the mission - NEGAtief
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the mission - NEGAtief
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Letzte Instanz<br />
CoppeLIus<br />
Deathstars<br />
MetaLLspürhunDe<br />
projeCt pItChfork<br />
<strong>the</strong> MIssIon<br />
CaMoufLage<br />
sChanDMauL<br />
Februar / März 09<br />
ausgabe 18 - Jahrgang 4<br />
Deathstars Leaves eyes<br />
MetaLLspürhunDe<br />
gratis zuM<br />
MitnehMen
eDItorIaL InhaLt<br />
Ist Euch eigentlich aufgefallen, wie gering der<br />
Einfluss der seit Monaten in düstersten Farben gezeichneten<br />
globalen Finanzkrise auf unsere Szene<br />
wirkt. Vielleicht liegt es daran, dass die Währung<br />
des Undergrounds in Kreativpunkten und nicht in<br />
Euro gerechnet wird. Vielleicht ist die seit Jahren<br />
gebeutelte Musikbranche einfach auch resistent<br />
geworden, hat eigene Wege und Mittel aus der Krise<br />
gefunden. Lässt man unser aktuelles Inhaltsverzeichnis<br />
Revue passieren, dann wird angesichts der<br />
Stilvielfalt eines schnell klar: Gerade in Zeiten der<br />
Krise hat Musik nicht nur einen einzigen Ausweg<br />
zu bieten. Diese innere Zuflucht könnt ihr honorieren,<br />
indem ihr hin und wieder ein Album käuflich<br />
erwerbt oder in einem der unzähligen legalen<br />
Kaufportale herunterladet. Das nennen die Politiker<br />
gerne Revitalisierung der Märkte. Wir nennen das<br />
Selbsthilfe und bieten im Heft einige krisenfeste<br />
„Investitionsoasen”. Umsonst gibt es diesesmal für<br />
die Neuabonnenten: Fünf Freikarten zum Dunkelfestival<br />
am 0. März in Fulda sowie 0 Maxis der<br />
Deathstars. Wir freuen uns auf Eure Zuschriften.<br />
Eure Redaktion<br />
negatIef abO<br />
Schon wieder ist das <strong>NEGAtief</strong> in Eurem Club<br />
vergriffen? Media Markt und Saturn haben auch<br />
keine mehr? Holt Euch das <strong>NEGAtief</strong> nach Hause!<br />
Ihr zahlt lediglich einen Jahresbetrag von 1<br />
Euro für Porto und Verpackung und habt sechs<br />
Mal im Jahr noch vor dem Streetdate das <strong>NEGAtief</strong><br />
in Eurem Briefkasten. Schickt eine E-Mail mit<br />
dem Betreff „Abo“ und Eurer Postadresse an<br />
redaktion@negatief.de.<br />
Schloss Cottenau – 95339 Wirsberg<br />
Tel. 09227/940000<br />
kontakt@negatief.de www.negatief.de<br />
Herausgeber: Danse Macabre, Inh.: Bruno Kramm,<br />
Schloss Cottenau, 95 9 Wirsberg<br />
Chefredaktion: Ringo Müller (V.i.S.d.P.), Bruno Kramm<br />
Redaktion: Gert Drexl, Marius Marx, Norma Hillemann,<br />
Peter Istuk, Poloni Melnikov, Maria Mortifera, Heiko Nolting,<br />
Tyves, Oben, Siegmar Ost, Stephanie Riechelmann,<br />
Diana Schlinke Layout: Stefan Siegl<br />
Lektorat: Ringo Müller<br />
5 Tourdaten<br />
7 Soundcheck<br />
35 Lichtkunst: Gert Hof<br />
48 Hörspiel: Sacred 2<br />
38 Camouflage<br />
16 Coppelius<br />
19 Curious<br />
22 Deathstars<br />
36 Digital Factor<br />
26 Eisenfunk<br />
9 Ensoph<br />
58 The Eternal Afflict<br />
37 Fading Colours<br />
8 Heavy-Current<br />
20 Jabberwock<br />
40 Leaves’Eyes<br />
32 Leichtmatrose<br />
10 Letzte Instanz<br />
14 Metallspürhunde<br />
28 The Mission<br />
33 Noisuf-X<br />
21 Project Pitchfork<br />
42 The Pussybats<br />
54 QEK Junior<br />
57 Sara Noxx<br />
24 Schandmaul<br />
46 Supreme Court<br />
50 Violet<br />
52 Voodoma<br />
44 Wertstahl<br />
34 X-Rx<br />
Vervielfältigung oder auszugsweise Verwendung benötigt<br />
der schriftlichen Genehmigung. Keine Haftung für<br />
unverlangt eingesandte Informations- und Datenträger.<br />
Die Artikel geben nur die Meinung der jeweiligen Verfasser<br />
wieder. Nach dem deutschen Pressegesetz Art.9 sind<br />
wir verpflichtet, darauf aufmerksam zu machen, dass für<br />
sämtliche redaktionellen Beiträge in unserem Heft eine<br />
Unkostenpauschale für Vertrieb an den Auftraggeber berechnet<br />
wurde. Trotz dieses Geschäftsverhältnisses entsprechen<br />
jedoch sämtliche Textbeiträge der persönlichen<br />
Meinung des jeweiligen, unentgeltlichen Verfassers und<br />
seiner Interviewpartner. Das <strong>NEGAtief</strong> versteht sich als<br />
eine, im Sinne der allgemeinen Verbreitung der alternativen<br />
Musikszene dienenden Publikation, die gerade<br />
kleinere Firmen durch eine preisbewusste aber alternative<br />
und flächendeckende Publikation ihrer vertriebenen<br />
Künstler unterstützt.<br />
....in diesen Läden gibt es das <strong>NEGAtief</strong><br />
Media Markt: Aschaffenburg, Augsburg, Bad Dürrheim, Bochum,<br />
Chemnitz, Dessau, Dresden-Nickern, Duisburg, Flensburg,<br />
Goslar, Groß Gaglow, Gün<strong>the</strong>rsdorf, Heide, Heilbronn, Herzogenrath,<br />
Hildesheim, Kaiserslautern, Karlsruhe, Koblenz, Krems,<br />
Leoben, Limburg, Linz, Magdeburg, Memmingen, München,<br />
Nürnberg-Kleinreuth, Oldenburg, Pforzheim, Porta Westfalica,<br />
Reutlingen, Saarbrücken ,Sindelfingen, Stuttgart, Trier, Viernheim,<br />
Vössendorf, Weiterstadt, Wien, Wien Hietzing, Wiesbaden<br />
Saturn: Augsburg, Bad Oeynhausen, Bergisch Gladbach,<br />
Braunschweig, Bremen, Darmstadt, Dortmund, Dresden,<br />
Düsseldorf, Erfurt, Essen, Euskirchen, Frankfurt, Gelsenkirchen,<br />
Gelsenkirchen, Göttingen, Graz, Hagen, Halle, Hamburg,<br />
Hamm, Hanau, Hannover, Ingolstadt, Kaiserslautern, Karlsruhe,<br />
Kassel, Klagenfurth, Kleve, Köln, Köln-Hürth, Köln-Porz,<br />
Krefeld, Leipzig, Leverkusen, Linz, Magdeburg, Mainz, Moers,<br />
München (Stachus), Münster, Neuss, Oberhausen, Reutlingen,<br />
Röhrsdorf, Saarbrücken, Stuttgart, Vössendorf, Weimar, Wien<br />
Millennium City<br />
Expert: Andernach, Bad Kreuznach, Burbach, Dillenburg,<br />
Ehringshausen, Friedberg, Gießen, Hachenburg, Koblenz,<br />
Mainaschaff, Nastätten, Neuwied, Siegen, Waldbröl, Wetzlar,<br />
Wiesbaden<br />
Best Music World GmbH Münster<br />
Cover Schallplatten Berlin<br />
Unger Sound & Vision GmbH Paderborn<br />
Zoff Records H.-J- Pitzke Bremen<br />
...in diesen Clubs gibt es das <strong>NEGAtief</strong>:<br />
Capitol, Kir, Club Pavillon, Topact, K17, Darkflower, Kuz,<br />
Come-In, Ringlokschuppen, Nachtcantine, Musikbunker,<br />
Kulturbahnhof Kato, Kufa / SB, Dominion, Factory, RPL, Schützenparkbunker,<br />
Nerodom, Markthalle, Forellenhof, Shadow,<br />
Meyer, Freeze Frame, Zentrum Zoo, X, Beatclub, Rockfabrik,<br />
Uni 1, Südbahnhof, Kulthallen, Underground, Musik<strong>the</strong>ater,<br />
Unikum, Sonic, Crash, Melodrom, Komplex, Loop, Mau Club,<br />
Nachtwerk, Dark Dance, Boiler Room, Matrix, Club Trafo, Meier<br />
Music Hall, Musik<strong>the</strong>ater, Archiv, Alchimistenfalle, Bloodline,<br />
Shadow, Eleganz / Bigstone, Nachtwerk Musikklub, Extrem<br />
und tanzbar, Loop, Koma<br />
... und über Xtra-X<br />
oder per Abonnement bei<br />
www.<strong>NEGAtief</strong>.de
And One<br />
1 .0 . Magdeburg - Factory (Ladies)<br />
1 .0 . Magdeburg - Factory (Men)<br />
0.0 . Dresden - Beatpol (Ladies)<br />
1.0 . Dresden - Beatpol (Men)<br />
Eisbrecher<br />
19.0 . Duisburg - Pulp<br />
0.0 . Herford - X<br />
1.0 . Würzburg - Posthalle<br />
6.0 . Berlin - Columbia Club<br />
7.0 . Dresden - Reithalle<br />
8.0 . Magdeburg - Factory<br />
9.0 . Frankfurt a.M. - Batschkapp<br />
Letzte Instanz<br />
0.0 . Erfurt – Gewerkschaftshaus<br />
1.0 . Glauchau - Alte Spinnerei<br />
.0 . Nürnberg – Hirsch<br />
.0 . Stuttgart - Röhre<br />
.0 . CH-Zürich - Abart<br />
5.0 . Ludwigshafen – Das Haus<br />
6.0 . A-Salzburg – Rockhouse<br />
7.0 . Lindau - Club Vaudeville<br />
ausgewählte tOurdaten<br />
8.0 . Bochum - Matrix<br />
01.0 . München – Backstage<br />
0 .0 . Köln – Kulturkirche<br />
0 .0 . Dresden - Reithalle Straße E<br />
0 .0 . Rostock – Mau<br />
05.0 . Hamburg - Knust<br />
ALbuM WEEK 3<br />
1 V.A. - Advanced Electronics<br />
Vol.7<br />
2 Die Form - Best of XXX<br />
3 V.A. - Re:Connected (3.0)<br />
4 Leæ<strong>the</strong>r Strip - Science For<br />
The Satanic Spawn<br />
5 Krystal System - Underground<br />
6 Wynardtage - The Grey Line<br />
7 Faderhead - FH3<br />
8 Klangstabil - Math & Emotion<br />
9 The Plastic Noise Experience<br />
- Reiz und Reaktion<br />
10 FGFC820 - Law & Ordnance<br />
Myk Jung durchleuchtet die Schatten<br />
Der Augenblick von Inspiration III<br />
Meiner Treu, was könnte man denn<br />
bloß für diese Ausgabe als schemen<strong>the</strong>mischen<br />
Gedankengang zusammenschnüseln,<br />
sich aus den Fingern<br />
saugen, an den Haaren herbei ziehen<br />
oder gar aus der leeren Luft schnappen?<br />
Denn siehe! Der Kopf ist leer, der<br />
Zeitdruck groß – und der Moment der<br />
Inspiration will nicht eintreten. Ah, da<br />
sind wir ja schon mitten im Thema! Ich<br />
könnte einen Abschluss der zwei vorhergegangenen<br />
Analysen zum Thema<br />
„Inspiration“ schreiben, sozusagen die<br />
Trilogie abrunden; Trilogien haben was,<br />
wollte ich schon immer mal entwerfen.<br />
Ich schrieb ja über Künstler, über jene<br />
Menschen also, die den<br />
Auftrag in sich spüren,<br />
Neues zu erschaffen, und<br />
die unterschiedlichen Auf-<br />
Lesungstermine:<br />
Mi, 01.04.09: Köln,<br />
Wohnzimmer<strong>the</strong>ater<br />
fassungen über göttliche Intuition, den<br />
Kuss der Muse etc. anhängen… Wie<br />
aber reagieren diese Menschen, wenn,<br />
obzwar herbeigefleht, der Augenblick<br />
der Inspiration partout nicht eintreten<br />
will? Wenn der Kuss der Muse ausbleibt,<br />
Schreibblockade und Schaffensunfähigkeit<br />
an dessen Stelle treten?<br />
Wenn die Leichtigkeit des kühnen<br />
Kreierens der Antriebslosigkeit, der<br />
Ideenarmut Platz gemacht hat? Wenn<br />
Nervosität, ja Panik ob dieser Erkenntnis<br />
die Situation obendrein erschweren<br />
und somit den Teufelskreis komplettieren?<br />
Diese Frage habe ich schon<br />
zahlreichen Musikern gestellt. Die<br />
Mehrheit kennt den fluchenswerten<br />
Zustand der mentalen<br />
Leere, und diejenigen, die<br />
behaupten, ihn nicht zu<br />
kennen, sind oftmals noch<br />
06.0 . Bremen – Schlachthof<br />
07.0 . Frankfurt – Batschkapp<br />
german electronic webcharts<br />
ALbuM WEEK 3<br />
1 V.A. - Advanced Electronics<br />
Vol. 7<br />
2 Hocio - Tora! Tora! Tora!<br />
3 Elegant Machinery - A Soft<br />
Exchange<br />
4 Final Selection - Clockworks<br />
5 Leæ<strong>the</strong>r Strip - Retention No.<br />
2<br />
6 V.A. - Nacht der Maschinen<br />
Vol. 2<br />
7 Wynardtage - The Grey Line<br />
8 V.A. - Electropop Vol.1<br />
9 Massiv in Mensch - Meanwhile<br />
Back in <strong>the</strong> Jungle<br />
10 Digital Factor - Look Back To<br />
Go Forward<br />
ziemlich jung, zuweilen gar<br />
so optimistisch, dass sie<br />
tatsächlich glauben, dieser<br />
Situation niemals anheim<br />
fallen zu müssen! Doch die<br />
meisten jener, die die Inspirationsarmut<br />
schon kennen<br />
gelernt haben, scheinen<br />
verdammt abgeklärt damit<br />
umzugehen: Sie behaupten,<br />
selbst wenn die Hohlheit<br />
über einen längeren<br />
Zeitraum andauert, nicht<br />
die Nerven zu verlieren,<br />
Vertrauen darin zu haben,<br />
dass allzu bald wieder eine<br />
inbrünstige Schaffensphase<br />
anbrechen würde. Sie<br />
kämpfen und ringen nicht in unerquicklichem<br />
Krampfe vor dem Monitor,<br />
sondern lassen schlicht los: beschäftigen<br />
sich mit anderen Dingen, lesen<br />
Bücher, gehen spazieren, suchen Zerstreuung,<br />
widmen sich irgendwelchen<br />
Jobs, denn sie wissen: Schaffenslaune<br />
lässt sich nicht erzwingen. Geduldiges<br />
08.0 . Berlin – Postbahnhof<br />
09.0 . Hannover – Musikzentrum<br />
Lost Area<br />
1 .0 . Magdeburg - Factory<br />
Support für And One<br />
1.0 . Dresden - Beatpol<br />
Support für And One<br />
Metallspürhunde<br />
8.0 . CH-Zürich -<br />
X-tra - Album-Release<br />
1 .0 . Wittenberg/Lu<strong>the</strong>rstadt -<br />
Club 7er<br />
1 .0 . Freiberg - Train Control<br />
1.0 . Bochum - Zwischenfall<br />
Project Pitchfork<br />
0.0 . Leipzig - Werk<br />
1.0 . Bremen - Schlachthof<br />
6.0 . Duisburg - Pulp<br />
7.0 . Zwickau - BPM Club<br />
8.0 . Görlitz - Nostromo<br />
Abwarten, unverkrampftes Lockerbleiben,<br />
keine Unruhe aufkommen lassen,<br />
sich nicht quälen etc.: solches ist die<br />
Devise! Natürlich gibt es auch Exempel<br />
des Gegenteils, wie immer – zum<br />
Beispiel diese Zeilen hier, harr.<br />
schemen<strong>the</strong>men.de<br />
myspace.com/schemen<strong>the</strong>men<br />
5
tipp der redaktion<br />
Jabberwock<br />
„Sweet Limbo“<br />
Was hier aus den Boxen<br />
schreit, blubbert und<br />
groovt, kann nur aus<br />
Frankreich kommen.<br />
In frecher und unkonventioneller<br />
Manier<br />
brennen die Elektroclasher ein Feuerwerk voller<br />
musikalischer Gewitz<strong>the</strong>it ab, ohne je den songdienlichen<br />
Aspekt zu vergessen. Die kompakten Songs<br />
sind allesamt extrem eingängig und spannend anzuhören.<br />
Elemente aus New Wave, Ska, Elektro, EBM<br />
und Synthpop verbinden sich, als hätten sie schon<br />
immer zusammengehört. Sobald man sich jedoch<br />
mit den Texten auseinandersetzt, fällt die Guillotine<br />
der gnadenlosen Abrechnung mit unserer westlichen<br />
Spaßgesellschaft: Rastlosigkeit, Verlustängste, Medienwahn,<br />
