet zwischen<br />

Front und Nitzer Ebb, finden jedoch stilistisch<br />

genau jene Nische, die zwischen den konstruktivistischen<br />

Genies aus Belgien und den elektrominimalistischen<br />

Stilikonen aus England immer leer blieb.<br />

Wer jetzt glaubt, dass das langweilig und ewig gestrig<br />

klingt, sollte sich eines Besseren belehren und<br />

in das spannende Debüt der chromglänzenden Kontrollfreaks<br />

hineinhorchen. SiEGmaR OSt<br />

Coppelius<br />

„Tumult!“<br />

Anno 1791 gegründet<br />

und 009 erst den zweiten<br />

Longplayer veröffentlichen?<br />

Das geht nicht?<br />

Oh doch, das geht. Die<br />

werten Herrschaften der<br />

Berliner Kapelle Coppelius<br />

können sowas. „Tumult!“ heißt er und kommt<br />

mit verzerrten Celli, Klarinetten, Kontrabass und<br />

Schlagwerk daher. Gesungen wird in deutscher und<br />

ebenso in englischer Sprache. Der sanft am Metal<br />

kratzende Zylinderträger-Rock, welcher von Kennern<br />

auch gerne als Kammermusik-Metal bezeichnet<br />

wird, zeigt auf einzigartige Art und Weise, dass auch<br />

„betagter“ Sound noch kräftig zusetzen kann. Egal<br />

ob man nun auf Metal steht oder nicht, „Tumult!“<br />

ist zumindest einen größer angelegten Lauschangriff<br />

wert, weil er sich ja nun doch sehr vom alt hergebrachten<br />

Metal absetzt. Wohl bekomm’s! tYVES<br />

6 7<br />

OBEN<br />

Deathstars<br />

„Night Electric Night”<br />

Es gibt ja Metal und Metal.<br />

Zumindest wenn man<br />

mich fragt. Deathstars’<br />

Metal ist sehr eingängig<br />

und lässt sich auch sehr<br />

gut mal so nebenher hören,<br />

ohne das man gleich<br />

nach Kopfschmerzlinderungspharmazeutika rufen<br />

muss. „Night Electric Night” gibt sich sogar teilweise<br />

sehr gefühlvoll. Zum Beispiel in dem emotionellen<br />

Track „Via The End”, der sich mit dem Selbstmord<br />

des Bruders von Bandmitglied Nightmare Industries<br />

auseinandersetzt. Dieser Titel ist zugleich mein Liebster<br />

auf der Scheibe und mein Anspieltipp. Alles in<br />

allem lässt sich sagen, dass „Night Electric Night”<br />

ein würdiger, wenn nicht gar noch ausgereifterer<br />

Nachfolger für „Termination Bliss“ ist. tYVES OBEN<br />

The Pussybats – „Famous<br />

Last Songs“<br />

Das Album wird mit dem Song<br />

„Back To The Darkness“ eingeleitet,<br />

ein relativ ruhiger,<br />

aber solider Rocktrack, der<br />

ein gewisses Ohrwurmpotential<br />

besitzt. Lieder wie<br />

diese erinnern an Kollegen<br />

aus dem Norden, wie zum Beispiel HIM oder Negative.<br />

Eine weitere nennenswerte Nummer ist „Your<br />

Woman“. Dieser poplastige Track lädt immerhin<br />

zum Kopfnicken ein und macht einfach nur Spaß.<br />

Wer lieber einen Gang herunter schalten möchte,<br />

ist mit „In April“ gut bedient. Eine wunderschöne<br />

Rockballade, die zum Träumen und Nachdenken einlädt.<br />

Und das ist nicht das einzige Lied, was von einer<br />

grundlegenden Melancholie begleitet wird. Fans<br />

von alternativem Rock, mit bewegenden Texten und<br />

einer sich aufbauenden Atmosphäre, werden sich<br />

sicher mit dem Werk der Jungs von The Pussybats<br />

anfreunden können. Egal ob es der emotionale und<br />

kraftvolle Gesang ist oder die netten Gitarrenriffs,<br />

dieses Album wird bei manchem hoch und runter<br />

laufen. Wollen wir hoffen, dass wir noch mehr von<br />

dieser Band hören werden. NORma HillEmaNN


H E A V Y - C U R R E N T<br />

…zünden das Feuer!<br />

Souverän wie nie zuvor präsentiert<br />

das Synth Rock-Projekt Heavy-Current<br />

um Mastermind Jan Weisbrod den<br />

lang erwarteten Longplayer „Push The<br />

Fire”, der am 0.0 . 009 pünktlich<br />

zum Tourneestart auf dem neu gegründeten<br />

Poisonic Label erscheinen<br />

wird. Mit einer genialen Mischung<br />

aus Stilen wie Industrial Punk, Electro,<br />

Ambiente und Alternative Rock stellen<br />

Heavy-Current eine Ausnahme in<br />

der Musiklandschaft dar und zeigen<br />

mit Songs wie „Ratrace”, „One Way<br />

World” oder „Heut Nacht”, dass sie<br />

längst in der Profiliga spielen.<br />

Brachiale Synthie-Sounds, Jans facettenreicher<br />

Gesang, Felix’ druckvolle<br />

Gitarre sowie ein Feuerwerk von<br />

Nooks leidenschaftlichem Drumming<br />

– so bestechen auf „Push The Fire” elf<br />

Songs durch eine Klangäs<strong>the</strong>tik, wie<br />

es sie von Heavy-Current noch nicht<br />

zu hören gab.<br />

Mit ihrem Sound haben Heavy-Current<br />

längst die Genre-Grenzen zwischen<br />

Dark/Electro/Alternative/Rock<br />

gesprengt und in allen diesen Szenen<br />

Hörer gewonnen.<br />

Eine seit 1999 stetig wachsende Fangemeinde<br />

begleitet Heavy-Current<br />

nun über vier Studioalben. Waren die<br />

Anfänge noch stark elektronisch gehalten,<br />

spürte man doch damals schon<br />

an den verwendeten Sounds eine<br />

große Sehnsucht nach experimentellen,<br />

vor allem rockigen Klängen. Die<br />

Zusammenarbeit mit Nook und Felix<br />

seit 00 lässt Heavy-Current zu einem<br />

zielstrebigen, kreativen Team zusammenschmelzen,<br />

welches<br />

sich bereits<br />

mit dem Album„Edacious”<br />

( 006,<br />

S o n o r i u m )<br />

und der Ende<br />

008 veröffentlichten<br />

PuSH THE FIRE - Tour 2009<br />

20.03. Leipzig - Werk II 21.03. Görlitz<br />

- Landskron Kulturbrauerei 23.03.<br />

Stuttgart - Röhre 24.03. CH-Zürich<br />

- Abart 25.03. Ludwigshafen - Das<br />

Haus 26.03. A-Salzburg - Rockhouse<br />

27.03.Lindau - Club Vaudeville 12.04.<br />

Leeds [UK] Beyond The Veil Festival<br />

VI 17.04. Adelsheim Elekktroshokk<br />

Festiva 18.04. Würzburg - Posthalle<br />

24.04. Rostock - Mau 25.04. Magdeburg<br />

- Factory 30.04. Karlsruhe - Substage<br />

01.05. Marburg - KFZ 02.05.<br />

Erfurt - Gewerkschaftshaus -<br />

Net-Single „Ratrace” (Sonorium) und<br />

nun erneut auf „Push The Fire” in die<br />

Gehörgänge brennen wird.<br />

Zwei professionell produzierte Videoclips<br />

zu den Songs „DBN” ( 006) und<br />

„Ratrace” ( 008) wurden von den<br />

Fans begeistert aufgenommen und<br />

von der Fachwelt positiv bewertet.<br />

Heavy-Current wissen auch als Liveband<br />

zu überzeugen. Nicht von ungefähr<br />

sind sie bereits mit Szenegrößen<br />

wie Apoptygma Berzerk, Agonoize<br />

oder Covenant aufgetreten. Wer noch<br />

keine Gelegenheit hatte, das Trio in<br />

Aktion zu erleben, sollte sich die PUSH<br />

THE FIRE-Tour 009, bei der Heavy-<br />

Current sich zusammen mit Bands wie<br />

Project Pitchfork oder Letzte<br />

Instanz die Bühne teilen werden,<br />

nicht entgehen lassen.<br />

NiGHtwOlVE<br />

www.heavy-current.de<br />

www.myspace.com/<br />

heavycurrent<br />

www.sonorium.de<br />

www.myspace.com/<br />

sonoriumrecords<br />

Metalindustrialphilosophen<br />

„Rex Mundi X-ile“ möchte man in<br />

keine Schublade stecken. Zu unterschiedlich<br />

sind die Einflüsse zwischen<br />

härtestem Metal und Electroindustrialsounds.<br />

Cyborgesques Outfit und<br />

ein apokalyptisches Artwork lassen<br />

auf eine tiefe Abneigung der menschlichen<br />

Zivilisation gegenüber schließen.<br />

Doch die so sonnenverwöhnten<br />

Italiener haben noch mehr zu bieten<br />

und ihre stilistische Bandbreite hat<br />

einen Hintergrund.<br />

Xraphael: Am ehesten würde ich<br />

unseren Stil als „Next Generation X-<br />

Treme Industrial Metal” bezeichnen.<br />

Hauptsächlich kommen unsere Einflüsse<br />

aus dem 90er Gothic- und Metalbereich,<br />

aber letztendlich kommen<br />

in unserer Gruppe so viele Einflüsse<br />

zusammen, da jedes Mitglied noch in<br />

anderen Bands spielt. Da ist dann alles<br />

vertreten, von Fusion über Blues und<br />

Mittelalter bis Folk. Gemeinsam können<br />

wir uns aber auf die Gruppen des<br />

Cold Meat Industries Label einigen.<br />

Wofür steht der sehr kryptische Titel?<br />

Das Exil des Königs der Welten ist<br />

unser „Rex Mundi X-ile“. Es geht um<br />

den Verlust der heiligen Ursprünge,<br />

der uns ins Chaos der modernen Welt<br />

führt. Dazu gibt es viele Bezüge von<br />

der Bibel bis zum geheimnisvollen<br />

Shambala, dem versteckten Zentrum<br />

der Welt.<br />

Von Metalscreams bis zu choralen<br />

Backinggesängen ist alles vertreten.<br />

Wie entsteht diese gesangliche<br />

Vielfalt?<br />

Esoterik, Philosophie und Literatur<br />

sind unsere Haupteinflüsse. Man<br />

könnte das auch als Kaleidoskop der<br />

Gefühle bezeichnen. Und so entstehen<br />

auch die Gesangsparts. Die Grenze ist<br />

die Imagination.<br />

www.ensoph.it<br />

8 VÖ „Push The Fire”: 20.03.09<br />

9<br />

PEtER iStuk<br />

VÖ „Rex Mundi X-ile“: 20.02.09


Gerade mal sechs Monate hat die Letzte Instanz<br />

seit ihrer letzten Veröffentlichung ins<br />

Land ziehen lassen und schon folgt der nächste<br />

Streich. Ende Februar erscheint „Schuldig“,<br />

das nunmehr vierte Album in aktueller Besetzung.<br />

Nach den Akustikausflügen im letzten<br />

Jahr zeigt das Septett auf dem neuen Album<br />

nachdrücklich, dass es immer noch laut und<br />

energetisch rocken kann, frei nach dem eigens<br />

erstellten Dogma „Keine Spielereien, pure<br />

energetische Rockmusik!“ Für den amtlichen<br />

Rocksound wurde der Produzent Henning<br />

Verlage verpflichtet, der an der erstklassigen<br />

Produktion des neuen Longplayers „schuld“<br />

ist. Brachialromantik, Folk, Gothic oder Rock –<br />

Letzte Instanz bewegten sich schon immer zwischen<br />

den Stühlen. Deshalb entzieht sich auch<br />

„Schuldig“ durch seine musikalische Vielfalt<br />

jeder Kategorisierung und ist trotzdem eine<br />

klare Ansage an die deutschsprachige Rockszene,<br />

die wohl bisherige Fans begeistern wird<br />

und Freunde aus ganz anderen musikalischen<br />

Lagern überzeugen kann. <strong>NEGAtief</strong> sprach mit<br />

Violinist M. Stolz und Sänger Holly.<br />

Ihr seid Ende des Jahres von einem China-Trip<br />

zurückgekommen. Wie kam es zu diesem Gastspiel?<br />

Welche Eindrücke habt ihr mitgebracht?<br />

M. Stolz: Unser Sänger Holly konnte in seiner Wahlheimat<br />

Istanbul einige diplomatische Kontakte<br />

knüpfen und kam mit einem Mann vom Goe<strong>the</strong><br />

Institut in Kontakt. Nach einer Einladung zu einem<br />

Instanz-Konzert war er von unserer Performance so<br />

begeistert, dass er uns nach China einlud. Das Open<br />

Air vor 5000 Leuten war sehr ekstatisch – staunende<br />

und kreischende Chinesen, näher rückende Absperrungen<br />

während des Konzertes und begeisterte Goe<strong>the</strong>-Institut-Mitarbeiter.<br />

Insgesamt waren wir sehr<br />

erstaunt, wie wenig von Maos Erbe noch in China<br />

erhalten ist und wie sehr Guangzhou anderen globalen<br />

Finanzdienstleistungsstätten gleicht.<br />

Gleich der erste Track eures neuen Albums<br />

heißt „Mea Culpa“. Welcher Schuld bekennt<br />

ihr euch? Was steckt hinter dem Albumtitel<br />

„Schuldig“? Oder sprecht ihr auch den Hörer<br />

schuldig?<br />

M. Stolz: Anklagen liegen uns nicht, da wir ja selbst<br />

hinsichtlich vieler Dinge im Glashaus sitzen. Auf dem<br />

neuen Album „Schuldig” geht es vor allem um die<br />

Selbstreflexion eines jeden. Die Texte stellen Innenansichten<br />

und Gefühlswelten unseres Sängers dar<br />

Mea Culpa Rock ’n’ Roll<br />

– teils fiktiv, teils stark autobiografisch geprägt. Sehr<br />

oft wird die Schuld jedes einzelnen <strong>the</strong>matisiert. Die<br />

Schuld, die man in Partnerschaften auf sich lädt, die<br />

Schuld, welche sich durch kollektive Handlungen<br />

ergeben kann und die Schuld, die man manchmal<br />

anderen Menschen allzu leichtfertig zuweist. Dem<br />

einher geht natürlich auch das Thema Buße und<br />

Demut im Umgang mit anderen<br />

Menschen und seiner eigenen<br />

Umwelt.<br />

Das Dogma für „Schuldig“<br />

lautete: „Keine Spielerei,<br />

pure energetische Rockmusik!“<br />

Wolltet ihr nach euren<br />

„anklagen liegen<br />

uns nicht, da wir ja<br />

selbst hinsichtlich<br />

vieler Dinge im<br />

Glashaus sitzen.“<br />

Akustik-Ausflügen im letzten Jahr klarstellen,<br />

dass ihr immer noch rocken könnt? Welches<br />

musikalische Konzept stand am Anfang von<br />

„Schuldig“?<br />

M. Stolz: Ja, es hat uns in den Fingern gejuckt, nach<br />

dem Akustikalbum und der Unplugged-Tour wieder<br />

laut und wild auf der Bühne herumzutoben.<br />

Wir haben uns darum beim<br />

Songwriting sehr an unserem<br />

Live-Sound und der Energie, die<br />

wir auf Konzerten spüren und<br />

ausstrahlen, orientiert. Dadurch<br />

sind die Songs straighter und<br />

tanzbarer geworden und der<br />

Sound ist gewaltiger als bei den<br />

letzten CDs. Wir haben außerdem bewusst auf unnötigen<br />

Ballast verzichtet, da unsere Arrangements<br />

aufgrund der vielseitigen Instrumentierung bereits<br />

sehr detailreich sind, und wir haben dem Kern des<br />

jeweiligen Songs mehr Aufmerksamkeit gewidmet.<br />

Nach zwei Alben in Eigenregie habt ihr die<br />

Produktion wieder in die Hände eines erfahrenen<br />

Produzenten gegeben. Warum fiel eure<br />

Wahl auf Henning Verlage und die Principal<br />

Studios?<br />

M. Stolz: Wir kannten Hennings Produktionen für<br />

Unheilig und Down Below und fanden sie gut gemacht.<br />

Sowohl der Graf als auch die Below-Jungs<br />

legten ihn uns persönlich ans Herz.<br />

Auf dem Bundesvision Song Contest 008 haben<br />

Benni und ich Henning dann kennen gelernt und<br />

es bestand sofort ein sehr guter Draht zueinander.<br />

Wir haben die gleichen Visionen und Klangvorstellungen<br />

mit ihm geteilt und die Zusammenarbeit war<br />

besiegelt. Die Principal Studios haben ein erfahrenes<br />

Team und stehen für einen amtlichen Sound, darum<br />

fiel die Wahl auf sie. Diese Kombination wählten wir<br />

vor allem, damit wir uns mehr auf die Songs konzentrieren<br />

konnten und uns ein unabhängiges achtes<br />

Ohrenpaar zur Beratung zur Seite stand, falls man<br />

sich als Künstler mal wieder in De-<br />

10 Fotos: Andraj Sonnenkalb<br />

11<br />

tails verzettelte.<br />

In welchem Zeitraum sind die<br />

Songs fürs neue Album entstanden,<br />

und wie viel Zeit habt ihr im<br />

Studio verbracht?<br />

M. Stolz: Nach der Akustiktour begannen<br />

wir im März 008 mit dem Songwriting.<br />

Die Proben hatten wir dann im Spätsommer<br />

in einem Landhaus bei Hannover, wo wir uns von<br />

der Außenwelt abschotteten. Insgesamt wählten<br />

wir dann vier Studios für die einzelnen Instrumente,<br />

über Deutschland verteilt, in der Zeitspanne von acht<br />

Wochen im Herbst 008. Als wir in China waren, begannen<br />

Henning und Vince (Principal) mit dem Mix.<br />

Die Feinabstimmungen am Mix wurden dann Ende<br />

November per täglichem E-Mail-Rapport realisiert,<br />

da wir nicht die Zeit fanden, im Studio persönlich<br />

anwesend zu sein.<br />

Ihr lebt nach wie vor in Sachsen, Bayern und<br />

Istanbul. Wie kann man sich das Songwriting<br />

bei Letzte Instanz vorstellen? Trefft ihr euch<br />

regelmäßig oder tauscht ihr eure Ideen übers<br />

Internet aus? Nehmt ihr euch noch die Zeit, um<br />

zu jammen, wie es bei Rockbands üblich ist?<br />

M. Stolz: Die Treffen werden bei uns sechs Monate<br />

vorher geplant und finden grundsätzlich bei Tourneen,<br />

Festivalauftritten und Studioaufenthalten<br />

statt. Aber es gibt dennoch das gemeinsame Jammen<br />

bei Proben. Das ist uns wichtig, damit man sich<br />

nach langer Zeit wieder aufeinander eingrooved.<br />

Allerdings sind unsere Proben recht selten, dafür<br />

dann aber diszipliniert und intensiv über jeweils<br />

eine Woche am Stück und zehn Stunden am Tag. Die<br />

Songs werden per E-Mail geschrieben, mp s, Texte<br />

und Songfiles ständig hin und her geschickt und verändert,<br />

bis alle zufrieden sind.<br />

Die Songs „Flucht ins Glück“, „Komm!“ und<br />

„Der Garten“ gibt es seit Dezember auf der<br />

„Natürlich<br />

werden wir<br />

keine Frau mit<br />

in die Band<br />

nehmen.“<br />

Single „Flucht ins Glück“. Wird es auch noch<br />

ein Video zu einem Song geben?<br />

M. Stolz: Bislang ist kein Video geplant. Zum einen<br />

ist das Budget einfach nicht da nach dieser aufwendigen<br />

Albumproduktion. Zum anderen ist für uns<br />

gerade betriebswirtschaftlich nicht einsehbar, warum<br />

wir für viel Geld ein Video für Youtube/Myspace<br />

drehen sollten. Fast alle anderen Formate zur Präsentation<br />

eines solchen Videos sind ja mittlerweile<br />

weggebrochen. Und mit einem Low-Budget-Video<br />

würden wir uns nicht zufriedengeben.<br />

Beim Song „Dein Licht“ habt ihr<br />

wieder mit der Pianistin und Sängerin<br />

Leandra zusammengearbeitet,<br />

die euch auch schon auf der<br />

Akustiktour begleitete. Wird sie<br />

am Ende noch eine Instanzlerin?<br />

M. Stolz: Natürlich werden wir keine<br />

Frau mit in die Band nehmen. Aber<br />

sie ist mittlerweile eine gute Freundin von uns und<br />

eine sehr gute Pianistin. Und da ja im Gothic-Rock<br />

schon ab und an mal ein Klavier vorkommen kann,<br />

ist Leandra natürlich die erste Adresse zur Umsetzung<br />

dieser Idee.<br />

Holly, der Song „Der Garten“ beschäftigt sich<br />

mit dem Thema Glaube ohne Institution. Wie<br />

kam dir die Idee zu diesem Text?<br />

Holly: Hier in Istanbul kann man unheimlich viel von<br />

einem mir bislang unbekannten Kultur- und Religionskreis<br />

lernen. Das funktioniert natürlich nur mit<br />

Respekt, Neugier und Toleranz gegenüber dem Glauben<br />

des anderen. Leider lassen gerade Institutionen<br />

wie Kirche und Muslimräte diese Toleranz vermissen<br />

und haben einen großen Anteil an Spannungen und<br />

Konflikten, denen sich gläubige Menschen aussetzen.<br />

Und erst in der Fremde und durch Diskussionen<br />

mit Türken fand ich meine Neugier, die Nase in die<br />

Bibel hinein zu stecken und sich mal etwas intensiver<br />

mit dem christlichen Fundament der europäischen<br />

Kultur auseinanderzusetzen.<br />

„Der Garten“ ist ein Duett mit der türkischen<br />

Sängerin Aylin Aslim, teilweise auch in Türkisch<br />

vorgetragen. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?<br />

Was verbindet euch beide?<br />

Holly: Ich habe Aylin auf einem Gala-Konzert in der<br />

deutschen Botschaft kennengelernt. Da mir Musiker<br />

näher als Diplomaten sind, haben wir uns den<br />

Abend über versucht, mit Gebärden zu verständigen,<br />

da mein Türkisch noch recht rudimentär ist. Der Text<br />

„Der Garten” war von Anfang an als Duett ange-


dacht und so habe ich sie natürlich sofort darauf angesprochen,<br />

ob sie Lust drauf hätte. Ich fand dabei<br />

spannend, ein biblisches Thema zusammen mit einer<br />

Muslimin zu singen. Sie sagte sofort zu und das, obwohl<br />

sie zuvor noch nie ein deutsches Wort in den<br />

Mund genommen hatte. Seit dem halten wir einen<br />

losen freundschaftlichen Kontakt.<br />

Du lebst seit einiger Zeit in Istanbul. Wie hat<br />

sich deine Weltsicht seitdem verändert? Welchen<br />

Einfluss hat deine Wahlheimat auf dich<br />

als Musiker und als Mensch? Sieht man die<br />

deutsche Musikszene aus der Entfernung mit<br />

anderen Augen?<br />

Holly: Seit Sommer 007 bin ich mittlerweile Istanbulaner.<br />

Auch wenn die Luftverschmutzung dieser<br />

Großstadt keinen besonders guten Einfluss auf mich<br />

als Mensch hat, so sind die kulturellen Eindrücke<br />

enorm. Allein der morgendliche Blick aus meinem<br />

Fenster auf den Bosporus treibt lyrische Blüten. Diese<br />

Stadt hat eine enorme Vielschichtigkeit und Lebendigkeit,<br />

die einem ständig neue Textideen an den<br />

Kopf wirft. Zur Musikszene in Deutschland hatte ich<br />

immer schon einen gesunden Abstand. Es war nie<br />

mein Ding überall präsent und everybodys darling<br />

zu sein. Die freundschaftlichen Kontakte zu meinen<br />

Bandkollegen, Freunden aus der Berliner Musikszene,<br />

sowie den Damen und Herren von Schandmaul<br />

genügen mir da. Dennoch erkennt man in der Fremde,<br />

dass die Musiklandschaft in Deutschland sehr<br />

tolerant und breit gefächert ist.<br />

Wie ist es um die türkische (Gothic)-Szene bestellt?<br />

Arbeitest du noch mit anderen Künstlern<br />

zusammen? Was kannst du dir von anderen<br />

Kulturkreisen abschauen?<br />

Holly. Genau das ist der Punkt. Eine Gothic- und<br />

Metalszene existiert praktisch nicht in der Türkei. Es<br />

gibt keine Clubs und keine Läden für Menschen mit<br />

dieser Lebenseinstellung und sie selbst sind in so<br />

einer verschwindend geringen Minderheit, dass sie<br />

aufpassen müssen, dass es beim schief angeschaut<br />

werden bleibt. Dennoch knüpfe ich Kontakte zu<br />

Künstlern und Veranstaltern, die etwas offener sind<br />

und sich für unsere Musik interessieren. Was das<br />

noch für Blüten treiben wird, kann man noch nicht<br />

genau sagen. Auf jeden Fall aber besitzt türkische<br />

Musik abseits des Popmülls, sehr schöne melodische<br />

Perlen und bringt eine Schwermut und Melancholie<br />

mit sich, die nicht weit entfernt von der Gefühlswelt<br />

unserer Szene ist.<br />

Ihr habt in der aktuellen Besetzung vier Alben<br />

produziert. Wie seht ihr das äs<strong>the</strong>tische Konzept<br />

von damals und heute? Wofür steht die<br />

Letzte Instanz? Was treibt euch an?<br />

Holly: Das Konzept bzw. unsere musikalischen Vorstellungen<br />

sind die gleichen geblieben über die<br />

Jahre. Wir machen Gothic-Rock mit klassischen<br />

Streichern, welche in der Spätromantik verwurzelt<br />

sind. Unsere Texte sind melancholisch, sehr lyrisch<br />

und beschreiben eher Emotionen und Gedanken<br />

statt konkrete Begebenheiten. Das Ganze wird von<br />

einem treibenden und harten Rockfundament unterlegt.<br />

Unser Antrieb ist der Spaß am Komponieren,<br />

das miteinander Musizieren, Songs für die Ewigkeit<br />

zu schaffen, Menschen zu berühren, herumzureisen,<br />

sich den Kick auf der Bühne abzuholen und mit den<br />

Zuschauern einen perfekten Abend zusammen zu<br />

haben.<br />

Welche Herausforderungen gibt es für euch<br />

außerhalb der Musik?<br />

M. Stolz: Die Herausforderungen liegen zum einen<br />

bei unseren Familien, wo wir auch eine hohe Priorität<br />

setzen. Zum anderen benötigen wir natürlich<br />

auch einen Ausgleich zu<br />

der Arbeit an den eigenen<br />

Songs und den anstrengenden<br />

Konzerten.<br />

Manche in unserer Band<br />

reisen, andere gehen<br />

Bergsteigen, aber auch<br />

andere musikalische Projekte<br />

gleichen die Arbeit<br />

in der Letzten Instanz aus.<br />

Ich persönlich betreibe<br />

ein Tonstudio, produziere<br />

Bands und finde es angenehm,<br />

gelegentlich auf<br />

der anderen Seite der<br />

Scheibe zu sitzen.<br />

Ihr werdet im März/<br />

April auf „UNSchuld-<br />

stour“ gehen. Womit kann der Fan rechnen?<br />

Werden euch wieder Gäste begleiten? Was erwartet<br />

ihr eigentlich von einem Livekonzert?<br />

M. Stolz: Ein Livekonzert von uns ist immer eine<br />

große Party, wo ganz viel Spaß<br />

und Energie von der Bühne<br />

kommen und das Publikum<br />

ansteckt. Das erwarten wir<br />

auch von uns selbst, dass wir<br />

die Zuschauer herumkriegen<br />

und zum Schwitzen bringen.<br />

Wir werden verschiedene<br />

Bands mit auf Tour nehmen,<br />

welche jede für sich den Abend würdig beginnen<br />

wird. Van Canto, Heavy-Current, Silent Poem, Weto<br />

und Coppelius sorgen in den jeweiligen Städten für’s<br />

Anheizen, bevor wir mit zwei Stunden Konzert dem<br />

Publikum den Rest geben. Und wo es uns das Ordnungsamt<br />

gestattet, werden wir wieder Feuer auf<br />

die Bühne bringen.<br />

Wie kann man schnell noch auf das Tourplakat<br />

der Letzten Instanz kommen?<br />

M. Stolz: Einfach die Bandinitialen der Band - L I -<br />

mit den Fingern formen, einem Freund eine Kamera<br />

in die Hand drücken, dieser Kamera die Hände<br />

pommesgabelähnlich, aber mit unserem Zeichen,<br />

entgegenstrecken und das entstandene Bild dann<br />

an folgende E-Mail-Adresse schicken: zeichen@<br />

letzte-instanz.de. Sehr schön wäre es, wenn noch<br />

der Spitzname oder der echte Name in der E-Mail<br />

genannt wird.<br />

www.letzte-instanz.de<br />

VÖ „Schuldig“: 27.02.09<br />

„allein der<br />

morgendliche Blick aus<br />

meinem Fenster auf<br />

den Bosporus treibt<br />

lyrische Blüten.“<br />

1 1<br />

RiNGO müllER


Metallspürhunde<br />

Wetterkunde<br />

Seit ihrem Überhit, der elektronisch spritzigen<br />

Coverversion „Was hat Dich bloss so ruiniert“<br />

sitzen die schweizer Wadenbeißer im Studio<br />

und werkeln an dem lange überfälligen<br />

Nachfolger. Das Resultat kann sich hören<br />

lassen. Noch nie waren die Hunde zupackender,<br />

noch nie konnten sie ihre gesellschaftskritische<br />

Note in so dunkle und gleichermaßen<br />

eingängige Tracks verpacken.<br />

Mit einer neuen Single im Gepäck brauen<br />

sich dunkle Wolken über dem alpinen Horizont,<br />

die Lawine wird auch in Deutschland<br />

den Boden für eine der innovativsten Bands<br />

der schweizer Szene bereiten.<br />

„Die letzte große Fahrt“ – Man muss fast<br />

Angst bekommen. Ihr denkt nicht ans Aufhören,<br />

oder?<br />

Aber nein, ganz im Gegenteil! Wir haben den Kompass<br />

immer dabei, im Gegensatz zur Schiffs-Crew<br />

in besagtem Song. „Die letzte grosse Fahrt” steht<br />

sinnbildlich für die heutige Gesellschaft: Wir fahren<br />

mit Volldampf drauflos, je schneller und weiter, desto<br />

besser. Es scheint, als ginge es nur darum, in Bewegung<br />

zu bleiben und irgendwie voranzukommen.<br />

Aber was heißt Vorankommen im Leben? Ist dieses<br />

Streben nach immer mehr Leistung und Profit wirklich<br />

das Ziel der Fahrt? Die Crew in unserem Song<br />

erinnert darum an Untote, die zwanghaft immer wieder<br />

ihre Arbeitsabläufe wiederholen und dabei die<br />

Inhaltslosigkeit ihres Tuns gar nicht mehr erkennen.<br />

Steuert die Menschheit wirklich aufs Ende zu?<br />

Wir glauben definitiv, dass wir uns bereits Richtung<br />

Niedergang befinden. Es ist nur eine Frage der Zeit!<br />

Aber bei aller Endzeitstimmung: Für sich persönlich<br />

hat jeder die Fähigkeit, das Steuer rumzureißen und<br />

Verantwortung zu übernehmen in seinem Leben. Es<br />

ist nur eher unwahrscheinlich, dass die Menschheit<br />

das im Kollektiv schaffen wird, daher geht wohl früher<br />

oder später alles den Bach runter.<br />

Wofür steht denn der Klabautermann? Hat<br />

dieses Maskottchen den fiesen Köter abgelöst?<br />

Nein, der Köter ist nach wie vor treu bei Fuß! Der<br />

Klabautermann begleitet jedoch die Besatzung<br />

auf der letzten grossen Fahrt: Nach alter Seemannsüberlieferung<br />

handelt es sich dabei um einen Schiffsgeist.<br />

Es ist eigentlich ein guter Geist, der unsichtbar<br />

ist und sich nur durch Klopf- oder Poltergeräusche<br />

zu erkennen gibt. Oft warnt er z.B. den Kapitän vor<br />

Gefahren. Der Klabautermann zeigt sich nur, wenn<br />

es bereits zu spät ist: Er verlässt das Schiff erst dann,<br />

wenn es keine Rettung mehr gibt. Der überlieferte<br />

Spruch dazu lautet: „Wenn er klopft, bleibt er, wenn<br />

er hobelt, geht er“ und wird im Song von der 11jährigen<br />

Chiara vorgetragen.<br />

Warum habt ihr gerade diesen Track als Single<br />

ausgewählt?<br />

Wir wollten dem inhaltlichen Statement auf jeden Fall<br />

eine spezielle Plattform bieten, gleichzeitig transportiert<br />

der Song die Grundstimmung des Albums sehr<br />

schön. Diese leicht melancholisch und gleichzeitig<br />

tragisch gefärbte Atmosphäre steht zu hundert Prozent<br />

für „Böse Wetter”! Musikalisch gesehen kommt<br />

er eher gemäßigt daher, was wiederum die perfekte<br />

Steilvorlage für Remixe bot. Eisenfunk haben daraus<br />

einen harten Mix fürs Tanzbein gemacht, und<br />

Dementi haben dem Song sogar noch durch eigene<br />

Lyrics eine zusätzliche Dimension gegeben. Und zu<br />

guter Letzt hat der Song<br />

die Künstlerin Claudia<br />

Rindler (Rotten Art) zu<br />

einem wunderschönen<br />

Video im Stop-Motion-<br />

Stil inspiriert!<br />

In den Clubs von<br />

Deutschland geistern<br />

seltsame<br />

suchtbringende Elixiere<br />

für die letzte<br />

große Fahrt. Was ist<br />

das eigentlich für<br />

ein böses Gebräu?<br />

Also es ist schon mal<br />

kein Rum, hehe. Aber<br />

ein energiehaltiger<br />

Trank, der einem<br />

Kraft für die lange<br />

Fahrt gibt! Versuch,<br />

eins zu ergattern<br />

und finde es selbst<br />

raus.<br />

„Böse Wetter“ klingt straffer und songorientierter<br />

als alle eure früheren Werke. Was hat<br />

euch dazu bewogen? Wie sind die Songs entstanden?<br />

Das stimmt, ein Großteil der Songs ist recht gradlinig.<br />

Wir befanden uns in einer Phase, wo wir gerade<br />

viel Spaß an straighten, vermehrt auch elektronischen<br />

Strukturen hatten. Und im Gegensatz zum<br />

letzten Album haben wir diese Strukturen vielleicht<br />

noch mehr betont. Es stand eigentlich kein Konzept<br />

dahinter, wir hatten einfach Bock auf eine klare Linie<br />

und mitreißende Songs!<br />

Das Album scheint einer Choreografie zu folgen.<br />

Wie würdet Ihr den roten Faden des Albums<br />

beschreiben?<br />

Der Begriff „Böse Wetter” stammt ja aus der Bergmannssprache<br />

und bezeichnet eine bestimmte Luftqualität<br />

unter Tage: Wenn es zu wenig Sauerstoff<br />

hat und der Giftanteil in der Luft ein kritisches Maß<br />

erreicht, sprich man von bösen Wettern. Dies ist auch<br />

ein perfektes Symbol für das Album: Es handelt immer<br />

wieder von Bedrohungen, Gefahren, und die Betroffenen<br />

merken eventuell zu spät, dass etwas nicht<br />

in Ordnung ist. So wie die Untoten auf dem Schiff<br />

in „Die letzte grosse Fahrt” nicht merken, dass sie<br />

tot sind. Gleich mehrere Songs drücken auch die Ambivalenz<br />

aus zwischen dem Drang, weiter zu gehen<br />

und eine ungewisse Wahrheit erfahren<br />

zu wollen und<br />

dem Drang, einfach<br />

alles aufzugeben.<br />

„Was hat Dich bloss<br />

so ruiniert“ war euer<br />

Überhit des letzten<br />

Herbstes. Euer vokalerFrontwadenbeisser<br />

Michel hatte<br />

hier einmal der Femme<br />

Fatal Marion das<br />

Mikro überlassen.<br />

Marion scheint sich<br />

emanzipiert zu haben<br />

und ist auf dem neuen<br />

Album viel öfter zu<br />

hören als je zuvor. Wie<br />

hat sich das ergeben?<br />

Wir dachten ja erst, die<br />

„Ruiniert”-Single würde<br />

ein einmaliges Experiment<br />

bleiben. Es war ja damals zuerst gar nicht geplant,<br />

dass Marion singt und hat sich durch<br />

allerlei kuriose Umstände ergeben. Nachdem<br />

die Single aber so gut ankam und die Fans sich<br />

mehr davon wünschten, haben wir für „Böse<br />

Wetter” gleich zwei Songs im Gepäck, auf denen<br />

Marion zu hören ist. Sie dachte ja schon, sie<br />

könnte sich wieder zurücklehnen, aber da lag<br />

sie eben falsch, haha!<br />

Woran lag es eigentlich, dass das Album<br />

jetzt doch so lange gebraucht hat? Es war<br />

ja schon viel früher angekündigt?<br />

Ja, eine seltsame Sache. Es kamen einige Dinge<br />

zusammen in unserem Privatleben, die viel Energie<br />

abgezogen haben. Irgendwann kam der<br />

Punkt, wo wir ganz bewusst entschieden haben,<br />

nichts um jeden Preis durchboxen zu wollen. Wenn<br />

wir länger brauchen, dann brauchen wir eben länger.<br />

Dafür arbeiten wir nur dann am Album, wenn<br />

wir Lust darauf haben, und diese Haltung hat sich<br />

hinsichtlich des Resultats auch ausgezahlt!<br />

Das umfang- und detailreiche Artwork des<br />

Albums zeigt euch als Endzeitkrieger in einer<br />

verwüsteten Welt. Wer hatte die Idee dazu?<br />

Die Idee kam von uns, ausgearbeitet wurde sie von<br />

Aminess, einer sehr begabten russischen Künstlerin.<br />

Sie hat uns im Comic-Stil gemalt und uns in diese<br />

schaurig-schöne Landschaft platziert. Bedrohlich<br />

und apokalyptisch, das ist die Böse-Wetter-Welt!<br />

Gibt es auch für Sammler eine bestimmte<br />

Edition und ist vielleicht eine zweite Single<br />

geplant?<br />

Ja, es wird etwas Spezielles geben: Wir bieten eine<br />

limitierte, handsignierte Fan-Box mit den Singles<br />

„Was hat Dich bloss so ruiniert” und „Die letzte<br />

grosse Fahrt” sowie dem neuen Album „Böse<br />

Wetter” an. Also die drei aktuellsten Releases<br />

in einer Sammlung. Eine zweite Single ist noch<br />

nicht spruchreif, die Idee dazu geistert allerdings in<br />

unseren Köpfen herum. Wir werden euch auf dem<br />

Laufenden halten!<br />

Gerade in der letzten Zeit wirft sich die kleine<br />

Schweiz mit visionären Releases (z.B. The Beauty<br />

Of Gemina neben euch) ins Zeug und zeigt<br />

den Deutschen, wie sich der Underground aus<br />

der Stagnation retten kann. Woran liegt das?<br />

Verliert die Schweiz das Beschauliche?<br />

Die Schweiz hatte schon immer einen Untergrund,<br />

der alles andere als beschaulich ist. Nur bleibt das<br />

meiste davon innerhalb<br />

der Landesgrenzen. Im Vergleich zu<br />

Deutschland ist die Szene in der Schweiz natürlich<br />

eher klein, was aber auch Vorteile haben kann: Es<br />

gibt kaum große Idole, in deren Schatten man steht<br />

und es gibt auch viel weniger Konkurrenz, an der<br />

man sich vermeintlich messen muss. Somit gehen<br />

wir vielleicht ein Stück weit unbedarfter und frischer<br />

an die Arbeit und es fällt leichter, sich eine eigene<br />

Identität zu schaffen.<br />

www.mshunde.ch<br />

1 15<br />

GERt DRExl


Coppelius<br />

Tumultiger Zylinderträger-Rock<br />

Die munteren sechs Gesellen der Anno 1791<br />

ins Leben gerufenen Kapelle Coppelius, veröffentlichen<br />

dieser Tage ihr zweites Langspielwerk<br />

namens „Tumult!“. Ihrem Stil, der<br />

von vielen als Kammermusik-Metal bezeichnet<br />

wird, sind Coppelius auch auf „Tumult!“<br />

treu geblieben. Der Zylinderträger-Rock wartet<br />

wieder mit verzerrten Celli, die an Apocalyptica<br />

erinnern, Klarinette und Kontrabass,<br />

insgesamt mit Musik die zeitweise schon sehr<br />

am Metal kratzt, auf. Eine lange Tour ist auch<br />

schon in Planung, auf das die Fangemeinde<br />

den extravaganten Shows wieder beiwohnen<br />

kann. Wer von den Herrschaften einfach<br />

nicht genug bekommen kann, muss sich unbedingt<br />

auf deren Website einfinden, um zumindest<br />

Bauklötzchen zu staunen, denn der<br />

Meister mit der geschulten Hand und dem<br />

geschulten Blick, dem diese Seite „passiert“<br />

ist, weiß ganz sicher, wie man ein Publikum,<br />

selbst im weltweiten Netz, in Begeisterung<br />