radikale Religiosität oder das Dilemma<br />
Freiheit contra Sicherheit sind nur ein Teil des Jabberwockschen<br />
Kosmos. Die Krönung jedoch zum<br />
Schluss: Die 70er Jahre Diskohymne „Le Freak“ als<br />
geisteskranke Coverversion. GERt DRExl<br />
Metallspürhunde<br />
– „Böse Wetter“<br />
Die Schweizer Hundearmee<br />
ist wieder an<br />
der Front und tanzt<br />
am Abgrund unserer<br />
Zivilisation. Auf ihrem<br />
bisher geradlinigsten<br />
und dunkelsten Album<br />
zelebriert das Quartett den Ritt ins Verderben<br />
der Menschheit. Wo früher der Sprachgesang des<br />
Oberwadenbeißers Michel manchmal eine Portion<br />
zu gleichförmig war, tritt heute perfekt intonierter<br />
Wechselgesang mit der stimmlich gewachsenen<br />
Femme fatale Marion, die bereits auf der Clubhymne<br />
„Was hat Dich bloss so ruiniert“ brillierte. Musika-<br />
lisch nicht minder abwechslungsreich, pendelt die<br />
Nadel, pardon der Leselaser zwischen straighten<br />
Elektronummern und krachigen Gothgitarrenstampfern<br />
mit filmorchestraler Horizonterweiterung. Und<br />
sogar Balladeskes findet Einzug in den Metallspürhundekosmos<br />
(„Sie will fliegen“). Absoluter Anspieltipp<br />
ist jedoch die Kritik der materiellen Welt, „Wo<br />
gehst Du hin“. Die CD wird durch ein detailreich<br />
illustriertes Comicbooklet der russischen Künstlerin<br />
Aminess abgerundet. maRiuS maRx<br />
Wertstahl<br />
„kontrol“<br />
EBM lebt. Seit dem Relaunch<br />
des frühen Elektrominimalismus<br />
durch<br />
Artists wie Spetznaz<br />
scheint das Elektrogenre<br />
auf den Nostalgiegeschmack<br />
gekommen<br />
zu sein und befeuert dankenswerterweise die Tanzflächen<br />
mit Styles abseits des Noise oder Hellectros.<br />
Wertstahl stehen zwar nicht im Alphabet zwischen<br />
Front und Nitzer Ebb, finden jedoch stilistisch<br />
genau jene Nische, die zwischen den konstruktivistischen<br />
Genies aus Belgien und den elektrominimalistischen<br />
Stilikonen aus England immer leer blieb.<br />
Wer jetzt glaubt, dass das langweilig und ewig gestrig<br />
klingt, sollte sich eines Besseren belehren und<br />
in das spannende Debüt der chromglänzenden Kontrollfreaks<br />
hineinhorchen. SiEGmaR OSt<br />
Coppelius<br />
„Tumult!“<br />
Anno 1791 gegründet<br />
und 009 erst den zweiten<br />
Longplayer veröffentlichen?<br />
Das geht nicht?<br />
Oh doch, das geht. Die<br />
werten Herrschaften der<br />
Berliner Kapelle Coppelius<br />
können sowas. „Tumult!“ heißt er und kommt<br />
mit verzerrten Celli, Klarinetten, Kontrabass und<br />
Schlagwerk daher. Gesungen wird in deutscher und<br />
ebenso in englischer Sprache. Der sanft am Metal<br />
kratzende Zylinderträger-Rock, welcher von Kennern<br />
auch gerne als Kammermusik-Metal bezeichnet<br />
wird, zeigt auf einzigartige Art und Weise, dass auch<br />
„betagter“ Sound noch kräftig zusetzen kann. Egal<br />
ob man nun auf Metal steht oder nicht, „Tumult!“<br />
ist zumindest einen größer angelegten Lauschangriff<br />
wert, weil er sich ja nun doch sehr vom alt hergebrachten<br />
Metal absetzt. Wohl bekomm’s! tYVES<br />
6 7<br />
OBEN<br />
Deathstars<br />
„Night Electric Night”<br />
Es gibt ja Metal und Metal.<br />
Zumindest wenn man<br />
mich fragt. Deathstars’<br />
Metal ist sehr eingängig<br />
und lässt sich auch sehr<br />
gut mal so nebenher hören,<br />
ohne das man gleich<br />
nach Kopfschmerzlinderungspharmazeutika rufen<br />
muss. „Night Electric Night” gibt sich sogar teilweise<br />
sehr gefühlvoll. Zum Beispiel in dem emotionellen<br />
Track „Via The End”, der sich mit dem Selbstmord<br />
des Bruders von Bandmitglied Nightmare Industries<br />
auseinandersetzt. Dieser Titel ist zugleich mein Liebster<br />
auf der Scheibe und mein Anspieltipp. Alles in<br />
allem lässt sich sagen, dass „Night Electric Night”<br />
ein würdiger, wenn nicht gar noch ausgereifterer<br />
Nachfolger für „Termination Bliss“ ist. tYVES OBEN<br />
The Pussybats – „Famous<br />
Last Songs“<br />
Das Album wird mit dem Song<br />
„Back To The Darkness“ eingeleitet,<br />
ein relativ ruhiger,<br />
aber solider Rocktrack, der<br />
ein gewisses Ohrwurmpotential<br />
besitzt. Lieder wie<br />
diese erinnern an Kollegen<br />
aus dem Norden, wie zum Beispiel HIM oder Negative.<br />
Eine weitere nennenswerte Nummer ist „Your<br />
Woman“. Dieser poplastige Track lädt immerhin<br />
zum Kopfnicken ein und macht einfach nur Spaß.<br />
Wer lieber einen Gang herunter schalten möchte,<br />
ist mit „In April“ gut bedient. Eine wunderschöne<br />
Rockballade, die zum Träumen und Nachdenken einlädt.<br />
Und das ist nicht das einzige Lied, was von einer<br />
grundlegenden Melancholie begleitet wird. Fans<br />
von alternativem Rock, mit bewegenden Texten und<br />
einer sich aufbauenden Atmosphäre, werden sich<br />
sicher mit dem Werk der Jungs von The Pussybats<br />
anfreunden können. Egal ob es der emotionale und<br />
kraftvolle Gesang ist oder die netten Gitarrenriffs,<br />
dieses Album wird bei manchem hoch und runter<br />
laufen. Wollen wir hoffen, dass wir noch mehr von<br />
dieser Band hören werden. NORma HillEmaNN
H E A V Y - C U R R E N T<br />
…zünden das Feuer!<br />
Souverän wie nie zuvor präsentiert<br />
das Synth Rock-Projekt Heavy-Current<br />
um Mastermind Jan Weisbrod den<br />
lang erwarteten Longplayer „Push The<br />
Fire”, der am 0.0 . 009 pünktlich<br />
zum Tourneestart auf dem neu gegründeten<br />
Poisonic Label erscheinen<br />
wird. Mit einer genialen Mischung<br />
aus Stilen wie Industrial Punk, Electro,<br />
Ambiente und Alternative Rock stellen<br />
Heavy-Current eine Ausnahme in<br />
der Musiklandschaft dar und zeigen<br />
mit Songs wie „Ratrace”, „One Way<br />
World” oder „Heut Nacht”, dass sie<br />
längst in der Profiliga spielen.<br />
Brachiale Synthie-Sounds, Jans facettenreicher<br />
Gesang, Felix’ druckvolle<br />
Gitarre sowie ein Feuerwerk von<br />
Nooks leidenschaftlichem Drumming<br />
– so bestechen auf „Push The Fire” elf<br />
Songs durch eine Klangäs<strong>the</strong>tik, wie<br />
es sie von Heavy-Current noch nicht<br />
zu hören gab.<br />
Mit ihrem Sound haben Heavy-Current<br />
längst die Genre-Grenzen zwischen<br />
Dark/Electro/Alternative/Rock<br />
gesprengt und in allen diesen Szenen<br />
Hörer gewonnen.<br />
Eine seit 1999 stetig wachsende Fangemeinde<br />
begleitet Heavy-Current<br />
nun über vier Studioalben. Waren die<br />
Anfänge noch stark elektronisch gehalten,<br />
spürte man doch damals schon<br />
an den verwendeten Sounds eine<br />
große Sehnsucht nach experimentellen,<br />
vor allem rockigen Klängen. Die<br />
Zusammenarbeit mit Nook und Felix<br />
seit 00 lässt Heavy-Current zu einem<br />
zielstrebigen, kreativen Team zusammenschmelzen,<br />
welches<br />
sich bereits<br />
mit dem Album„Edacious”<br />
( 006,<br />
S o n o r i u m )<br />
und der Ende<br />
008 veröffentlichten<br />
PuSH THE FIRE - Tour 2009<br />
20.03. Leipzig - Werk II 21.03. Görlitz<br />
- Landskron Kulturbrauerei 23.03.<br />
Stuttgart - Röhre 24.03. CH-Zürich<br />
- Abart 25.03. Ludwigshafen - Das<br />
Haus 26.03. A-Salzburg - Rockhouse<br />
27.03.Lindau - Club Vaudeville 12.04.<br />
Leeds [UK] Beyond The Veil Festival<br />
VI 17.04. Adelsheim Elekktroshokk<br />
Festiva 18.04. Würzburg - Posthalle<br />
24.04. Rostock - Mau 25.04. Magdeburg<br />
- Factory 30.04. Karlsruhe - Substage<br />
01.05. Marburg - KFZ 02.05.<br />
Erfurt - Gewerkschaftshaus -<br />
Net-Single „Ratrace” (Sonorium) und<br />
nun erneut auf „Push The Fire” in die<br />
Gehörgänge brennen wird.<br />
Zwei professionell produzierte Videoclips<br />
zu den Songs „DBN” ( 006) und<br />
„Ratrace” ( 008) wurden von den<br />
Fans begeistert aufgenommen und<br />
von der Fachwelt positiv bewertet.<br />
Heavy-Current wissen auch als Liveband<br />
zu überzeugen. Nicht von ungefähr<br />
sind sie bereits mit Szenegrößen<br />
wie Apoptygma Berzerk, Agonoize<br />
oder Covenant aufgetreten. Wer noch<br />
keine Gelegenheit hatte, das Trio in<br />
Aktion zu erleben, sollte sich die PUSH<br />
THE FIRE-Tour 009, bei der Heavy-<br />
Current sich zusammen mit Bands wie<br />
Project Pitchfork oder Letzte<br />
Instanz die Bühne teilen werden,<br />
nicht entgehen lassen.<br />
NiGHtwOlVE<br />
www.heavy-current.de<br />
www.myspace.com/<br />
heavycurrent<br />
www.sonorium.de<br />
www.myspace.com/<br />
sonoriumrecords<br />
Metalindustrialphilosophen<br />
„Rex Mundi X-ile“ möchte man in<br />
keine Schublade stecken. Zu unterschiedlich<br />
sind die Einflüsse zwischen<br />
härtestem Metal und Electroindustrialsounds.<br />
Cyborgesques Outfit und<br />
ein apokalyptisches Artwork lassen<br />
auf eine tiefe Abneigung der menschlichen<br />
Zivilisation gegenüber schließen.<br />
Doch die so sonnenverwöhnten<br />
Italiener haben noch mehr zu bieten<br />
und ihre stilistische Bandbreite hat<br />
einen Hintergrund.<br />
Xraphael: Am ehesten würde ich<br />
unseren Stil als „Next Generation X-<br />
Treme Industrial Metal” bezeichnen.<br />
Hauptsächlich kommen unsere Einflüsse<br />
aus dem 90er Gothic- und Metalbereich,<br />
aber letztendlich kommen<br />
in unserer Gruppe so viele Einflüsse<br />
zusammen, da jedes Mitglied noch in<br />
anderen Bands spielt. Da ist dann alles<br />
vertreten, von Fusion über Blues und<br />
Mittelalter bis Folk. Gemeinsam können<br />
wir uns aber auf die Gruppen des<br />
Cold Meat Industries Label einigen.<br />
Wofür steht der sehr kryptische Titel?<br />
Das Exil des Königs der Welten ist<br />
unser „Rex Mundi X-ile“. Es geht um<br />
den Verlust der heiligen Ursprünge,<br />
der uns ins Chaos der modernen Welt<br />
führt. Dazu gibt es viele Bezüge von<br />
der Bibel bis zum geheimnisvollen<br />
Shambala, dem versteckten Zentrum<br />
der Welt.<br />
Von Metalscreams bis zu choralen<br />
Backinggesängen ist alles vertreten.<br />
Wie entsteht diese gesangliche<br />
Vielfalt?<br />
Esoterik, Philosophie und Literatur<br />
sind unsere Haupteinflüsse. Man<br />
könnte das auch als Kaleidoskop der<br />
Gefühle bezeichnen. Und so entstehen<br />
auch die Gesangsparts. Die Grenze ist<br />
die Imagination.<br />
www.ensoph.it<br />
8 VÖ „Push The Fire”: 20.03.09<br />
9<br />
PEtER iStuk<br />
VÖ „Rex Mundi X-ile“: 20.02.09
Gerade mal sechs Monate hat die Letzte Instanz<br />
seit ihrer letzten Veröffentlichung ins<br />
Land ziehen lassen und schon folgt der nächste<br />
Streich. Ende Februar erscheint „Schuldig“,<br />
das nunmehr vierte Album in aktueller Besetzung.<br />
Nach den Akustikausflügen im letzten<br />
Jahr zeigt das Septett auf dem neuen Album<br />
nachdrücklich, dass es immer noch laut und<br />
energetisch rocken kann, frei nach dem eigens<br />
erstellten Dogma „Keine Spielereien, pure<br />
energetische Rockmusik!“ Für den amtlichen<br />
Rocksound wurde der Produzent Henning<br />
Verlage verpflichtet, der an der erstklassigen<br />
Produktion des neuen Longplayers „schuld“<br />
ist. Brachialromantik, Folk, Gothic oder Rock –<br />
Letzte Instanz bewegten sich schon immer zwischen<br />
den Stühlen. Deshalb entzieht sich auch<br />
„Schuldig“ durch seine musikalische Vielfalt<br />
jeder Kategorisierung und ist trotzdem eine<br />
klare Ansage an die deutschsprachige Rockszene,<br />
die wohl bisherige Fans begeistern wird<br />
und Freunde aus ganz anderen musikalischen<br />
Lagern überzeugen kann. <strong>NEGAtief</strong> sprach mit<br />
Violinist M. Stolz und Sänger Holly.<br />
Ihr seid Ende des Jahres von einem China-Trip<br />
zurückgekommen. Wie kam es zu diesem Gastspiel?<br />
Welche Eindrücke habt ihr mitgebracht?<br />
M. Stolz: Unser Sänger Holly konnte in seiner Wahlheimat<br />
Istanbul einige diplomatische Kontakte<br />
knüpfen und kam mit einem Mann vom Goe<strong>the</strong><br />
Institut in Kontakt. Nach einer Einladung zu einem<br />
Instanz-Konzert war er von unserer Performance so<br />
begeistert, dass er uns nach China einlud. Das Open<br />
Air vor 5000 Leuten war sehr ekstatisch – staunende<br />
und kreischende Chinesen, näher rückende Absperrungen<br />
während des Konzertes und begeisterte Goe<strong>the</strong>-Institut-Mitarbeiter.<br />
Insgesamt waren wir sehr<br />
erstaunt, wie wenig von Maos Erbe noch in China<br />
erhalten ist und wie sehr Guangzhou anderen globalen<br />
Finanzdienstleistungsstätten gleicht.<br />
Gleich der erste Track eures neuen Albums<br />
heißt „Mea Culpa“. Welcher Schuld bekennt<br />
ihr euch? Was steckt hinter dem Albumtitel<br />
„Schuldig“? Oder sprecht ihr auch den Hörer<br />
schuldig?<br />
M. Stolz: Anklagen liegen uns nicht, da wir ja selbst<br />
hinsichtlich vieler Dinge im Glashaus sitzen. Auf dem<br />
neuen Album „Schuldig” geht es vor allem um die<br />
Selbstreflexion eines jeden. Die Texte stellen Innenansichten<br />
und Gefühlswelten unseres Sängers dar<br />
Mea Culpa Rock ’n’ Roll<br />
– teils fiktiv, teils stark autobiografisch geprägt. Sehr<br />
oft wird die Schuld jedes einzelnen <strong>the</strong>matisiert. Die<br />
Schuld, die man in Partnerschaften auf sich lädt, die<br />
Schuld, welche sich durch kollektive Handlungen<br />
ergeben kann und die Schuld, die man manchmal<br />