versetzt und bei Laune hält.<br />

[...aus dem coppelianischen Ministerium für<br />

Wel<strong>the</strong>nruhm: Graf Lindorf schreckte aus<br />

tiefem Schlaf auf - und hatte doch so schön<br />

von ausgedehnten Cellosoli ohne Unterbrechungen<br />

von Klarinetten oder Triangeln<br />

geträumt! Selbst schuld - wer im Salon vor<br />

dem wärmenden Kamin ein Nickerchen im<br />

coppelianischen Lieblingsohrensessel hält,<br />

muss damit rechnen, dass ein aufgeregter<br />

Comte Caspar vom coppelianischen Minister<br />

für Wel<strong>the</strong>nruhm durch den Saal gescheucht<br />

wird - und kommt nicht umhin, gleich die<br />

neuesten Fragen aus der Ferne zu beantworten<br />

- nicht unter der Ausrede, dass der Cellobogen<br />

kolofoniert werden müsse (denn dies<br />

hat pflichtschuldigst Butler Bastille bereits<br />

erledigt), und auch nicht unter der fadenscheinigen<br />

Ausflucht, das Tagesblatt noch<br />

nicht gelesen zu haben (denn ebendieses<br />

liegt um des Grafen Sessel verteilt herum).<br />

Selbst Max Coppella wurde mit einem eigens<br />

für ihn gebrauten Getränk zur Beantwortung<br />

der Fragen gelockt.]<br />

Was bedeutet es für euch, Musik zu machen<br />

und was bedeutet Musik für euch im Allgemeinen?<br />

Graf Lindorf: Es gibt Leute, so auch unser Butler Bastille,<br />

die behaupten, Ordnung sei das halbe Leben.<br />

Das kann in unserem oder zumindest in meinem<br />

Falle nicht gelten, denn Musik bestimmt zu weit<br />

mehr als der Hälfte unser Leben. Musik macht<br />

Coppelius nun schon seit weit mehr als 00 Jahren<br />

- ich kann mir keine aussagekräftigere Antwort<br />

denken.<br />

Max Coppella: Sie müssen wissen, dass meine<br />

musikalischen Fähigkeiten hier völlig unterfordert<br />

werden, deshalb nimmt die Musik von Coppelius<br />

einen nur unbedeutend kleinen Teil meines Lebens<br />

in Anspruch.<br />

„Rightful King” ist einer der drei komplett in<br />

Englisch dargebotenen Songs auf eurem neuen<br />

Longplayer „Tumult!”. Was macht sie so<br />

besonders, dass sie dieses, sagen wir mal Privileg,<br />

genießen dürfen und wer ist Kunigunde<br />

van Heller?<br />

Le Comte Caspar: Genauso, wie es im Allgemeinen<br />

kein Privileg für ein Stück ist, vor einem Trugschluss<br />

eine Quintparallele zu besitzen, ist auch die Sprache<br />

mehr künstlerisches Mittel als Privileg. „Rightful<br />

King” im Speziellen war schon immer in englischer<br />

Sprache - der geneigte Hörer möge sich von seinem<br />

Butler ein anglizistisches Konservationslexikon reichen<br />

lassen, wenn er den Text nicht versteht.<br />

Max Coppella: Nicht zu wissen, wer Kunigunde van<br />

Heller ist, kann einen hier die Gesundheit, wenn<br />

nicht sogar das Leben kosten. Aber ich antworte<br />

trotzdem gern: Sie ist, gemeinsam mit Frau von Talermark,<br />

für die Versorgung des Publikums mit den<br />

nötigsten coppelianischen Utensilien bei Konzerten<br />

und in einem eigenen Laden auf den galvanischen<br />

Seiten zuständig.<br />

Metallisches Gewusel unterstützt von verzerrten<br />

Celli, Klarinetten und Kontrabass sind<br />

ja, dank eurer Kreativität, nicht wirklich oft<br />

anzutreffen. Wo liegen eure musikalischen<br />

Wurzeln? Gibt es „Vorbilder” als Quell der Inspiration?<br />

Le Comte Caspar: Danke für die Schmeichelei - jedoch<br />

ist unser Instrumentarium zum Einen gar nicht<br />

so selten anzutreffen, wie Sie vielleicht denken<br />

- jedes gut ausgerüstete Kammerorchester hat min-<br />

destens einen mittelmäßigen Klarinettisten - zum<br />

Anderen sicherlich nicht dank unserer Kreativität,<br />

sondern eher dank der Unkreativität des gesamten<br />

Restes der Gilde, welche nur voneinander abschauen,<br />

anstatt sich selbst einmal etwas Neues auszudenken!<br />

Graf Lindorf: Komisch, ein anderer Herr Journalisticus<br />

hat uns fast die gleiche Frage vor ein paar<br />

Tagen gestellt. Waren nicht Sie… Wie auch immer,<br />

ich bin froh, dass endlich jemand erkannt hat, dass<br />

das Cello als erstes zu nennen ist, nicht wahr Herr<br />

Coppella?<br />

Max Coppella: Normalerweise stehe ich bei solchem<br />

Fehlverhalten eines Fragenden sofort auf und<br />

gehe meiner Wege, allein hat mich dieses Getränk<br />

hier in so gute Laune versetzt, dass ich nicht kann,<br />

seltsam.<br />

Was heißt es für euch, eure Texte in Deutsch<br />

darzubieten?<br />

Graf Lindorf: Ich höre immer „euch”, „eure”. Hatten<br />

wir uns schon auf das Du geeinigt? Sie müssen<br />

wissen, ich kann so schrecklich vergesslich sein.<br />

Aber wen wundert das? In meinem Alter. Deutsch<br />

ist unsere Muttersprache, wenn man mal von Nobusama<br />

absieht, aber er träumt bereits in Deutsch,<br />

denn als ich mir neulich einen Schlaftrunk aus dem<br />

Weinkeller holen wollte, war das deutsche Gemurmel<br />

im Schlafe von Herrn Nobusama draußen vor<br />

seinem Zimmer nicht zu überhören.<br />

Max Coppella: Nein, Herr Graf, wir hatten uns nicht<br />

auf ein „du” mit ihm geeinigt und langsam werde<br />

ich auch ein wenig ungehalten ob solcher Dreistigkeit.<br />

Oh, ich glaube, die Wirkung des Getränkes<br />

lässt nach.<br />

Le Comte Caspar: Dort, wo andere Musicii unverständliches<br />

Ausländisch in die Mikrophonie<br />

murmeln, anstatt gleich „Trallalera,lalera,lala” zu<br />

singen, haben wir zwei wunderbare Klarinetten,<br />

welche diesen melodiösen Part übernehmen können.<br />

Wie entstehen eure Texte?<br />

Graf Lindorf: Wir schreiben nur über ganz alltägliche<br />

Dinge, mit denen wir uns immer wieder konfrontiert<br />

sehen. Denken Sie z.B. an Morgenstimmung, an Escapade<br />

I & II, an Urinstinkt oder Operation!<br />

Max Coppella: „Wir”, plötzlich höre ich „wir”, Herr<br />

Graf, Sie wissen ganz genau, wie böse ich werde,<br />

wenn jemand so was sagt, wo ich doch alles alleine<br />

schreibe!<br />

Le Comte Caspar: In einer so aufregenden Zeit wie<br />

der jetzigen, in der fast jeden Tag neue Rekorde<br />

aufgestellt werden, weiß man ja gar nicht, worüber<br />

man zuerst berichten soll! Sehen Sie, Otto Lilienthal<br />

wollte erst kürzlich die Gleitflugdauerhöchstmarke<br />

verbessern - leider gab es dabei einen schrecklichen<br />

„Unfall”. Die wahren Hintergründe werden auf<br />

„Tumult!“ aufgedeckt.<br />

Der Name Coppelius ist an die gleichnamige<br />

Romanfigur von E.T.A. Hoffmann angelehnt.<br />

Welche Umstände haben euch zu diesem Namen<br />

geführt?<br />

Max Coppella: Potzblitz, das kann doch nicht, gleich<br />

bin ich wieder ganz der Alte.<br />

Graf Lindorf: Diese Frage muss ich auch schon 57<br />

Mal gehört haben, so bekannt kommt sie mir doch<br />

trotz meines alten Hirns vor. Wenn ich Sie also<br />

ob Ihres Irrtums aufklären darf: Nicht der Name<br />

Coppelius ist an die gleichnamige Romanfigur von<br />

E.T.A.Hoffmann angelehnt, sondern andersherum,<br />

unser Sandkastenfreund Hoffmann verwendete<br />

später den Namen Coppelius sozusagen als kleine<br />

Aufmerksamkeit zu irgendeinem Jubiläum in seinem<br />

Roman. Und eine Antwort auf die Frage, wie<br />

wir zu diesem Namen gekommen sind, dürfen Sie<br />

wirklich nicht erwarten - das liegt nun schon mehrere<br />

Jahrhunderte zurück. Oder weiß es jemand?,<br />

Herr Coppella, Le Comte?<br />

Le Comte Caspar: Bitte, was? Ach so - ja, der gute<br />

alte Ernst Theodor! Er hat auch komponiert - wussten<br />

Sie das?<br />

Wie seht ihr die „neue” Downloadmentalität?<br />

Ist sie eher förderlich oder hinderlich in euren<br />

Augen? Ich meine hierbei nicht nur die offiziellen,<br />

sondern die auch immer noch illegalen<br />

Downloadportale und -seiten.<br />

VÖ „Tumult“: 30.01.09<br />

16 17


Graf Lindorf: Man hat uns vor kurzem darüber aufgeklärt,<br />

dass man Musik heutzutage in Windeseile<br />

überallhin verbreiten und kopieren kann, wenn man<br />

ein spezielles Gerät dafür besitzt. Also ich muss<br />

schon sagen! Nicht auszudenken, das wäre ja, als<br />

ob man zum Bäckersmann geht und sein Brot, ohne<br />

zu bezahlen an Freunde schickte. Oder stellen Sie<br />

sich nur vor, ein Zeitungsjunge würde die Zeitung<br />

einfach verschenken. Sowohl Bäckersmann als auch<br />

Zeitungsdruckerei würden sofort den Gendarmen<br />

rufen. Heute ist wohl alles anders. Man müsste sich<br />

eigentlich wieder häufiger duellieren!<br />

Max Coppella: Das ist alles eine Unverfrorenheit,<br />

schlecht sind die Menschen, schlecht, schlecht,<br />

schlecht.<br />

Le Comte Caspar: Kann man das Duellieren heutzutage<br />

nicht auch per galvanischer Verschickung<br />

erledigen? An mehreren Duellen gleichzeitig teilnehmen?<br />

Ein Duell neu beginnen, wenn einem das<br />

Ergebnis nach der ersten Runde nicht passt?<br />

Soweit zur Pflicht. Nun zur Kür. Kommen<br />

wir mal zum Jahr 1791. Bekanntlich begann<br />

das Jahr ja an einem Samstag. Im März wurde<br />

Vermont 14. Bundesstaat der USA und im<br />

Dezember wurde in London die erste Sonntagszeitung<br />

rausgebracht. Was hat euch in<br />

diesem Jahr dazu bewegt, eure Formation zu<br />

gründen? War es vielleicht die Einweihung<br />

des noch nicht ganz fertiggestellten Brandenburger<br />

Tors in Berlin oder habt ihr Mozarts Uraufführung<br />

der Zauberflöte gesehen und euch<br />

inspiriert gefühlt?<br />

Graf Lindorf: Begann das Jahr wirklich an einem<br />

Samstag? Wie haben Sie das nur herausbekommen?<br />

Sie müssen ein Rechengenie sein. Zu jener<br />

Zeit gab es vieles zum allerersten Mal und auch die<br />

Zauberflöte war sehr innovativ. Fragen Sie Herrn<br />

Coppella, der weiß noch am meisten über jenen<br />

Abend. Ich persönlich denke, dass zu viel Wein an<br />

jenem Abend diese Idee hervorbrachte, anders ist<br />

das gar nicht zu erklären.<br />

Max Coppella: Neinneinnein, so war es nicht, das<br />

wissen Sie genau, ich hatte mich eingesungen, um<br />

an jenem schicksalhaften Datum die Partie der Königin<br />

der Nacht zu geben und mit einem scheuß-<br />

lichen Getränk beraubten sie mich meiner Stimme.<br />

Anschließend nutzten Sie meine Depression, um mir<br />

einen Knebelvertrag unter die Nase zu reiben, der<br />

mich noch immer an diese untalentierten Scharlatane<br />

von Coppelius bindet. So und nicht anders hat<br />

es sich zugetragen, jawohl!<br />

Apropos Mozart. Ich habe eurer Terminliste<br />

entnehmen können, dass ihr bis jetzt als einziges<br />

Auslandsdate in Wien live spielen werdet,<br />

dafür aber richtig viel in Deutschland. Gibt<br />

es einen Ort oder eine Stadt, die ihr auf eurer<br />

kommenden Tour gern besuchen würdet?<br />

Graf Lindorf: Wir haben uns immer wieder gewünscht,<br />

wieder in Zürich aufzutreten, aber die<br />

Veranstalter dort haben wohl zu viele Horrorgeschichten<br />

von abgebrannten Opernhäusern und<br />

ruinierten Saalbesitzern gehört. Ich persönlich kann<br />

mir das gar nicht erklären.<br />

www.coppelius-band.de<br />

www.myspace.com/coppeliushilft<br />

tYVES OBEN<br />

Wer von der Neugier<br />

gequält wird…<br />

...vor allem von der Neugier auf<br />

gute neue Songs im Sound des<br />

80er-Gitarren-Wave, der sollte<br />

einmal der Band Curious und deren<br />

aktuellem Album „Arrhythmia”<br />

seine Aufmerksamkeit widmen.<br />

Curious haben 1999 ursprünglich als<br />

eine The Cure-Coverband angefangen,<br />

jedoch schon bald mit der Komposition<br />

eigener Songs begonnen.<br />

Nach einer eigenproduzierten EP mit<br />

dem Titel „Falling“( 00 ) veröffentlichten<br />

Curious 00 ihr Debütalbum<br />

„The Intimate Stranger“ bei Genetic<br />

Music und konnten damit bereits<br />

viele Fans begeistern. Mit „Arrhythmia“<br />

ist im November 008 das zweite<br />

Longplayer-Werk von Curious auf<br />

dem Sonorium Label erschienen (als<br />

CD und Digital-Release). Dazu gibt es<br />

in Kooperation mit afmusic die Net-<br />

Single „Days”.<br />

Die Band aus Bielefeld hat ihren Stil<br />

nochmals deutlich weiterentwickelt<br />

und ein eigenständiges Profil entfaltet,<br />

das neben den unverkennbaren<br />

Stileinflüssen des 80er Wave noch<br />

Raum genug für innovative und individuelle<br />

Elemente bietet. Eingängige<br />

und tanzbare Songs sowie auch<br />

spannungsgeladene Kompositionen<br />

mit dramatischen Elementen vereinen<br />

sich auf „Arrhythmia” zu einem<br />

abwechslungsreichen Album. Der<br />

ungewohnt anmutende Albumtitel<br />

„Arrhythmia” ist ursprünglich eine<br />

medizinische Bezeichnung für eine<br />

Herzrhythmusstörung oder unregelmäßigen<br />

Herzschlag. Bei Curious<br />

steht das Herz als Symbol für das<br />

Zentrum der menschlichen Gefühlswelt,<br />

das durch die in den Texten<br />

transportierten Empfindungen berührt<br />

wird und aus dem gewohnten<br />

Rhythmus gebracht werden kann.<br />

„Resurrection“, „Dazzled“ oder „The<br />

Way To Nowhere“ sind eher ruhige,<br />

atmosphärisch emotionsgeladene<br />

Stücke, die zum Träumen anregen.<br />

Songs wie „Days“, „To Run With The<br />

Hare And Hunt With The Hounds“<br />

oder „J. Mary (Swee<strong>the</strong>art)“ sind<br />

dagegen für die Tanzflächen der<br />

Goth- und Wave-Clubs geschaffen<br />

und haben das Potenzial, dort ebenso<br />

zu überzeugen wie der schon früher<br />

veröffentlichte und als Bonustrack<br />

enthaltene Song „Thrill B“. Dass Cu-<br />

VÖ: „Arrhythmia”: 14.11.08<br />

rious ihre Musik auch erfolgreich live<br />

umzusetzen vermögen, haben ihre<br />

vielen Konzerte (u.a. mit Größen wie<br />

The Mission) bereits bewiesen. Auch<br />

in 009 wird es wieder Gelegenheiten<br />

geben, Curious auf der Bühne<br />

erleben zu dürfen.<br />

NiGHtwOlVE<br />

www.curious-music.de<br />

www.myspace.com/<br />

curiousgermany<br />

www.sonorium.de<br />

www.myspace.com/<br />

sonoriumrecords<br />

18 19


Im Fegefeuer der Gegenwart<br />

„Sweet Limbo“, die süße Vorhölle<br />

der französischen Ausnahmeformation<br />

beginnt bereits im Jetzt. So<br />

zumindest setzt das Artwork die<br />

zerlaufenden, zerstückelten, ausgequetschten<br />

und malträtierten Comicprotagonisten<br />

im Booklet in Szene, das in<br />

seiner Brutalität an die „Happy Tree Friends<br />

meets Keith Haring“ erinnert. Die musikalische<br />

Umsetzung dreht alles durch den Fleischwolf,<br />

was stilistisch nicht niet- und nagelfest ist. Ob<br />

Darkwave, Hip-Hop, Electroclash oder Industrial,<br />

die Achterbahn der Stile gibt sich hier<br />

ein Stelldichein mit Alice im LSD-Land und<br />

verspricht eines der kurzweiligsten Alben des<br />

Monats.<br />

Corrado: Es gibt für uns nur eine Richtschnur, das Mischen<br />

und Neuerschaffen musikalischer Fragmente<br />

zu einem dunklen Gesamtbild. Unsere Einflüsse<br />

stammen in der Tat aus der Industrial-, Darkwave-,<br />

Deathrock- und Independent-Szene. Noch dazu gesellt<br />

sich dann traditionell französische Musik und<br />

Psychedelic oder Hip-Hop. Wir nennen das gerne<br />

auch „Wild Dark Rock“.<br />

Lena: Ich sehe uns auch in keiner Bandtradition. Das<br />

meiste entsteht instinktiv.<br />

Woher stammt euer obskurer Bandname?<br />

Corrado: Jabberwock stammt aus einem Gedicht<br />

„Es ist ein<br />

langer<br />

weg aus<br />

der süßen<br />

Vorhölle.“<br />

„Alice through <strong>the</strong> looking glass”, Jabberwock<br />

ist auch ein Monster, das zum<br />

Kosmos von Lewis Caroll gehört.<br />

Eure Artwork ist ja nur oberflächlich<br />

witzig. Eure Kreaturen werden<br />

wahrlich geschändet.<br />

Corrado: Genau, so fühlt man sich doch<br />

auch in der modernen Welt von heute. Wir lavieren<br />

zwischen Prägung und sozialen Standards, welche<br />

unser Bewusstsein malträtieren und unseren Verstand<br />

in Stücke reißen. Texte wie Bilder beziehen<br />

sich stark aufeinander und versuchen dem Ganzen<br />

einen ironischen Anstrich zu verpassen.<br />

Kann diese Ironie die Hilflosigkeit und den<br />

Schmerz lindern?<br />

Corrado: Ich denke, wenn du die Umstände verstehst,<br />

kannst du auch die Wirkung unterdrücken. Man lernt<br />

so, damit zu leben.<br />

Lena: Vielleicht auch der einzige Weg, um einen Platz<br />

für sich in der Welt zu finden. Aber der Weg dorthin<br />

ist chaotisch.<br />

Das Dilemma der absoluten Sicherheit kontra<br />

der zügellosen Freiheit beschreibt ihr in „Safe”.<br />

Gibt es eigentlich einen Ausweg aus den gesellschaftlichen<br />

Einbahnstraßen?<br />

Corrado: Ohne das Bewusstsein generell zu verändern,<br />

bestimmt nicht.<br />

Lena: Wir lernen aus unseren Fehlern, so hat die<br />

Menschheit schon immer Auswege gefunden. Vor<br />

dem Aufstehen kommt der Sturz. Es ist ein langer<br />

Weg aus der süßen Vorhölle.<br />

Trotzdem tanzt ihr gerne auf dem Vulkan, wie<br />

eure Coverversion des 70er Jahre Songs „Le<br />

Freak“ beweist. Euer Freak dreht am Schluss<br />

des Songs ja total durch.<br />

Corrado: Das ist typisch für Jabberwock. Unser Freak<br />

ist nicht so fröhlich wie das Original, er ist dann<br />

wirklich am Ende.<br />

Der letzte Song klingt wie ein französisches<br />

Kochrezept.<br />

Corrado: Haha, nur weil wir Franzosen sind, muss<br />

nicht alles ein Kochrezept sein.<br />

Lena: Der Song zielt auf die Industriegesellschaft. In<br />

einem Teil der Welt hat kaum einer was zum Fressen<br />

und hier kann man oft nicht einmal das Ende der<br />

Tafel überblicken.<br />

Wie kann man sich eine Liveshow von Jabberwock<br />

vorstellen? In eurem Info steht etwas<br />

von Videoshows?<br />

Corrado: Das hängt immer vom jeweiligen Club ab.<br />

Wenn möglich, spielen wir gerne zusammen mit Kosmos<br />

k, die eine spannende Videoliveperformance zu<br />

unseren Songs entwickelt haben. Wir selber agieren<br />

ohne jede visuelle Ablenkung. Wir haben Anzüge<br />

und strenge Kleider an. Der Rest ist Fleisch und<br />

Knochen, also keinerlei Feuerwerke oder sonstige<br />

Extremitäten. Wir möchten mit Gestik, Mimik und<br />

Bewegung das Publikum unmittelbar integrieren.<br />

jabberwock.free.fr<br />

VÖ „Sweet Limbo“: 30.01.09<br />

GERt DRExl<br />

Gefühlvoll nach vorne<br />

Nach dem Longplayer „Wonderland“ und der<br />

Single „Earth Song“ mit Sara Noxx melden sich<br />

die „Stimmgabeln“ mit der wohltemperierten<br />

Single „Feel“ zurück. Als Vorbote des kommenden<br />

Albums gedacht, kann das Werk in Sachen<br />

Qualität und Quantität vollkommen überzeugen.<br />

Neun Titel mit erstklassigen Remixen der<br />

Creme de la Creme der Elektroliga verkürzen<br />

das Warten und zeigen Project Pitchfork in<br />

Höchstform auf ihrem neuen Label Prussia Records.<br />

Nach Imatem widmest du dich also wieder deiner<br />

Hauptberufung. Wird es demnächst auch<br />

das Album geben und was wird uns dann erwarten?<br />

Peter Spilles: Das brandneue Project Pitchfork Album<br />

heißt „Dream, Tiresias!” und wird am 7. Februar<br />

erscheinen. Es wird zehn neue Tracks<br />

beinhalten, die durch Pitchfork-typische<br />

Zwischenparts miteinander<br />

verbunden sind, so dass ein ununterbrochenes<br />

Hörerlebnis erzeugt wird.<br />

Die neue Single heißt „Feel“. Um<br />

welche Gefühle geht es in diesem<br />

Song bzw. worum geht es<br />

für dich?<br />

Die heutige Tendenz, nicht nur unpopuläre Entscheidungen<br />

zu treffen, sondern für ein Volk schmerzvolle<br />

Änderungen im Alltag einfach zu bestimmen,<br />

um einer kleinen Elite das Leben so angenehm wie<br />

möglich zu erhalten, ist die Grundidee für den Text.<br />

Die Auflistung der Nachrichten, die tagtäglich auf<br />

jeden einprasseln, in Verbindung mit dem allmählichen<br />

Abstumpfen gegenüber eben diesen Fakten<br />

in der Welt, mündet in einer Aufforderung an jene,<br />

zu fühlen, was sie so begeistert unterstützen. Sie<br />

profitieren von den Krisen, Kriegen, Umverteilungen<br />

und der Not anderer und ich behaupte, sie empfinden<br />

das als normal. Ich verbinde hauptsächlich Wut,<br />

„ich verbinde<br />

hauptsächlich<br />

wut, Zorn und<br />

Verzweiflung<br />

mit dem<br />

Song.“<br />

Zorn und Verzweiflung mit<br />

dem Song. Im Verbund mit<br />

anderen Menschen sind diese<br />

Emotionen der Grundstein für<br />

weitreichende Veränderungen<br />

gegen das Leiden. Auf der<br />

Straße nennt man das „Revolution”.<br />

Kannst du schon die Thematik<br />

fürs neue Album anschneiden?<br />

Es gibt zwar einen roten Faden,<br />

der sich musikalisch<br />

durch das Album zieht, aber<br />

die textlichen Thematiken variieren<br />

stark und behandeln<br />

unter anderem Themen wie<br />

Schmerz und Frustration eines<br />

Opfers gegenüber seinem Peiniger;<br />

provokante Aussagen<br />

über instituierte Religionen<br />

und die Aufforderung darüber<br />

mal tiefer nachzudenken; Kritik<br />

über die Leichtigkeit, mit<br />

der Kriege angezettelt und<br />

junge Menschen zum sinnlosen Sterben verdammt<br />

werden; die Medikation von Kindern durch Pharma-<br />

Konzerne, die sich durch raffinierte Diagnosen neue<br />

Märkte erschließen. Darüber hinaus gibt es weitere<br />

Themen, die in der Pitchfork üblichen<br />

Sichtweise beleuchtet werden.<br />

Neun Songs sind auf der Single.<br />

Meinen Glückwunsch zur tollen<br />

Auswahl der Remixe. Besonders<br />

gefallen mir der SITD- und der<br />

Krupps-Remix. Was meinst du?<br />

Nach welchen Kriterien hast du<br />

die Remixer ausgewählt?<br />

Die Künstler, die einen Remix beigesteuert haben,<br />

sind „handverlesen” und mit Bedacht ausgewählt<br />

worden. Ich habe für Jürgen Engler einen Remix von<br />

„Das Ende der Träume” machen dürfen und er hat sich<br />

mit seinem „Die Krupps-Mix” grandios revanchiert.<br />

Die Tanzflächen-Meister, namentlich Tom von SITD,<br />

Jan von Noisuf-X und Mr. Petersen von Combichrist<br />

haben den Song sorgfältig auseinandergenommen,<br />

tiefer gelegt und neu lackierte Club Hits abgeliefert.<br />

Axxl E. ist eine Bank, was den Sound und die Qualität<br />

der Remixe angeht und hat sich nicht zuletzt durch<br />

seine Solo-Projekte einen Namen gemacht. Die Jungs<br />

von Retrosic bereichern die Maxi durch eine knall-<br />

harte und gefährliche Fusion unserer Gesangsstimmen.<br />

Das Wort „Duett” wäre hierfür zu harmlos. Und<br />

dann zaubert Jürgen Jansen eine klassische und filmreife<br />

Komposition hervor, die einen hervorragenden<br />

Abschluss der insgesamt 51 Minuten darstellt. Alle<br />

Ergebnisse bestechen durch ihre Vielseitigkeit und<br />

ihren Abwechslungsreichtum. Die Remixe erzeugen<br />

eine Abwechslung und Vielseitigkeit innerhalb der<br />

MCD, die einfach extrem kurzweilig ist.<br />

HEikO NOltiNG<br />

www.myspace.com/projectpitchfork<br />

VÖ „Feel“: 23.01.09<br />

0 Fotos: Zoe Forget<br />

1


Mit dem Tod auf Du<br />

Wirklich viel braucht man ja zum schwedischen<br />

Bandimport Deathstars nicht mehr zu<br />

sagen. Immerhin brachten Deathstars 2003<br />

bereits ihr Debütalbum namens „Syn<strong>the</strong>tic<br />

Generation“ auf den Markt und sind nun mit<br />

Album Nummer drei schon fast alte Junghasen.<br />

Auch das Touren, unter anderem mit<br />

Cradle of Filth und Korn hat merklich Spuren<br />

hinterlassen. Nämlich welche der Freude und<br />

des Zusammenhalts. Die Mitglieder selbst be-<br />

haupten zwar, dass sie sehr zufrieden damit<br />

seien, wie „Night Electric Night“ ihr Leben<br />

illustriert, dennoch brodelten wieder einige<br />

Fragen in den „Kochtöpfen“ der <strong>NEGAtief</strong><br />

Redaktion, als zutage trat, dass Whiplasher<br />

Bernadotte und Company einen neuen Longplayer<br />

veröffentlichen. Also hieß es: Fragen<br />

über Fragen notieren. Antworten bekamen<br />

wir leider nur von Bone W Machine, dem<br />

Drummer der Band.<br />

Foto: Steve Brown<br />

„Night Electric Night” soll wieder ein sehr<br />

persönliches Album sein und kommt mit elf<br />

neuen Tracks daher. Was können die Fans<br />

oder die neuen Hörer, mit deinen eigenen<br />

Worten, erwarten?<br />

Dunkelheit gepaart mit geschlagener Creme und<br />