anderen Menschen allzu leichtfertig zuweist. Dem<br />
einher geht natürlich auch das Thema Buße und<br />
Demut im Umgang mit anderen<br />
Menschen und seiner eigenen<br />
Umwelt.<br />
Das Dogma für „Schuldig“<br />
lautete: „Keine Spielerei,<br />
pure energetische Rockmusik!“<br />
Wolltet ihr nach euren<br />
„anklagen liegen<br />
uns nicht, da wir ja<br />
selbst hinsichtlich<br />
vieler Dinge im<br />
Glashaus sitzen.“<br />
Akustik-Ausflügen im letzten Jahr klarstellen,<br />
dass ihr immer noch rocken könnt? Welches<br />
musikalische Konzept stand am Anfang von<br />
„Schuldig“?<br />
M. Stolz: Ja, es hat uns in den Fingern gejuckt, nach<br />
dem Akustikalbum und der Unplugged-Tour wieder<br />
laut und wild auf der Bühne herumzutoben.<br />
Wir haben uns darum beim<br />
Songwriting sehr an unserem<br />
Live-Sound und der Energie, die<br />
wir auf Konzerten spüren und<br />
ausstrahlen, orientiert. Dadurch<br />
sind die Songs straighter und<br />
tanzbarer geworden und der<br />
Sound ist gewaltiger als bei den<br />
letzten CDs. Wir haben außerdem bewusst auf unnötigen<br />
Ballast verzichtet, da unsere Arrangements<br />
aufgrund der vielseitigen Instrumentierung bereits<br />
sehr detailreich sind, und wir haben dem Kern des<br />
jeweiligen Songs mehr Aufmerksamkeit gewidmet.<br />
Nach zwei Alben in Eigenregie habt ihr die<br />
Produktion wieder in die Hände eines erfahrenen<br />
Produzenten gegeben. Warum fiel eure<br />
Wahl auf Henning Verlage und die Principal<br />
Studios?<br />
M. Stolz: Wir kannten Hennings Produktionen für<br />
Unheilig und Down Below und fanden sie gut gemacht.<br />
Sowohl der Graf als auch die Below-Jungs<br />
legten ihn uns persönlich ans Herz.<br />
Auf dem Bundesvision Song Contest 008 haben<br />
Benni und ich Henning dann kennen gelernt und<br />
es bestand sofort ein sehr guter Draht zueinander.<br />
Wir haben die gleichen Visionen und Klangvorstellungen<br />
mit ihm geteilt und die Zusammenarbeit war<br />
besiegelt. Die Principal Studios haben ein erfahrenes<br />
Team und stehen für einen amtlichen Sound, darum<br />
fiel die Wahl auf sie. Diese Kombination wählten wir<br />
vor allem, damit wir uns mehr auf die Songs konzentrieren<br />
konnten und uns ein unabhängiges achtes<br />
Ohrenpaar zur Beratung zur Seite stand, falls man<br />
sich als Künstler mal wieder in De-<br />
10 Fotos: Andraj Sonnenkalb<br />
11<br />
tails verzettelte.<br />
In welchem Zeitraum sind die<br />
Songs fürs neue Album entstanden,<br />
und wie viel Zeit habt ihr im<br />
Studio verbracht?<br />
M. Stolz: Nach der Akustiktour begannen<br />
wir im März 008 mit dem Songwriting.<br />
Die Proben hatten wir dann im Spätsommer<br />
in einem Landhaus bei Hannover, wo wir uns von<br />
der Außenwelt abschotteten. Insgesamt wählten<br />
wir dann vier Studios für die einzelnen Instrumente,<br />
über Deutschland verteilt, in der Zeitspanne von acht<br />
Wochen im Herbst 008. Als wir in China waren, begannen<br />
Henning und Vince (Principal) mit dem Mix.<br />
Die Feinabstimmungen am Mix wurden dann Ende<br />
November per täglichem E-Mail-Rapport realisiert,<br />
da wir nicht die Zeit fanden, im Studio persönlich<br />
anwesend zu sein.<br />
Ihr lebt nach wie vor in Sachsen, Bayern und<br />
Istanbul. Wie kann man sich das Songwriting<br />
bei Letzte Instanz vorstellen? Trefft ihr euch<br />
regelmäßig oder tauscht ihr eure Ideen übers<br />
Internet aus? Nehmt ihr euch noch die Zeit, um<br />
zu jammen, wie es bei Rockbands üblich ist?<br />
M. Stolz: Die Treffen werden bei uns sechs Monate<br />
vorher geplant und finden grundsätzlich bei Tourneen,<br />
Festivalauftritten und Studioaufenthalten<br />
statt. Aber es gibt dennoch das gemeinsame Jammen<br />
bei Proben. Das ist uns wichtig, damit man sich<br />
nach langer Zeit wieder aufeinander eingrooved.<br />
Allerdings sind unsere Proben recht selten, dafür<br />
dann aber diszipliniert und intensiv über jeweils<br />
eine Woche am Stück und zehn Stunden am Tag. Die<br />
Songs werden per E-Mail geschrieben, mp s, Texte<br />
und Songfiles ständig hin und her geschickt und verändert,<br />
bis alle zufrieden sind.<br />
Die Songs „Flucht ins Glück“, „Komm!“ und<br />
„Der Garten“ gibt es seit Dezember auf der<br />
„Natürlich<br />
werden wir<br />
keine Frau mit<br />
in die Band<br />
nehmen.“<br />
Single „Flucht ins Glück“. Wird es auch noch<br />
ein Video zu einem Song geben?<br />
M. Stolz: Bislang ist kein Video geplant. Zum einen<br />
ist das Budget einfach nicht da nach dieser aufwendigen<br />
Albumproduktion. Zum anderen ist für uns<br />
gerade betriebswirtschaftlich nicht einsehbar, warum<br />
wir für viel Geld ein Video für Youtube/Myspace<br />
drehen sollten. Fast alle anderen Formate zur Präsentation<br />
eines solchen Videos sind ja mittlerweile<br />
weggebrochen. Und mit einem Low-Budget-Video<br />
würden wir uns nicht zufriedengeben.<br />
Beim Song „Dein Licht“ habt ihr<br />
wieder mit der Pianistin und Sängerin<br />
Leandra zusammengearbeitet,<br />
die euch auch schon auf der<br />
Akustiktour begleitete. Wird sie<br />
am Ende noch eine Instanzlerin?<br />
M. Stolz: Natürlich werden wir keine<br />
Frau mit in die Band nehmen. Aber<br />
sie ist mittlerweile eine gute Freundin von uns und<br />
eine sehr gute Pianistin. Und da ja im Gothic-Rock<br />
schon ab und an mal ein Klavier vorkommen kann,<br />
ist Leandra natürlich die erste Adresse zur Umsetzung<br />
dieser Idee.<br />
Holly, der Song „Der Garten“ beschäftigt sich<br />
mit dem Thema Glaube ohne Institution. Wie<br />
kam dir die Idee zu diesem Text?<br />
Holly: Hier in Istanbul kann man unheimlich viel von<br />
einem mir bislang unbekannten Kultur- und Religionskreis<br />
lernen. Das funktioniert natürlich nur mit<br />
Respekt, Neugier und Toleranz gegenüber dem Glauben<br />
des anderen. Leider lassen gerade Institutionen<br />
wie Kirche und Muslimräte diese Toleranz vermissen<br />
und haben einen großen Anteil an Spannungen und<br />
Konflikten, denen sich gläubige Menschen aussetzen.<br />
Und erst in der Fremde und durch Diskussionen<br />
mit Türken fand ich meine Neugier, die Nase in die<br />
Bibel hinein zu stecken und sich mal etwas intensiver<br />
mit dem christlichen Fundament der europäischen<br />
Kultur auseinanderzusetzen.<br />
„Der Garten“ ist ein Duett mit der türkischen<br />
Sängerin Aylin Aslim, teilweise auch in Türkisch<br />
vorgetragen. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?<br />
Was verbindet euch beide?<br />
Holly: Ich habe Aylin auf einem Gala-Konzert in der<br />
deutschen Botschaft kennengelernt. Da mir Musiker<br />
näher als Diplomaten sind, haben wir uns den<br />
Abend über versucht, mit Gebärden zu verständigen,<br />
da mein Türkisch noch recht rudimentär ist. Der Text<br />
„Der Garten” war von Anfang an als Duett ange-
dacht und so habe ich sie natürlich sofort darauf angesprochen,<br />
ob sie Lust drauf hätte. Ich fand dabei<br />
spannend, ein biblisches Thema zusammen mit einer<br />
Muslimin zu singen. Sie sagte sofort zu und das, obwohl<br />
sie zuvor noch nie ein deutsches Wort in den<br />
Mund genommen hatte. Seit dem halten wir einen<br />
losen freundschaftlichen Kontakt.<br />
Du lebst seit einiger Zeit in Istanbul. Wie hat<br />
sich deine Weltsicht seitdem verändert? Welchen<br />
Einfluss hat deine Wahlheimat auf dich<br />
als Musiker und als Mensch? Sieht man die<br />
deutsche Musikszene aus der Entfernung mit<br />
anderen Augen?<br />
Holly: Seit Sommer 007 bin ich mittlerweile Istanbulaner.<br />
Auch wenn die Luftverschmutzung dieser<br />
Großstadt keinen besonders guten Einfluss auf mich<br />
als Mensch hat, so sind die kulturellen Eindrücke<br />
enorm. Allein der morgendliche Blick aus meinem<br />
Fenster auf den Bosporus treibt lyrische Blüten. Diese<br />
Stadt hat eine enorme Vielschichtigkeit und Lebendigkeit,<br />
die einem ständig neue Textideen an den<br />
Kopf wirft. Zur Musikszene in Deutschland hatte ich<br />
immer schon einen gesunden Abstand. Es war nie<br />
mein Ding überall präsent und everybodys darling<br />
zu sein. Die freundschaftlichen Kontakte zu meinen<br />
Bandkollegen, Freunden aus der Berliner Musikszene,<br />
sowie den Damen und Herren von Schandmaul<br />
genügen mir da. Dennoch erkennt man in der Fremde,<br />
dass die Musiklandschaft in Deutschland sehr<br />
tolerant und breit gefächert ist.<br />
Wie ist es um die türkische (Gothic)-Szene bestellt?<br />
Arbeitest du noch mit anderen Künstlern<br />
zusammen? Was kannst du dir von anderen<br />
Kulturkreisen abschauen?<br />
Holly. Genau das ist der Punkt. Eine Gothic- und<br />
Metalszene existiert praktisch nicht in der Türkei. Es<br />
gibt keine Clubs und keine Läden für Menschen mit<br />
dieser Lebenseinstellung und sie selbst sind in so<br />
einer verschwindend geringen Minderheit, dass sie<br />
aufpassen müssen, dass es beim schief angeschaut<br />
werden bleibt. Dennoch knüpfe ich Kontakte zu<br />
Künstlern und Veranstaltern, die etwas offener sind<br />
und sich für unsere Musik interessieren. Was das<br />
noch für Blüten treiben wird, kann man noch nicht<br />
genau sagen. Auf jeden Fall aber besitzt türkische<br />
Musik abseits des Popmülls, sehr schöne melodische<br />
Perlen und bringt eine Schwermut und Melancholie<br />
mit sich, die nicht weit entfernt von der Gefühlswelt<br />
unserer Szene ist.<br />
Ihr habt in der aktuellen Besetzung vier Alben<br />
produziert. Wie seht ihr das äs<strong>the</strong>tische Konzept<br />
von damals und heute? Wofür steht die<br />
Letzte Instanz? Was treibt euch an?<br />
Holly: Das Konzept bzw. unsere musikalischen Vorstellungen<br />
sind die gleichen geblieben über die<br />
Jahre. Wir machen Gothic-Rock mit klassischen<br />
Streichern, welche in der Spätromantik verwurzelt<br />
sind. Unsere Texte sind melancholisch, sehr lyrisch<br />
und beschreiben eher Emotionen und Gedanken<br />
statt konkrete Begebenheiten. Das Ganze wird von<br />
einem treibenden und harten Rockfundament unterlegt.<br />
Unser Antrieb ist der Spaß am Komponieren,<br />
das miteinander Musizieren, Songs für die Ewigkeit<br />
zu schaffen, Menschen zu berühren, herumzureisen,<br />
sich den Kick auf der Bühne abzuholen und mit den<br />
Zuschauern einen perfekten Abend zusammen zu<br />
haben.<br />
Welche Herausforderungen gibt es für euch<br />
außerhalb der Musik?<br />
M. Stolz: Die Herausforderungen liegen zum einen<br />
bei unseren Familien, wo wir auch eine hohe Priorität<br />
setzen. Zum anderen benötigen wir natürlich<br />
auch einen Ausgleich zu<br />
der Arbeit an den eigenen<br />
Songs und den anstrengenden<br />
Konzerten.<br />
Manche in unserer Band<br />
reisen, andere gehen<br />
Bergsteigen, aber auch<br />
andere musikalische Projekte<br />
gleichen die Arbeit<br />
in der Letzten Instanz aus.<br />
Ich persönlich betreibe<br />
ein Tonstudio, produziere<br />
Bands und finde es angenehm,<br />
gelegentlich auf<br />
der anderen Seite der<br />
Scheibe zu sitzen.<br />
Ihr werdet im März/<br />
April auf „UNSchuld-<br />
stour“ gehen. Womit kann der Fan rechnen?<br />
Werden euch wieder Gäste begleiten? Was erwartet<br />
ihr eigentlich von einem Livekonzert?<br />
M. Stolz: Ein Livekonzert von uns ist immer eine<br />
große Party, wo ganz viel Spaß<br />
und Energie von der Bühne<br />
kommen und das Publikum<br />
ansteckt. Das erwarten wir<br />
auch von uns selbst, dass wir<br />
die Zuschauer herumkriegen<br />
und zum Schwitzen bringen.<br />
Wir werden verschiedene<br />
Bands mit auf Tour nehmen,<br />
welche jede für sich den Abend würdig beginnen<br />
wird. Van Canto, Heavy-Current, Silent Poem, Weto<br />
und Coppelius sorgen in den jeweiligen Städten für’s<br />
Anheizen, bevor wir mit zwei Stunden Konzert dem<br />
Publikum den Rest geben. Und wo es uns das Ordnungsamt<br />
gestattet, werden wir wieder Feuer auf<br />
die Bühne bringen.<br />
Wie kann man schnell noch auf das Tourplakat<br />
der Letzten Instanz kommen?<br />
M. Stolz: Einfach die Bandinitialen der Band - L I -<br />
mit den Fingern formen, einem Freund eine Kamera<br />
in die Hand drücken, dieser Kamera die Hände<br />
pommesgabelähnlich, aber mit unserem Zeichen,<br />
entgegenstrecken und das entstandene Bild dann<br />
an folgende E-Mail-Adresse schicken: zeichen@<br />
letzte-instanz.de. Sehr schön wäre es, wenn noch<br />
der Spitzname oder der echte Name in der E-Mail<br />
genannt wird.<br />
www.letzte-instanz.de<br />
VÖ „Schuldig“: 27.02.09<br />
„allein der<br />
morgendliche Blick aus<br />
meinem Fenster auf<br />
den Bosporus treibt<br />
lyrische Blüten.“<br />
1 1<br />
RiNGO müllER
Metallspürhunde<br />
Wetterkunde<br />
Seit ihrem Überhit, der elektronisch spritzigen<br />
Coverversion „Was hat Dich bloss so ruiniert“<br />
sitzen die schweizer Wadenbeißer im Studio<br />
und werkeln an dem lange überfälligen<br />
Nachfolger. Das Resultat kann sich hören<br />
lassen. Noch nie waren die Hunde zupackender,<br />
noch nie konnten sie ihre gesellschaftskritische<br />
Note in so dunkle und gleichermaßen<br />
eingängige Tracks verpacken.<br />
Mit einer neuen Single im Gepäck brauen<br />
sich dunkle Wolken über dem alpinen Horizont,<br />
die Lawine wird auch in Deutschland<br />
den Boden für eine der innovativsten Bands<br />
der schweizer Szene bereiten.<br />
„Die letzte große Fahrt“ – Man muss fast<br />
Angst bekommen. Ihr denkt nicht ans Aufhören,<br />
oder?<br />
Aber nein, ganz im Gegenteil! Wir haben den Kompass<br />
immer dabei, im Gegensatz zur Schiffs-Crew<br />
in besagtem Song. „Die letzte grosse Fahrt” steht<br />
sinnbildlich für die heutige Gesellschaft: Wir fahren<br />
mit Volldampf drauflos, je schneller und weiter, desto<br />
besser. Es scheint, als ginge es nur darum, in Bewegung<br />
zu bleiben und irgendwie voranzukommen.<br />
Aber was heißt Vorankommen im Leben? Ist dieses<br />
Streben nach immer mehr Leistung und Profit wirklich<br />
das Ziel der Fahrt? Die Crew in unserem Song<br />
erinnert darum an Untote, die zwanghaft immer wieder<br />
ihre Arbeitsabläufe wiederholen und dabei die<br />
Inhaltslosigkeit ihres Tuns gar nicht mehr erkennen.<br />
Steuert die Menschheit wirklich aufs Ende zu?<br />
Wir glauben definitiv, dass wir uns bereits Richtung<br />
Niedergang befinden. Es ist nur eine Frage der Zeit!<br />
Aber bei aller Endzeitstimmung: Für sich persönlich<br />
hat jeder die Fähigkeit, das Steuer rumzureißen und<br />
Verantwortung zu übernehmen in seinem Leben. Es<br />
ist nur eher unwahrscheinlich, dass die Menschheit<br />
das im Kollektiv schaffen wird, daher geht wohl früher<br />
oder später alles den Bach runter.<br />
Wofür steht denn der Klabautermann? Hat<br />
dieses Maskottchen den fiesen Köter abgelöst?<br />
Nein, der Köter ist nach wie vor treu bei Fuß! Der<br />
Klabautermann begleitet jedoch die Besatzung<br />
auf der letzten grossen Fahrt: Nach alter Seemannsüberlieferung<br />
handelt es sich dabei um einen Schiffsgeist.<br />
Es ist eigentlich ein guter Geist, der unsichtbar<br />
ist und sich nur durch Klopf- oder Poltergeräusche<br />
zu erkennen gibt. Oft warnt er z.B. den Kapitän vor<br />
Gefahren. Der Klabautermann zeigt sich nur, wenn<br />
es bereits zu spät ist: Er verlässt das Schiff erst dann,<br />
wenn es keine Rettung mehr gibt. Der überlieferte<br />
Spruch dazu lautet: „Wenn er klopft, bleibt er, wenn<br />
er hobelt, geht er“ und wird im Song von der 11jährigen<br />
Chiara vorgetragen.<br />
Warum habt ihr gerade diesen Track als Single<br />
ausgewählt?<br />
Wir wollten dem inhaltlichen Statement auf jeden Fall<br />
eine spezielle Plattform bieten, gleichzeitig transportiert<br />
der Song die Grundstimmung des Albums sehr<br />
schön. Diese leicht melancholisch und gleichzeitig<br />
tragisch gefärbte Atmosphäre steht zu hundert Prozent<br />
für „Böse Wetter”! Musikalisch gesehen kommt<br />
er eher gemäßigt daher, was wiederum die perfekte<br />
Steilvorlage für Remixe bot. Eisenfunk haben daraus<br />
einen harten Mix fürs Tanzbein gemacht, und<br />
Dementi haben dem Song sogar noch durch eigene<br />
Lyrics eine zusätzliche Dimension gegeben. Und zu<br />
guter Letzt hat der Song<br />
die Künstlerin Claudia<br />
Rindler (Rotten Art) zu<br />
einem wunderschönen<br />
Video im Stop-Motion-<br />
Stil inspiriert!<br />
In den Clubs von<br />
Deutschland geistern<br />
seltsame<br />
suchtbringende Elixiere<br />
für die letzte<br />
große Fahrt. Was ist<br />
das eigentlich für<br />
ein böses Gebräu?<br />
Also es ist schon mal<br />
kein Rum, hehe. Aber<br />
ein energiehaltiger<br />
Trank, der einem<br />
Kraft für die lange<br />
Fahrt gibt! Versuch,<br />
eins zu ergattern<br />
und finde es selbst<br />
raus.<br />
„Böse Wetter“ klingt straffer und songorientierter<br />
als alle eure früheren Werke. Was hat<br />
euch dazu bewogen? Wie sind die Songs entstanden?<br />
Das stimmt, ein Großteil der Songs ist recht gradlinig.<br />
Wir befanden uns in einer Phase, wo wir gerade<br />
viel Spaß an straighten, vermehrt auch elektronischen<br />
Strukturen hatten. Und im Gegensatz zum<br />
letzten Album haben wir diese Strukturen vielleicht<br />
noch mehr betont. Es stand eigentlich kein Konzept<br />
dahinter, wir hatten einfach Bock auf eine klare Linie<br />
und mitreißende Songs!<br />
Das Album scheint einer Choreografie zu folgen.<br />
Wie würdet Ihr den roten Faden des Albums<br />
beschreiben?<br />
Der Begriff „Böse Wetter” stammt ja aus der Bergmannssprache<br />
und bezeichnet eine bestimmte Luftqualität<br />
unter Tage: Wenn es zu wenig Sauerstoff<br />
hat und der Giftanteil in der Luft ein kritisches Maß<br />
erreicht, sprich man von bösen Wettern. Dies ist auch<br />
ein perfektes Symbol für das Album: Es handelt immer<br />
wieder von Bedrohungen, Gefahren, und die Betroffenen<br />
merken eventuell zu spät, dass etwas nicht<br />
in Ordnung ist. So wie die Untoten auf dem Schiff<br />
in „Die letzte grosse Fahrt” nicht merken, dass sie<br />
tot sind. Gleich mehrere Songs drücken auch die Ambivalenz<br />
aus zwischen dem Drang, weiter zu gehen<br />
und eine ungewisse Wahrheit erfahren<br />
zu wollen und<br />
dem Drang, einfach<br />
alles aufzugeben.<br />
„Was hat Dich bloss<br />
so ruiniert“ war euer<br />
Überhit des letzten<br />
Herbstes. Euer vokalerFrontwadenbeisser<br />
Michel hatte<br />
hier einmal der Femme<br />
Fatal Marion das<br />
Mikro überlassen.<br />
Marion scheint sich<br />
emanzipiert zu haben<br />
und ist auf dem neuen<br />
Album viel öfter zu<br />
hören als je zuvor. Wie<br />
hat sich das ergeben?<br />
Wir dachten ja erst, die<br />
„Ruiniert”-Single würde<br />
ein einmaliges Experiment<br />
bleiben. Es war ja damals zuerst gar nicht geplant,<br />
dass Marion singt und hat sich durch<br />
allerlei kuriose Umstände ergeben. Nachdem<br />
die Single aber so gut ankam und die Fans sich<br />
mehr davon wünschten, haben wir für „Böse<br />
Wetter” gleich zwei Songs im Gepäck, auf denen<br />
Marion zu hören ist. Sie dachte ja schon, sie<br />
könnte sich wieder zurücklehnen, aber da lag<br />
sie eben falsch, haha!<br />
Woran lag es eigentlich, dass das Album<br />
jetzt doch so lange gebraucht hat? Es war<br />
ja schon viel früher angekündigt?<br />
Ja, eine seltsame Sache. Es kamen einige Dinge<br />
zusammen in unserem Privatleben, die viel Energie<br />
abgezogen haben. Irgendwann kam der<br />
Punkt, wo wir ganz bewusst entschieden haben,<br />
nichts um jeden Preis durchboxen zu wollen. Wenn<br />
wir länger brauchen, dann brauchen wir eben länger.<br />
Dafür arbeiten wir nur dann am Album, wenn<br />
wir Lust darauf haben, und diese Haltung hat sich<br />
hinsichtlich des Resultats auch ausgezahlt!<br />
Das umfang- und detailreiche Artwork des<br />
Albums zeigt euch als Endzeitkrieger in einer<br />
verwüsteten Welt. Wer hatte die Idee dazu?<br />
Die Idee kam von uns, ausgearbeitet wurde sie von<br />
Aminess, einer sehr begabten russischen Künstlerin.<br />
Sie hat uns im Comic-Stil gemalt und uns in diese<br />
schaurig-schöne Landschaft platziert. Bedrohlich<br />
und apokalyptisch, das ist die Böse-Wetter-Welt!<br />
Gibt es auch für Sammler eine bestimmte<br />
Edition und ist vielleicht eine zweite Single<br />
geplant?<br />
Ja, es wird etwas Spezielles geben: Wir bieten eine<br />
limitierte, handsignierte Fan-Box mit den Singles<br />
„Was hat Dich bloss so ruiniert” und „Die letzte<br />
grosse Fahrt” sowie dem neuen Album „Böse<br />
Wetter” an. Also die drei aktuellsten Releases<br />
in einer Sammlung. Eine zweite Single ist noch<br />
nicht spruchreif, die Idee dazu geistert allerdings in<br />
unseren Köpfen herum. Wir werden euch auf dem<br />
Laufenden halten!<br />
Gerade in der letzten Zeit wirft sich die kleine<br />
Schweiz mit visionären Releases (z.B. The Beauty<br />
Of Gemina neben euch) ins Zeug und zeigt<br />
den Deutschen, wie sich der Underground aus<br />
der Stagnation retten kann. Woran liegt das?<br />
Verliert die Schweiz das Beschauliche?<br />
Die Schweiz hatte schon immer einen Untergrund,<br />
der alles andere als beschaulich ist. Nur bleibt das<br />
meiste davon innerhalb<br />
der Landesgrenzen. Im Vergleich zu<br />
Deutschland ist die Szene in der Schweiz natürlich<br />
eher klein, was aber auch Vorteile haben kann: Es<br />
gibt kaum große Idole, in deren Schatten man steht<br />
und es gibt auch viel weniger Konkurrenz, an der<br />
man sich vermeintlich messen muss. Somit gehen<br />
wir vielleicht ein Stück weit unbedarfter und frischer<br />
an die Arbeit und es fällt leichter, sich eine eigene<br />
Identität zu schaffen.<br />
www.mshunde.ch<br />
1 15<br />
GERt DRExl
Coppelius<br />
Tumultiger Zylinderträger-Rock<br />
Die munteren sechs Gesellen der Anno 1791<br />
ins Leben gerufenen Kapelle Coppelius, veröffentlichen<br />
dieser Tage ihr zweites Langspielwerk<br />
namens „Tumult!“. Ihrem Stil, der<br />
von vielen als Kammermusik-Metal bezeichnet<br />
wird, sind Coppelius auch auf „Tumult!“<br />
treu geblieben. Der Zylinderträger-Rock wartet<br />
wieder mit verzerrten Celli, die an Apocalyptica<br />
erinnern, Klarinette und Kontrabass,<br />
insgesamt mit Musik die zeitweise schon sehr<br />
am Metal kratzt, auf. Eine lange Tour ist auch<br />
schon in Planung, auf das die Fangemeinde<br />
den extravaganten Shows wieder beiwohnen<br />
kann. Wer von den Herrschaften einfach<br />
nicht genug bekommen kann, muss sich unbedingt<br />
auf deren Website einfinden, um zumindest<br />
Bauklötzchen zu staunen, denn der<br />
Meister mit der geschulten Hand und dem<br />
geschulten Blick, dem diese Seite „passiert“<br />
ist, weiß ganz sicher, wie man ein Publikum,<br />
selbst im weltweiten Netz, in Begeisterung<br />
versetzt und bei Laune hält.<br />
[...aus dem coppelianischen Ministerium für<br />
Wel<strong>the</strong>nruhm: Graf Lindorf schreckte aus<br />
tiefem Schlaf auf - und hatte doch so schön<br />
von ausgedehnten Cellosoli ohne Unterbrechungen<br />
von Klarinetten oder Triangeln<br />
geträumt! Selbst schuld - wer im Salon vor<br />
dem wärmenden Kamin ein Nickerchen im<br />
coppelianischen Lieblingsohrensessel hält,<br />
muss damit rechnen, dass ein aufgeregter<br />
Comte Caspar vom coppelianischen Minister<br />
für Wel<strong>the</strong>nruhm durch den Saal gescheucht<br />
wird - und kommt nicht umhin, gleich die<br />
neuesten Fragen aus der Ferne zu beantworten<br />
- nicht unter der Ausrede, dass der Cellobogen<br />
kolofoniert werden müsse (denn dies<br />
hat pflichtschuldigst Butler Bastille bereits<br />
erledigt), und auch nicht unter der fadenscheinigen<br />
Ausflucht, das Tagesblatt noch<br />
nicht gelesen zu haben (denn ebendieses<br />
liegt um des Grafen Sessel verteilt herum).<br />
Selbst Max Coppella wurde mit einem eigens<br />
für ihn gebrauten Getränk zur Beantwortung<br />
der Fragen gelockt.]<br />
Was bedeutet es für euch, Musik zu machen<br />
und was bedeutet Musik für euch im Allgemeinen?<br />
Graf Lindorf: Es gibt Leute, so auch unser Butler Bastille,<br />
die behaupten, Ordnung sei das halbe Leben.<br />
Das kann in unserem oder zumindest in meinem<br />
Falle nicht gelten, denn Musik bestimmt zu weit<br />
mehr als der Hälfte unser Leben. Musik macht<br />
Coppelius nun schon seit weit mehr als 00 Jahren<br />
- ich kann mir keine aussagekräftigere Antwort<br />
denken.<br />
Max Coppella: Sie müssen wissen, dass meine<br />
musikalischen Fähigkeiten hier völlig unterfordert<br />
werden, deshalb nimmt die Musik von Coppelius<br />
einen nur unbedeutend kleinen Teil meines Lebens<br />
in Anspruch.<br />
„Rightful King” ist einer der drei komplett in<br />
Englisch dargebotenen Songs auf eurem neuen<br />
Longplayer „Tumult!”. Was macht sie so<br />
besonders, dass sie dieses, sagen wir mal Privileg,<br />
genießen dürfen und wer ist Kunigunde<br />
van Heller?<br />
Le Comte Caspar: Genauso, wie es im Allgemeinen<br />
kein Privileg für ein Stück ist, vor einem Trugschluss<br />
eine Quintparallele zu besitzen, ist auch die Sprache<br />
mehr künstlerisches Mittel als Privileg. „Rightful<br />
King” im Speziellen war schon immer in englischer<br />
Sprache - der geneigte Hörer möge sich von seinem<br />
Butler ein anglizistisches Konservationslexikon reichen<br />
lassen, wenn er den Text nicht versteht.<br />
Max Coppella: Nicht zu wissen, wer Kunigunde van<br />
Heller ist, kann einen hier die Gesundheit, wenn<br />
nicht sogar das Leben kosten. Aber ich antworte<br />
trotzdem gern: Sie ist, gemeinsam mit Frau von Talermark,<br />
für die Versorgung des Publikums mit den<br />
nötigsten coppelianischen Utensilien bei Konzerten<br />
und in einem eigenen Laden auf den galvanischen<br />
Seiten zuständig.<br />
Metallisches Gewusel unterstützt von verzerrten<br />
Celli, Klarinetten und Kontrabass sind<br />
ja, dank eurer Kreativität, nicht wirklich oft<br />
anzutreffen. Wo liegen eure musikalischen<br />
Wurzeln? Gibt es „Vorbilder” als Quell der Inspiration?<br />
Le Comte Caspar: Danke für die Schmeichelei - jedoch<br />
ist unser Instrumentarium zum Einen gar nicht<br />
so selten anzutreffen, wie Sie vielleicht denken<br />
- jedes gut ausgerüstete Kammerorchester hat min-<br />
destens einen mittelmäßigen Klarinettisten - zum<br />
Anderen sicherlich nicht dank unserer Kreativität,<br />