einer Kirsche obendrauf.<br />

Mal etwas zu euern Coverartworks. Auf dem<br />

ersten Album war ein Foto von euch Jungs,<br />

auf dem Zweiten, „Termination Bliss” ist ein<br />

Mädchen zu sehen welches schreit und aus<br />

den Augen blutet. Jetzt auf eurem dritten Album<br />

ist wieder ein Foto von euch selbst zu<br />

sehen. Was war der Grund, wieder ein Bild<br />

von euch selbst zu zeigen oder sollte ich besser<br />

fragen warum hattet ihr auf dem Zweiten<br />

diese Art von „Covergirl”?<br />

Warum gut Aussehendes verschwenden, wenn<br />

man es gleich um die Ecke haben kann?!<br />

Was hat der Track „Night Electric Night” so<br />

sehr Spezielles, dass er schlussendlich als<br />

Titelsong endete, anstatt einer der Anderen<br />

wie zum Beispiel „Via The End”, welcher sicherlich<br />

einer der persönlichsten und emotionellsten<br />

Songs auf dem Album ist?<br />

Wir haben alle Namen der Tracks auf jeweils ein<br />

Stück Papier geschrieben, in einen Hut geworfen<br />

und haben irgendeinen Typen auf der Straße gebeten,<br />

einen Zettel zu ziehen. Voila, „Night Electric<br />

Night”!<br />

Ist „Chertograd” eine russische Stadt, von der<br />

ihr erzählt? Warum ist dieser Titel das Eröffnungsstück?<br />

Ja. Und weil der Song einfach saucool ist!<br />

Ich habe gesehen, dass ihr, wie in der Vergangenheit<br />

auch, eine riesige Tour geplant habt.<br />

Mögt ihr es, auf Tour zu sein oder ist das für<br />

euch eher nur hartes Geschäft?<br />

Touren ist wie ein älterer Bruder. Manchmal magst<br />

du ihn und manchmal möchtest du ihm am lieb-<br />

VÖ „Night Electric Night“: 30.01.09<br />

sten den Schädel spalten und mit seiner Freundin<br />

schlafen. Auf Tour sein ist wirklich ein hartes Stück<br />

Arbeit und ein ganzer Haufen von müffelnden Leuten<br />

ist für fünf bis sechs Wochen in einem Tourbus<br />

gefangen. Aber yeah, wir tun es, weil wir es mögen<br />

und weil es letztendlich heutzutage die einzige<br />

Chance ist, als Musiker noch ein paar Kröten zu<br />

verdienen. Außer man heißt vielleicht Madonna.<br />

Was könnt ihr über die schwedische Szene<br />

erzählen? Seit ihr vielleicht in anderen Ländern<br />

bekannter? Ich frage nur, weil es da ein<br />

deutsches Sprichwort gibt, das besagt, dass<br />

der Prophet im eigenen Land nichts zählt.<br />

Ja, wir sind größer und bekannter in anderen Ländern,<br />

aber denken und hoffen, dass unsere schwedischen<br />

Landsleute dieses Mal mehr Notiz von uns<br />

nehmen werden.<br />

Wo fühlt ihr euch mehr zu Hause? In der Gothic-<br />

oder der Metalszene? Oder vielleicht<br />

sogar in beiden?<br />

Wir sind wie ein Bastard aus beiden Szenen. Unsere<br />

beiden „Elternteile” kämpfen um das Vorrecht.<br />

Was hat euch persönlich in die Szene „getrieben“?<br />

Gelangweilt von der Szene, aus der ich ursprünglich<br />

komme, wollte ich etwas ganz<br />

Neues ausprobieren. Etwas von dem ich nicht<br />

dachte, dass ich es ausprobieren würde.<br />

Gibt es Sideprojekte, die ihr gern erwähnen<br />

würdet? Mir kam zu Ohren, dass einige von<br />

euch aus der Black-Metal-Szene kommen.<br />

Deathstars nimmt all unsere Zeit in Anspruch, die<br />

wir haben.<br />

Eure Band ist bekannt für ihr starkes visuelles<br />

Konzept und Auftreten. Wird es spannende<br />

Veränderungen geben? Vielleicht ein neues<br />

Video?<br />

Es gibt zu „Death dies hard” ein Video. Kannst du<br />

dir auf YouTube oder MySpace ansehen.<br />

Ihr habt „Death dies hard” als Singleauskopplung<br />

auserkoren? Was meint ihr mit diesem<br />

Titel? Glaubt ihr nicht, dass der Tod auch die<br />

eigene Freiheit einer gepeinigten Seele bedeutet?<br />

Ich habe keine Ahnung, was Whiplasher mit<br />

diesem Text meint. Ich denke, dass er sturzbe-<br />

soffen war, als er den Text geschrieben hat und<br />

dann zu faul, noch irgendwas damit zu machen.<br />

Um nochmal beim Thema Tod zu bleiben, weil<br />

es ja schließlich Teil eures Namens ist. Denkt<br />

ihr nicht manchmal, dass euer Name euch auf<br />

eine gewisse Weise auf etwas reduziert?<br />

Nein, eigentlich nicht.<br />

Was könnt ihr über die Produktion erzählen?<br />

Wie lange habt ihr an den neuen Tracks gearbeitet?<br />

Nightmare und Whiplasher haben verteilt über drei<br />

Jahre an diesem Album gearbeitet. Angefangen,<br />

diese Sachen aufzunehmen haben sie im Dezember<br />

007 und damit aufgehört 008 in Stockholm.<br />

Dann folgte noch ein Jahr des Aufnehmens und<br />

Mixens.<br />

www.myspace.com/deathstars<br />

tYVES OBEN


Ein ganz besonderer Leckerbissen für die Leckermäuler<br />

unter den Schandmaul-Fans gab es Ende<br />

letztes Jahr in Form einer DVD mit der einstündigen<br />

Porträtierung der einzelnen Schandmäuler<br />

plus Aufzeichnung vom Wacken Open Air<br />

2007. Zwischen dem „Anderswelt“-Album vom<br />

April 2008 und der kommenden Live-CD/-DVD<br />

dieses Jahr ist „Sinnbilder“ etwas Besonderes<br />

– gewähren die Schandmäuler doch einen sehr<br />

privaten Blick in ihr Leben und ihre Ansichten,<br />

sprechen offen über Familie, Religion, Hobbys<br />

und nicht zuletzt über ihre Bandkollegen, die<br />

auch zu einer Art Familie geworden sind. Der<br />

Rückhalt innerhalb der Band und die Wertschätzung<br />

der Mitglieder untereinander kommen bei<br />

jedem einzelnen Porträt zum Vorschein.<br />

„Sinnbilder“ ist ein Dankeschön an die Fans, jedoch<br />

auch ein großes Dankeschön an die Bandkollegen<br />

Eine große Nähe<br />

für zehn Jahre Vertrauen und Spaß. Eine DVD mit<br />

wunderschönen Bildern, bewegenden Eindrücken<br />

und beinahe greifbaren Schandmäulern, die in ihren<br />

Gärten und Wohnzimmern sitzen und wobei man<br />

auf der eigenen Couch spürt, wie nah sie sich und<br />

den Anhängern sind. Eine große Nähe, in die uns<br />

Sänger Thomas Lindner noch weiter hineinzog.<br />

Wann entstand die Idee, eine DVD mit euren<br />

Porträts aufzunehmen?<br />

Die Idee dazu entstand während der Dreharbeiten<br />

für das Bonusmaterial für die im April 009 erscheinende<br />

10 Jahre-Jubiläums-DVD. Zu diesem Zwecke<br />

begleitete uns fast ein Jahr ein Filmteam und angesichts<br />

der Tonnen an verwendbarem Material, die<br />

dabei entstanden, kam der Einfall, zum Zehnjährigen<br />

doch schon ein kleines Schmankerl zu veröffentlichen,<br />

um die Wartezeit bis zur „großen“ DVD<br />

etwas zu verkürzen.<br />

Fotos: Volker Beushausen<br />

Hatte irgendwer anfangs damit Probleme,<br />

einen Einblick ins Privatleben zu offenbaren?<br />

Kostete es Überwindung? Oder seht ihr es<br />

als Geschenk an eure Fans, das ihr „schuldig“<br />

wart?<br />

Sagen wir mal so: Wir gehen seit jeher offen mit unseren<br />

Fans um. Nach jedem Konzert gehen wir nach<br />

einer kurzen Pause noch raus zu den Menschen, um<br />

Autogramme zu geben oder Fotos zu machen oder<br />

eben Fragen zu beantworten. Natürlich ist es in diesem<br />

kurzen Moment „zwischen Tür und Angel“ und<br />

angesichts der Menge an Leuten kaum möglich, ein<br />

längeres Gespräch zu führen. Die DVD „Sinnbilder“<br />

beantwortet eine Menge ungestellter Fragen und<br />

bietet eben sehr private Einblicke in unser Leben<br />

und unser Denken.<br />

Das an die Porträts anschließende Konzert<br />

wurde auf dem Wacken Open Air 2007 aufgenommen.<br />

Welche – lustigen oder auch bewegenden<br />

– Erinnerungen habt ihr daran? Wie<br />

Thomas ganz richtig auf der DVD erwähnt,<br />

seid ihr dort ja auf einem Metal-Festival gewesen.<br />

Zum ersten Mal? Wie habt ihr euch<br />

aufgenommen gefühlt?<br />

Wacken ist ein super beeindruckendes Festival. Es<br />

war unser zweites Mal dort und wieder ein fantas-<br />

tisches Erlebnis. Vor der Bühne tummelten sich bestimmt<br />

0.000 Leutchen und es war eine tolle Party!<br />

Auf Metal-Festivals werden wir erfahrungsgemäß<br />

immer super freundlich empfangen – ich glaube<br />

das liegt daran, dass die Zuschauer nach zwei bis<br />

drei Stunden Vollgas-Geschruppe einer kleinen Abwechslung<br />

zwischendurch gar nicht so abgeneigt<br />

sind.<br />

Als Abschluss findet sich auf „Sinnbilder“ ein<br />

Video zu „Frei“ vom letztjährigen Album „Anderswelt“.<br />

Ihr habt sichtlich Spaß. Ist denn das<br />

Musizieren für euch ein Weg, sich zu befreien<br />

– von Ängsten, negativen Gefühlen oder auch<br />

einfach dem Alltag?<br />

Sicherlich. Man muss aber auch sagen, dass das<br />

Musizieren an sich eine Art Belohnung für uns ist.<br />

Mittlerweile ist die Arbeit organisatorischer oder<br />

technischer Natur, die in einer Band dieser Größenordnung<br />

geleistet werden muss, enorm. Da macht es<br />

einfach unglaublichen Spaß, wenn man nach Ausübung<br />

der trockenen Pflichten einfach ein Instrument<br />

zur Hand nehmen kann, um dies zu tun, weswegen<br />

man sich ursprünglich zusammenfand: Musik!<br />

Ihr geht ab April auf Jubiläums-Tour, die ihr im<br />

Juni mit zwei Open Air Konzerten abschließt.<br />

VÖ „Sinnbilder“: 14.11.08<br />

Habt ihr für diese Tour etwas Besonderes oder<br />

Überraschendes für eure Fans geplant? Könnt<br />

ihr uns schon sagen, bei welchen Festivals ihr<br />

dieses Jahr mitwirken werdet?<br />

Festivals sind einige dieses Jahr geplant: Unter anderem<br />

wieder Wacken oder beispielsweise das Summerbreeze<br />

oder das Feuertanz auf Burg Abenberg.<br />

Es sind aber noch nicht alle Termine bestätigt, drum<br />

einfach auf unserer Homepage unter Termine spicken.<br />

Sobald etwas in trockenen Tüchern ist, steht es<br />

da. Was die Tour betrifft, gibt es auf jeden Fall etwas<br />

Besonderes für die Fans. Diese können nämlich auf<br />

unserer Website für das jeweilige Konzert, welches<br />

sie besuchen, die Setliste selber abstimmen. Das<br />

wird ein Spaß! In jeder Stadt andere Songs.<br />

Dieses Jahr erscheint die Live-CD/DVD, die am<br />

14.11.2008 aufgenommen wurde. Wollt ihr<br />

uns etwas über den Inhalt verraten?<br />

Nun ja, in erster Linie mal dieses Wahnsinns-Konzert<br />

aus dem Münchener Zenith vor 7000 Menschen –<br />

das war einfach ultra-beeindruckend. Des Weiteren,<br />

wie schon erwähnt, eine Menge Bonusmaterial.<br />

Seien es Eindrücke von hinter der Bühne und dem<br />

Backstage sowie Einblicke in unsere Studioarbeit, in<br />

unsere Probenarbeit, bei Festivals oder im Tourbus<br />

und dergleichen mehr.<br />

www.schandmaul.de<br />

DiaNa ScHliNkE<br />

5


Eisenfunk<br />

Bayerisches Funkhaus<br />

Mit dem genialen Song „Duck and Cover“ oder<br />

auch dem nach sich benannten Lied „Eisenfunk“<br />

aus dem Album „Eisenfunk“ machten<br />

die sympathischen Bayern Ende 2007 auf sich<br />

aufmerksam. In den Clubs der Nation fragte<br />

man sich: Wer ist das – und warum klingen<br />

die so geil? Jetzt, knapp ein Jahr später folgt<br />

also das Werk „Schmerzfrequenz“. Eisenfunk<br />

hat mächtig zugelegt – nun dominiert Stimme<br />

neben den bekannten Samples in den Werken<br />

und es tut absolut keinen Abbruch am Gesamtkunstwerk.<br />

Industrielle Klänge mit eingängigen<br />

Melodien gepaart – ein wahrer Schmaus<br />

für die sonst so Hertz-geplagten Ohren! Es ist<br />

also Zeit, mit Eisenfunk einen kleinen Plausch<br />

zu halten!<br />

Euer neues Werk ist ein absoluter Brecher. Wie<br />

geht ihr bei neuen Songs vor? Wie entstehen<br />

sie?<br />

Michi: Im kreativen Chaos. Am Anfang steht immer<br />

eine chaotische Sammlung von Ideen auf meinem<br />

Studiorechner. Aus der einen oder anderen Idee wird<br />

dann ein ganzer Song. Manchmal entsteht auch ein<br />

Lied in einer einfachen Studiosession, mein persönlicher<br />

Rekord liegt da bei 0 Minuten. Arthur und Toni<br />

bringen dann nach diesem Prozess auch noch ihre<br />

Ideen ein und das Resultat ist ein abgerundetes Lied.<br />

VÖ Schmerfrequenz“: 06.02.09<br />

Texte und Samples kommen danach auf das Lied drauf.<br />

Bei „Schmerzfrequenz” war das erstmalig andersherum.<br />

Ich hatte den Text geschrieben und wir mussten<br />

ihn dann noch in ein Lied packen.<br />

Sozialkritik merkt man einigen Songs recht<br />

kräftig an. Besonders meiner Meinung nach im<br />

Song „Guantanamo”. Wie kommt ihr auf die<br />

Ideen für diese Texte?<br />

Fernsehen und lesen. Am besten nach Uhr werktags,<br />

da kommen die besten Dokus. Außerdem haben<br />

Arthur und ich dieselben Klolektüren. Klingt zwar immer<br />

etwas abwertend, aber auf dem stillen Örtchen<br />

hat man einfach Zeit zum Lesen. Die Ideen kommen<br />

dann spontan. Sobald wir uns mit einem Thema beschäftigen,<br />

entwickle ich automatisch Emotionen<br />

dazu. Diese gilt es dann nur noch festzuhalten und<br />

in einen Text zu pressen. Für „Guantanamo“ stand<br />

für uns diese gefühlte Hilflosigkeit im Bauch, gegen<br />

einen Menschen, der die Macht über dich hat. Der<br />

Text spiegelt das wider, die Willkür und das Opfer.<br />

Man merkt ja auch eine gewisse Abneigung<br />

gegen Amerika in euren Sachen. Ist das so?<br />

Wenn ja, wie kommts? Im Zuge dessen natürlich<br />

auch Atomkraft. Mögt ihr Atomstrom oder<br />

sagt ihr: „Kernkraft – Nein Danke”?<br />

Kernkraft – Nein Danke, würde aus meinem Mund<br />

komisch klingen, schließlich bin ich ja ausgebildeter<br />

Kraftwerksmeister und stand jahrelang auf der<br />

„dunklen Seite der Macht”. Für mich ist das, wie alle<br />

Themen im Leben, die man diskutiert, nicht schwarz<br />

oder weiß, sondern eher ein Grauton. Kernkraft ist<br />

derzeit die einzig lösbare Grundlast-Versorgung. Mit<br />

dem Fingerzeig auf die Kraftwerksbetreiber stehlen<br />

sich die Verbraucher aus der Eigenverantwortung. Es<br />

wird ja schließlich nur der Strom erzeugt, der hinten<br />

raus verbraucht wird. Strom unnütz verbrauchen ist<br />

ebenso mies wie die Erzeugung radioaktiver Abfälle<br />

oder noch mehr CO . Beides ist nun mal direkt<br />

miteinander verbunden. Weiter steig ich hier mal<br />

nicht ein, sonst endet das wieder mal als Grundsatzdiskussion.<br />

Gegen Amerika haben wir prinzi-<br />

piell einmal nichts. Allerdings liefert diese Nation<br />

regelmäßig Themen, die zum Kopfschütteln anregen.<br />

Außerdem haben wir Russland in dem letzten<br />

Album mit den Song „Majak” ja auch gut beschossen.<br />

Wir stellen uns immer wieder die Frage, auf<br />

welchen Planeten wir flüchten, wenn wir erst einmal<br />

Amerika und Russland sauer gefahren haben.<br />

Was natürlich auch auffällt, ist die Verwendung<br />

von Samples. Woher bekommt ihr die?<br />

Sitzt ihr vorm Fernseher und sagt: Das brauchen<br />

wir, oder geht ihr gezielt vor?<br />

Beides. Ich suche im Internet gerne nach alten<br />

Schwarz-Weiss-Schinken. Ich bin ein alter Doku-<br />

Liebhaber und freue mich über das Material, das<br />

man heute einfach so im Internet bekommt. Ich finde<br />

das noch schöner als eine fertig aufbereitete Doku,<br />

es ist kommentarfreie und unverfälschte Information.<br />

Von „gezielt” können wir nicht reden. Ein Thema<br />

beschäftigt uns und wenn wir dazu Samples haben,<br />

dann verbraten wir die auch.<br />

Ihr habt doch bestimmt Auftritte oder eine<br />

kleine Tour geplant zum neuen Album? Was<br />

erwartet den geneigten Zuhörer, wenn ihr auf<br />

der Bühne abrockt?<br />

Eine Tour haben wir geplant, aber zum jetzigen Zeitpunkt<br />

verhandeln wir noch mit den Veranstaltern die<br />

Details. Auf unserer Web- und Myspaceseite geben<br />

wir aber rechtzeitig die Termine bekannt. Unsere<br />

Konzertzuschauer erwartet ein multimediales Erlebnis.<br />

Im Vordergrund agieren wir auf der Bühne und<br />

hinter uns läuft die Videoshow. Arthur verprügelt die<br />

eDrums, Toni drischt in die Tasten seines Synthis und<br />

ich darf mich als Keyboarder und Frontmann austoben.<br />

Unsere Videoshow ist aber ebenso wichtig wie<br />

wir selbst. Alle Videos sind eigens für die jeweiligen<br />

Lieder geschnitten und somit passend und schlüssig.<br />

Gerade zu dem Hintergrundvideo von z.B. „Duck<br />

and Cover“ erhalten wir extrem positive Resonanz.<br />

Für das neue Album „Schmerzfrequenz“ haben wir<br />

die gesamte Videoshow neu gestaltet. Alle Videos<br />

und Songs ergeben einen durchgehenden Fluss in<br />

der Show, und spiegeln das Alben<strong>the</strong>ma wider. Auf<br />

der Projektion läuft eine speziell auf die Show zugeschnittene<br />

Nachrichtensendung, die sogar mit einer<br />

Werbepause unterbrochen wird. Vom Dokukanal bis<br />

zur Kindersendung ist da alles mit dabei. Teilweise<br />

wird es skurril komisch und manchmal bitterernst.<br />

Die Mischung aus beidem ist gut ausgewogen und<br />

wir sind schon gespannt, wie gut die Videos ankommen<br />

werden. Künftig werden wir bei größeren Konzerten<br />

auch einen<br />

eigenen Lichttechniker<br />

dabei haben,<br />

der schon mit uns<br />

die Konzerte probt.<br />

Der Zuhörer soll mit<br />

allen Sinnen in unser<br />

Konzert eintauchen<br />

können.<br />

Irgendwelche lustigen<br />

Erlebnisse<br />

aus eurer bisherigen<br />

Zeit mit Eisenfunk,<br />

die ihr<br />

uns nicht vorenthalten<br />

wollt? Zum<br />

Beispiel Pannen<br />

bei Produktionen<br />

oder Auftritten?<br />

In den kommenden<br />

Tagen werde ich<br />

unser Outtake Video<br />

„Blut an der Wand” vom „Schmerzfrequenz“-<br />

Videodreh online stellen. Der kurze Clip sagt<br />

mehr als tausend Worte. Zu sehen gibt es das<br />

dann bei Youtube und auf unserer Webseite.<br />

Auf „Schmerzfrequenz” erwarten uns ja auch<br />

zwei Videos. Machen euch die Videodrehs<br />

Spaß? Wird es auf der nächsten Scheibe auch<br />

mehrere Videos zu sehen geben?<br />

Oh ja, Videodrehs sind eine lustige Abwechslung. Bei<br />

dem Dreh zu „Werbepause“ sind wir kaum aus dem<br />

Lachen herausgekommen. Arthur hat den Verkäufer<br />

aus der Dauerwerbesendung extrem gut dargestellt.<br />

Zu dem wollten wir die schlechte Synchronisierung<br />

der echten Werbesendungen kopieren, also sprachen<br />

wir beide am Set Englisch, hatten uns aber vorher<br />

keinen Text überlegt. „Schmerzfrequenz“ drehten<br />

wir zum einen im Schlachtraum eines Freundes auf<br />

seinem Hof. Alles dort roch nach frischer Schlachtung,<br />

am Ende des Drehs rochen wir selber nach<br />

Schweinefett und Wurst. Den anderen Teil drehten<br />

wir im Titanic City hier in München. Die Fans aus<br />

München leisteten ganze Arbeit und haben mit uns<br />

ein wunderschönes Konzert bei dem Dreh gefeiert.<br />

War halt nur ein Lied, aber das dafür knapp 0 mal<br />

hintereinander. Ich denke mal, bei unserem Eröffnungskonzert<br />

am 01.0 . wird die erste Reihe bereits<br />

das Lied mitsingen können.<br />

www.eisenfunk.de<br />

6 7<br />

DaNiEl FRiEDRicH


The Mission<br />

Das letzte Kapitel<br />

Jahre ist es jetzt her, dass sich<br />

die englische Kultband The Mission<br />

dazu entschlossen, sich zu gründen.<br />

Nun heißt es Abschied nehmen.<br />

Abschied von einer der hoch umjubelten<br />

Bands, die die Szene jemals<br />

hervor gebracht hat. Dennoch wird<br />

den Fans der Abschied nicht ganz<br />

so schwer gemacht. The Mission<br />

verabschieden sich mit einer Triple-<br />

DVD-Box „The Final Chapter”, die<br />

tiefe Einblicke in die letzten Shows<br />

im berühmten Shepherds Bush<br />

Empire in London, die große Aftershowparty,<br />

Faninterviews und vieles<br />

mehr zeigt. Frontmann Wayne Hussey,<br />

der zurzeit in Brasilien wohnt,<br />

kam gerade aus dem Studio, um uns<br />

aus weit entlegenen, warmen Gefilden,<br />

gut gelaunt ein paar Fragen zu<br />

beantworten.<br />

Was hat dich dazu veranlasst nach dieser großartigen<br />

Karriere zu sagen, deine „Mission” ist<br />

beendet? Wurde alles gesagt?<br />

Ich weiß nicht genau, wie es weiter gehen wird.<br />

Sicher werde ich weiter als Wayne Hussey Musik<br />

machen, ich weiß aber weder ob solo oder mit einer<br />

neuen oder anderen Band noch wann. Ich habe<br />

keinerlei Erwartungen, was das betrifft.<br />

Es war eine sehr lange Karriere mit The Mission.<br />

Könnte es vielleicht sein, dass du die Band<br />

eines Tages wieder zum Leben erweckst?<br />

Ich habe nicht die Absicht, das zu tun. Aber du weißt<br />

ja, man soll niemals nie sagen. Aber bis jetzt steht<br />

das wirklich außer Frage.<br />

Du hast Recht, wenn du sagst, dass es keine<br />

bessere Weise gibt als die Karriere mit dieser<br />

großartigen DVD-Box zu beenden. Fast 290<br />

Minuten Material sprechen für sich. Von wem<br />

stammt die Idee für dieses finale The Mission<br />

Release?<br />

Die Idee ist daraus entstanden, als langsam klar<br />

wurde, dass es eine Abschiedstour geben wird und<br />

man diese dann logischerweise auch aufzeichnet. Es<br />

war einfach zu aufwendig, die komplette Tour aufzunehmen,<br />

so entschlossen wir uns, nur die letzten<br />

vier Gigs mitzuschneiden. Als die Tour dann wirklich<br />

vorbei war, haben sich mein Manager und ich uns<br />

zusammengesetzt und das ganze Material gesichtet<br />

und waren wirklich erstaunt, wie viel alleine das<br />

schon ergeben hat. Sicher wurden nicht die Konzerte<br />

alleine gefilmt, sondern hier und da immer wieder<br />

auf den Record-Knopf gedrückt und so kam dann<br />

eine gigantische Menge an Material<br />

zusammen. Bis zum heutigen Tag habe<br />

ich lediglich Quick-Time Ausschnitte,<br />

aber noch nicht das Endprodukt gesehen,<br />

da die DVDs in England geschnitten<br />

wurden. Aber ich denke schon, dass die<br />

DVDs so geworden sind, wie wir uns das<br />

ursprünglich gedacht hatten.<br />

Abgesehen von den aufgenommenen<br />

Shows gibt es noch diese<br />

„Outtake”-DVDs mit Interviews, der<br />

Aftershowparty, wo ihr während eurer Reise<br />

oder eurer Proben zu sehen seid. Ebenfalls gibt<br />

es jede Menge eurer Fans zu sehen, die euch<br />

von Anfang an gefolgt sind. Die meisten von<br />

denen sind jetzt Muttis und Vatis, sprich um<br />

einiges älter. Wie war es für dich, diese Leute<br />

von denen du sicher<br />

einige schon von Bandgründung<br />

an kanntest,<br />

wieder zu sehen?<br />

Es ist vollkommen normal,<br />

wenn eine Band so<br />

lange existiert, wie unsere,<br />

dass die Leute mit<br />

einem zusammen älter<br />

werden. Das ist ein ganz<br />

natürliches Ding, aber<br />

trotzdem immer wieder<br />

eine große Überraschung,<br />

sie zu sehen.<br />

Die Version von „Tower<br />

Of Strength” beinhaltet<br />

ein Sample von<br />

Lisa Gerrard. Weißt du<br />

etwas über ihre Reaktion<br />

darauf? Warum<br />

hast du dieses klassische<br />

Sample für diesen<br />

klassischen Song<br />

ausgesucht?<br />

Eigentlich hatte ich keine Ahnung, dass das Sample<br />

von Lisa Gerrard war. Es entstammt einer Remix-<br />

Version von „Tower Of Strength” und die war von<br />

199 oder so. Als ich dann die Backing-Tracks für die<br />

Livesachen zusammenmixte, war es für mich nur natürlich,<br />

da auch wieder dieses Sample einzubauen.<br />

Ich spielte es meiner Frau vor, die sich sehr viel mit<br />

schwarzer Musik beschäftigt, und sie meinte sofort:<br />

„Oh, Dead Can Dance!” und ich antwortete: „Nein,<br />

das ist The Mission!” und sie meinte wieder: „Nein,<br />

Dead Can Dance!” und ich hatte<br />

„<strong>the</strong> <strong>mission</strong><br />

war für mich<br />

immer eine<br />

Sache, um das<br />

leben und<br />

das licht zu<br />

zelebrieren.“<br />

echt keine Ahnung, dass das Lisa<br />

Gerrard war. Ich weiß auch nicht,<br />

ob es Dead Can Dance wissen oder<br />

jemals gehört haben. Aber es ist<br />

wirklich großartig, wie gut sich das<br />

Sample in diesen alten Song einfügt.<br />

Es ist alles richtig harmonisch und<br />

aus diesem Grund war es mir auch<br />

wichtig, es live zu verwenden.<br />

Es ist gewaltig, auf der DVD zu<br />

sehen, wie das Publikum den Refrain des Songs<br />

mitsingt. Welche Gefühle löst das in dir aus?<br />

Auch für mich ist es großartig, zu sehen, wie sehr<br />

verbunden sich das Publikum mit diesem Song<br />

fühlt, und müsste ich The Mission auf einen einzigen<br />