sondern eher dank der Unkreativität des gesamten<br />
Restes der Gilde, welche nur voneinander abschauen,<br />
anstatt sich selbst einmal etwas Neues auszudenken!<br />
Graf Lindorf: Komisch, ein anderer Herr Journalisticus<br />
hat uns fast die gleiche Frage vor ein paar<br />
Tagen gestellt. Waren nicht Sie… Wie auch immer,<br />
ich bin froh, dass endlich jemand erkannt hat, dass<br />
das Cello als erstes zu nennen ist, nicht wahr Herr<br />
Coppella?<br />
Max Coppella: Normalerweise stehe ich bei solchem<br />
Fehlverhalten eines Fragenden sofort auf und<br />
gehe meiner Wege, allein hat mich dieses Getränk<br />
hier in so gute Laune versetzt, dass ich nicht kann,<br />
seltsam.<br />
Was heißt es für euch, eure Texte in Deutsch<br />
darzubieten?<br />
Graf Lindorf: Ich höre immer „euch”, „eure”. Hatten<br />
wir uns schon auf das Du geeinigt? Sie müssen<br />
wissen, ich kann so schrecklich vergesslich sein.<br />
Aber wen wundert das? In meinem Alter. Deutsch<br />
ist unsere Muttersprache, wenn man mal von Nobusama<br />
absieht, aber er träumt bereits in Deutsch,<br />
denn als ich mir neulich einen Schlaftrunk aus dem<br />
Weinkeller holen wollte, war das deutsche Gemurmel<br />
im Schlafe von Herrn Nobusama draußen vor<br />
seinem Zimmer nicht zu überhören.<br />
Max Coppella: Nein, Herr Graf, wir hatten uns nicht<br />
auf ein „du” mit ihm geeinigt und langsam werde<br />
ich auch ein wenig ungehalten ob solcher Dreistigkeit.<br />
Oh, ich glaube, die Wirkung des Getränkes<br />
lässt nach.<br />
Le Comte Caspar: Dort, wo andere Musicii unverständliches<br />
Ausländisch in die Mikrophonie<br />
murmeln, anstatt gleich „Trallalera,lalera,lala” zu<br />
singen, haben wir zwei wunderbare Klarinetten,<br />
welche diesen melodiösen Part übernehmen können.<br />
Wie entstehen eure Texte?<br />
Graf Lindorf: Wir schreiben nur über ganz alltägliche<br />
Dinge, mit denen wir uns immer wieder konfrontiert<br />
sehen. Denken Sie z.B. an Morgenstimmung, an Escapade<br />
I & II, an Urinstinkt oder Operation!<br />
Max Coppella: „Wir”, plötzlich höre ich „wir”, Herr<br />
Graf, Sie wissen ganz genau, wie böse ich werde,<br />
wenn jemand so was sagt, wo ich doch alles alleine<br />
schreibe!<br />
Le Comte Caspar: In einer so aufregenden Zeit wie<br />
der jetzigen, in der fast jeden Tag neue Rekorde<br />
aufgestellt werden, weiß man ja gar nicht, worüber<br />
man zuerst berichten soll! Sehen Sie, Otto Lilienthal<br />
wollte erst kürzlich die Gleitflugdauerhöchstmarke<br />
verbessern - leider gab es dabei einen schrecklichen<br />
„Unfall”. Die wahren Hintergründe werden auf<br />
„Tumult!“ aufgedeckt.<br />
Der Name Coppelius ist an die gleichnamige<br />
Romanfigur von E.T.A. Hoffmann angelehnt.<br />
Welche Umstände haben euch zu diesem Namen<br />
geführt?<br />
Max Coppella: Potzblitz, das kann doch nicht, gleich<br />
bin ich wieder ganz der Alte.<br />
Graf Lindorf: Diese Frage muss ich auch schon 57<br />
Mal gehört haben, so bekannt kommt sie mir doch<br />
trotz meines alten Hirns vor. Wenn ich Sie also<br />
ob Ihres Irrtums aufklären darf: Nicht der Name<br />
Coppelius ist an die gleichnamige Romanfigur von<br />
E.T.A.Hoffmann angelehnt, sondern andersherum,<br />
unser Sandkastenfreund Hoffmann verwendete<br />
später den Namen Coppelius sozusagen als kleine<br />
Aufmerksamkeit zu irgendeinem Jubiläum in seinem<br />
Roman. Und eine Antwort auf die Frage, wie<br />
wir zu diesem Namen gekommen sind, dürfen Sie<br />
wirklich nicht erwarten - das liegt nun schon mehrere<br />
Jahrhunderte zurück. Oder weiß es jemand?,<br />
Herr Coppella, Le Comte?<br />
Le Comte Caspar: Bitte, was? Ach so - ja, der gute<br />
alte Ernst Theodor! Er hat auch komponiert - wussten<br />
Sie das?<br />
Wie seht ihr die „neue” Downloadmentalität?<br />
Ist sie eher förderlich oder hinderlich in euren<br />
Augen? Ich meine hierbei nicht nur die offiziellen,<br />
sondern die auch immer noch illegalen<br />
Downloadportale und -seiten.<br />
VÖ „Tumult“: 30.01.09<br />
16 17
Graf Lindorf: Man hat uns vor kurzem darüber aufgeklärt,<br />
dass man Musik heutzutage in Windeseile<br />
überallhin verbreiten und kopieren kann, wenn man<br />
ein spezielles Gerät dafür besitzt. Also ich muss<br />
schon sagen! Nicht auszudenken, das wäre ja, als<br />
ob man zum Bäckersmann geht und sein Brot, ohne<br />
zu bezahlen an Freunde schickte. Oder stellen Sie<br />
sich nur vor, ein Zeitungsjunge würde die Zeitung<br />
einfach verschenken. Sowohl Bäckersmann als auch<br />
Zeitungsdruckerei würden sofort den Gendarmen<br />
rufen. Heute ist wohl alles anders. Man müsste sich<br />
eigentlich wieder häufiger duellieren!<br />
Max Coppella: Das ist alles eine Unverfrorenheit,<br />
schlecht sind die Menschen, schlecht, schlecht,<br />
schlecht.<br />
Le Comte Caspar: Kann man das Duellieren heutzutage<br />
nicht auch per galvanischer Verschickung<br />
erledigen? An mehreren Duellen gleichzeitig teilnehmen?<br />
Ein Duell neu beginnen, wenn einem das<br />
Ergebnis nach der ersten Runde nicht passt?<br />
Soweit zur Pflicht. Nun zur Kür. Kommen<br />
wir mal zum Jahr 1791. Bekanntlich begann<br />
das Jahr ja an einem Samstag. Im März wurde<br />
Vermont 14. Bundesstaat der USA und im<br />
Dezember wurde in London die erste Sonntagszeitung<br />
rausgebracht. Was hat euch in<br />
diesem Jahr dazu bewegt, eure Formation zu<br />
gründen? War es vielleicht die Einweihung<br />
des noch nicht ganz fertiggestellten Brandenburger<br />
Tors in Berlin oder habt ihr Mozarts Uraufführung<br />
der Zauberflöte gesehen und euch<br />
inspiriert gefühlt?<br />
Graf Lindorf: Begann das Jahr wirklich an einem<br />
Samstag? Wie haben Sie das nur herausbekommen?<br />
Sie müssen ein Rechengenie sein. Zu jener<br />
Zeit gab es vieles zum allerersten Mal und auch die<br />
Zauberflöte war sehr innovativ. Fragen Sie Herrn<br />
Coppella, der weiß noch am meisten über jenen<br />
Abend. Ich persönlich denke, dass zu viel Wein an<br />
jenem Abend diese Idee hervorbrachte, anders ist<br />
das gar nicht zu erklären.<br />
Max Coppella: Neinneinnein, so war es nicht, das<br />
wissen Sie genau, ich hatte mich eingesungen, um<br />
an jenem schicksalhaften Datum die Partie der Königin<br />
der Nacht zu geben und mit einem scheuß-<br />
lichen Getränk beraubten sie mich meiner Stimme.<br />
Anschließend nutzten Sie meine Depression, um mir<br />
einen Knebelvertrag unter die Nase zu reiben, der<br />
mich noch immer an diese untalentierten Scharlatane<br />
von Coppelius bindet. So und nicht anders hat<br />
es sich zugetragen, jawohl!<br />
Apropos Mozart. Ich habe eurer Terminliste<br />
entnehmen können, dass ihr bis jetzt als einziges<br />
Auslandsdate in Wien live spielen werdet,<br />
dafür aber richtig viel in Deutschland. Gibt<br />
es einen Ort oder eine Stadt, die ihr auf eurer<br />
kommenden Tour gern besuchen würdet?<br />
Graf Lindorf: Wir haben uns immer wieder gewünscht,<br />
wieder in Zürich aufzutreten, aber die<br />
Veranstalter dort haben wohl zu viele Horrorgeschichten<br />
von abgebrannten Opernhäusern und<br />
ruinierten Saalbesitzern gehört. Ich persönlich kann<br />
mir das gar nicht erklären.<br />
www.coppelius-band.de<br />
www.myspace.com/coppeliushilft<br />
tYVES OBEN<br />
Wer von der Neugier<br />
gequält wird…<br />
...vor allem von der Neugier auf<br />
gute neue Songs im Sound des<br />
80er-Gitarren-Wave, der sollte<br />
einmal der Band Curious und deren<br />
aktuellem Album „Arrhythmia”<br />
seine Aufmerksamkeit widmen.<br />
Curious haben 1999 ursprünglich als<br />
eine The Cure-Coverband angefangen,<br />
jedoch schon bald mit der Komposition<br />
eigener Songs begonnen.<br />
Nach einer eigenproduzierten EP mit<br />
dem Titel „Falling“( 00 ) veröffentlichten<br />
Curious 00 ihr Debütalbum<br />
„The Intimate Stranger“ bei Genetic<br />
Music und konnten damit bereits<br />
viele Fans begeistern. Mit „Arrhythmia“<br />
ist im November 008 das zweite<br />
Longplayer-Werk von Curious auf<br />
dem Sonorium Label erschienen (als<br />
CD und Digital-Release). Dazu gibt es<br />
in Kooperation mit afmusic die Net-<br />
Single „Days”.<br />
Die Band aus Bielefeld hat ihren Stil<br />
nochmals deutlich weiterentwickelt<br />
und ein eigenständiges Profil entfaltet,<br />
das neben den unverkennbaren<br />
Stileinflüssen des 80er Wave noch<br />
Raum genug für innovative und individuelle<br />
Elemente bietet. Eingängige<br />
und tanzbare Songs sowie auch<br />
spannungsgeladene Kompositionen<br />
mit dramatischen Elementen vereinen<br />
sich auf „Arrhythmia” zu einem<br />
abwechslungsreichen Album. Der<br />
ungewohnt anmutende Albumtitel<br />
„Arrhythmia” ist ursprünglich eine<br />
medizinische Bezeichnung für eine<br />
Herzrhythmusstörung oder unregelmäßigen<br />
Herzschlag. Bei Curious<br />
steht das Herz als Symbol für das<br />
Zentrum der menschlichen Gefühlswelt,<br />
das durch die in den Texten<br />
transportierten Empfindungen berührt<br />
wird und aus dem gewohnten<br />
Rhythmus gebracht werden kann.<br />
„Resurrection“, „Dazzled“ oder „The<br />
Way To Nowhere“ sind eher ruhige,<br />
atmosphärisch emotionsgeladene<br />
Stücke, die zum Träumen anregen.<br />
Songs wie „Days“, „To Run With The<br />
Hare And Hunt With The Hounds“<br />
oder „J. Mary (Swee<strong>the</strong>art)“ sind<br />
dagegen für die Tanzflächen der<br />
Goth- und Wave-Clubs geschaffen<br />
und haben das Potenzial, dort ebenso<br />
zu überzeugen wie der schon früher<br />
veröffentlichte und als Bonustrack<br />
enthaltene Song „Thrill B“. Dass Cu-<br />
VÖ: „Arrhythmia”: 14.11.08<br />
rious ihre Musik auch erfolgreich live<br />
umzusetzen vermögen, haben ihre<br />
vielen Konzerte (u.a. mit Größen wie<br />
The Mission) bereits bewiesen. Auch<br />
in 009 wird es wieder Gelegenheiten<br />
geben, Curious auf der Bühne<br />
erleben zu dürfen.<br />
NiGHtwOlVE<br />
www.curious-music.de<br />
www.myspace.com/<br />
curiousgermany<br />
www.sonorium.de<br />
www.myspace.com/<br />
sonoriumrecords<br />
18 19
Im Fegefeuer der Gegenwart<br />
„Sweet Limbo“, die süße Vorhölle<br />
der französischen Ausnahmeformation<br />
beginnt bereits im Jetzt. So<br />
zumindest setzt das Artwork die<br />
zerlaufenden, zerstückelten, ausgequetschten<br />
und malträtierten Comicprotagonisten<br />
im Booklet in Szene, das in<br />
seiner Brutalität an die „Happy Tree Friends<br />
meets Keith Haring“ erinnert. Die musikalische<br />
Umsetzung dreht alles durch den Fleischwolf,<br />
was stilistisch nicht niet- und nagelfest ist. Ob<br />
Darkwave, Hip-Hop, Electroclash oder Industrial,<br />
die Achterbahn der Stile gibt sich hier<br />
ein Stelldichein mit Alice im LSD-Land und<br />
verspricht eines der kurzweiligsten Alben des<br />
Monats.<br />
Corrado: Es gibt für uns nur eine Richtschnur, das Mischen<br />
und Neuerschaffen musikalischer Fragmente<br />
zu einem dunklen Gesamtbild. Unsere Einflüsse<br />
stammen in der Tat aus der Industrial-, Darkwave-,<br />
Deathrock- und Independent-Szene. Noch dazu gesellt<br />
sich dann traditionell französische Musik und<br />
Psychedelic oder Hip-Hop. Wir nennen das gerne<br />
auch „Wild Dark Rock“.<br />
Lena: Ich sehe uns auch in keiner Bandtradition. Das<br />
meiste entsteht instinktiv.<br />
Woher stammt euer obskurer Bandname?<br />
Corrado: Jabberwock stammt aus einem Gedicht<br />
„Es ist ein<br />
langer<br />
weg aus<br />
der süßen<br />
Vorhölle.“<br />
„Alice through <strong>the</strong> looking glass”, Jabberwock<br />
ist auch ein Monster, das zum<br />
Kosmos von Lewis Caroll gehört.<br />
Eure Artwork ist ja nur oberflächlich<br />
witzig. Eure Kreaturen werden<br />
wahrlich geschändet.<br />
Corrado: Genau, so fühlt man sich doch<br />
auch in der modernen Welt von heute. Wir lavieren<br />
zwischen Prägung und sozialen Standards, welche<br />
unser Bewusstsein malträtieren und unseren Verstand<br />
in Stücke reißen. Texte wie Bilder beziehen<br />
sich stark aufeinander und versuchen dem Ganzen<br />
einen ironischen Anstrich zu verpassen.<br />
Kann diese Ironie die Hilflosigkeit und den<br />
Schmerz lindern?<br />
Corrado: Ich denke, wenn du die Umstände verstehst,<br />
kannst du auch die Wirkung unterdrücken. Man lernt<br />
so, damit zu leben.<br />
Lena: Vielleicht auch der einzige Weg, um einen Platz<br />
für sich in der Welt zu finden. Aber der Weg dorthin<br />
ist chaotisch.<br />
Das Dilemma der absoluten Sicherheit kontra<br />
der zügellosen Freiheit beschreibt ihr in „Safe”.<br />
Gibt es eigentlich einen Ausweg aus den gesellschaftlichen<br />
Einbahnstraßen?<br />
Corrado: Ohne das Bewusstsein generell zu verändern,<br />
bestimmt nicht.<br />
Lena: Wir lernen aus unseren Fehlern, so hat die<br />
Menschheit schon immer Auswege gefunden. Vor<br />
dem Aufstehen kommt der Sturz. Es ist ein langer<br />
Weg aus der süßen Vorhölle.<br />
Trotzdem tanzt ihr gerne auf dem Vulkan, wie<br />
eure Coverversion des 70er Jahre Songs „Le<br />
Freak“ beweist. Euer Freak dreht am Schluss<br />
des Songs ja total durch.<br />
Corrado: Das ist typisch für Jabberwock. Unser Freak<br />
ist nicht so fröhlich wie das Original, er ist dann<br />
wirklich am Ende.<br />
Der letzte Song klingt wie ein französisches<br />
Kochrezept.<br />
Corrado: Haha, nur weil wir Franzosen sind, muss<br />
nicht alles ein Kochrezept sein.<br />
Lena: Der Song zielt auf die Industriegesellschaft. In<br />
einem Teil der Welt hat kaum einer was zum Fressen<br />
und hier kann man oft nicht einmal das Ende der<br />
Tafel überblicken.<br />
Wie kann man sich eine Liveshow von Jabberwock<br />
vorstellen? In eurem Info steht etwas<br />
von Videoshows?<br />
Corrado: Das hängt immer vom jeweiligen Club ab.<br />
Wenn möglich, spielen wir gerne zusammen mit Kosmos<br />
k, die eine spannende Videoliveperformance zu<br />
unseren Songs entwickelt haben. Wir selber agieren<br />
ohne jede visuelle Ablenkung. Wir haben Anzüge<br />
und strenge Kleider an. Der Rest ist Fleisch und<br />
Knochen, also keinerlei Feuerwerke oder sonstige<br />
Extremitäten. Wir möchten mit Gestik, Mimik und<br />
Bewegung das Publikum unmittelbar integrieren.<br />
jabberwock.free.fr<br />
VÖ „Sweet Limbo“: 30.01.09<br />
GERt DRExl<br />
Gefühlvoll nach vorne<br />
Nach dem Longplayer „Wonderland“ und der<br />
Single „Earth Song“ mit Sara Noxx melden sich<br />
die „Stimmgabeln“ mit der wohltemperierten<br />
Single „Feel“ zurück. Als Vorbote des kommenden<br />
Albums gedacht, kann das Werk in Sachen<br />
Qualität und Quantität vollkommen überzeugen.<br />
Neun Titel mit erstklassigen Remixen der<br />
Creme de la Creme der Elektroliga verkürzen<br />
das Warten und zeigen Project Pitchfork in<br />
Höchstform auf ihrem neuen Label Prussia Records.<br />
Nach Imatem widmest du dich also wieder deiner<br />
Hauptberufung. Wird es demnächst auch<br />
das Album geben und was wird uns dann erwarten?<br />
Peter Spilles: Das brandneue Project Pitchfork Album<br />
heißt „Dream, Tiresias!” und wird am 7. Februar<br />
erscheinen. Es wird zehn neue Tracks<br />
beinhalten, die durch Pitchfork-typische<br />
Zwischenparts miteinander<br />
verbunden sind, so dass ein ununterbrochenes<br />
Hörerlebnis erzeugt wird.<br />
Die neue Single heißt „Feel“. Um<br />
welche Gefühle geht es in diesem<br />
Song bzw. worum geht es<br />
für dich?<br />
Die heutige Tendenz, nicht nur unpopuläre Entscheidungen<br />
zu treffen, sondern für ein Volk schmerzvolle<br />
Änderungen im Alltag einfach zu bestimmen,<br />
um einer kleinen Elite das Leben so angenehm wie<br />
möglich zu erhalten, ist die Grundidee für den Text.<br />
Die Auflistung der Nachrichten, die tagtäglich auf<br />
jeden einprasseln, in Verbindung mit dem allmählichen<br />
Abstumpfen gegenüber eben diesen Fakten<br />
in der Welt, mündet in einer Aufforderung an jene,<br />
zu fühlen, was sie so begeistert unterstützen. Sie<br />
profitieren von den Krisen, Kriegen, Umverteilungen<br />
und der Not anderer und ich behaupte, sie empfinden<br />
das als normal. Ich verbinde hauptsächlich Wut,<br />
„ich verbinde<br />
hauptsächlich<br />
wut, Zorn und<br />
Verzweiflung<br />
mit dem<br />
Song.“<br />
Zorn und Verzweiflung mit<br />
dem Song. Im Verbund mit<br />
anderen Menschen sind diese<br />
Emotionen der Grundstein für<br />
weitreichende Veränderungen<br />
gegen das Leiden. Auf der<br />
Straße nennt man das „Revolution”.<br />
Kannst du schon die Thematik<br />
fürs neue Album anschneiden?<br />
Es gibt zwar einen roten Faden,<br />
der sich musikalisch<br />
durch das Album zieht, aber<br />
die textlichen Thematiken variieren<br />
stark und behandeln<br />
unter anderem Themen wie<br />
Schmerz und Frustration eines<br />
Opfers gegenüber seinem Peiniger;<br />
provokante Aussagen<br />
über instituierte Religionen<br />
und die Aufforderung darüber<br />
mal tiefer nachzudenken; Kritik<br />
über die Leichtigkeit, mit<br />
der Kriege angezettelt und<br />
junge Menschen zum sinnlosen Sterben verdammt<br />
werden; die Medikation von Kindern durch Pharma-<br />
Konzerne, die sich durch raffinierte Diagnosen neue<br />
Märkte erschließen. Darüber hinaus gibt es weitere<br />
Themen, die in der Pitchfork üblichen<br />
Sichtweise beleuchtet werden.<br />
Neun Songs sind auf der Single.<br />
Meinen Glückwunsch zur tollen<br />
Auswahl der Remixe. Besonders<br />
gefallen mir der SITD- und der<br />
Krupps-Remix. Was meinst du?<br />
Nach welchen Kriterien hast du<br />
die Remixer ausgewählt?<br />
Die Künstler, die einen Remix beigesteuert haben,<br />
sind „handverlesen” und mit Bedacht ausgewählt<br />
worden. Ich habe für Jürgen Engler einen Remix von<br />
„Das Ende der Träume” machen dürfen und er hat sich<br />
mit seinem „Die Krupps-Mix” grandios revanchiert.<br />
Die Tanzflächen-Meister, namentlich Tom von SITD,<br />
Jan von Noisuf-X und Mr. Petersen von Combichrist<br />
haben den Song sorgfältig auseinandergenommen,<br />
tiefer gelegt und neu lackierte Club Hits abgeliefert.<br />
Axxl E. ist eine Bank, was den Sound und die Qualität<br />
der Remixe angeht und hat sich nicht zuletzt durch<br />
seine Solo-Projekte einen Namen gemacht. Die Jungs<br />
von Retrosic bereichern die Maxi durch eine knall-<br />
harte und gefährliche Fusion unserer Gesangsstimmen.<br />
Das Wort „Duett” wäre hierfür zu harmlos. Und<br />
dann zaubert Jürgen Jansen eine klassische und filmreife<br />
Komposition hervor, die einen hervorragenden<br />
Abschluss der insgesamt 51 Minuten darstellt. Alle<br />
Ergebnisse bestechen durch ihre Vielseitigkeit und<br />
ihren Abwechslungsreichtum. Die Remixe erzeugen<br />
eine Abwechslung und Vielseitigkeit innerhalb der<br />
MCD, die einfach extrem kurzweilig ist.<br />
HEikO NOltiNG<br />
www.myspace.com/projectpitchfork<br />
VÖ „Feel“: 23.01.09<br />
0 Fotos: Zoe Forget<br />
1
Mit dem Tod auf Du<br />
Wirklich viel braucht man ja zum schwedischen<br />
Bandimport Deathstars nicht mehr zu<br />
sagen. Immerhin brachten Deathstars 2003<br />
bereits ihr Debütalbum namens „Syn<strong>the</strong>tic<br />
Generation“ auf den Markt und sind nun mit<br />
Album Nummer drei schon fast alte Junghasen.<br />
Auch das Touren, unter anderem mit<br />
Cradle of Filth und Korn hat merklich Spuren<br />
hinterlassen. Nämlich welche der Freude und<br />
des Zusammenhalts. Die Mitglieder selbst be-<br />
haupten zwar, dass sie sehr zufrieden damit<br />
seien, wie „Night Electric Night“ ihr Leben<br />
illustriert, dennoch brodelten wieder einige<br />
Fragen in den „Kochtöpfen“ der <strong>NEGAtief</strong><br />
Redaktion, als zutage trat, dass Whiplasher<br />
Bernadotte und Company einen neuen Longplayer<br />
veröffentlichen. Also hieß es: Fragen<br />
über Fragen notieren. Antworten bekamen<br />
wir leider nur von Bone W Machine, dem<br />
Drummer der Band.<br />
Foto: Steve Brown<br />
„Night Electric Night” soll wieder ein sehr<br />
persönliches Album sein und kommt mit elf<br />
neuen Tracks daher. Was können die Fans<br />
oder die neuen Hörer, mit deinen eigenen<br />
Worten, erwarten?<br />
Dunkelheit gepaart mit geschlagener Creme und<br />
einer Kirsche obendrauf.<br />
Mal etwas zu euern Coverartworks. Auf dem<br />
ersten Album war ein Foto von euch Jungs,<br />
auf dem Zweiten, „Termination Bliss” ist ein<br />
Mädchen zu sehen welches schreit und aus<br />
den Augen blutet. Jetzt auf eurem dritten Album<br />
ist wieder ein Foto von euch selbst zu<br />
sehen. Was war der Grund, wieder ein Bild<br />
von euch selbst zu zeigen oder sollte ich besser<br />
fragen warum hattet ihr auf dem Zweiten<br />
diese Art von „Covergirl”?<br />
Warum gut Aussehendes verschwenden, wenn<br />
man es gleich um die Ecke haben kann?!<br />
Was hat der Track „Night Electric Night” so<br />
sehr Spezielles, dass er schlussendlich als<br />
Titelsong endete, anstatt einer der Anderen<br />
wie zum Beispiel „Via The End”, welcher sicherlich<br />
einer der persönlichsten und emotionellsten<br />
Songs auf dem Album ist?<br />
Wir haben alle Namen der Tracks auf jeweils ein<br />
Stück Papier geschrieben, in einen Hut geworfen<br />
und haben irgendeinen Typen auf der Straße gebeten,<br />
einen Zettel zu ziehen. Voila, „Night Electric<br />
Night”!<br />
Ist „Chertograd” eine russische Stadt, von der<br />
ihr erzählt? Warum ist dieser Titel das Eröffnungsstück?<br />
Ja. Und weil der Song einfach saucool ist!<br />
Ich habe gesehen, dass ihr, wie in der Vergangenheit<br />
auch, eine riesige Tour geplant habt.<br />
Mögt ihr es, auf Tour zu sein oder ist das für<br />
euch eher nur hartes Geschäft?<br />
Touren ist wie ein älterer Bruder. Manchmal magst<br />
du ihn und manchmal möchtest du ihm am lieb-<br />
VÖ „Night Electric Night“: 30.01.09<br />
sten den Schädel spalten und mit seiner Freundin<br />
schlafen. Auf Tour sein ist wirklich ein hartes Stück<br />
Arbeit und ein ganzer Haufen von müffelnden Leuten<br />
ist für fünf bis sechs Wochen in einem Tourbus<br />
gefangen. Aber yeah, wir tun es, weil wir es mögen<br />
und weil es letztendlich heutzutage die einzige<br />
Chance ist, als Musiker noch ein paar Kröten zu<br />
verdienen. Außer man heißt vielleicht Madonna.<br />
Was könnt ihr über die schwedische Szene<br />
erzählen? Seit ihr vielleicht in anderen Ländern<br />
bekannter? Ich frage nur, weil es da ein<br />
deutsches Sprichwort gibt, das besagt, dass<br />
der Prophet im eigenen Land nichts zählt.<br />
Ja, wir sind größer und bekannter in anderen Ländern,<br />
aber denken und hoffen, dass unsere schwedischen<br />
Landsleute dieses Mal mehr Notiz von uns<br />
nehmen werden.<br />
Wo fühlt ihr euch mehr zu Hause? In der Gothic-<br />
oder der Metalszene? Oder vielleicht<br />
sogar in beiden?<br />
Wir sind wie ein Bastard aus beiden Szenen. Unsere<br />
beiden „Elternteile” kämpfen um das Vorrecht.<br />
Was hat euch persönlich in die Szene „getrieben“?<br />
Gelangweilt von der Szene, aus der ich ursprünglich<br />
komme, wollte ich etwas ganz<br />
Neues ausprobieren. Etwas von dem ich nicht<br />
dachte, dass ich es ausprobieren würde.<br />
Gibt es Sideprojekte, die ihr gern erwähnen<br />
würdet? Mir kam zu Ohren, dass einige von<br />
euch aus der Black-Metal-Szene kommen.<br />
Deathstars nimmt all unsere Zeit in Anspruch, die<br />
wir haben.<br />
Eure Band ist bekannt für ihr starkes visuelles<br />
Konzept und Auftreten. Wird es spannende<br />
Veränderungen geben? Vielleicht ein neues<br />
Video?<br />
Es gibt zu „Death dies hard” ein Video. Kannst du<br />
dir auf YouTube oder MySpace ansehen.<br />
Ihr habt „Death dies hard” als Singleauskopplung<br />
auserkoren? Was meint ihr mit diesem<br />
Titel? Glaubt ihr nicht, dass der Tod auch die<br />
eigene Freiheit einer gepeinigten Seele bedeutet?<br />
Ich habe keine Ahnung, was Whiplasher mit<br />
diesem Text meint. Ich denke, dass er sturzbe-<br />
soffen war, als er den Text geschrieben hat und<br />
dann zu faul, noch irgendwas damit zu machen.<br />
Um nochmal beim Thema Tod zu bleiben, weil<br />
es ja schließlich Teil eures Namens ist. Denkt<br />
ihr nicht manchmal, dass euer Name euch auf<br />
eine gewisse Weise auf etwas reduziert?<br />
Nein, eigentlich nicht.<br />
Was könnt ihr über die Produktion erzählen?<br />
Wie lange habt ihr an den neuen Tracks gearbeitet?<br />
Nightmare und Whiplasher haben verteilt über drei<br />
Jahre an diesem Album gearbeitet. Angefangen,<br />
diese Sachen aufzunehmen haben sie im Dezember<br />
007 und damit aufgehört 008 in Stockholm.<br />
Dann folgte noch ein Jahr des Aufnehmens und<br />
Mixens.<br />
www.myspace.com/deathstars<br />
tYVES OBEN
Ein ganz besonderer Leckerbissen für die Leckermäuler<br />
unter den Schandmaul-Fans gab es Ende<br />
letztes Jahr in Form einer DVD mit der einstündigen<br />
Porträtierung der einzelnen Schandmäuler<br />
plus Aufzeichnung vom Wacken Open Air<br />
2007. Zwischen dem „Anderswelt“-Album vom<br />
April 2008 und der kommenden Live-CD/-DVD<br />
dieses Jahr ist „Sinnbilder“ etwas Besonderes<br />
– gewähren die Schandmäuler doch einen sehr<br />
privaten Blick in ihr Leben und ihre Ansichten,<br />
sprechen offen über Familie, Religion, Hobbys<br />
und nicht zuletzt über ihre Bandkollegen, die<br />
auch zu einer Art Familie geworden sind. Der<br />
Rückhalt innerhalb der Band und die Wertschätzung<br />
der Mitglieder untereinander kommen bei<br />
jedem einzelnen Porträt zum Vorschein.<br />
„Sinnbilder“ ist ein Dankeschön an die Fans, jedoch<br />
auch ein großes Dankeschön an die Bandkollegen<br />
Eine große Nähe<br />
für zehn Jahre Vertrauen und Spaß. Eine DVD mit<br />
wunderschönen Bildern, bewegenden Eindrücken<br />
und beinahe greifbaren Schandmäulern, die in ihren<br />
Gärten und Wohnzimmern sitzen und wobei man<br />
auf der eigenen Couch spürt, wie nah sie sich und<br />
den Anhängern sind. Eine große Nähe, in die uns<br />
Sänger Thomas Lindner noch weiter hineinzog.<br />
Wann entstand die Idee, eine DVD mit euren<br />
Porträts aufzunehmen?<br />
Die Idee dazu entstand während der Dreharbeiten<br />
für das Bonusmaterial für die im April 009 erscheinende<br />
10 Jahre-Jubiläums-DVD. Zu diesem Zwecke<br />
begleitete uns fast ein Jahr ein Filmteam und angesichts<br />
der Tonnen an verwendbarem Material, die<br />
dabei entstanden, kam der Einfall, zum Zehnjährigen<br />