Song reduzieren, so wäre es wohl auch „Tower Of<br />

Strength”.<br />

Wenn man all die Leute auf den<br />

DVDs sieht, besonders die, die<br />

euch über all die Jahre begleitet<br />

haben, fühlen sich wohl der<br />

Gothicszene zugehörig. Ich kann<br />

mich daran erinnern, dass in ein<br />

paar alten Interviews gesagt<br />

wurde, dass du nie wirklich glücklich darüber<br />

warst, dass The Mission als Gothicband „abgestempelt”<br />

wurde. Was würdest du heute<br />

sagen, mit Blick zurück auf eure lange Karriere<br />

als eine der berühmtesten Kultbands der Gothicszene<br />

zu gelten?<br />

Heutzutage habe ich kein Problem damit. Die Gothicszene<br />

ist eine sehr treue gewesen über all die<br />

Jahre. Auch ich selbst habe mal den ein oder anderen<br />

Lebensstil so gelebt, aber nicht in den letzten<br />

zehn Jahren. The Mission selbst habe ich jedoch nie<br />

als Gothicband gesehen. The Mission war für mich<br />

immer eine Sache, um das Leben und das Licht zu<br />

zelebrieren.<br />

Aber Gothic zu sein und trotzdem sein Leben<br />

zu zelebrieren, schließt sich ja nicht aus.<br />

Das mag sein, aber meistens ist es ja so, dass allgemein<br />

davon ausgegangen wird, dass Gothics<br />

immer nur schwarz tragen und<br />

„Es ist ein<br />

merkwürdiges<br />

Gefühl, nicht zu<br />

wissen, wie es nun<br />

weiter geht.“<br />

die dunkle Seite des Lebens zelebrieren,<br />

aber das ist nicht das,<br />

was ich mit The Mission gemein<br />

habe, noch mit mir selbst.<br />

Es gibt eine Szene auf der<br />

DVD, so ziemlich die letzte,<br />

als die Show vorbei war, alle<br />

Lichter an waren und alle etwas traurig auf<br />

der Bühne standen. Gibt es nicht einige Tränen<br />

zu trocknen nach dieser ganzen Zeit? Hast du<br />

vielleicht Angst, jetzt in eine große Leere zu<br />

fallen?<br />

Diese letzte Nacht war eine sehr emotionelle Nacht<br />

und speziell für mich ein sehr emotioneller Moment<br />

in meinem Leben. Zur gleichen Zeit war es für mich<br />

ein fantastischer, perfekter Weg, alles enden zu lassen.<br />

Es hat mich sehr berührt und ich habe auch viel<br />

an die ersten Shows gedacht und wie sich alles im<br />

Laufe der Zeit verändert. Es ist ein merkwürdiges<br />

Gefühl, nicht zu wissen, wie es nun weiter geht, aber<br />

dennoch zur selben Zeit auch sehr spannend, weil<br />

ich ja mit The Mission schon sehr festgelegt war.<br />

VÖ „The Final Chapter“: 27.02.09<br />

Lass uns einen Blick auf die junge Musikszene<br />

von heute werfen. Wenn du ein 16 Jahre alter<br />

Junge wärst und deine erste Gitarre geschenkt<br />

bekämst, auf welche Art von Musik würdest<br />

du heutzutage abfahren?<br />

Ich lebe ja im Moment in Brasilien auf dem Land<br />

und habe nicht wirklich den Zugang zu Magazinen,<br />

in denen alles, was hipp und trendy ist, drin steht.<br />

Aber wenn ich doch mal in Europa bin und mal in<br />

einen Plattenladen gehe, gefallen mir junge Bands<br />

wie Placebo schon sehr gut.<br />

Im Grunde kümmere ich mich nicht wirklich um so<br />

neue Sachen. Ich ziehe eigentlich mehr meine eigenen<br />

Sachen durch und hinterfrage die auch nicht.<br />

Meine Frau kümmert sich viel mehr um solche Sachen,<br />

weil sie auch selbst aus der Szene ist.<br />

Wie geht es dir in Brasilien?<br />

Sehr gut. Es ist schön warm hier und gemütlich. Ich<br />

mache gerade eine Mittagspause, trinke ein Bier und<br />

schaue Fußball und dann gehe ich zurück ins Studio,<br />

ein wenig was für einen Freund erarbeiten. Ja, mein<br />

Leben ist schön. In England zu leben, ist zu dem sehr<br />

teuer. Mit dem, was ich als Musiker verdiene, ist es<br />

schwer, aber hier in Brasilien komme ich damit sehr<br />

gut über die Runden.<br />

www.<strong>the</strong><strong>mission</strong>uk.com<br />

www.myspace.com/<strong>the</strong><strong>mission</strong>uk<br />

GERt DRExl / tYVES OBEN<br />

8 9


0 1


Gen Herzen reisen<br />

Wer das Coverartwork des Hamburger Einmannprojektes<br />

sieht, denkt automatisch an<br />

eine süßliche Atmosphäre zwischen Erasure<br />

und Marc Almond, doch weit gefehlt. Trotz aller<br />

herzerweichender Arrangements lassen die<br />

deutschsprachigen Texte auch manch traurige<br />

Begebenheit im Leben des Matrosen schließen.<br />

Die Narben scheinen tief unter dem Makeup<br />

versteckt. Die Instrumentierung hingegen<br />

fließt locker und leicht. So bietet dieses Album<br />

neben abwechslungsreichem Syntroph das ein<br />

oder andere erschreckende Aha-Erlebnis.<br />

„Happy people have no stories” – Du musst<br />

ein sehr trauriger Mensch sein, wenn man die<br />

Anzahl der Kurzgeschichten auf deinem Debüt<br />

betrachtet?<br />

Also, ich würde mich eigentlich nicht als sehr traurigen<br />

Menschen bezeichnen. Ich liebe die fröhlichen<br />

Momente im Leben, ebenso wie die traurigen. Bei<br />

Musik war es aber immer schon anders. Melancholie<br />

ist das Zauberwort. Melancholische Songs haben<br />

mich schon immer mehr interessiert und fasziniert,<br />

als irgendwelche Gute-Laune-Nummern. Dass ich<br />

in meinen Songs mit viel Dramatik spiele, ist ja unüberhörbar,<br />

aber die dramatischen sind ja auch die<br />

spannendsten Geschichten des Lebens. Wie die Band<br />

Therapy schon einst sagte: „Happy people have no<br />

stories”.<br />

Gerade sehr anrührende Geschichten wie „In<br />

Wahrheit gelogen” werfen die Frage auf: Inwieweit<br />

ist das biografisch?<br />

All meine Songs sind biografisch! Für mich bedeutet<br />

der Begriff „biografisch”, alles was ich in mir<br />

aufgesogen habe. Entweder ich hab Ereignisse/Geschichten<br />

selber erlebt oder, dass mich bestimmte<br />

Thematiken in den Medien, Literatur und auf der<br />

Straße ganz einfach interessiert haben. Die einzigen<br />

Songs, die ich auf dem Album als „rein biografisch”<br />

bezeichnen würde, sind Liebesgeschichten, wie<br />

„Herztransplantation”, „Der letzte Zug” oder Momentaufnahmen<br />

wie „Der Mond trägt ein trauriges<br />

Gesicht” (lässt ja tief blicken).Trotz der Schwermut<br />

oder Melancholie, darf bei meiner Musik nie die Poppigkeit<br />

und Ironie zu kurz kommen. Nur so gefällt<br />

mir auch Musik, die ich selber konsumiere.<br />

Joachim Witt ist das Album zum Teil gewidmet<br />

und erscheint auch an der künstlerischen Realisation<br />

beteiligt gewesen zu sein. Wie kam es<br />

zum Kontakt?<br />

Aus esoterischer Sicht würde ich sagen, wir sind<br />

seelenverwandt oder wir haben ein ähnliches Karma<br />

aufzuarbeiten. In diesem Fall glaube ich wirklich an<br />

Schicksal. Es war die NDW-Zeit in meiner Kindheit,<br />

als ich mich zum ersten mal für Musik interessiert<br />

und sie als „meine Musik” wahrgenommen habe.<br />

Und Joachim war einer der wenigen, für die ich mich<br />

total begeistert habe. Quasi eines meiner ersten<br />

Idole. Ausgerechnet dieser Mensch entdeckt mich<br />

nach zweiwöchiger Anwesenheit auf Myspace und<br />

ist seitdem mein Mentor, Mit-Produzent, Manager<br />

(neben Harry) und Begleiter. Wir haben ein sehr<br />

ähnliches Empfinden für Melodien, Worte und Atmosphären,<br />

obwohl wir zum Teil unterschiedliche Musik<br />

machen.<br />

Die Farbtöne sind in Pastell gehalten, du bist<br />

geschminkt, wirkst sehr androgyn. Wie wichtig<br />

ist dir dieser fast schon naiv wirkende Aspekt<br />

der Visualisierung?<br />

Wie vorhin schon erwähnt, geht es um die Kombination<br />

vom Charakter der Kunstfigur „Leichtmatrose”<br />

und der Musik. Für mich hatten androgyne<br />

Sänger und kajalgeschminkte Musiker immer einen<br />

gewissen Reiz. Es hat die Musik für mich noch interessanter<br />

gemacht. Stell dir mal einfach vor, so einer<br />

wie David Bowie oder Robert Smith wären, ohne Attitüden<br />

und extrem polarisierenden Outfits, Frisuren<br />

und ohne Schminke aufgetreten. Die Musik hätte<br />

man trotzdem toll gefunden, aber so war es von Anfang<br />

an ein Kunstwerk. Was wäre die Gothicszene<br />

ohne schwarzen Kajal?<br />

Der „Leichtmatrose” ist eine Inszenierung meines<br />

inneren „Ichs” und ich hoffe, das sieht und hört man<br />

auf „Gestrandet”.<br />

www.leichtmatrose.com<br />

VÖ „Gestrandet“: 24.04.09<br />

GERt DRExl<br />

Noisuf-X<br />

Die Geister, die ich rief<br />

Das neue Werk von Noisuf-X heißt „Voodoo<br />

Ritual“ und erweckt die Tanzgeister aufs Neue.<br />

Das ursprüngliche Spaßprojekt des Workaholics<br />

hat sich nicht erst seit „Hit Me Harder“<br />

zu einem der erfolgreichsten Tanzgaranten<br />

der Szene entwickelt. Jan, der neben seinem<br />

Masteringstudio und seinem zweiten Projekt<br />

X-Fusion immer häufiger auch als Remixer gebucht<br />

wird, wundert sich selbst über den großen<br />

Erfolg.<br />

Die bisherigen Werke haben es schon geschafft,<br />

gut in Mark und Bein zu gehen – das<br />

neue Werk steht dem in nichts nach. Gibt es<br />

ein Erfolgsrezept für deine Musik?<br />

Ein wirkliches Erfolgsrezept gibt es nicht - und<br />

manchmal bin ich selbst sehr überrascht darüber,<br />

wie und in welche Richtung sich Noisuf-X entwickelt<br />

hat. Schließlich hat alles als harmloses Spaß-Projekt<br />

begonnen. Es war nie geplant, so viel Energie und<br />

Zeit in dieses Projekt zu stecken, wie ich es mittlerweile<br />

tue. Im Gegensatz zu meinem Hauptprojekt X-<br />

Fusion ist Noisuf-X das weniger ernsthafte Projekt,<br />

in dem ich mir den Spielraum für viele Experimente<br />

und musikalischen Freiraum gönne. Vielleicht ist<br />

gerade diese unverkrampfte Art mit Musik umzugehen,<br />

auch das Erfolgsrezept. Mit X-Fusion verfolge<br />

ich konkrete Ziele in Bezug auf<br />

Thematik und Atmosphäre und<br />

bei Noisuf-X lasse ich einfach<br />

alles laufen, ohne mich selber<br />

einzuschränken und bin daher<br />

in der Lage, dort Elemente oder<br />

Samples zu benutzen, die ich<br />

so bei X-Fusion niemals nutzen<br />

wollen würde oder könnte, um<br />

die Ernsthaftigkeit dieses Projektes<br />

nicht zu untergraben. Anders eben bei Noisuf-<br />

X. Es gibt dort ernsthafte aber genauso auch spaßige<br />

Songs oder Samples. Gerade diese Mixtur scheint im<br />

Club ganz gut zu funktionieren.<br />

Der Titel „Voodoo Ritual“ – erklärst du ihn uns<br />

näher? Hängt es mit diesen bekannten Voodoopuppen<br />

zusammen oder was sollen wir<br />

drunter verstehen?<br />

Der Albumtitel bezieht sich in erster Linie auf den<br />

titelgebenden Song „Voodoo Ritual”, in dem ich<br />

„Vielleicht ist<br />

gerade diese<br />

unverkrampfte<br />

art mit musik<br />

umzugehen, auch<br />

das Erfolgsrezept.“<br />

afrikanische Beschwörungsformeln<br />

benutzt habe, um<br />

die „Geister des Tanzes” zu<br />

beschwören. Voodoo stellt ja<br />

bekanntlich eine Hybrid-Religion<br />

dar, die sich aus verschiedensten<br />

Elementen diverser<br />

Weltreligionen zusammensetzt<br />

und entwickelt hat. Und genauso<br />

verhält es sich mit Noisuf-X.<br />

Dieses Projekt ist ebenfalls ein<br />

Hybrid, da sich dort verschiedene<br />

musikalische Stile wie<br />

z.B. EBM, Industrial, Techno/<br />

Goa usw. vereinen.<br />

Als Bonus ist ein Remix von<br />

X-Fusion zu finden. Wie<br />

fühlt es sich für dich an, die<br />

eigene Musik zu remixen?<br />

Der große Vorteil daran ist<br />

eben, dass man schon vorher<br />

weiß, dass man vom Ergebnis<br />

nicht enttäuscht sein wird. Es<br />

ist jedenfalls eine interessante<br />

Erfahrung, seinen eigenen<br />

Kram zu remixen, da man die<br />

Herangehensweise des Remixens<br />

nur von Songs kennt,<br />

die nicht aus eigener Feder stammen und somit dann<br />

zu ganz anderen Ergebnissen kommt, da nun mal<br />

gewisse Elemente schon vorgegeben sind. Ich per-<br />

sönlich empfinde gerade diesen<br />

Remix als große Bereicherung<br />

fürs Album, da der Original-Song<br />

in den Clubs ja nun echt schon<br />

totgespielt wurde.<br />

Kannst du ein kurzes Resümee<br />

über dein Schaffen<br />

ziehen, und wo wir dich in<br />

zwei bis drei Jahren sehen<br />

werden?<br />

Wenn ich Resümee ziehe, bin ich recht stolz auf das,<br />

was ich bis jetzt erreicht habe, sowohl mit meinen<br />

musikalischen Projekten, als auch mit meiner Tätigkeit<br />

als Produzent für andere Bands. Ich hatte<br />

schließlich erst 00 die erste Veröffentlichung<br />

innerhalb der Schwarzen Szene und war bis dato<br />

noch ein gänzlich unbeschriebenes Blatt in diesem<br />

Bereich. Ich denke, die viele Arbeit und Zeit, die ich<br />

investiert habe, haben sich wirklich gelohnt. Auch<br />

dass wirklich alle dazugehörigen Arbeiten (Maste-<br />

ring, Webseiten, CD-Cover usw.) in Eigenregie entstanden<br />

sind, macht mich sehr stolz, da so etwas ja<br />

nicht gerade gang und gäbe ist. Ich konnte folglich<br />

(ohne Kompromisse eingehen zu müssen) genau das<br />

machen, was ich wollte.<br />

www.noisuf-x.com<br />

VÖ „Voodoo Ritual“: 27.02.09<br />

DaNiEl FRiEDRicH


Homofürstenalarm in der Sexualkiste<br />

X-Rx ist Industrial-Rave-Musik für Industrial-<br />

Rave-Menschen. So fühlt es sich auch an. Es bewegt<br />

und reißt dich mit. Auf dem neuen Werk<br />

„Stage 2“ werden wie bei dem Vorgänger keine<br />

Gefangenen gemacht. Neben den Industrial<br />

Rave Parts werden auch Streicher mit Synthies<br />

gepaart, witzige Samples aus allerlei B-Movies<br />

setzen auf den Spaßfaktor im Club. So findet<br />

sich die Comedy-Street-Oma mit dem genialen<br />

„Homofürst“ in einem Industrial-Song wieder<br />

und verspricht so einen Nachfolger zum urwitzigen<br />

Straßenprediger „Sexualkiste der Hölle“<br />

der ersten Scheibe.<br />

Wie kam es zur urgenialen „Homofürst“ Sache?<br />

Der Song klingt nicht nur stimmig – auch<br />

das Sample (so lustig wie es ja ist) macht sich<br />

wirklich vorzüglich darin!<br />

Passi: Erstmal vielen Dank . Solche Tracks wie der<br />

Homofürst passieren einfach, ich starte meistens<br />

fast ohne eine feste Idee, setze mich ins Studio und<br />

fange an zu produzieren und der Song nimmt Stück<br />

für Stück Gestalt an, dann höre ich irgendwo einen<br />

passendes Sample und denke mir, das könnte passen<br />

und meistens sitzt das dann genau so, wie ich<br />

mir das vorgestellt habe, so auch mit dem guten<br />

Fürsten.<br />

Die Sexualkiste der Hölle war ja euer absoluter<br />

Überflieger. Hat der Straßenprediger eigentlich<br />

mal euren Song gehört?<br />

Ich glaube nicht, außer es hat ihm irgendwer vorgespielt,<br />

ich denke aber auch nicht, dass es den Geschmack<br />

von dem guten Mann trifft .<br />

Wie findet ihr eigentlich immer eure skurrilen<br />

Samples?<br />

Wenn wir mal nicht im Studio oder unterwegs sind,<br />

gucken wir viele Filme, meistens Trash Horror, B-Movies,<br />

Animes. Eigentlich so ziemlich alles, was uns anspricht<br />

und meistens sind die Filme so klasse, dass ich<br />

allein mit einem ein ganzes Album machen könnte.<br />

Zumindest bei der Titelgebung folgt ihr dem Konzept<br />

der frühen Elektroniker wie DAF, ganz nach<br />

dem Motto: In der Kürze liegt die Würze. Sträubt<br />

ihr euch gegen ausschweifende Aussagen?<br />

Lieber kurze prägnante Titel als langes Gewäsch, mal<br />

im ernst:es ist Partymusik, wer will schon vor dem DJ<br />

stehen und sich einen Track wünschen der zwei Kilometer<br />

lang ist, dann lieber Titel, die man sich merken<br />

kann. Unsere Tracks haben keine Aussage. Warum im<br />

Titel eine erfinden? Wer x-rx hört, weiß, was er bekommt.<br />

Clubmusik nicht mehr und nicht weniger, wir<br />

sind ja keine Emos.<br />

Ist euch der Spaß am Abfeiern am wichtigsten?<br />

Oder würdet ihr auch einmal ein eher getragenes<br />

Konzept verfolgen?<br />

Solange wir jung und knackig sind, werden wir weiter<br />

feiern bis es knallt, getragene Konzepte sind wie<br />

getragene Kleidung, irgendwer hatte die schon mal.<br />

Kann man sich aus der Rave-Szene noch einiges<br />

für den jetzigen Industrial abschauen?<br />

Abschauen sollte man sich gar nichts, der jetzige Industrial<br />

wird sich immer weiter entwickeln, es sind genug<br />

Talente unterwegs, um das Genre zu fördern. x-rx<br />

ist kein klassischer Industrial, deshalb würde ich mich<br />

nicht wagen, den Industrialbands zu sagen, macht<br />

dies und das anders. Wir gehen unseren Weg als eine<br />

schubladenfreie Band weiter, ob die Leute das ganze<br />

verstehen oder nicht. Industrial-Rave-Music ist und<br />

bleibt eine eigenständige Geschichte. Wir haben keinesfalls<br />

vor, den Ur-Industrial zu vertreiben. Vielmehr<br />

wollen wir den jüngeren und auch allen anderen, die<br />

Spaß am feiern haben, zeigen, dass man auch anders<br />

kann, I.R.M versteht sich eher als eine Sub-Subkultur<br />

als einen Angriff auf den alten Industrial<br />

DaNiEl FRiEDRicH<br />

www.myspace.com/xrxindustrial<br />

Gert Hof<br />

Wolkenbügel<br />

„Ein Tuch aus Licht über die erstarrte Nacht zu breiten,<br />

eine Axt aus Licht in die Felsen der Dunkelheit<br />

zu schlagen, einen Sturm aus Licht zu entfesseln,<br />

einen Sonnenaufgang mitten im Auge der Nacht<br />

zu inszenieren. Nur so kann es möglich sein, in den<br />

Dunstkreis der Götter zu kommen, um sie den Men-<br />

schen etwas näher zu bringen – einen<br />

Wolkenbügel aus Licht zu erschaffen“,<br />

so umschreibt Gert Hof,<br />

der Großmeister der Regie seine<br />

Obsession, sein Schaffen. Neueste<br />

Zusammenarbeit nach Rammstein,<br />

Witt und Diamanda Galas sind Corvus<br />

Corax mit ihrer neuen Cantus<br />

Buranus.<br />

Wie kam es zum Erstkontakt<br />

zwischen Corvus Corax und<br />

Gert Hof?<br />

Die Managerin von Corvus Corax hat meinen Manager<br />

angerufen. Das war ein sehr gerader, merkwürdiger<br />

und sympathischer Anruf: Hof ist der<br />

Wunschregisseur von Corvus Corax, Geld haben wir<br />

keines, kannst du dir das vorstellen? Ich habe mir die<br />

neue CD angehört und war begeistert, das kommt<br />

nicht oft bei mir vor, ich habe die Jungs kennengelernt.<br />

Die Zusammenarbeit macht mir sehr viel Spaß,<br />

sie sind sehr kreativ, verstehen ihr Handwerk und<br />

sind verrückt, das letztere hat mich überzeugt.<br />

Welche Beziehung haben Sie zur Carmina<br />

Burana?<br />

Bedingt durch meine Herkunft vom Theater habe ich<br />

ein sehr sensibles Verhältnis zu Sprache, und wenn<br />

es sich dabei um eine der wichtigsten Dichtung<br />

des Mittelalters, wie Carmina Burana, handelt ist<br />

das für mich eine besondere Herausforderung. Für<br />

mich ist diese Sammlung von Texten der eigentliche<br />

„Hof ist der<br />

wunschregisseur<br />

von corvus<br />

corax, Geld<br />

haben wir<br />

keines, kannst<br />

du dir das<br />

vorstellen?“<br />

Beginn von Theaterliteratur. Der Text erzählt kleine<br />

Geschichten, wenn man will kleine Theaterstücke,<br />

kostbare Einakter. So ist auch mein Zugang zu diesen<br />

Texten. Theater kann Sprache und Geschichten sichtbar<br />

machen. Theater kennt keine sprachlichen Grenzen,<br />

es spricht in Bildern und Emotionen, es schreit,<br />

es flüstert, es weint, es lacht, es staunt, es erzählt, es<br />

macht neugierig, es ist historisch und futuristisch, es<br />

macht Mut, Hoffnung, Sehnsucht und immer ist es<br />

faszinierend und kann die Menschen verzaubern, für<br />

Augenblicke, wenn es gut ist. Theater kann Sprache<br />

übersetzen in Körper und Gesten,<br />

in das Unausgesprochene, in das<br />

Verschwiegene, in Bewegungen,<br />

in Pausen, in einen Blick, in das<br />

Monumentale, dass daraus ein verzauberter,<br />

ein geheimnisvoller, ein<br />

mystischer oder ein revolutionärer<br />

Augenblick wird. Es verleiht dem<br />

Text ein Bild, einen Vorgang und<br />

einen Herzschlag.<br />

Gibt es bereits erste Lichtentwürfe?<br />

Ich bin gerade dabei, das Bühnenbild und die Kostüme<br />

zu entwerfen, simultan dazu entstehen die ersten<br />

Ideen zu einer Licht- und Pyroarchitektur. Aber<br />

am Schluss ist das alles eine Frage des Budgets. Es<br />

ist für mich wie eine Expedition in eine andere Zeit,<br />

das Wichtigste dabei ist, das Geheimnis in diesen<br />

Texten zu finden. Auf einem Gemälde von Edward<br />

Hopper ist ein leeres Zimmer mit einer ein Stück offen<br />

stehenden Tür zu sehen. Ich denke, durch diese<br />

Tür muss ich gehen. Dahinter, im Verborgenen, ist die<br />

Welt, die mich interessiert, das Geheimnis. Die Welt<br />

hinter dieser Tür, wo alles möglich ist, will ich sichtbar<br />

machen. Dort offenbaren sie sich die heimlichen<br />

Wünsche, Ursprung aller Geschichten, in der Kammer<br />

der Todsünden. Das ist ein Aspekt von vielen,<br />

der mich an Carmina Burana fasziniert.<br />

Fotos: Heine (1), Rötzsch ( ), Wenzel ( )<br />

In wieweit unterscheiden sich Musikerproduktionen,<br />

wie bereits für Rammstein, Witt, Galas<br />

durchgeführt, im Vergleich mit präsentativen<br />

Lichtinszenierungen?<br />

Es gibt eigentlich keine großen Unterschiede, außer<br />

dass ein Megaevent viel komplexer ist. „Lichtinszenierungen“,<br />

wie Sie es bezeichnen, kenne ich nicht.<br />

Mit der Inszenierung eines großen Events verändert<br />

man für Momente das Aussehen einer ganzen Stadt.<br />

Es ist ein Gesamtkunstwerk, das sich aus vielen verschieden<br />

Elementen zusammensetzt: Choreografie,<br />

Laser, Licht, Theater, Musik, Feuerwerk. Die Millenniums<br />

Show, die ich für China inszeniert habe, war<br />

eine Inszenierung die fünf Stunden dauerte. Ich muss<br />

die Musik auswählen bzw. einen Komponisten finden,<br />

der nach meinen Vorgaben eine Musik komponiert,<br />

dann hatte ich 5000 Statisten, die ich choreografieren<br />

musste etc. Das ist also ein sehr komplexer<br />

Prozess. Die Partitur, die ich für solch einen Event<br />

schreibe, umfasst ca. 1000 Seiten und umfasst alle<br />

Gewerke. Man kann es am besten mit einer Inszenierung<br />

an einem Theater oder einer Oper vergleichen,<br />

nur in anderen Dimensionen. Die Basis bleibt<br />

die Dramaturgie.<br />

www.gert-hof.de<br />

www.cantusburanus.com<br />

GERt DRExl<br />

5


Zurück in die Zukunft<br />

Als 1993 Digital Factor ihre ersten Songs veröffentlichten,<br />

war die Szene von einem Aufbruchswillen<br />

beseelt, von dem man heute<br />

nur noch träumen kann. Fanzines, Agenturen<br />

und Kleinlabels schossen aus dem überreifen<br />

Boden und man zog am gemeinsamen Seil,<br />

um den überlebensgroßen EBM Banner über<br />

ganz Ostdeutschland zu hissen. Den Aufstieg<br />

und Untergang dieser so fruchtbaren Jahre<br />

haben Digital Factor miterlebt und widmen<br />

mit ihrem neuen<br />

Album „Look Back<br />

To Go Forward“<br />

eine besondere<br />

Nabelschau – Inspiriert<br />

vom Gestern<br />

zelebriert man<br />

einen modernen<br />

und nach vorne<br />

gerichteten Elektrosound.<br />

„Look Back To Go<br />

Forward“ ist das<br />

gereifte Motto des<br />

neuen Albums.<br />

Verbindet ihr Traditionen<br />

des Gestern<br />

mit den Möglichkeiten<br />

des Heute?<br />

Gerade der Titeltrack<br />

klingt wie<br />

good old Front, nur<br />

eben moderner...<br />

Wenn alle diesen Eindruck<br />

haben, dann<br />

wäre uns unser Album mehr als<br />

gelungen. Digital Factor darf von<br />

sich behaupten, einer der frühen<br />

Elektro-EBM Acts aus dem Osten<br />

Deutschlands gewesen zu sein.<br />

Mit diesen 16 Jahren können<br />

wir natürlich auch auf eine eigene<br />

Geschichte und auf eigene<br />

musikalische Entwicklungen<br />

zurückblicken. Und genau das<br />

passiert auf „Look Back To Go<br />

Forward“. Wir spannen einen musikalischen Bogen<br />

von unseren Anfängen in das Heute. Als Musiker ist<br />

man immer wieder auf der Suche nach dem eigenen<br />

Sound. Auch unsere Releases sind von dieser Suche<br />

„wir haben<br />

damit einer der<br />

wichtigsten Droge<br />

unseres bisherigen<br />

musikerlebens ein<br />

Denkmal setzen<br />

wollen.“<br />

geprägt, und die zweite Phase von Digital Factor<br />

(gekennzeichnet durch eine hochgestellte „ “ nach<br />

dem Bandnamen) hat mit „Look Back To Go Forward“<br />

richtig begonnen.<br />

Gerade EBM scheint durch junge Bands, die<br />

dem alten Stil frönen (Spetznaz etc.) wieder<br />

gehörig an Fahrt aufzunehmen.<br />

Das ist richtig. Allerdings ist dabei<br />

das Problem, dass sich viele<br />

dieser Bands in der Kritik damit<br />

konfrontiert sehen, nichts Neues<br />

zu machen. Auch wir haben uns<br />

dabei ertappt, genau von dieser<br />

Kritik treiben zu lassen. Bei „Look<br />

Back To Go Forward“ haben wir<br />

von vornherein gesagt, dass uns<br />

das Wurscht ist. Wenn eben Spetznaz<br />

genau wie Nitzer Ebb klingen,<br />

dann ist das doch deren gutes Recht. Die Jungs<br />

machen halt die Musik, die ihnen Spaß macht, und<br />

das auch noch richtig gut. Genau das ist auch unser<br />

Ansatz auf „Look Back To Go Forward“.<br />

Dopamin – die ideale Droge für ältere Elektroherren?<br />

Ältere Elektroherren? Was sind denn dann Front<br />

? Aber mal Spaß beiseite, das Schaffen von Digital<br />

Factor war schon immer von Dopamin geprägt.<br />

Irgendwie haben andere Drogen in der Band nie eine<br />

Rolle gespielt. Jedes Release, jede Tour, jedes Konzert<br />

aber auch jedes Zusammensein der Band hat uns<br />

immer ein besonderes<br />

Gefühl<br />

gegeben. Das<br />

Ganze auf einen<br />

biochemischen<br />

Prozess herunter<br />

gebrochen: Dopamin.<br />

Wir haben<br />

damit einer<br />

der wichtigsten<br />

Droge unseres<br />

bisherigen Musikerlebens<br />

ein<br />

Denkmal setzen<br />

wollen.<br />

East German<br />

Attitude<br />

– Große Reden,<br />

schöner Schein.<br />

Was kritisiert<br />

ihr damit?<br />

Als der Song entstanden<br />

ist, war<br />

von Wirtschaftskrise<br />

noch keine<br />

Rede. Mittlerweile ist es erschreckend, wie recht wir<br />

hatten. Aber in East German Attitude geht es eben<br />

auch darum, dass dies nicht so schlimm ist. Wir, als<br />

ehemalige DDR-Bürger, wissen, dass man von ganz<br />

unten, wenn alles kaputt ist, wieder neu anfangen<br />

kann. Kommen wir jetzt zurück zur Wirtschaftskrise:<br />

All die geschniegelten Bankmanager auf N lagen<br />

in den letzten Jahren mit ihren Prognosen und Analysen<br />

komplett daneben. Wir sollten also den Kopf<br />

nicht hängen lassen, wenn ein solches System kaputt<br />

geht. Der Untergang der DDR war ja auch mehr<br />

Chance als Schaden.<br />

www.digitalfactor.de<br />

VÖ „Look Back To Go Forward“: 23.01.09<br />

SiEGmaR OSt<br />

Fading Colours<br />

Dunkle Metaphysik<br />

Die Fading Colours sind bestimmt die berühmteste<br />

Darkwave-Gothic-Band Polens,<br />

das sich sonst nicht so viel mit großen Namen<br />

dieses Genres hervortut. Im Zentrum ihres neuen<br />

Werkes „Come” steht die ewige Wiederkehr<br />

der Seele und die Vergänglichkeit der Körperlichkeit.<br />

Entsprechend beseelt äußern sich Leszek<br />

und Decoy im Interview.<br />

Euer neues Album vereint Weltmusik, Triphop,<br />

Elektronik und Gitarrenwave mit eurem ureigenen<br />

Sound. Klingt so moderner Darkwave?<br />

Decoy: Die Musik, die wir machen, kam schon immer<br />

direkt von Herzen. Die Einflüsse und Genres, die wir<br />

vielleicht hier und da benutzen, sind nur die Brücke<br />

für unsere Gefühle. Das kann man gerne als modernen<br />

Darkwave bezeichnen.<br />

Leider gibt es heutzutage immer weniger traditionelle<br />

Darkwavebands. Ihr scheint da eine<br />

der wenigen Ausnahmen zu sein. Fühlt ihr<br />

euch dieser Tradition verbunden?<br />

Leszek: Als wir damals das Album „Black Horse”<br />

veröffentlichten, wurde es sehr schnell als Gothrock-<br />

Album klassifiziert, obwohl wir uns eigentlich nur<br />

als Rockband fühlten. Als wir dann mehr Syn<strong>the</strong>sizersounds<br />

benutzen und „Time” veröffentlicht wurde,<br />

galten wir schnell als Darkwave-Band, obwohl<br />

wir uns zu diesem Zeitpunkt eher als Triphop-Band<br />

verstanden. Ich bin mal gespannt auf die Stimmen<br />

zu „Come”.<br />

Das Gesangsarrangement ist unglaublich ausgefeilt.<br />

Es gibt viele verschiedene Räume und<br />

Chorpassagen. Passiert das einfach während<br />

der Produktion?<br />

D: In der Tat. Während der Aufnahmen fällt uns immer<br />

wieder etwas Neues ein, ich improvisiere sehr<br />

gerne. Meistens habe ich vor Beginn der Aufnahmen<br />

nur ein sehr vage Vorstellung, wie es klingen<br />

wird. Daniel nimmt dann einfach alles auf, was ich<br />

so spontan singe und er selektiert dann die besten<br />

Parts. Wir finden es dann sehr spannend, all diese<br />

Gesangsparts miteinander zu kombinieren.<br />

Neben Didgeridoos, vielen Samples und räumlichen<br />

Effekten fällt die rituelle Ebene stark<br />

ins Gewicht. Das unterscheidet das neue Werk<br />

auch zu euren letzten Alben. Diese vielen<br />

studiotechnischen Details scheinen euch sehr<br />

wichtig geworden zu sein.<br />

L: Wir sind Studiofreaks geworden. Gerade die unendlichen<br />

Möglichkeiten der vielen Plugins und<br />

elektronischen Klangerzeuger begeistern uns immer<br />

aufs Neue. Aber speziell der rituelle Aspekt wurde<br />

mir immer wichtiger. Besonders als ich in den 90ern<br />

in England mit der Goa Bewegung infiziert wurde,<br />

habe ich vielleicht so ein letztes Bisschen von der<br />

68er Bewegung abbekommen. Alle Samples auf dem<br />

neuen Album sind übrigens von uns selbst erzeugt.<br />

Das Didgeridoo stammt vom berühmtesten polnischen<br />

Didgeridoospieler Luka.<br />

Ihr habt „Come” in zwei Teile unterteilt.<br />

D: Die erste CD „I had to come” ist die eigentliche<br />

VÖ „Come“: 13.03.09<br />

Scheibe. Die zweite CD „Time of Returning” variiert<br />

einige Songs und hält auch noch Remixe älterer Titel<br />

bereit. Als wir das Album abgeschlossen hatten,<br />

haben uns direkt noch weitere Bearbeitungen auf<br />

den Nägeln gebrannt. Manche der Tracks, die auch<br />

auf der ersten Scheibe enthalten sind, haben auf der<br />

zweiten CD einen anderen Namen, da sie sich auch<br />

sehr stark verändert haben. Teilweise sind sie auch<br />

nicht wieder zuerkennen.<br />

Die meisten Texte handeln vom Verlassen,<br />

Sterben und dem Ende des Lebens, lassen aber<br />

eine Hoffnung auf eine Wiederkehr aufkeimen.<br />

Wie seid ihr zu dieser Sicht des Lebens<br />

gekommen?<br />

L: Ich würde uns als spirituell geprägte Menschen<br />

bezeichnen. Das kann man dem Rituellen in unseren<br />

Songs natürlich auch anhören. Ehrlich gesagt, fühlen<br />

wir uns auch nur als Reisende und temporär Anwesende<br />

dieser seltsamen und unfertigen Welt.<br />

Die elektronische Röhre im Herzen eurer Coverbilder<br />

scheint das Lebenslicht zu repräsentieren.<br />

L: Ja, ich sehe unsere Körper als Maschinen. Manchmal<br />

sind es auch sehr schöne Maschinen, wahre<br />

Meisterwerke. Trotzdem ist es schon seltsam, wie<br />

wenig unser Körper manchmal mit den Dingen zu<br />

tun hat, die in uns und in unserer Seele passieren.<br />

Die Seele ist einfach ein anderer Teil von uns, ein metaphysisches<br />

Wesen, das trotz unserer Vergänglichkeit<br />

ewig bestehen bleibt. Davon schreibe ich auch<br />

in meinem ersten, bald veröffentlichten Buch.<br />

www.fadingcolours.com<br />

6 7<br />

GERt DRExl


5 Jahre deutscher Synthie Pop Fotos: Reiner Pfisterer<br />

Schon mit ihrer ersten Single „The Great Commandment“<br />

feierten Camouflage 1987 einen Riesenerfolg,<br />

der sie damals direkt in die deutschen<br />

Top 15 und in Amerika sogar auf Platz 1 der Billboard<br />

Dance Charts katapultierte. Dass dies keine<br />

Eintagsfliege blieb, ist hinlänglich bekannt. Nach 5<br />

Jahren Bandgeschichte gibt es nun eine Premiere:<br />

Die erste DVD der Band erscheint. „Live in Dresden“<br />

bietet sowohl das 006er Konzert in der Reithalle<br />

Dresden als auch eine Menge exklusiver Extras und<br />

eine Live-CD mit dem Dresdner Konzert. Auf DVD 1<br />

befindet sich, abgesehen vom Song „Being Boiled“,<br />

das komplette Livekonzert. Das Event wurde sehr<br />

aufwendig mit acht Kameras gefilmt und bietet neben<br />

dem normalen Stereo-Sound auch eine 5.1 DTS<br />

Abmischung, die keine Wünsche offen lässt. Weiterhin<br />

enthält DVD 1 eine 1 -minütige Dokumentation<br />

der Europatour und eine Studio-Unplugged-Version<br />

von „Something Wrong“. Auf DVD befinden sich<br />

neben allen Videos der Band eine einstündige Dokumentation<br />

zur „Relocated“-Tour in Russland und<br />

nostalgische Fernsehauftritte der Band zwischen<br />

1987 und 1989. <strong>NEGAtief</strong> sprach mit Heiko Maile<br />

und Marcus Meyn.<br />

Warum habt ihr die Reithalle Dresden für den<br />

DVD-Livemitschnitt ausgewählt?<br />

HM: Bei einer Tour wählt man für solche Anlässe<br />

gerne eines der letzten Konzerte. Das hat den Vorteil,<br />

dass die Band bis dahin gut eingespielt ist und<br />

sich Details beim Konzertprogramm, wie aber auch<br />

im technischen Sinne im Laufe der Zeit verändern.<br />

Speziell nach den ersten zwei bis drei Konzerten<br />

wird noch viel am Ablauf gefeilt. Ursprünglich war<br />

als Aufnahmeort Berlin geplant, da hätten wir aber<br />

Probleme mit der Raumhöhe wegen des benutzten<br />

Kamerakrans bekommen. Letztendlich sind wir aber<br />

über die Wahl sehr glücklich, denn die Reithalle war<br />

ein passender Rahmen für unser erstes Konzert auf<br />

DVD.<br />

Wie wichtig war es euch, als richtige Liveband<br />

zu agieren, anstatt mit Livetracks zu arbeiten,<br />

wie es bei vielen Elektronikbands üblich ist?<br />

Wie viele Leute waren an der Umsetzung der<br />

Liveaufnahmen beteiligt?<br />

HM: Wir versuchen seit Jahren den Spagat zwischen<br />

Elektronik und Livemusik hinzubekommen – was übrigens<br />

auch für CD-Aufnahmen gilt. Wir haben uns<br />

vorgenommen, nie Scheuklappen zu tragen – egal in<br />

welche Richtung. Mit einem reinen Elektronik-Setup<br />

treten wir zwar ab und an auch auf, aber dies ist eher<br />

eine Lösung für Konzerte im Ausland, bei denen wir<br />

oft mit Transportproblemen, speziellen Auftrittsorten<br />

oder Zeitnot haben. Grundsätzlich finden wir es aber<br />

langweilig, immer nur vorbereitete Electro-Play-<br />

backs abzuspielen. So wie es eben oft in der Synthi-Szene<br />

gemacht wird. Wir wollen den Zuschauern<br />

etwas bieten und nicht zuletzt auch selbst ein gutes<br />

Gefühl auf der Bühne haben. Das ist aber eigentlich<br />

schon seit den Anfängen unsere Band so. Allen voran<br />

haben Jochen Schmalbach (Schlagzeug) und Volker<br />

Hinkel (Gitarre) die Konzerte 006 mitgeprägt. Mit<br />

ihnen zusammen haben wir wirklich viele unserer alten<br />

Songs neu entdeckt und auch die neueren Stücke<br />

hervorragend auf die Bühne umsetzen können. Aber<br />

natürlich ist an solchen Auftritten eine achtköpfige<br />

Crew von Menschen beteiligt, mit denen wir schon<br />

viele Konzerte erlebt haben und die durch ihren Einsatz<br />

solche Momente überhaupt erst ermöglichen.<br />

Für die eigentlichen Aufnahmen kamen dann noch<br />

zwei Techniker inkl. Soundmobil, acht Kameraleute,<br />

ein Fotograf und ein befreundeter Kameramann, der<br />

uns ein paar Tage begleitete, dazu.<br />

Wie aufwendig war die Umarrangierung der<br />

Songs aufgrund der zusätzlichen Musiker?<br />

HM: Da wir mit Jochen und Volker schon seit Jahren<br />

zusammenarbeiten, ist dies eine gewachsene Sache.<br />

An vielen Songs von „Sensor“ oder „Relocated“ waren<br />

die beiden auch schon bei den Aufnahmen im<br />

Studio oder bei der Produktion beteiligt, somit waren<br />

viele der Umsetzungen klar und jeder wusste, was er<br />

zu tun hatte. Für ein paar der älteren Songs musste<br />

ich mir leider komplett neue Sounds kreieren, denn<br />

viele der Original Syn<strong>the</strong>sizer aus den 80ern existieren<br />

nicht mehr, oder es war damals technisch nicht<br />

möglich, die Sounds abzuspeichern.<br />

Die Liveaufnahmen der DVD stammen von<br />

Ende 2006. Warum habt ihr euch mit der Veröffentlichung<br />

so viel Zeit gelassen? Gab es<br />

schwierige Momente? Inwieweit wart ihr in<br />

die Post-Produktion eingebunden?<br />

HM: Die Tonbearbeitung wurde komplett von mir gemacht.<br />

Leider hatten wir für diese Arbeit kein allzu<br />

großes Budget, was eine völlige Konzentration auf<br />

dieses Projekt ermöglicht hätte, so konnte meistens<br />

nur in Studiofreizeiten an der Umsetzung gefeilt<br />

werden. Glücklicherweise hat mir Volker Hinkel einiges<br />

an Arbeit abgenommen, sonst wäre die DVD<br />

immer noch nicht fertig. Wir waren schon immer<br />

Perfektionisten, so gilt dies auch für das nun vorliegende<br />

Werk. Für die Abmischung konnten wir Sven<br />

„Samson“ Geiger von den Neckarklangwerken in<br />

Stuttgart gewinnen. Bei einer Abmischung von teilweise<br />

mehr als 50 Audiospuren pro Song, einem 5.1<br />

Surround Mix, einem Stereo Mix und dem Mastering<br />

eine wahre Sisyphusarbeit.<br />

Auf der zweiten DVD befindet sich die einstündige<br />

Dokumentation eurer Russlandtour.<br />

Welche Eindrücke habt ihr von diesem gigantischen<br />

Land bekommen? Was hat euch besonders<br />

gefallen, was war schwierig?<br />

HM: Der Film war eigentlich ein Geschenk unseres<br />

Tontechnikers Guido Fricke an uns. Als wir die erste<br />

Schnittversion sahen, waren wir uns aber gleich bewusst,<br />

dass dies auch ein großartiges Bonbon für<br />

unsere DVD wäre. Natürlich ist die Bildqualität nicht<br />

immer ganz so überzeugend, die Aufnahmen wurden<br />

alle mit einer handelsüblichen DV Kamera gemacht.<br />

Absolut überzeugend sind aber die Stimmung und<br />

die Erlebnisse, die in diesem Film eingefangen sind.<br />

Genauso war es! Es war zwar schon unsere zweite<br />

Russlandreise, aber dieses Land hat immer wieder<br />

Überraschungen parat, die man so wohl nirgendwo<br />

anders erleben kann. Alleine die ewigen Zugfahrten<br />

zwischen den Auftrittsorten, oder die Ankunft in<br />

fremden Städten, deren Namen uns bis zu diesem<br />

Zeitpunkt nicht bekannt, geschweige denn aussprechbar<br />

waren, birgt genügend Material für drei<br />

solcher Filme. Mit unserer Crew haben wir ja schon<br />

einiges mit der Zeit erlebt, und wir können uns völlig<br />

auf sie verlassen. Manche technischen Rahmenbedingungen<br />

vor Ort brachten aber selbst diese gestandenen<br />

Leute schwer ins Schwitzen. Da wurde<br />

teilweise bis kurz vor dem Auftritt gelötet, repariert<br />

oder gar Teile der Bühne zusammengeschraubt.<br />

Im Vergleich zu euren Anfangszeiten gibt es<br />

heutzutage viele Möglichkeiten bei der Musikproduktion<br />

und beim Songwriting. Wie hat sich<br />

das bei euch im Laufe der Jahre verändert?<br />

HM: Ob heute oder damals – uns geht es immer um<br />

das gleiche Ziel – der Song. Einen guten Song zu schreiben,<br />

ist heute genauso schwierig wie damals. Oft ist es<br />

heute trotz des Fortschritts sogar langwieriger – man<br />

verliert sich schnell in all den Möglichkeiten, die man<br />

zur Verfügung hat. Dass man nicht mehr wegen jeder<br />

Kleinigkeit ein großes Studio anmieten muss, ist sicher<br />

sehr praktisch, andererseits war mit den alten Budgets<br />

noch viel Studioarbeit mit Gastmusikern, Tontechniker<br />

und Produzenten möglich. Das hat uns immer sehr<br />

viel Spaß gemacht und gab uns immensen kreativen<br />

Schub für die Arbeit an den Aufnahmen.<br />

Was bedeuten euch Songs wie „The Great<br />

Commandment“ heute? Welches Resümee<br />

zieht ihr nach 25 Jahren erfolgreicher Bandgeschichte?<br />

Welche Herausforderungen gibt es<br />

für euch noch?<br />

Marcus: Wir wissen, was wir solchen Songs verdanken<br />

und wir spielen sie inzwischen auch ziemlich<br />

unverändert, da die Fans ja auch darauf warten. Wir<br />

ziehen aus jeder Erfahrung ein Resümee für uns, aber<br />

es ist in der Kürze der Zeit natürlich nicht möglich,<br />

dieses für die letzten 5 Jahre abzubilden. Herausforderungen<br />

sehen wir ganz klar in jedem Song, den<br />

wir schreiben und wir haben noch viel vor!<br />

Wie sieht es mit neuen Camouflage-Songs aus?<br />

Arbeitet ihr an einem neuen Album? In welche<br />

Richtung geht es?<br />

Marcus: Wir haben uns für 009 vorgenommen, neue<br />

Songs zu schreiben und ein Album zu produzieren.<br />

Abgesehen davon wird es aber auch noch weitere<br />

Projekte geben. Die Richtung haben wir nicht vorgegeben<br />

– es bleibt spannend!<br />

www.camouflage-music.com<br />

VÖ „Live in Dresden“: 23.01.09<br />

8 9<br />

POlONi mElNikOV


Wie unter vier Augen<br />

Magisch, mystisch und verträumt – All diese<br />

Eigenschaften treffen auf die Songs der norwegischen<br />

Ausnahmestimme zu, die seit vielen<br />

Jahren ihre Heimat in Schwaben gefunden<br />

hat. Zur Veröffentlichung der umfangreichen<br />

und detailverliebten DVD blickt Liv Christine<br />

in mittlerweile lupenreinem Deutsch auf ihre<br />

Vergangenheit zurück und verrät das ein oder<br />

andere Geheimnis ihrer Band.<br />

Leaves’ Eyes – aus einem ursprünglichen Sideprojekt<br />

wurde mittlerweile eines der erfolgreichsten<br />

Female Metal Acts. Hättest du damit<br />

je gerechnet?<br />

Liv Christine: Leaves’ Eyes entstand aus einer Idee<br />

bei einem Waldspaziergang von Alex und mir. Ich fing<br />

an, ein Konzept zu schreiben und zeigte es meinen<br />

Freunden von Atrocity. Es gefiel ihnen gut und somit<br />

fingen wir an, die ersten Lieder zu komponieren.<br />

Nach meinem Rauswurf bei Theatre of Tragedy hatte<br />

ich viel mehr Zeit für Leaves’ Eyes und im Nachhinein<br />

muss ich sagen: gut so! Leaves’ Eyes war von<br />

Anfang an eine Band und nie ein Sideprojekt. Was<br />

wir machen, nehmen wir sehr ernst und möchten<br />

uns als Gruppe ständig entwickeln und<br />

technisch besser werden. Ich bin unseren<br />

Fans sehr dankbar dafür, dass sie<br />

mit uns gemeinsam diesen<br />

Weg nach oben gehen<br />

wollen.<br />

Du lebst jetzt schon sehr lange in Deutschland.<br />

Inwieweit kannst du immer noch aus der nordischen<br />

und jetzt so fernen Mythologie tanken?<br />

Jedes Mal, wenn ich zu Hause in Norwegen bin, verbringe<br />

ich einige Zeit damit, nach neuen, wichtigen<br />

und interessanten Quellen zu suchen. Ich habe mich<br />

schon immer für Mythologie und Geschichte interessiert,<br />

aber eigentlich noch mehr, seit dem ich in<br />

Deutschland wohne. Außerdem verbringe ich noch<br />

mehr Zeit draußen in der Natur oder am Meer. Die<br />

norwegische Natur ist ein sehr intensives und wunderbares<br />

Erlebnis; ich kann abschalten, und ich kann<br />

neue Energie, Kraft und Ideen tanken.<br />

In Deutschland wird ja schnell alles Nordische,<br />

bzw. Skandinavische zusammengefasst. Unterscheidest<br />

du hier und inwieweit fasst du Dinge<br />

zusammen?<br />

Es gibt sehr klare Grenzen zwischen den skandinavischen<br />

Ländern. Die Beziehung zwischen Norwegen<br />

und Schweden ist so wie die zwischen Deutschland<br />

und Holland. Kulturell gesehen sind wir uns eher<br />

ähnlich, und wir besuchen uns gegenseitig gern und<br />

kommen miteinander sehr gut aus, aber menschlich<br />

gesehen, sind die Nationen charakteristisch zu unterscheiden.<br />

Ein Beispiel: Die Norweger sind etwas<br />

ruhiger, introvertiert und nachdenklich, während generell<br />

gesehen die Dänen ein offeneres, lebhafteres<br />

Wesen haben. Also machen die Norwegen gerne<br />

Urlaub im flachen Dänemark, um einfach die Lockerheit<br />

dort zu spüren. Wird ein Fußballmatch zwischen<br />

Norwegen und Schweden gespielt, gibt es starke,<br />

nationale Gefühle auf beiden Seiten. Die Schweden<br />

haben uns lange unterdrückt; die Dänen haben uns<br />

zu unserer Selbstständigkeit als Nation sogar geholfen.<br />

Ich glaube aber, dass die Lappen, weil sie<br />

aus verschiedenen Regionen stammen und über<br />

unterschiedlichen Landesgrenzen herkommen,<br />

sich eher als eigene Nation sehen und fühlen.<br />

Um in Skandinavien zu bleiben: Habt Ihr<br />

eigentlich Kontakt zu anderen norwegischen<br />

Künstlern wie z.B. Sirenia oder<br />

Gothminister?<br />

Eigentlich nur, wenn wir zusammen ein Festival<br />

oder eine Tour spielen. Zu Hause in Stavanger treffe<br />

ich manchmal den einen oder anderen, aber das ist<br />

eher Zufall.<br />

Im Rückblick: Erinnerst du dich gerne an deine<br />

Anfangstage bei Theatre Of Tragedy? Hast du<br />

Kontakt zu deren neuen Sängerin?<br />

Natürlich. Es war eine sehr spannende Zeit. Wir sind<br />

von “Null auf hundert” gegangen, und das innerhalb<br />

von ein paar Monaten. Man kann sich vorstellen,<br />

wie toll und aufregend das war. Ich habe mehrmals<br />

Nell getroffen, da ich sie zum Leaves’ Eyes Konzert<br />

in Oslo eingeladen habe. Wir verstehen uns sehr gut.<br />

Mit Raymond und Lorenz verstehe ich mich auch<br />

wieder gut, aber als sie mich fragten, ob ich live mit<br />

ihnen zum 15 Jubiläumstour singen würde, habe ich<br />

Nein gesagt. Theatre of Tragedy ist Geschichte.<br />

War von Anfang an klar, dass das DVD Projekt<br />

so umfangreich werden würde? Wie lange hat<br />

sich das Schneiden hingezogen? Habt ihr das<br />

gemeinsam mit der ganzen Band erledigt?<br />

Den Cut für die gesamte DVD hat Stefan „Leebee”<br />

Liebhauser in Abprache mit Alex gemacht. Leebee<br />

kennt uns seit vielen Jahren und ist auch mit uns als<br />

Lichttechniker unterwegs, was eine gute Idee war,<br />

da er uns alle sehr gut kennt. Er hat auch die große<br />

Special Show „En Saga I Belgia” mit dem Wikingerschiff<br />

und den tollen Animationen konzipiert, welche<br />

die zweite DVD des DVD-Pakets beinhaltet. Der<br />

Umfang dieses Projekts ist natürlich sehr groß. Wir<br />

haben Filmmaterial über vier Jahre lang gesammelt,<br />

und die Bandereignisse quasi von Beginn an mit der<br />

Kamera aufgezeichnet.<br />

Hat sich im Laufe der Jahre eine feste Arbeitsweise<br />

beim Schreiben der Songs eingespielt?<br />

Entstehen zuerst Texte oder musikalische Fragmente?<br />

Zuerst entsteht ein Gesamtkonzept und dazu schreiben<br />

wir die Musik. Allerdings gibt es immer ein paar<br />

Demosongs, die wir spontan hier und da aufgenommen<br />

haben, die noch zum Konzept verfeinert werden<br />

müssen. Bei der jetzigen Platte „Njord” haben wir<br />

sogar die Musik für sich sprechen lassen. Ich hatte<br />

ziemlich früh eine Idee für das Konzept, habe es aber<br />

neu überlegt, da viele Lieder vom Feeling und der<br />

Charakteristik her eine klare und interessante Richtung<br />

eingeschlagen haben, an der wir unbedingt<br />

festhalten wollten.<br />

Was inspiriert dich noch immer am meisten<br />

zum Texten?<br />

Meine Heimat und ihre My<strong>the</strong>n, die Natur und meine<br />

Heimatsgefühle.<br />

Inwieweit bekommt man all das unter einen<br />

Hut: Mutter, Ehefrau, Tourneen, Aufnahmen,<br />

Interviews? Fehlt noch was?<br />

Ich kann gut planen, und das ist sehr wichtig. Was<br />

ich mache, mache ich, bis es fertig ist und konzentriere<br />

mich drauf, das Ziel zu erreichen. Mittlerweile<br />

achte ich drauf, mir auch mal eine Pause zu gönnen,<br />

das heißt, ich jogge sehr gerne, weil ich somit sehr<br />

gut abschalten kann. Mutter zu sein, ist ein Geschenk,<br />

auch wenn es manchmal viel Energie und<br />

Verständnis kostet. Aber sobald der Kleine da ist,<br />

kann ich ohne Probleme abschalten. Zurzeit verbringen<br />

wir viel Zeit mit Lego bauen, das finde ich ge-<br />

nial. Manchmal gibt es natürlich Tage, an denen ich<br />

denke, ich sollte mich am besten Klonen lassen, weil<br />

ich das Gefühl habe, keiner ist mit mir zufrieden.<br />

Gibt es einen regen Austausch mit den metallischen<br />

Frontsängerinnen von Krypteria, Nightwish<br />

usw.?<br />

Tarja gehört zu meinen besten Freundinnen, und<br />

Doro finde ich auch als Person eine Klasse für sich.<br />

Ich würde sehr gerne wieder ein Duett mit einer anderen<br />

Frontsängerin singen. Also, ich habe es jetzt<br />

gesagt. Die Einladung steht!<br />