doch schon ein kleines Schmankerl zu veröffentlichen,<br />
um die Wartezeit bis zur „großen“ DVD<br />
etwas zu verkürzen.<br />
Fotos: Volker Beushausen<br />
Hatte irgendwer anfangs damit Probleme,<br />
einen Einblick ins Privatleben zu offenbaren?<br />
Kostete es Überwindung? Oder seht ihr es<br />
als Geschenk an eure Fans, das ihr „schuldig“<br />
wart?<br />
Sagen wir mal so: Wir gehen seit jeher offen mit unseren<br />
Fans um. Nach jedem Konzert gehen wir nach<br />
einer kurzen Pause noch raus zu den Menschen, um<br />
Autogramme zu geben oder Fotos zu machen oder<br />
eben Fragen zu beantworten. Natürlich ist es in diesem<br />
kurzen Moment „zwischen Tür und Angel“ und<br />
angesichts der Menge an Leuten kaum möglich, ein<br />
längeres Gespräch zu führen. Die DVD „Sinnbilder“<br />
beantwortet eine Menge ungestellter Fragen und<br />
bietet eben sehr private Einblicke in unser Leben<br />
und unser Denken.<br />
Das an die Porträts anschließende Konzert<br />
wurde auf dem Wacken Open Air 2007 aufgenommen.<br />
Welche – lustigen oder auch bewegenden<br />
– Erinnerungen habt ihr daran? Wie<br />
Thomas ganz richtig auf der DVD erwähnt,<br />
seid ihr dort ja auf einem Metal-Festival gewesen.<br />
Zum ersten Mal? Wie habt ihr euch<br />
aufgenommen gefühlt?<br />
Wacken ist ein super beeindruckendes Festival. Es<br />
war unser zweites Mal dort und wieder ein fantas-<br />
tisches Erlebnis. Vor der Bühne tummelten sich bestimmt<br />
0.000 Leutchen und es war eine tolle Party!<br />
Auf Metal-Festivals werden wir erfahrungsgemäß<br />
immer super freundlich empfangen – ich glaube<br />
das liegt daran, dass die Zuschauer nach zwei bis<br />
drei Stunden Vollgas-Geschruppe einer kleinen Abwechslung<br />
zwischendurch gar nicht so abgeneigt<br />
sind.<br />
Als Abschluss findet sich auf „Sinnbilder“ ein<br />
Video zu „Frei“ vom letztjährigen Album „Anderswelt“.<br />
Ihr habt sichtlich Spaß. Ist denn das<br />
Musizieren für euch ein Weg, sich zu befreien<br />
– von Ängsten, negativen Gefühlen oder auch<br />
einfach dem Alltag?<br />
Sicherlich. Man muss aber auch sagen, dass das<br />
Musizieren an sich eine Art Belohnung für uns ist.<br />
Mittlerweile ist die Arbeit organisatorischer oder<br />
technischer Natur, die in einer Band dieser Größenordnung<br />
geleistet werden muss, enorm. Da macht es<br />
einfach unglaublichen Spaß, wenn man nach Ausübung<br />
der trockenen Pflichten einfach ein Instrument<br />
zur Hand nehmen kann, um dies zu tun, weswegen<br />
man sich ursprünglich zusammenfand: Musik!<br />
Ihr geht ab April auf Jubiläums-Tour, die ihr im<br />
Juni mit zwei Open Air Konzerten abschließt.<br />
VÖ „Sinnbilder“: 14.11.08<br />
Habt ihr für diese Tour etwas Besonderes oder<br />
Überraschendes für eure Fans geplant? Könnt<br />
ihr uns schon sagen, bei welchen Festivals ihr<br />
dieses Jahr mitwirken werdet?<br />
Festivals sind einige dieses Jahr geplant: Unter anderem<br />
wieder Wacken oder beispielsweise das Summerbreeze<br />
oder das Feuertanz auf Burg Abenberg.<br />
Es sind aber noch nicht alle Termine bestätigt, drum<br />
einfach auf unserer Homepage unter Termine spicken.<br />
Sobald etwas in trockenen Tüchern ist, steht es<br />
da. Was die Tour betrifft, gibt es auf jeden Fall etwas<br />
Besonderes für die Fans. Diese können nämlich auf<br />
unserer Website für das jeweilige Konzert, welches<br />
sie besuchen, die Setliste selber abstimmen. Das<br />
wird ein Spaß! In jeder Stadt andere Songs.<br />
Dieses Jahr erscheint die Live-CD/DVD, die am<br />
14.11.2008 aufgenommen wurde. Wollt ihr<br />
uns etwas über den Inhalt verraten?<br />
Nun ja, in erster Linie mal dieses Wahnsinns-Konzert<br />
aus dem Münchener Zenith vor 7000 Menschen –<br />
das war einfach ultra-beeindruckend. Des Weiteren,<br />
wie schon erwähnt, eine Menge Bonusmaterial.<br />
Seien es Eindrücke von hinter der Bühne und dem<br />
Backstage sowie Einblicke in unsere Studioarbeit, in<br />
unsere Probenarbeit, bei Festivals oder im Tourbus<br />
und dergleichen mehr.<br />
www.schandmaul.de<br />
DiaNa ScHliNkE<br />
5
Eisenfunk<br />
Bayerisches Funkhaus<br />
Mit dem genialen Song „Duck and Cover“ oder<br />
auch dem nach sich benannten Lied „Eisenfunk“<br />
aus dem Album „Eisenfunk“ machten<br />
die sympathischen Bayern Ende 2007 auf sich<br />
aufmerksam. In den Clubs der Nation fragte<br />
man sich: Wer ist das – und warum klingen<br />
die so geil? Jetzt, knapp ein Jahr später folgt<br />
also das Werk „Schmerzfrequenz“. Eisenfunk<br />
hat mächtig zugelegt – nun dominiert Stimme<br />
neben den bekannten Samples in den Werken<br />
und es tut absolut keinen Abbruch am Gesamtkunstwerk.<br />
Industrielle Klänge mit eingängigen<br />
Melodien gepaart – ein wahrer Schmaus<br />
für die sonst so Hertz-geplagten Ohren! Es ist<br />
also Zeit, mit Eisenfunk einen kleinen Plausch<br />
zu halten!<br />
Euer neues Werk ist ein absoluter Brecher. Wie<br />
geht ihr bei neuen Songs vor? Wie entstehen<br />
sie?<br />
Michi: Im kreativen Chaos. Am Anfang steht immer<br />
eine chaotische Sammlung von Ideen auf meinem<br />
Studiorechner. Aus der einen oder anderen Idee wird<br />
dann ein ganzer Song. Manchmal entsteht auch ein<br />
Lied in einer einfachen Studiosession, mein persönlicher<br />
Rekord liegt da bei 0 Minuten. Arthur und Toni<br />
bringen dann nach diesem Prozess auch noch ihre<br />
Ideen ein und das Resultat ist ein abgerundetes Lied.<br />
VÖ Schmerfrequenz“: 06.02.09<br />
Texte und Samples kommen danach auf das Lied drauf.<br />
Bei „Schmerzfrequenz” war das erstmalig andersherum.<br />
Ich hatte den Text geschrieben und wir mussten<br />
ihn dann noch in ein Lied packen.<br />
Sozialkritik merkt man einigen Songs recht<br />
kräftig an. Besonders meiner Meinung nach im<br />
Song „Guantanamo”. Wie kommt ihr auf die<br />
Ideen für diese Texte?<br />
Fernsehen und lesen. Am besten nach Uhr werktags,<br />
da kommen die besten Dokus. Außerdem haben<br />
Arthur und ich dieselben Klolektüren. Klingt zwar immer<br />
etwas abwertend, aber auf dem stillen Örtchen<br />
hat man einfach Zeit zum Lesen. Die Ideen kommen<br />
dann spontan. Sobald wir uns mit einem Thema beschäftigen,<br />
entwickle ich automatisch Emotionen<br />
dazu. Diese gilt es dann nur noch festzuhalten und<br />
in einen Text zu pressen. Für „Guantanamo“ stand<br />
für uns diese gefühlte Hilflosigkeit im Bauch, gegen<br />
einen Menschen, der die Macht über dich hat. Der<br />
Text spiegelt das wider, die Willkür und das Opfer.<br />
Man merkt ja auch eine gewisse Abneigung<br />
gegen Amerika in euren Sachen. Ist das so?<br />
Wenn ja, wie kommts? Im Zuge dessen natürlich<br />
auch Atomkraft. Mögt ihr Atomstrom oder<br />
sagt ihr: „Kernkraft – Nein Danke”?<br />
Kernkraft – Nein Danke, würde aus meinem Mund<br />
komisch klingen, schließlich bin ich ja ausgebildeter<br />
Kraftwerksmeister und stand jahrelang auf der<br />
„dunklen Seite der Macht”. Für mich ist das, wie alle<br />
Themen im Leben, die man diskutiert, nicht schwarz<br />
oder weiß, sondern eher ein Grauton. Kernkraft ist<br />
derzeit die einzig lösbare Grundlast-Versorgung. Mit<br />
dem Fingerzeig auf die Kraftwerksbetreiber stehlen<br />
sich die Verbraucher aus der Eigenverantwortung. Es<br />
wird ja schließlich nur der Strom erzeugt, der hinten<br />
raus verbraucht wird. Strom unnütz verbrauchen ist<br />
ebenso mies wie die Erzeugung radioaktiver Abfälle<br />
oder noch mehr CO . Beides ist nun mal direkt<br />
miteinander verbunden. Weiter steig ich hier mal<br />
nicht ein, sonst endet das wieder mal als Grundsatzdiskussion.<br />
Gegen Amerika haben wir prinzi-<br />
piell einmal nichts. Allerdings liefert diese Nation<br />
regelmäßig Themen, die zum Kopfschütteln anregen.<br />
Außerdem haben wir Russland in dem letzten<br />
Album mit den Song „Majak” ja auch gut beschossen.<br />
Wir stellen uns immer wieder die Frage, auf<br />
welchen Planeten wir flüchten, wenn wir erst einmal<br />
Amerika und Russland sauer gefahren haben.<br />
Was natürlich auch auffällt, ist die Verwendung<br />
von Samples. Woher bekommt ihr die?<br />
Sitzt ihr vorm Fernseher und sagt: Das brauchen<br />
wir, oder geht ihr gezielt vor?<br />
Beides. Ich suche im Internet gerne nach alten<br />
Schwarz-Weiss-Schinken. Ich bin ein alter Doku-<br />
Liebhaber und freue mich über das Material, das<br />
man heute einfach so im Internet bekommt. Ich finde<br />
das noch schöner als eine fertig aufbereitete Doku,<br />
es ist kommentarfreie und unverfälschte Information.<br />
Von „gezielt” können wir nicht reden. Ein Thema<br />
beschäftigt uns und wenn wir dazu Samples haben,<br />
dann verbraten wir die auch.<br />
Ihr habt doch bestimmt Auftritte oder eine<br />
kleine Tour geplant zum neuen Album? Was<br />
erwartet den geneigten Zuhörer, wenn ihr auf<br />
der Bühne abrockt?<br />
Eine Tour haben wir geplant, aber zum jetzigen Zeitpunkt<br />
verhandeln wir noch mit den Veranstaltern die<br />
Details. Auf unserer Web- und Myspaceseite geben<br />
wir aber rechtzeitig die Termine bekannt. Unsere<br />
Konzertzuschauer erwartet ein multimediales Erlebnis.<br />
Im Vordergrund agieren wir auf der Bühne und<br />
hinter uns läuft die Videoshow. Arthur verprügelt die<br />
eDrums, Toni drischt in die Tasten seines Synthis und<br />
ich darf mich als Keyboarder und Frontmann austoben.<br />
Unsere Videoshow ist aber ebenso wichtig wie<br />
wir selbst. Alle Videos sind eigens für die jeweiligen<br />
Lieder geschnitten und somit passend und schlüssig.<br />
Gerade zu dem Hintergrundvideo von z.B. „Duck<br />
and Cover“ erhalten wir extrem positive Resonanz.<br />
Für das neue Album „Schmerzfrequenz“ haben wir<br />
die gesamte Videoshow neu gestaltet. Alle Videos<br />
und Songs ergeben einen durchgehenden Fluss in<br />
der Show, und spiegeln das Alben<strong>the</strong>ma wider. Auf<br />
der Projektion läuft eine speziell auf die Show zugeschnittene<br />
Nachrichtensendung, die sogar mit einer<br />
Werbepause unterbrochen wird. Vom Dokukanal bis<br />
zur Kindersendung ist da alles mit dabei. Teilweise<br />
wird es skurril komisch und manchmal bitterernst.<br />
Die Mischung aus beidem ist gut ausgewogen und<br />
wir sind schon gespannt, wie gut die Videos ankommen<br />
werden. Künftig werden wir bei größeren Konzerten<br />
auch einen<br />
eigenen Lichttechniker<br />
dabei haben,<br />
der schon mit uns<br />
die Konzerte probt.<br />
Der Zuhörer soll mit<br />
allen Sinnen in unser<br />
Konzert eintauchen<br />
können.<br />
Irgendwelche lustigen<br />
Erlebnisse<br />
aus eurer bisherigen<br />
Zeit mit Eisenfunk,<br />
die ihr<br />
uns nicht vorenthalten<br />
wollt? Zum<br />
Beispiel Pannen<br />
bei Produktionen<br />
oder Auftritten?<br />
In den kommenden<br />
Tagen werde ich<br />
unser Outtake Video<br />
„Blut an der Wand” vom „Schmerzfrequenz“-<br />
Videodreh online stellen. Der kurze Clip sagt<br />
mehr als tausend Worte. Zu sehen gibt es das<br />
dann bei Youtube und auf unserer Webseite.<br />
Auf „Schmerzfrequenz” erwarten uns ja auch<br />
zwei Videos. Machen euch die Videodrehs<br />
Spaß? Wird es auf der nächsten Scheibe auch<br />
mehrere Videos zu sehen geben?<br />
Oh ja, Videodrehs sind eine lustige Abwechslung. Bei<br />
dem Dreh zu „Werbepause“ sind wir kaum aus dem<br />
Lachen herausgekommen. Arthur hat den Verkäufer<br />
aus der Dauerwerbesendung extrem gut dargestellt.<br />
Zu dem wollten wir die schlechte Synchronisierung<br />
der echten Werbesendungen kopieren, also sprachen<br />
wir beide am Set Englisch, hatten uns aber vorher<br />
keinen Text überlegt. „Schmerzfrequenz“ drehten<br />
wir zum einen im Schlachtraum eines Freundes auf<br />
seinem Hof. Alles dort roch nach frischer Schlachtung,<br />
am Ende des Drehs rochen wir selber nach<br />
Schweinefett und Wurst. Den anderen Teil drehten<br />
wir im Titanic City hier in München. Die Fans aus<br />
München leisteten ganze Arbeit und haben mit uns<br />
ein wunderschönes Konzert bei dem Dreh gefeiert.<br />
War halt nur ein Lied, aber das dafür knapp 0 mal<br />
hintereinander. Ich denke mal, bei unserem Eröffnungskonzert<br />
am 01.0 . wird die erste Reihe bereits<br />
das Lied mitsingen können.<br />
www.eisenfunk.de<br />
6 7<br />
DaNiEl FRiEDRicH
The Mission<br />
Das letzte Kapitel<br />
Jahre ist es jetzt her, dass sich<br />
die englische Kultband The Mission<br />
dazu entschlossen, sich zu gründen.<br />
Nun heißt es Abschied nehmen.<br />
Abschied von einer der hoch umjubelten<br />
Bands, die die Szene jemals<br />
hervor gebracht hat. Dennoch wird<br />
den Fans der Abschied nicht ganz<br />
so schwer gemacht. The Mission<br />
verabschieden sich mit einer Triple-<br />
DVD-Box „The Final Chapter”, die<br />
tiefe Einblicke in die letzten Shows<br />
im berühmten Shepherds Bush<br />
Empire in London, die große Aftershowparty,<br />
Faninterviews und vieles<br />
mehr zeigt. Frontmann Wayne Hussey,<br />
der zurzeit in Brasilien wohnt,<br />
kam gerade aus dem Studio, um uns<br />
aus weit entlegenen, warmen Gefilden,<br />
gut gelaunt ein paar Fragen zu<br />
beantworten.<br />
Was hat dich dazu veranlasst nach dieser großartigen<br />