Inwieweit war euch der dokumentarische Blick<br />

hinter die Kulissen wichtig? Habt ihr keine<br />

Angst, den ein oder anderen Mythos zu lüften?<br />

Natürlich gibt es hier und da ein „Geheimnis”, das<br />

gelüftet wird auf der DVD, aber das sind Aufnahmen,<br />

die wir euch gerne zeigen. Wir sind alle aus<br />

Fleisch und Blut. Jeder in der Band hat seine eigene<br />

starke Persönlichkeit, was wir in einigen Kapiteln anschneiden.<br />

Der Leaves’ Eyes Film als solcher ist sehr<br />

spannend und mit viel Herzblut gemacht, zeigt die<br />

Geschichte von Leaves’ Eyes und die Hintergründe<br />

sowie die gesammelten Erlebnisse auf unserer Reise<br />

durch vier Kontinente und Länder, auf der wir<br />

Konzerte gespielt haben.<br />

www.leaveseyes.de<br />

0 1<br />

PEtER iStuk<br />

VÖ „We Came With The Nor<strong>the</strong>rn Winds“: 27.02.09


Vom Horrorfilm zum Rock ’n’ Roll<br />

Das Jahr ist noch jung, wie auch das dynamische<br />

Debütalbum von The Pussybats. Obwohl<br />

die Band bereits 2006 erste Auftritte hatte,<br />

kommt erst jetzt ihr Erstlingswerk „Famous<br />

Last Songs” in die Läden. Neben einem hoffentlich<br />

erfolgreichen Verkauf, ab 23. Januar,<br />

hat die Band viele weitere Vorsätze.<br />

Stellt euch doch bitte kurz den Lesern vor. Wer<br />

seid ihr? Wie würdet ihr selbst eure Musik beschreiben?<br />

Sid: Bandgeschichte ist immer was Langweiliges,<br />

zumal es ja noch nicht so viel zu erzählen gibt. Also<br />

machen wirs kurz: Roy, Marple und meine Wenigkeit<br />

haben sich beim Dreh zu einem Horrorfilm getroffen,<br />

beschlossen zusammen den Soundtrack zu machen<br />

und das hat so gut funktioniert, dass wir das einfach<br />

mal weitergemacht haben. Mitte 006 sind wir<br />

zum ersten Mal aufgetreten, Anfang 07 haben wir<br />

den Sonic Seducer Battle of <strong>the</strong> Bands gewonnen,<br />

nach unserem Auftritt am WGT 007 hatten wir ein<br />

Angebot von Black Rain. Es ging eine Weile hin und<br />

her, wir hatten noch andere Angebote geprüft, aber<br />

letztendlich hat sich doch das erste Angebot als bestes<br />

herausgestellt und wir sind uns Anfang 008<br />

einig geworden. Im Mai kam als kleiner Vorbote die<br />

Single „No Romeo“ raus, im Sommer sind wir dann<br />

ins Studio zu Chai Deveraux, um unser erstes Full-<br />

VÖ „Famous Last Songs”: 23.01.09<br />

Length-Album „Famous Last Songs” aufzunehmen.<br />

Jo, und hier sind wir nun.<br />

Unsere Musik? Wir selbst nennen es Alternative<br />

Rock, das sagt irgendwie alles und nichts. Es hat<br />

Rockgitarren, Rockbass und Rockschlagzeug drin,<br />

mal lauter, mal leiser. Wir legen Wert auf eingängige<br />

Melodien, poppig könnte man sagen. Weil die Welt<br />

generell schlecht ist, sind unsere Songs geprägt von<br />

gewisser Melancholie, die sich mal aggressiver, nachdenklicher<br />

und mal depressiver äußert. Schön finde<br />

ich an dem Album, dass es sehr abwechslungsreich<br />

ist. Wir haben Songs für jede Lebenslage darauf, außer<br />

eventuell für Karneval und Ballermann-Urlaub.<br />

Für euer Werk wird u.a. damit geworben, dass<br />

der Produzent davon Chai Deveraux (Jesus On<br />

Exstasy) ist. Seht ihr die Band als Vorbild?<br />

Sid: Also wir mögen sie und ihren Sound, sonst wäre<br />

Chai als Produzent eine etwas merkwürdige Wahl<br />

gewesen. Vom Ansatz her gibt es natürlich deutliche<br />

Unterschiede. JoE sind viel elektronischer und tanzbarer<br />

angelegt, während wir eher klassisch rockig un-<br />

terwegs sind. Uns verbindet eine Vorliebe für schöne<br />

Melodien und simple oder besser, effektive Strukturen<br />

und Arrangements. Also wenig Schnickschnack, oder<br />

„ich kann so toll Gitarre spielen und muss es Allen<br />

zeigen”, sondern genau soviel oder so wenig, wie der<br />

Song braucht. Es gibt durchaus gemeinsame Nenner<br />

zwischen uns, das hat man während der Produktion<br />

gemerkt. Wir waren uns immer ziemlich schnell einig,<br />

was funktioniert und was nicht. Natürlich ist da auch<br />

die eine oder andere Sache, wo man sich denkt „auf<br />

sowas wäre ich auch gern gekommen“. Vorbilder in<br />

dem Sinne sind sie, weil ihnen nie gross etwas geschenkt<br />

wurde, sondern sie sich ihren Status hart erarbeitet<br />

haben. Klar werden sie von ihrem Label gut<br />

gepusht, aber Drakkar wirft ja nicht so aus Spass mit<br />

Geld um sich. Man muss erst einmal an den Punkt<br />

kommen, wo jemand bereit ist, soviel zu investieren,<br />

weil da wieder was zurückkommen könnte.<br />

Neugierige Hörer können bereits bei MySpace<br />

in einige eurer Songs reinhören und zur Single<br />

„No Romeo” das erste Video anschauen.<br />

Erzählt mal etwas über die ersten Erfahrungen<br />

am Set.<br />

Sid: Es war nicht direkt unser erstes Video, sondern<br />

das vierte und die haben wir alle selbst produziert.<br />

Marple, Roy und ich haben mit ein paar Kollegen<br />

zusammen noch eine Filmproduktionsfirma. Dazu<br />

machen Marple und ich zusammen mit Patrick Götz<br />

von Nightfall Entertainment, der auch beim „No<br />

Romeo” Video hinter der Kamera gestanden hat,<br />

noch Rockhaus television, eine zweiwöchig erscheinende<br />

Rock’n’Roll-Sendung, die im Internet (www.<br />

rockhaus.tv) und via Satellit zu sehen ist. Wir haben<br />

also mehr als ein paar erste Erfahrungen. Trotzdem<br />

ist jeder Videodreh eine Herausforderung, zumal<br />

man prinzipiell zuwenig Geld und einen völlig illusorischen<br />

Zeitplan hat. Das „No Romeo” Video wurde<br />

an einem Wochenende gedreht, an dem wir noch ein<br />

Konzert gaben und den Single-Endmix abgenommen<br />

haben. Da wird’s manchmal schon recht spät. Lustig<br />

wars trotzdem, die bezaubernde weibliche Hauptrolle<br />

hat während ihrer Szenen am morgen(!) mehr<br />

als eine ganze Flasche Sekt weggeputzt, ok. Marple<br />

hat ihr bisschen geholfen, und ist am Nachmittag<br />

zum Geburtstag ihrer Oma gegangen. So kann<br />

man selbst langweiligen Familienfeiern noch was<br />

abgewinnen. By <strong>the</strong> way: Das neue Video zu „Your<br />

Woman“ ist nun auch fertig geworden und u.a. auf<br />

unsere Website www.<strong>the</strong>pussybats.com und allen<br />

gängigen Videoportalen zu bewundern.<br />

www.<strong>the</strong>pussybats.com<br />

NORma HillEmaNN


Wahre Kontrollfreaks<br />

Lange Jahre wurde vergeblich auf eine Rückkehr<br />

der Vorbilder zu alter Kraft gewartet und<br />

nur wenige Nachfolger wagten es, sich der Herausforderung<br />

zu stellen und die entstandene<br />

Lücke einzugestehen oder gar auszufüllen. Die<br />

Rede ist von EBM und den großen Helden dieses<br />

Genres: Skinny Puppy, Front 242, Nitzer Ebb.<br />

Wie Presseechos aus der ersten Jahreshälfte<br />

2008 deutlich zeigen, war die Entscheidung<br />

Wertstahls, genau in dieser Lücke anzusetzen,<br />

goldrichtig. Im Februar 2008 zeichnete das Syn<strong>the</strong>tics<br />

Magazin das Demo zu „Kontrol“ bereits<br />

zum Album des Monats aus. Die gefürchteten<br />

Online-Rezensenten von feindesland.de gaben<br />

dem Duo 14 von 15 Punkten mit dem Prädikat„.Ein<br />

Highlight am EBM-Himmel, der schon<br />

fast untergegangen schien!“ Vielleicht auch<br />

durch den „Arschtritt“ der befreundeten Tyske<br />

Ludder motiviert, ist das Demo jetzt endlich als<br />

wohlklingendes Album erschienen.<br />

Wertstahl? Wie kommt man auf einen solchen<br />

Bandnamen?<br />

W.A.Mossad: Der greifbarste Ansatz wäre vielleicht,<br />

eine Kombination aus meinem Faible für Wortspiele,<br />

dem Zeitpunkt zu dem er entstanden ist und dann<br />

natürlich das oft unterbewertete Thema Bandnamen.<br />

Erstens ist der Name im Internet eindeutig zu<br />

finden und zweitens verbindet er zwei extrem ausdrucksstarke<br />

Begriffe. Ich glaube, besonders wichtig<br />

war auch, dass wir uns musikalisch nicht von dem<br />

Namen leiten ließen. Daher haben wir nun die Möglichkeit,<br />

zu sagen: Hör dir die Musik an! Hört man<br />

eher den Wertanteil, also die Arbeit, die investiert<br />

wurde, oder hört man eher den Stahlanteil, also die<br />

aufwändige Raffination aus Eisenerz bis hin zum<br />

Werkstoff? Dann macht es meistens Klick.<br />

„Kontrol“ ist ein wirklich abwechslungsreiches<br />

und gelungenes Werk. Wie entstehen eure<br />

Songs? Steht erst die Musik oder erst der<br />

Text?<br />

Die Texte umgeben mich eigentlich andauernd. Es<br />

sind Erlebnisse und Gedanken, die ich nur noch einmal<br />

kurz aufschreibe. Interessanterweise geht es de-<br />

Dokter nahezu genau so, vielleicht auch ein Grund,<br />

weshalb wir uns in der Hinsicht bestens ergänzen.<br />

Die grundsätzlichen Entwürfe für Songs entstehen<br />

meistens aus Sessions. Und dann haben wir, wegen<br />

der großen geografischen Distanz in der Vergangenheit,<br />

in mühsamer Arbeit ein ausgefeiltes System<br />

entwickelt, nach dem jeder von uns, von überall aus<br />

uneingeschränkt auf einem Songprozess einwirken<br />

kann. Das führt mittlerweile zu so etwas Ähnlichem<br />

wie einander gegenseitig zu remixen. Aber wir sehen<br />

davon ab, zu einem Instrumental dann noch eben<br />

schnell einen Text zu verfassen, „weil Gesang drauf<br />

muss“.<br />

Eure Musik ist ein erfrischender Mix aus EBM<br />

und Industrial – wie habt ihr euren Sound gefunden<br />

und perfektioniert – quasi: die Kontrolle<br />

erlangt?<br />

Wir haben viel Musik gehört, die nach unserem Empfinden<br />

etwas untypisch Eigenständiges transportiert.<br />

Ich habe mich außerdem beispielsweise mit den<br />

Anfängen von Bands wie Skinny Puppy oder Front<br />

beschäftigt und hinterfragt, was deren Einflüsse<br />

waren. Da bin ich auf einige sehr interessante und<br />

effektive Methoden des Sounddesigns gestoßen. An<br />

dieser Stelle ein herzlicher Gruß an Ecki Stieg, der<br />

in den 90ern bisher unerreichte Informationsarbeit<br />

geleistet hat! Letztendlich die volle Kontrolle über<br />

die Produktion zu erlangen, war allerdings sehr kräftezehrend.<br />

Uns war wichtig, dieses Mal wirklich jede<br />

Idee zu verwirklichen, keine Kompromisse einzugehen<br />

und alle Fähigkeiten einzusetzen. Wir waren fix<br />

und fertig, als die Platte abgeschlossen war.<br />

Eure Texte sind prägnant. Wer schreibt sie? Ich<br />

finde gerade Sätze wie den zitierten „Sun is<br />

shining, smile on my Face“ recht gut – etwas<br />

abgesetzt von diesem dunklen Einheitsbrei<br />

– woher kommt die Inspiration?<br />

Wie vorhin schon erwähnt, die Texte sind größtenteils<br />

mehr oder weniger durchlebt, sozusagen. Das<br />

Festhalten ist dann vielleicht ein wenig so wie beim<br />

„Freestylen“ oder jeder trägt einen Teil bei. Witzigerweise<br />

machen sich die wenigsten Leute Gedanken<br />

darüber, Methoden aus anderen Genres mal auszuprobieren.<br />

Und zu dem anderen, da kann ich nur<br />

sagen, spätestens seit den Videos,<br />

die im Zuge des Irak-Krieges aufgetaucht<br />

sind, gibt es für mich nichts<br />

erschreckenderes als die Realität.<br />

Wozu sich also noch über Monster<br />

und Horrormärchen Gedanken machen?<br />

Ich habe Teile eines dieser<br />

Videos gesehen. Karger Raum, Fahne, vermummte<br />

Terroristen, gefesseltes Opfer. Ich stand mindestens<br />

für zwei Wochen unter Schock. Warum sollte man<br />

sich etwas derart grauenvolles dann auch noch ausdenken?<br />

Ich finde das teilweise recht geschmacklos,<br />

und die Message erschließt sich mir nicht.<br />

Mögt ihr eher Sonnenschein oder Regen?<br />

Welches Lebensmotto habt ihr?<br />

Wer die Sonne liebt, muss den Regen nicht fürchten,<br />

und umgekehrt, behaupte ich. Es wäre nach meiner<br />

Auffassung ziemlich übertrieben, sich ein Leben lang<br />

nur darauf zu konzentrieren, gut oder schlecht drauf<br />

zu sein. Für uns ist es wichtig, sich frei und aus eigenem<br />

Antrieb durch die Zeit zu bewegen. Wer sich<br />

hetzen oder drängen, schlimmstenfalls sogar zwingen<br />

lässt, der wird auf seiner Reise zwar den Weg<br />

kennenlernen, wissen wie Asphalt aussieht, beispielsweise.<br />

Aber der Blick für den Moment und das<br />

Universum geht verloren. Es wirft Menschen biswei-<br />

len völlig aus der<br />

Bahn, wenn etwas<br />

einschneidendes<br />

passiert, und sie<br />

haben in ihren<br />

kühnsten Träumen<br />

nicht damit gerechnet.<br />

Man kann die<br />

Uhr gerne ignorieren,<br />

aber man sollte<br />

sie nicht vergessen.<br />

„Es gibt für<br />

mich nichts<br />

Erschreckenderes<br />

als die Realität.“<br />

Wie wichtig ist<br />

euch das Medium<br />

Internet für die<br />

Verbreitung eurer<br />

Musik und wie<br />

seht ihr das Problem<br />

mit illegalen<br />

Downloads?<br />

Das Internet ist nicht nur für uns das zukünftig essenzielle<br />

Medium für die Verbreitung von Kunst und<br />

Kultur. Leider ist es so, dass große Teile der Musikbranche<br />

das immer noch nicht verinnerlicht haben.<br />

Man verschwendet Zeit mit Klage, anstatt über Lösungen<br />

nachzudenken. Ohne Frage – eine CD in der<br />

Hand zu halten ist etwas Reales.<br />

Deshalb war es uns auch wichtig,<br />

eine CD zu machen, eben weil sie<br />

für uns noch „echt“ ist. Die Jugend,<br />

die aber gerade heranwächst, weiß<br />

unter Umständen nicht mal mehr<br />

wie ein CD-Player funktioniert. Für<br />

die hat das keinen Wert mehr. Und deshalb muss ein<br />

Umdenken in Bezug auf Musik im Internet ganz dringend<br />

gefördert werden. Bestenfalls mit attraktiven<br />

Inhalten. Ich glaube auch, dass die Bezeichnung<br />

„illegaler Download“ unpassend ist. Verbrecherisch<br />

sind solche Personen, die kopierte Musik ohne Lizenz<br />

gewerblich verkaufen.<br />

In der Presseinfo steht etwas von widrigen<br />

Begleitumständen der Produktion und von<br />

der fruchtreichen Zusammenarbeit mit Tyske<br />

Ludder. Könnt ihr uns zu beiden Sachen etwas<br />

sagen?<br />

Bleiben wir bei den positiven Dingen. Zum Beispiel<br />

Tyske Ludder. Wir haben uns sofort verstanden, und<br />

die sind schwer in Ordnung. Ich hatte ein, zwei Remixe<br />

für Olaf gemacht, das war aber ursprünglich<br />

mehr als Spaß gedacht. Er war aber äußerst zufrieden<br />

mit der Arbeit und konnte wohl nicht länger<br />

mit ansehen, dass ich Wertstahl so schleifen lasse.<br />

Nach der „://firewall“<br />

war die Band nämlich,<br />

sagen wir, etwas sehr<br />

undiszipliniert. Irgendwann<br />

stand dann auf<br />

der Tyske Homepage<br />

sinngemäß: „Wertstahl,<br />

kriegt endlich euren<br />

Arsch hoch!“ Das hat<br />

gewirkt. Seitdem arbeiten<br />

wir mit Tyske relativ<br />

eng zusammen. Siehe<br />

Bonustrack auf deren<br />

letzter EP! (lacht)<br />

Gibt es irgendwelche<br />

Gedanken an ein<br />

nächstes Album, was<br />

plant ihr für die Zukunft?<br />

Einige kleine Hinweise konnte ich mir ja schon nicht<br />

verkneifen, wir haben ein paar neuartige Spezialitäten<br />

in Arbeit und kommen gut voran. Aufmerksame<br />

Beobachter werden das im Album auch sehen.<br />

Im Vordergrund steht aber derzeit, für „Kontrol“<br />

eine würdige Aufmerksamkeit zu ermöglichen. Nicht<br />

zuletzt wegen der anschließenden Vorhaben. In Hinblick<br />

darauf wollen wir auch vermeiden, eine musikalische<br />

Fastfood-Kultur mit überstürztem Herausfeuern<br />

von Material zu fördern. Man sieht, wie das<br />

anderen Künstlern schadet, und wir wollen diesen<br />

Fehler nicht machen. Außerdem gilt es ja noch eine<br />

feine Tour zu liefern.<br />

www.wertstahl.de<br />

VÖ „Kontrol“: 13.03.09<br />

DaNiEl FRiEDRicH<br />

5


Supreme Court<br />

Willkommen beim<br />

obersten Gericht<br />

Die Jungs von Supreme Court bitten mit<br />

ihrem dritten Longplayer zur Verhandlung.<br />

„Keep calm + carry on“ besticht<br />

durch einen eingehenden Sound und einen<br />

Rhythmus, der einfach in die Beine<br />

geht. Zudem konnten sie Lea<strong>the</strong>r Strip<br />

für zwei Songs gewinnen. Supreme<br />

Court wurde 1996 im schönen Chemnitz<br />

gegründet und orientierte sich damals<br />

schon in Richtung Industrial a la Feindflug,<br />

Hocico, Suicide Commando oder<br />

Funker Vogt. Nach einer längeren Pause<br />

wegen anderer Verpflichtungen und<br />

Umbesetzungen in der Band kamen die<br />

Chemnitzer 2004 aus der Versenkung<br />

und machten mit den zwei ersten CDs<br />

auf sich aufmerksam und sicherten sich<br />

einen festen Platz in der Industrial-Szene.<br />

Nicht zuletzt die Zusammenarbeit<br />

mit Feindflug (“We’ll f*** you up!”)<br />

und anderen Künstlern wie z.B. DJ Rexx<br />

Arkana (FGFC820 / Bruderschaft) setzte<br />

einen wichtigen Wendepunkt in der Karriere.<br />

In 2008 jetzt zum Infacted Label<br />

gewechselt, ist von der Urbesetzung nur<br />

noch Kay Härtel (Music, Vocals, Arrangements)<br />

an Bord. Ihm zur Seite stehen<br />

noch Enrico Kunze (Lyrics) und Sebastian<br />

Nebel (Live Support).<br />

Supreme Court wurde 1996 gegründet.<br />

Warum genau gab es die lange Pause,<br />

bis ihr 2004 richtig durchgestartet seid?<br />

Kay: Supreme Court war im Grunde das Projekt,<br />

mit dem ich begonnen habe. Zu diesem<br />

Zeitpunkt war es auch nur als Experiment zu<br />

betrachten. Ich konnte mich ausprobieren<br />

und meinen Ideen freien Lauf lassen. Als es<br />

dann ernsthafter wurde und ich auch mit anderen<br />

zusammengearbeitet habe, sollte dafür<br />

ein neuer Name geboren werden, das war<br />

dann davaNtage. Nach meinem „Ausstieg”<br />

aus der Band lag es für mich nahe, mein<br />

Baby, mit dem alles begonnen hatte, wieder<br />

auferstehen zu lassen. Es war die beste Entscheidung,<br />

die ich fällen konnte.<br />

Wie kommt ihr auf euren Bandnamen „Supreme<br />

Court“? Fühlt ihr euch als die letzte<br />

Instanz?<br />

Nein, ganz sicher fühlen wir uns nicht als letzte In-<br />

stanz, das maßen wir uns nicht an.<br />

Ich kann es dir nicht sagen, was<br />

Anstoß für diese Namensgebung<br />

gewesen ist. Aus heutiger Sicht<br />

war es für mich eine Art Suche<br />

nach Gerechtigkeit. Wir sind nicht<br />

fehlerfrei, aber zu einem Fehler zu<br />

stehen und einen solchen auch zu<br />

gestehen, darf nicht schwer sein.<br />

Supreme Court ist mein Ventil,<br />

meinen Gedanken freien Lauf zu lassen. Ich kann<br />

mir meinen Frust von der Seele schreien, meine Wut<br />

zum Ausdruck zu bringen und mich somit auf eine<br />

gewisse Art <strong>the</strong>rapieren.<br />

Eure Zusammenarbeit mit Feindflug auf der<br />

EP „We’ll f*** you up!” sorgte für Furore in<br />

der Szene. Seid ihr Feindflug dankbar für die<br />

tatkräftige Unterstützung?<br />

Die Zusammenarbeit mit Feindflug war lange<br />

vorher im Gespräch und somit nur eine Frage der<br />

Zeit. Für Furore zu sorgen, ist heute ja schon eine<br />

Kunst, da man im Zeitalter des medialen Krieges<br />

niemanden mehr so leicht beeindrucken kann. Das<br />

fasse ich also als Kompliment auf. Ich bin auch immer<br />

und für jegliche Unterstützung dankbar. Im übrigen<br />

waren Felix und Banane auch beim aktuellen<br />

Werk mit von der Partie. Einige der Stücke sind in<br />

Zusammenarbeit und im Studio von Feindflug entstanden.<br />

Leider haben es zwei Songs nicht auf das<br />

Album geschafft, aber die werden auch noch das<br />

Licht der Welt erblicken.<br />

Das Militärische von Feindflug habt ihr ja auch<br />

teilweise übernommen. Habt ihr keine Angst<br />

davor, wie es auch oft schon bei Feindflug<br />

passiert ist, in eine politische Ecke gedrängt<br />

zu werden?<br />

Nein, davor habe ich keine Angst. In den Texten von<br />

Supreme Court wirst du keine klaren und stellungsbeziehenden<br />

politischen Aussagen finden.<br />

Wie würdet ihr eure Musik beschreiben und<br />

was wollt ihr mit euren Texten aussagen?<br />

Es ist nicht möglich, Musik zu beschreiben! Ich<br />

strebe danach, meine persönlichen musikalischen<br />

„Einige der<br />

Stücke sind in<br />

Zusammenarbeit<br />

und im Studio<br />

von Feindflug<br />

entstanden.”<br />

Vorlieben in einem Song zu verarbeiten, was schier<br />

unmöglich, aber nicht weiter schlimm ist. Sonst<br />

könnte ich ja aufhören. Das Wesentliche an unserem<br />

Sound – man hört eben, dass es Supreme<br />

Court ist. Ich muss zugeben, dass ich kein begnadeter<br />

Texter war und mir früher dabei immer Hilfe<br />

geholt habe. Mittlerweile schreibe ich selber Texte.<br />

Bei „Loosing Game” z.B. geht es<br />

darum, Ereignisse meines Lebens<br />

zu hinterfragen. Warum müssen<br />

manche beispielsweise mit letzter<br />

Kraft immer noch Spielchen spielen,<br />

wo doch vorher klar ist, dass<br />

sie dabei nicht gewinnen können.<br />

„Reaching out <strong>the</strong> hands” geht an<br />

alle, die mir im Leben weiter geholfen,<br />

mich dadurch gestärkt und mir<br />

durch sehr schwierige Situationen geholfen haben.<br />

Selbst an jene, die mich durch ihren Kampf gegen<br />

mich nicht zu Fall, sondern zum Fliegen gebracht<br />

haben. Auch aus schwierigen, fast unlösbaren Situationen<br />

bin ich gestärkt herausgegangen und dafür<br />

bin ich am Ende allen dankbar.<br />

Wenn man sich eure Arbeit anschaut, seid ihr<br />

ja die Meister der Remixe. Warum macht euch<br />

das Remixen so Spaß, bzw. was bringt euch<br />

das? Und welcher Remix ist eurer Meinung<br />

nach der Gelungenste?<br />

Danke. Warum einem etwas Spaß macht, ist sehr<br />

schwierig zu beantworten. Ich würde es mit Neugier<br />

begründen. Mich interessiert die Herangehensweise<br />

von anderen Musikern, welche Instrumentierung<br />

sie benutzen usw. Das ist für mich der<br />

Reiz am Remixen. Ich lerne auch viel dabei und<br />

es freut mich, wenn ich auf meine Arbeit positive<br />

Resonanzen bekomme. Welcher meiner Remixe der<br />

gelungenste ist, kann ich gar nicht so recht sagen,<br />

für mich sind alle einzigartig und gut.<br />

Auf dem neuen Album habt ihr Claus von Lea<strong>the</strong>r<br />

Strip gewinnen können. Ich nehme an,<br />

der Kontakt kam durchs Remixen zustande.<br />

Auf „Keep calm + carry on“ leiht er den Stücken<br />

„Æuropa” und „Oværkill” seine Stimme.<br />

Wie war die Zusammenarbeit?<br />

Ja, der Kontakt kam durch meinen Remix für „One<br />

more reason” zustande. Claus war sehr begeistert<br />

und meinte, es wäre der beste Remix von einem<br />

seiner Songs seit langem. Ich war sehr stolz, das<br />

von einem meiner Jugendidole zu hören. Auf meine<br />

Frage, ob er den nicht Lust hätte, bei einem meiner<br />

Songs mir seine Stimme zu leihen, antwortete er<br />

sofort mit ja. Die Zusammenarbeit war völlig entspannt<br />

und ging sehr schnell. Was dann zu Folge<br />

hatte, dass wir gemeinsam beschlossen, einen<br />

zweiten Song zu machen. Das Schönste für mich<br />

ist: Claus ist von unserer Arbeit so begeistert, dass<br />

er diese beiden Songs auf seinem nächsten Album<br />

auch nochmal veröffentlichen wird. Das ist eine<br />

große Ehre für mich.<br />

Der Titel des Albums heißt übersetzt, „Bleibt<br />

ruhig und macht weiter“, ist das euer Motto<br />

oder eine Message an eure Fans?<br />

Für mich bedeutet dieser Titel, dass sich in der heutigen<br />

Zeit jeder nur um sich kümmert und alle ihren<br />

Mund halten, auch wenn es ihnen noch so schlecht<br />

ergeht. Keiner macht den Mund auf, es könnte ja<br />

schlimmer sein, ist es aber nicht, also halten wir<br />

die Füße still und machen immer schön so weiter<br />

wie bisher.<br />

Ein Song, der sich in meinem Ohr festgesetzt<br />

hat, ist „Shed <strong>the</strong> blood“. Welcher Song hat<br />

eurer Meinung nach Tanzgarantie?<br />

Das ist schön zu hören und freut mich wirklich sehr,<br />

weil genau dieser Song der Anfang des Albums war.<br />

Es war der erste Song, den ich fertig hatte und bekommt<br />

dadurch einen besonderen Stellenwert für<br />

mich. Ich denke, neben „Shed <strong>the</strong> blood” dürften<br />

auch Songs wie „Everyday Tragedy”, „Reaching<br />

out <strong>the</strong> hand”, „We’re on <strong>the</strong> march” und „Keep<br />

calm and carry on” den Weg in die Clubs schaffen.<br />

Ich bin sehr zuversichtlich, dass dieses Album bei<br />

meinen Fans gut ankommen wird.<br />

HEikO NOltiNG<br />

www.myspace.com/supremecourtinfo<br />

6 7


Sacred: Der Schattenkrieger<br />

Das Hörspiel „Der Schattenkrieger“<br />

geht in die dritte Runde. „Im<br />

Bann der Bestie“ beschreibt die<br />

Suche von Krieger Garlan und<br />

seiner Gefährtin Leandra nach<br />

der Großen Maschine, die die<br />

Geschicke der Welt kontrollieren<br />

soll. Doch der Suche droht ein<br />

jähes Ende, denn Leandra erleidet<br />

im Kampf gegen eine<br />

Bestie grauenhafte Wunden.<br />

<strong>NEGAtief</strong> sprach mit<br />

der Regisseurin Patricia Nigiani<br />

und dem Produzenten<br />

Udo Baumhögger über den<br />

teils amüsanten Produktionsalltag<br />

und über Myk Jung.<br />

Wie kam es eigentlich zur Hörspiel-Adaption<br />

von Sacred 2 Der Schattenkrieger? Welche<br />

Instanzen gibt es zwischen Idee und Produktion?<br />

Patricia: Martin Ruiz Torreblanca, der Labelchef von<br />

Weirdoz*, schlägt uns ein bestimmtes Thema aus<br />

dem Gamesbereich vor und fragt uns, ob und wie<br />

man das hörspieltechnisch umsetzen kann. Oder wir<br />

finden ein spannendes Thema und fragen ihn, was er<br />

davon hält. Wenn wir dann zu einem Konsens kommen,<br />

zieht Martin los und besorgt die Lizenz dafür.<br />

So ist es letztendlich auch bei Sacred abgelaufen.<br />

Ihr habt namhafte und hoch professionelle<br />

Sprecher für die<br />

Produktion besetzen können.<br />

Wie habt ihr sie für<br />

den Schattenkrieger überzeugt?<br />

Wie bringt man sie<br />

zeitlich und organisatorisch<br />

unter einen Hut?<br />

Patricia: Udo und ich überlegen<br />

uns, wer unsere<br />

Lieblingsbesetzung für<br />

bestimmte Rollen ist.<br />

Martin stellt dann<br />

wiederum den Kontakt<br />

her. Im Grunde<br />

haben wir,<br />

glaube ich, den<br />

Vorteil, dass die<br />

meisten Schauspieler<br />

sehr<br />

gerne Hörspiele machen. Das ist sozusagen<br />

die Königsdisziplin im Sprecherbereich.<br />

Wenn das Drehbuch gefällt, stößt man<br />

mit einer Hörspielanfrage meistens auf<br />

offene Ohren.<br />

Die Organisation wahr sehr schwierig.<br />

Wir haben in Hamburg und in Düsseldorf<br />

aufgenommen. Wir mussten uns<br />

immer abstimmen. Wenn in Düsseldorf<br />

jemand gebucht wurde, mussten<br />

wir hier in Hamburg bereit<br />

sein, denn ich kann leider nicht<br />

an zwei Orten gleichzeitig Regie<br />

führen.<br />

Udo: Wir hatten ja 150 Rollen,<br />

die zu erledigen waren. Das<br />

war der Wahnsinn. Wir hatten<br />

z.B. damit zu kämpfen, dass ein<br />

wichtiger Sprecher ins Krankenhaus musste. Wir<br />

wussten nicht, können wir noch mit ihm arbeiten?<br />

Wann kommt er wieder raus? Bei anderen Sprechern<br />

mussten wir genau deren Drehpausen abpassen,<br />

was auch oft schwierig war. Unser Dank geht von<br />

hier aus noch einmal an Patrick, der in Düsseldorf die<br />

ganze Disposition dafür gestemmt hat.<br />

Sicher gibt es auch lustige Anekdoten aus dem<br />

Produktionsalltag. Sind die Schauspieler auch<br />

manchmal aus der Rolle gefallen bzw. in andere<br />

Rollen gewechselt?<br />

Udo: Oh ja. Wir haben hier eine wunderbare, riesengroße<br />

Outtake-Sammlung. Wahrscheinlich werden<br />

wir irgendwann einmal einen kleinen Beitrag davon<br />

zusammenschneiden.<br />

Patricia: Unser Großinquisitor ist ja auch der Sprecher<br />

von Data aus Star Trek. Er ist echt ein Kasper,<br />

was er übrigens auch über sich selbst sagt. Es war<br />

sehr witzig, wenn er gerne mal in seine Rolle als<br />

Data zurückgefallen ist, was natürlich komplett konträr<br />

zu seiner Rolle als Großinquisitor war.<br />

Wie kam es eigentlich zur Zusammenarbeit mit<br />

Myk Jung?<br />

Patricia: Als Fans von „Herr der Ringe“ fanden wir<br />

Myk Jungs „Herr der Ohrringe“ ziemlich interessant<br />

und sehr witzig. Er hat einfach eine sehr außergewöhnliche<br />

und markante Stimme.<br />

Udo: Wir haben ihn gefragt, ob er nicht Lust hätte<br />

und er war gleich Feuer und Flamme. Dann haben<br />

wir ihm direkt eine Rolle verpasst und er hat es auch<br />

richtig gut gemacht.<br />

www.weirdoz.de<br />

POlONi mElNikOV<br />

Folge 3 „Im Bann der Bestie“<br />

Der in der Zeit gestrandete Krieger Garlan<br />

mag im Kampf gegen die Finsternis in seiner<br />

Seele einen ersten Sieg errungen haben,<br />

doch die wahre Herausforderung steht ihm<br />

noch bevor: die Suche nach einem Artefakt,<br />

dessen Macht ausreicht, um ganz Ancaria zu<br />

vernichten. An ein Versprechen gebunden,<br />

das er einem sterbenden Freund gegeben<br />

hat, macht sich der Schattenkrieger gemeinsam<br />

mit der Halbelfe Leandra auf die Suche<br />

nach der Großen Maschine. Wer immer sie<br />

kontrolliert, kontrolliert zugleich die Geschicke<br />

der Welt. Kaum hat die Suche begonnen,<br />

droht jedoch bereits ihr Ende: Leandra<br />

erleidet im Kampf gegen eine Bestie, die<br />

im Licht des Vollmonds ihr Unwesen treibt,<br />

grauenhafte Wunden. Wird Garlan auch seine<br />

letzte Gefährtin verlieren? Kann er hinter<br />

die Masken blicken, die die scheinbar so<br />

hilfsbereiten Bewohner eines abgelegenen<br />

Dorfes tragen? Wem lohnt es sich Vertrauen<br />

zu schenken, und wer will Garlan für seine<br />

eigenen, finsteren Zwecke einspannen?<br />

Schlimmer noch: Wie lange wird es dauern,<br />

bis ein alter, längst bezwungen geglaubter<br />

Feind Garlan aufspürt, um schreckliche Rache<br />

an ihm zu üben?<br />

Spieldauer: ca. 80 Min.<br />

Sprecher: Helmut Krauss, Thomas Fritsch,<br />

Sandra Schwittau, Michael Pan, Raimund<br />

Krone, Annabelle Krieg, Jürgen Holdorf,<br />

u.v.m.<br />

Mit den deutschen Synchronstimmen von<br />

Russel Crowe, Samuel L. Jackson, Marlon<br />

Brando, Bart Simpson, Hilary Swank, Milla<br />

Jovovich, Eva Mendes, Brent Spiner (Lt.<br />

Cmdr. Data in Star Trek), und Michael Dorn<br />

(Lt. Cmdr. Worf in Star Trek).<br />

8 9


Fernsehdiktatur<br />

Unkonventionell ist der kleinste gemeinsame<br />

Nenner womit man Violet gerecht werden<br />

dürfte, versteckt sich doch hinter dem mittelalterlich<br />

aufgepoppten Projekt keine Geringere<br />

als Frau Stücker aka Vani, (wir berichteten<br />

in einem früheren <strong>NEGAtief</strong>). Zuletzt mit ihrem<br />

schriftstellerischen Debüt im Fischerverlag<br />

„Schaulaufen für Anfänger“ aufgefallen,<br />

welches vielleicht nicht so medienpräsent wie<br />

das Buch ihrer feuchtgebietsspezialisierten<br />

Kollegin Roche präsentiert wurde, dafür aber<br />

um einiges origineller in Wortwahl und Witz<br />

ausgefallen war, gerät das neue musikalische<br />

Werk zur Abrechnung mit der Fernsehdiktatur<br />

von heute.<br />

Hallo Bianca, nach Vani und einem tollen Buch<br />

im Fischerverlag machst du jetzt wieder eine<br />

CD. Was machst du eigentlich, wenn du nicht<br />

kreativ bist und nicht schläfst?<br />

Briefe verteilen. Aber hoffentlich nur vorübergehend!<br />

Das neue Album beschäftigt sich mit dem modernen<br />

Leben, das scheinbar komplett unter Kontrolle des<br />

TVs steht.<br />

Sogar ihr hängt im Booklet vornehmlich vor<br />

der Glotze. Steht es mittlerweile so schlimm<br />

um die Welt?<br />

Wir sind im Booklet nicht nur<br />

vor dem Fernseher, wir sind<br />

sogar im Fernsehen! Und<br />

das ging ganz leicht: Einfach<br />

Kamera ausgeliehen, in den<br />

Fernseher eingestöpselt, und<br />

zack, schon ist man da, wo<br />

sonst nur das Dschungelcamp,<br />

Peter Kloeppel und ungeklärte<br />

Vaterschaften sind. Wer hätte<br />

gedacht, dass es so simpel<br />

ist mit der Karriere? Meine<br />

messerscharfe Analyse der<br />

Welt, des Universums und des<br />

ganzen Rests sagt mir, dass<br />

man heutzutage nur etwas<br />

gilt, wenn man im Fernsehen stattfindet. Das Fernsehen<br />

ist sozusagen die Königsdisziplin der Wichtigmacherei,<br />

aber Internet, Internet und Internet holen<br />

natürlich stark auf. Man könnte es also so zusammenfassen:<br />

Das Fernsehen steht bei uns für die Zivilisationskrankheit<br />

des Wichtigseinwollens.<br />

In „Exult“ geht es um jene im Wohlstand gesättigten<br />

Menschen, die sich ihren Lustvorteil nur noch<br />

durch Sadismus anderen gegenüber<br />

verschaffen. Ist das<br />

auch eine Zivilisationskrankheit<br />

oder liegt das an der generellen<br />

„Unfertigkeit“ des<br />

Menschen?<br />

Gute Frage! Aber das ist<br />

schon richtig, Überdruss und<br />

Unersättlichkeit sind gewiss<br />

keine Erfindungen des 1.<br />

Jahrhunderts, nur kommen sie<br />

in Zeiten des relativen Wohlstands<br />

sehr wahrscheinlich<br />

häufiger vor.<br />

„Wreath Of Barbs“ ist eine<br />

Coverversion eines Songs<br />

einer Band, die häufig mit<br />

purer Provokation von sich<br />

Reden macht. Wie kam es<br />

dazu?<br />

Vielleicht so: Eines nachts saß<br />

der junge Herr Ratzinger in<br />

seinem Kellerverlies und überlegte<br />

sich einen neuen Hit. Ach,<br />

dachte er heimlich bei sich, da kommt mir gerade diese<br />

bildschöne Melodie in den Sinn, die sich anhört,<br />

als wäre sie wie für ein Hackbrett gemacht. Ich habe<br />

zwar kein Hackbrett, fuhr<br />

er in seinem inneren Monolog<br />

fort, aber das macht<br />

nichts, denn eines Tages<br />

wird sicher eine Band mit<br />

Hackbrett kommen und<br />

das Lied nachspielen. Und<br />

genau so ist es tatsächlich<br />

gekommen! Ist das nicht<br />

verrückt?<br />

VÖ „Modern Life“: 27.02.09<br />

Vani war ja mehr oder<br />

weniger dein Soloprojekt.<br />

Violet ist eine<br />

Band. Fällt dir Banddemokratie<br />

schwer?<br />

Gerade als Schriftstellerin bist du ja auch sehr<br />

autark gegenüber dem Einfluss anderer.<br />

Nein. Wir haben keine Banddemokratie. Wir spielen<br />

einfach immer alle durcheinander, wie man ja<br />

hört. Obwohl, die Macht hat nachher natürlich der<br />

Mischer. Und wer wird das wohl sein? Haha!<br />

Musikalisch vereint ihr mittelalterliche Instrumente<br />

mit modernem Songwriting. Liegt<br />

diesen archaischen Klangkörpern eine eigene<br />

Macht zugrunde? Schenkt das klingende Gestern<br />

einen neuen Blickwinkel auf das Jetzt?<br />

Mit viel Fantasie vielleicht schon. In Wirklichkeit hat<br />

sich bei uns aber einfach der Altersstarrsinn durchgesetzt,<br />

der verhindert, dass wir etwas Neues lernen.<br />

Einmal Sack, Flöte und Tröte, immer Sack, Flöte und<br />

Tröte sozusagen. Aber was da für komische Musik<br />

bei rauskommen kann, man glaubt es kaum!<br />

Was gibt es ansonsten Neues im Hause Stücker?<br />

Ist ein weiteres Buch geplant?<br />

Das wäre ja schlimm, wenn das nicht so wäre. Aber<br />

wir planen immer mehr Dinge auf einmal, als sich<br />

zeitgleich umsetzen lassen, daher alles schön der<br />

Reihe nach. Erst mal gibts jetzt “Modern Life” bis<br />

der Arzt kommt.<br />

www.violet-net.de<br />

GERt DRExl<br />

50 51


Anti Weltordnung<br />

Wer bei diesem Namen unmittelbar an karibische<br />

Magie und Hexerei denkt, liegt gänzlich<br />

falsch, denn Voodoma konzentrieren sich auf<br />

Ihre Version des Darkmetal. Ihr mittlerweile<br />

drittes Album klingt unglaublich professionell<br />

und man wundert sich, warum<br />

diese Band noch nicht<br />

längst bei einem der großen<br />

Häuser des Genres gelandet<br />

ist.<br />

„lebe nicht<br />

nach Regeln, die<br />

du selber nicht<br />

aufgestellt hast!“<br />

Voodoma – steht der Name<br />

für eine Kombination aus Voodoo und westlichen<br />

Traditionen?<br />

Interessante Theorie, die man so stehen lassen<br />

könnte! Wir wollten einen Namen, den es so noch<br />

nicht gibt und der außerdem etwas mystisch klingt.<br />

Euer Album ist in Kapitel aufgebaut. Was ist<br />

für euch das Antidogma?<br />

Da wir das Buch als Albumcover hatten, bot sich eine<br />

Aufteilung in Kapiteln an und deutete damit auch<br />

auf einen religiösen Bezug hin, der den meisten Betrachtern<br />

bei dem Titel des Albums vermutlich sofort<br />

in den Sinn kommt, zumal auch die dunkle Gestaltung<br />

des Buchs und die altertümlich-gotische Schrift<br />

bei vielen gleich eine Assoziation mit der Bibel bzw.<br />

bibelnahen Werken hervorrufen dürfte. Allerdings<br />

hatten wir den Titel von Anfang an nicht ausschließlich<br />

unter religiösen Gesichtspunktenbetrachtet,<br />

sondern hatten den<br />

Begriff als interessanten<br />

Denkanstoß gesehen, den<br />

man zwar auch auf Religion<br />

beziehen kann, aber<br />

ebenso auf Wissenschaft,<br />

Gesellschaft, Wirtschaft,<br />

Politik etc. Das Verwirrende<br />

an Dogmen ist eigentlich<br />

immer die Tatsache,<br />

dass sie einerseits eine<br />

grundlegende Bedeutung<br />

haben, auf denen alle<br />

davon abgeleiteten Aus-<br />

sagen beruhen, dass sie andererseits aber eigentlich<br />

selbst nicht beweisbar sind, ähnlich wie ein Axiom in<br />

der Ma<strong>the</strong>matik. Aber was wäre, wenn die ursprüngliche<br />

Aussage, auf der alles basiert, falsch ist? Welche<br />

Auswirkungen hätte das auf die o.g. Bereiche<br />

Wissenschaft, Gesellschaft, Wirtschaft, Politik etc.?<br />

Wenn man dann noch an die Auffassung denkt, dass<br />

es zu jeder Materie eine Anti-Materie<br />

gebe, könnte es dann nicht<br />

zu jedem Dogma auch ein Anti-<br />

D o g m a<br />

g e b e n ,<br />

und damitunsere<br />

gesamte Weltordnung<br />

auf den Kopf stellen? Um<br />

es kurz auf den Punkt zu<br />

bringen: Lebe nicht nach<br />

Regeln, die du selber nicht<br />

aufgestellt hast!<br />

Das Album klingt extrem<br />

rund und professionell.<br />

Wie kann man diesen<br />

Aufwand selbst überhaupt<br />

schultern? Habt<br />

ihr schon mal darüber<br />

nachgedacht, einen externen<br />

Produzenten zu<br />

buchen?<br />

Der Grund, alle unsere Albumproduktionen selber<br />

zu machen, ist aus der Not<br />

heraus geboren worden. Wir<br />

konnten uns beim ersten<br />

Album keinen Produzenten<br />

leisten und so haben wir das<br />

eben selber gemacht. Mittlerweile<br />

sind wir beim dritten<br />

Album angekommen und um<br />

eine Menge Erfahrungen reicher!<br />

Seit Anbeginn hatten<br />

wir allerdings auch unsere<br />

eigenen Soundvorstellungen,<br />

wie die Band zu klingen hat<br />

und das haben wir auch<br />

kompromisslos durchgezogen.<br />

Aber wir würden uns<br />

auch einem guten externen Produzenten keinesfalls<br />

verschließen, wenn wir die Möglichkeit hätten.<br />

Musikalische bedient ihr euch im Metal wie im<br />

Gothic Rock. Wie seid Ihr in euren Sound gewachsen?<br />

Was sind eure Vorbilder?<br />

Das liegt wohl an der Tatsache, dass wir alle einen<br />

breit gefächerten Geschmack haben und kein Schubladendenken<br />

kennen. Unser erstes Album war sicher<br />

im Gothic Rock verwurzelt, während das zweite ein<br />

reines Metalalbum war. „The Anti Dogma“ ist für<br />

mich die Verschmelzung beider Stilrichtungen, eben<br />

Dark Metal. Vorbilder gibt es immer und zwar aus<br />

jeder Musikrichtung. Allerdings orientieren wir uns<br />

nicht an einer bestimmten Band, das würde keinen<br />

Sinn machen.<br />

Gothic Rock hat es mittlerweile in der Schwarzen<br />

Szene sehr schwer. Alles verschiebt sich in<br />

eine sehr technoide Szene. Wie seht ihr diesen<br />

Trend?<br />

Wie du selbst sagst, ist das ein Trend. Das kann in<br />

einem Jahr wieder anders aussehen, weil sich jeder<br />

Trend auch wieder abnutzt. Ich denke, dass qualitativ<br />

gute Musik immer ihren Weg zum Hörer finden<br />

wird, auch wenn es länger dauert. Egal, ob es gerade<br />

im Trend liegt oder nicht. Wir planen für das nächste<br />

Album allerdings auch, mehr elektronische Einflüsse<br />

einzubringen und etwas weniger Metal. Noch einmal<br />

ein zweites Album in Richtung „The Anti Dogma“ aufzunehmen,<br />

wäre zu langweilig, also werden wir etwas<br />

experimentieren. Mal sehen, was dabei rauskommt.<br />

www.myspace.com/voodoma<br />

PEtER iStuk<br />

5 5


Wohnwagen, oder was?<br />

Der Erstkontakt mit dieser Gruppe löst Verwunderung<br />

aus, denn die Googlesuche verweist zuerst auf<br />

diverse Einträge zum Thema DDR Wohnwagen. Doch<br />

handelt es sich bei dem Minimal Darkwave Projekt<br />

nicht um eine verkappte Ostalgie. Dominic Daub, der<br />

so einigen aus der schon so fernen Gothrock Vergangenheit<br />

bei The House Of Usher bekannt sein dürfte<br />

und sein technisches Pendant Tobias Dupont warten<br />

mit einem einmaligen Sound auf, der allenfalls in seiner<br />

Reduktion an Bands wie DAF oder Second Decay<br />

zu erinnern vermag. Der Tanzflächeneinsatz dürfte<br />

dieser Band auf alle Fälle sicher sein.<br />

Der Bandname ist ja schon außergewöhnlich.<br />

Wie kamt ihr auf den Namen und was verbindet<br />

ihr mit QEK Junior? (Da Ihr doch eigentlich<br />

aus dem Westen kommt.)<br />

Dominic: Einen „echten” QEK haben wir uns vor<br />

ein paar Jahren zugelegt, weil wir keine<br />

Lust mehr auf Zelten bei Festivals etc.<br />

hatten. Beim letzten Zillo Festival auf<br />

der Loreley hat das Ding seine Feuertaufe<br />

erhalten. Während es draußen in<br />

Strömen goss, feierten wir in dem Ding<br />

ab. Als ich dann einen Namen für das<br />

Projekt suchte, lag QEK Junior absolut<br />

nahe. Er ist technisch veraltet, schlicht,<br />

und der Underdog auf jedem Campingplatz.<br />

Und das verbindet ihn wohl mit<br />

unserer Musik, der geht es in der aktuellen<br />

elektronischen Musikszene recht<br />

ähnlich. Und letztlich haben merkwürdige<br />

Namen in der Minimal-Szene ja<br />

schon Tradition.<br />

Ihr habt ja schon eine musikalische<br />

Vergangenheit. Wollt Ihr darüber<br />

erzählen und warum jetzt was<br />

neues eigenes?<br />

Dominic: Also, ich hab früher in verschiedenen<br />

Bands gespielt. Metal, Indie,<br />

Wave. Ich bin dann 1998 bei The House<br />

of Usher gelandet, die ich 00 wieder<br />

verlassen habe. Die Zeit mit den Jungs<br />

war großartig, am Ende aber ziemlich<br />

anstrengend. Wir haben zuletzt in Kamen<br />

geprobt, während ich in einem<br />

Städtchen im Hunsrück lebte. Proben,<br />

Konzerte in halb Europa, Studiotermine<br />

– irgendwann wurde das Ganze zu<br />

einem echten Nebenjob! Ich hab dann<br />

einen Schlussstrich gezogen, auch um<br />

mein Studium abzuschließen. Mir hingen,<br />

wie so vielen, die Studiengebühren<br />

im Nacken. Der Ausgleich zum Schreiben<br />

der Magister-Arbeit war die Arbeit am<br />

Sequencer, in meinem kleinen Homestu-<br />

dio, in dem wir auch „Ausverkauf” aufgenommen<br />

haben. Tja, und danach stand ich vor der Wahl: Musik<br />

machen oder promovieren? Ich hab mich für die<br />

Musik entschieden. Tobias war früher eigentlich ausschließlich<br />

für die technischen Fragen zuständig, er<br />

war auch schon Tontechniker bei The House of Usher.<br />

Und ist irgendwann bei QEK gelandet.<br />

Eure Musik erinnert stark an die frühen 80er<br />

und die Neue Deutsche Welle. Wie würdet Ihr<br />

euren Musikstil beschreiben und habt ihr dafür<br />

Vorbilder?<br />

Dominic: Ich kann mit „kalter, elektronischer Minimal-Wave”<br />

recht gut leben. „NDW” sehe ich allerdings<br />

sehr, sehr skeptisch. Ich mag „frühe” NDW-<br />

Bands wie DAF, Fehlfarben oder Der Plan natürlich<br />

sehr gerne, kann mit den späteren Acts, die unter<br />

diesem Label liefen (Steinwolke, Geier Sturzflug,<br />

Markus und so weiter) aber überhaupt nix anfangen.<br />

Ich bin, was Musik angeht, sehr, sehr flexibel.<br />

Ich denke, wir klingen so, wie wir klingen, weil wir<br />

versuchen, mit absolut bescheidenen Mitteln Songs<br />

aufzunehmen. Was in den frühen Achtzigern zwangsläufig<br />

auch der Fall war.<br />

Euer Erstlingswerk wurde als EP auf Vinyl veröffentlicht.<br />

Wie kam das?<br />

Wir hatten unsere ersten Songs bei Myspace hochgeladen<br />

und dort hörte Jörg von Kernkrach die Songs.<br />

Und der hat uns dann zur Veröffentlichung der Platte<br />

genötigt. Nee, im Ernst: Ich bin immer noch heilfroh,<br />

dass die erste VÖ auf Vinyl lief. Das passte vollkommen<br />

zu unserer Retro-Attitüde.<br />

www.myspace.com/qekjunior<br />

VÖ „Ausverkauf“: 06.02.09<br />

HEikO NOltiNG<br />

5 55


Sara Noxx<br />

Achtziger Heroen und Alternativen<br />

Die dem deutschen Sprachgesang frönende,<br />

und von mir als „Queen of Cooperations“ bezeichnete<br />

Sara Noxx geht dieser Tage mit ihrem<br />

sechsten Studioalbum ins Rennen. Etwas scheu<br />

und zurückhaltend in ihren Antworten, wie<br />

man es von Frau Noxx gewohnt ist, konnte ich<br />

ihr dennoch einige Informationen entlocken.<br />

„In(t)oxxication“, so der Name des Longplayers<br />

wird angekündigt durch die Vorab-Single „Superior<br />

Love” die in zwei Versionen veröffentlicht<br />

werden wird. Lest selbst warum.<br />

Du hast mit dem großartigen Pop- und Wavehelden<br />

der Achtziger, Christopher Hamill auch<br />

bekannt unter dem Namen Limahl, den Song<br />

„Superior Love” aufgenommen. Wie genau<br />

kam es zu dem gemeinsamen Stelldichein?<br />

Dass ich Koopera-<br />

tionen zu schätzen<br />

weiß, dürfte inzwischen<br />

bekannt sein.<br />

Erneut hat ein großartiger<br />

Musiker seine<br />

Beteiligung zugesagt. Die aktuelle Zusammenarbeit<br />

mit Limahl erfüllt mich mit Stolz. „Neverending Story”<br />

hat mich in den Achtzigern tief berührt und so<br />

war ich erfreut, als Limahl unsere Anfrage mit einer<br />

Zusage beantwortete.<br />

Wie war die Arbeit mit Limahl?<br />

Dank modernster Technik problemlos!<br />

„in erster linie<br />

wird es Noxx<br />

pur geben.“<br />

Auf der anderen Seite gibt es den Titel noch in<br />

einer Kooperation mit 18 Summers, welche die<br />

„Dark-Side” repräsentieren sollen. Was genau<br />

steckt hinter dem Konzept der „Bright- und<br />

der Dark-Side”-<br />

Singles?<br />

Der Gedanke, einen<br />

einzigen Titel in<br />

zwei verschiedene<br />

Gewänder zu hüllen,<br />

faszinierte mich.<br />

Eine Umsetzung als<br />

„Dark” und „Bright”<br />

war da naheliegend.<br />

Unterstützen mich<br />

auf der „Bright Side”<br />

verschiedene Achtziger-Heroen<br />

mit<br />

Remixen, sind es bei<br />

der „Dark-Side” von<br />

mir geschätzte Vertreter<br />

der deutschen<br />

Alternativszene.<br />

VÖ Europe „Superior Love”: 13.02.09 – VÖ Worldwide: „Superior Love”: 27.02.09<br />

„Superior Love”<br />

ist sozusagen<br />

ein Appetizer für<br />

dein neues Album<br />

„In(t)oxxication”,<br />

welches dieses<br />

Jahr noch das Licht der Welt erblicken soll.<br />

Was kannst du uns schon jetzt über dein mittlerweile<br />

sechstes<br />

Studioalbum verraten?<br />

„In(t)oxxication”<br />

stellt eine weitere<br />

Seite in meinem musikalischen<br />

Tagebuch<br />

dar. Musikalisch wie<br />

textlich mit NoxxschemWiedererkennungswert.<br />

In der letzten Zeit<br />

hast du das Thema<br />

Zusammenarbeit<br />

ins Zentrum deines<br />

Schaffens gesetzt. Der „Earth Song“ gemeinsam<br />

mit Peter Spilles wurde ein riesiger Erfolg.<br />

Mit welchen Künstlern würdest du noch gerne<br />

Zusammenarbeiten?<br />

Hast Du die Telefonnummer von Thomas D?<br />

Wie wirst du eigentlich Live die vielen Kooperationen<br />

abdecken. Oder hast du vor, einen<br />

Bus voller Stars durch die Republik zu fahren?<br />

Keine schlechte Idee. Es wird sich zeigen, wie die<br />

Album-Idee live umsetzbar ist. Sicherlich wird es bei<br />

einem Noxx-Konzert in erster Linie Noxx-pur geben,<br />

aber die ein oder andere Überraschung möchte ich<br />

dennoch nicht ausschließen. In Deutzen durfte ich<br />

bereits mit Peter und Frank (Seabound) live performen.<br />

Eine wundervolle Erfahrung.<br />

Was, außer dem neuen Longplayer, ist für<br />

dieses Jahr noch in Planung? Wirst du auf dem<br />

WGT spielen?<br />

Dies ist angedacht. Ansonsten lasse ich mich in<br />

diesem wie in jedem Jahr gern vom Leben überraschen.<br />

www.saranoxx.com<br />

www.myspace.com/saranoxx<br />

56 57<br />

tYVES OBEN


The eTernal afflicT<br />

Auf ein Neues<br />

Vor gut zwei Jahren titelten wir noch: „Ende<br />

und Urlaub“. Pustekuchen! The Eternal Afflict<br />

sind wieder da. Bevor Winus und Cyan im Mai<br />

endlich den Fehler im Bandnamen mit einem<br />

neuen TEA-Album ausmerzen wollen, bringen<br />

sie jetzt gemeinsam mit Qntal einen der größten<br />

Tanzflächen-Evergreens in der „San Diego<br />

2k9“-Version neu in die Clubs. Dabei reiht sich<br />

die engelsgleiche Stimme von Syrah hervorragend<br />

in die TEA-Tradition ein, mit beeindruckenden<br />

Frauenstimmen zu arbeiten. Neben<br />

den Remixen von Qntal, Patenbrigade: Wolff,<br />

Jesus on Extasy und Project Pitchfork beinhaltet<br />

„San Diego 2k9/(Luminographic Agony)“<br />

auch das remasterte 1992er Album „(Luminographic)<br />

Agony“ und zwei Live-Videotracks<br />

von 2005.<br />

Wer oder was war die treibende Kraft, TEA erneut<br />

zu reanimieren?<br />

Winus: Die Sehnsucht nach dem immerwährenden<br />

Leid.<br />

Cyan: Wir können einfach nicht voneinander loslassen,<br />

wir haben zusammen Phasen gehabt, die wir<br />

als die tollste Zeit in unserem Leben bezeichnen<br />

würden, und die Phasen, die wir gerne von der Festplatte<br />

löschen würden, sind halt unsere Zeiten mit<br />

andauerndem Streit/Zwist. Aber es scheint immer<br />

wieder solche Abschnitte zugeben, wo wir uns wieder<br />

zusammenraffen, weil wir halt nicht voneinander<br />

loslassen können.<br />

Wie kam es zur Zusammenarbeit mit Qntal?<br />

Winus: Wir schätzen Qntal und ihre Musik sehr und<br />

unsere Vorliebe für elfengleichen Gesang ist ja hinlänglich<br />

bekannt. Was lag also näher, als Qntal zu<br />

kontaktieren und zu unserer großen Freude, waren<br />

sie gerne mit dabei. Michael hat seine Version von<br />

„San Diego“ entwickelt und Syrah uns mit ihrem<br />

Gesang verzaubert.<br />

„San Diego“ läuft nach wie vor in den Clubs.<br />

Welche der neuen Versionen auf der EP könnte<br />

der alten Version Konkurrenz machen. Habt ihr<br />

einen Favoriten?<br />

Winus: Also, ich habe da keinen Favoriten. Die verschiedenen<br />

Remixe haben alle einen eigenen Charakter,<br />

eigene Stärken und gefallen mir sehr gut. Das<br />

kann der geneigte Zuhörer sicherlich besser beurteilen.<br />

Ihr habt nach AFFLICT:ME Songs jetzt auch das<br />

Label AFFLICT:ME Records gegründet. Ein weiterer<br />

Schritt zur künstlerischen Freiheit?<br />

Winus: Es ist sehr angenehm, jetzt unabhängig zu<br />

sein und unsere eigenen Ideen uneingeschränkt umsetzen<br />

zu können. Allerdings gibt es ab jetzt auch<br />

keine Ausreden mehr.<br />

Cyan: Wir sind jetzt eigentlich da, wo wir immer hinwollten.<br />

Klar, da waren eine Menge Umwege, eine<br />

Menge Kreuzungen, an denen wir falsch abgebogen<br />

sind, aber ab jetzt ist Freiheit angesagt.<br />

Ihr arbeitet auch schon am neuen Album, das<br />

„-ION“ heißen soll. Ihr sagt, der Titel soll endlich<br />

den Rechtschreibfehler im Bandnamen<br />

ausmerzen. Was kann man musikalisch von<br />

euch erwarten?<br />

Winus: Ein neues TEA-Album „-ION“ birgt natürlich,<br />

neben dem Hinweis, dass uns der grammatikalische<br />

Fauxpas früherer Jahre aufgefallen ist, noch anderes<br />

in sich: Ein ION ist ein elektrisch geladenes Atom<br />

oder Molekül und wird sich zum WGT (VÖ) entladen.<br />

Cyan: Das fehlende (-ION) war ja Absicht, ich wollte<br />

keinen Bandnamen der auf „tschn” endet, und<br />

einfach nur The Eternal Afflict ohne „tschn” klang<br />

einfach viel besser. Und für mich war das auch alles<br />

ein wenig künstlerische Freiheit. Slade haben Rechtschreibfehler<br />

in ihren Songs für ihr Image benutzt.<br />

Wir haben halt Mitte 008 darüber nachgedacht,<br />

wie das nächste Album TEAs heißen könnte, und<br />

da kam uns halt die Idee mit (-ION), die endlich unseren<br />

Namen in voller grammatikalisch richtiger Art<br />

und Weise darstellen würde und zusätzlich unsere<br />

Arbeitsweise umschreiben würde. Wir sind ja bisher<br />

immer sich abstoßende oder sich anziehende Moleküle<br />

gewesen oder sind es immer noch.<br />

Werdet ihr wieder auf die Bühne gehen? Mit<br />

wie vielen Leuten?<br />

Winus: Bisher sind drei Konzerte fix: 1.01. zur VÖ<br />

von „San Diego k9“ in der Matrix Bochum, zur VÖ<br />

von „-ION“ auf dem WGT und im Juli im Dynamo/<br />

Werk 1 in Zürich. Weitere Konzerte sind in Planung<br />

und zur Zeit gehören Per-Anders Kurenbach und<br />

Anna Aliena zur Crew.<br />

Cyan: Unsere Zusammenstellung auf der Bühne wird<br />

wie immer eine Art Wundertüte, mit wem, weshalb,<br />

warum und wo, werden wir auf uns zukommen lassen.<br />

Aber eines wird uns dabei keiner nehmen können:<br />

Wir werden wieder sehr viel Spaß haben wollen<br />

mit unseren Fans.<br />

RiNGO müllER<br />

www.myspace.com/<strong>the</strong>eternalafflict<br />

VÖ „San Diego 2k9 /<br />

(Luminographic Agony)“: 30.01.09<br />

58 59


CoppeLIus<br />

Letzte Instanz<br />

Deathstars<br />

MetaLLspürhunDe<br />

projeCt pItChfork<br />

<strong>the</strong> MIssIon<br />

CaMoufLage<br />

sChanDMauL<br />

project pitchfork<br />

<strong>the</strong> Mission<br />

eisenfunk<br />

Februar / März 09<br />

ausgabe 18 - Jahrgang 4<br />

gratis zuM<br />

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