Karriere zu sagen, deine „Mission” ist<br />
beendet? Wurde alles gesagt?<br />
Ich weiß nicht genau, wie es weiter gehen wird.<br />
Sicher werde ich weiter als Wayne Hussey Musik<br />
machen, ich weiß aber weder ob solo oder mit einer<br />
neuen oder anderen Band noch wann. Ich habe<br />
keinerlei Erwartungen, was das betrifft.<br />
Es war eine sehr lange Karriere mit The Mission.<br />
Könnte es vielleicht sein, dass du die Band<br />
eines Tages wieder zum Leben erweckst?<br />
Ich habe nicht die Absicht, das zu tun. Aber du weißt<br />
ja, man soll niemals nie sagen. Aber bis jetzt steht<br />
das wirklich außer Frage.<br />
Du hast Recht, wenn du sagst, dass es keine<br />
bessere Weise gibt als die Karriere mit dieser<br />
großartigen DVD-Box zu beenden. Fast 290<br />
Minuten Material sprechen für sich. Von wem<br />
stammt die Idee für dieses finale The Mission<br />
Release?<br />
Die Idee ist daraus entstanden, als langsam klar<br />
wurde, dass es eine Abschiedstour geben wird und<br />
man diese dann logischerweise auch aufzeichnet. Es<br />
war einfach zu aufwendig, die komplette Tour aufzunehmen,<br />
so entschlossen wir uns, nur die letzten<br />
vier Gigs mitzuschneiden. Als die Tour dann wirklich<br />
vorbei war, haben sich mein Manager und ich uns<br />
zusammengesetzt und das ganze Material gesichtet<br />
und waren wirklich erstaunt, wie viel alleine das<br />
schon ergeben hat. Sicher wurden nicht die Konzerte<br />
alleine gefilmt, sondern hier und da immer wieder<br />
auf den Record-Knopf gedrückt und so kam dann<br />
eine gigantische Menge an Material<br />
zusammen. Bis zum heutigen Tag habe<br />
ich lediglich Quick-Time Ausschnitte,<br />
aber noch nicht das Endprodukt gesehen,<br />
da die DVDs in England geschnitten<br />
wurden. Aber ich denke schon, dass die<br />
DVDs so geworden sind, wie wir uns das<br />
ursprünglich gedacht hatten.<br />
Abgesehen von den aufgenommenen<br />
Shows gibt es noch diese<br />
„Outtake”-DVDs mit Interviews, der<br />
Aftershowparty, wo ihr während eurer Reise<br />
oder eurer Proben zu sehen seid. Ebenfalls gibt<br />
es jede Menge eurer Fans zu sehen, die euch<br />
von Anfang an gefolgt sind. Die meisten von<br />
denen sind jetzt Muttis und Vatis, sprich um<br />
einiges älter. Wie war es für dich, diese Leute<br />
von denen du sicher<br />
einige schon von Bandgründung<br />
an kanntest,<br />
wieder zu sehen?<br />
Es ist vollkommen normal,<br />
wenn eine Band so<br />
lange existiert, wie unsere,<br />
dass die Leute mit<br />
einem zusammen älter<br />
werden. Das ist ein ganz<br />
natürliches Ding, aber<br />
trotzdem immer wieder<br />
eine große Überraschung,<br />
sie zu sehen.<br />
Die Version von „Tower<br />
Of Strength” beinhaltet<br />
ein Sample von<br />
Lisa Gerrard. Weißt du<br />
etwas über ihre Reaktion<br />
darauf? Warum<br />
hast du dieses klassische<br />
Sample für diesen<br />
klassischen Song<br />
ausgesucht?<br />
Eigentlich hatte ich keine Ahnung, dass das Sample<br />
von Lisa Gerrard war. Es entstammt einer Remix-<br />
Version von „Tower Of Strength” und die war von<br />
199 oder so. Als ich dann die Backing-Tracks für die<br />
Livesachen zusammenmixte, war es für mich nur natürlich,<br />
da auch wieder dieses Sample einzubauen.<br />
Ich spielte es meiner Frau vor, die sich sehr viel mit<br />
schwarzer Musik beschäftigt, und sie meinte sofort:<br />
„Oh, Dead Can Dance!” und ich antwortete: „Nein,<br />
das ist The Mission!” und sie meinte wieder: „Nein,<br />
Dead Can Dance!” und ich hatte<br />
„<strong>the</strong> <strong>mission</strong><br />
war für mich<br />
immer eine<br />
Sache, um das<br />
leben und<br />
das licht zu<br />
zelebrieren.“<br />
echt keine Ahnung, dass das Lisa<br />
Gerrard war. Ich weiß auch nicht,<br />
ob es Dead Can Dance wissen oder<br />
jemals gehört haben. Aber es ist<br />
wirklich großartig, wie gut sich das<br />
Sample in diesen alten Song einfügt.<br />
Es ist alles richtig harmonisch und<br />
aus diesem Grund war es mir auch<br />
wichtig, es live zu verwenden.<br />
Es ist gewaltig, auf der DVD zu<br />
sehen, wie das Publikum den Refrain des Songs<br />
mitsingt. Welche Gefühle löst das in dir aus?<br />
Auch für mich ist es großartig, zu sehen, wie sehr<br />
verbunden sich das Publikum mit diesem Song<br />
fühlt, und müsste ich The Mission auf einen einzigen<br />
Song reduzieren, so wäre es wohl auch „Tower Of<br />
Strength”.<br />
Wenn man all die Leute auf den<br />
DVDs sieht, besonders die, die<br />
euch über all die Jahre begleitet<br />
haben, fühlen sich wohl der<br />
Gothicszene zugehörig. Ich kann<br />
mich daran erinnern, dass in ein<br />
paar alten Interviews gesagt<br />
wurde, dass du nie wirklich glücklich darüber<br />
warst, dass The Mission als Gothicband „abgestempelt”<br />
wurde. Was würdest du heute<br />
sagen, mit Blick zurück auf eure lange Karriere<br />
als eine der berühmtesten Kultbands der Gothicszene<br />
zu gelten?<br />
Heutzutage habe ich kein Problem damit. Die Gothicszene<br />
ist eine sehr treue gewesen über all die<br />
Jahre. Auch ich selbst habe mal den ein oder anderen<br />
Lebensstil so gelebt, aber nicht in den letzten<br />
zehn Jahren. The Mission selbst habe ich jedoch nie<br />
als Gothicband gesehen. The Mission war für mich<br />
immer eine Sache, um das Leben und das Licht zu<br />
zelebrieren.<br />
Aber Gothic zu sein und trotzdem sein Leben<br />
zu zelebrieren, schließt sich ja nicht aus.<br />
Das mag sein, aber meistens ist es ja so, dass allgemein<br />
davon ausgegangen wird, dass Gothics<br />
immer nur schwarz tragen und<br />
„Es ist ein<br />
merkwürdiges<br />
Gefühl, nicht zu<br />
wissen, wie es nun<br />
weiter geht.“<br />
die dunkle Seite des Lebens zelebrieren,<br />
aber das ist nicht das,<br />
was ich mit The Mission gemein<br />
habe, noch mit mir selbst.<br />
Es gibt eine Szene auf der<br />
DVD, so ziemlich die letzte,<br />
als die Show vorbei war, alle<br />
Lichter an waren und alle etwas traurig auf<br />
der Bühne standen. Gibt es nicht einige Tränen<br />
zu trocknen nach dieser ganzen Zeit? Hast du<br />
vielleicht Angst, jetzt in eine große Leere zu<br />
fallen?<br />
Diese letzte Nacht war eine sehr emotionelle Nacht<br />
und speziell für mich ein sehr emotioneller Moment<br />
in meinem Leben. Zur gleichen Zeit war es für mich<br />
ein fantastischer, perfekter Weg, alles enden zu lassen.<br />
Es hat mich sehr berührt und ich habe auch viel<br />
an die ersten Shows gedacht und wie sich alles im<br />
Laufe der Zeit verändert. Es ist ein merkwürdiges<br />
Gefühl, nicht zu wissen, wie es nun weiter geht, aber<br />
dennoch zur selben Zeit auch sehr spannend, weil<br />
ich ja mit The Mission schon sehr festgelegt war.<br />
VÖ „The Final Chapter“: 27.02.09<br />
Lass uns einen Blick auf die junge Musikszene<br />
von heute werfen. Wenn du ein 16 Jahre alter<br />
Junge wärst und deine erste Gitarre geschenkt<br />
bekämst, auf welche Art von Musik würdest<br />
du heutzutage abfahren?<br />
Ich lebe ja im Moment in Brasilien auf dem Land<br />
und habe nicht wirklich den Zugang zu Magazinen,<br />
in denen alles, was hipp und trendy ist, drin steht.<br />
Aber wenn ich doch mal in Europa bin und mal in<br />
einen Plattenladen gehe, gefallen mir junge Bands<br />
wie Placebo schon sehr gut.<br />
Im Grunde kümmere ich mich nicht wirklich um so<br />
neue Sachen. Ich ziehe eigentlich mehr meine eigenen<br />
Sachen durch und hinterfrage die auch nicht.<br />
Meine Frau kümmert sich viel mehr um solche Sachen,<br />
weil sie auch selbst aus der Szene ist.<br />
Wie geht es dir in Brasilien?<br />
Sehr gut. Es ist schön warm hier und gemütlich. Ich<br />
mache gerade eine Mittagspause, trinke ein Bier und<br />
schaue Fußball und dann gehe ich zurück ins Studio,<br />
ein wenig was für einen Freund erarbeiten. Ja, mein<br />
Leben ist schön. In England zu leben, ist zu dem sehr<br />
teuer. Mit dem, was ich als Musiker verdiene, ist es<br />
schwer, aber hier in Brasilien komme ich damit sehr<br />
gut über die Runden.<br />
www.<strong>the</strong><strong>mission</strong>uk.com<br />
www.myspace.com/<strong>the</strong><strong>mission</strong>uk<br />
GERt DRExl / tYVES OBEN<br />
8 9
0 1
Gen Herzen reisen<br />
Wer das Coverartwork des Hamburger Einmannprojektes<br />
sieht, denkt automatisch an<br />
eine süßliche Atmosphäre zwischen Erasure<br />
und Marc Almond, doch weit gefehlt. Trotz aller<br />
herzerweichender Arrangements lassen die<br />
deutschsprachigen Texte auch manch traurige<br />
Begebenheit im Leben des Matrosen schließen.<br />
Die Narben scheinen tief unter dem Makeup<br />
versteckt. Die Instrumentierung hingegen<br />
fließt locker und leicht. So bietet dieses Album<br />
neben abwechslungsreichem Syntroph das ein<br />
oder andere erschreckende Aha-Erlebnis.<br />
„Happy people have no stories” – Du musst<br />
ein sehr trauriger Mensch sein, wenn man die<br />
Anzahl der Kurzgeschichten auf deinem Debüt<br />
betrachtet?<br />
Also, ich würde mich eigentlich nicht als sehr traurigen<br />
Menschen bezeichnen. Ich liebe die fröhlichen<br />
Momente im Leben, ebenso wie die traurigen. Bei<br />
Musik war es aber immer schon anders. Melancholie<br />
ist das Zauberwort. Melancholische Songs haben<br />
mich schon immer mehr interessiert und fasziniert,<br />
als irgendwelche Gute-Laune-Nummern. Dass ich<br />
in meinen Songs mit viel Dramatik spiele, ist ja unüberhörbar,<br />
aber die dramatischen sind ja auch die<br />
spannendsten Geschichten des Lebens. Wie die Band<br />
Therapy schon einst sagte: „Happy people have no<br />
stories”.<br />
Gerade sehr anrührende Geschichten wie „In<br />
Wahrheit gelogen” werfen die Frage auf: Inwieweit<br />
ist das biografisch?<br />
All meine Songs sind biografisch! Für mich bedeutet<br />
der Begriff „biografisch”, alles was ich in mir<br />
aufgesogen habe. Entweder ich hab Ereignisse/Geschichten<br />
selber erlebt oder, dass mich bestimmte<br />
Thematiken in den Medien, Literatur und auf der<br />
Straße ganz einfach interessiert haben. Die einzigen<br />
Songs, die ich auf dem Album als „rein biografisch”<br />
bezeichnen würde, sind Liebesgeschichten, wie<br />
„Herztransplantation”, „Der letzte Zug” oder Momentaufnahmen<br />
wie „Der Mond trägt ein trauriges<br />
Gesicht” (lässt ja tief blicken).Trotz der Schwermut<br />
oder Melancholie, darf bei meiner Musik nie die Poppigkeit<br />
und Ironie zu kurz kommen. Nur so gefällt<br />
mir auch Musik, die ich selber konsumiere.<br />
Joachim Witt ist das Album zum Teil gewidmet<br />
und erscheint auch an der künstlerischen Realisation<br />
beteiligt gewesen zu sein. Wie kam es<br />
zum Kontakt?<br />
Aus esoterischer Sicht würde ich sagen, wir sind<br />
seelenverwandt oder wir haben ein ähnliches Karma<br />
aufzuarbeiten. In diesem Fall glaube ich wirklich an<br />
Schicksal. Es war die NDW-Zeit in meiner Kindheit,<br />
als ich mich zum ersten mal für Musik interessiert<br />
und sie als „meine Musik” wahrgenommen habe.<br />
Und Joachim war einer der wenigen, für die ich mich<br />
total begeistert habe. Quasi eines meiner ersten<br />
Idole. Ausgerechnet dieser Mensch entdeckt mich<br />
nach zweiwöchiger Anwesenheit auf Myspace und<br />
ist seitdem mein Mentor, Mit-Produzent, Manager<br />
(neben Harry) und Begleiter. Wir haben ein sehr<br />
ähnliches Empfinden für Melodien, Worte und Atmosphären,<br />
obwohl wir zum Teil unterschiedliche Musik<br />
machen.<br />
Die Farbtöne sind in Pastell gehalten, du bist<br />
geschminkt, wirkst sehr androgyn. Wie wichtig<br />
ist dir dieser fast schon naiv wirkende Aspekt<br />
der Visualisierung?<br />
Wie vorhin schon erwähnt, geht es um die Kombination<br />
vom Charakter der Kunstfigur „Leichtmatrose”<br />
und der Musik. Für mich hatten androgyne<br />
Sänger und kajalgeschminkte Musiker immer einen<br />
gewissen Reiz. Es hat die Musik für mich noch interessanter<br />
gemacht. Stell dir mal einfach vor, so einer<br />
wie David Bowie oder Robert Smith wären, ohne Attitüden<br />
und extrem polarisierenden Outfits, Frisuren<br />
und ohne Schminke aufgetreten. Die Musik hätte<br />
man trotzdem toll gefunden, aber so war es von Anfang<br />
an ein Kunstwerk. Was wäre die Gothicszene<br />
ohne schwarzen Kajal?<br />
Der „Leichtmatrose” ist eine Inszenierung meines<br />
inneren „Ichs” und ich hoffe, das sieht und hört man<br />
auf „Gestrandet”.<br />
www.leichtmatrose.com<br />
VÖ „Gestrandet“: 24.04.09<br />
GERt DRExl<br />
Noisuf-X<br />
Die Geister, die ich rief<br />
Das neue Werk von Noisuf-X heißt „Voodoo<br />
Ritual“ und erweckt die Tanzgeister aufs Neue.<br />
Das ursprüngliche Spaßprojekt des Workaholics<br />
hat sich nicht erst seit „Hit Me Harder“<br />
zu einem der erfolgreichsten Tanzgaranten<br />
der Szene entwickelt. Jan, der neben seinem<br />
Masteringstudio und seinem zweiten Projekt<br />
X-Fusion immer häufiger auch als Remixer gebucht<br />
wird, wundert sich selbst über den großen<br />
Erfolg.<br />
Die bisherigen Werke haben es schon geschafft,<br />
gut in Mark und Bein zu gehen – das<br />
neue Werk steht dem in nichts nach. Gibt es<br />
ein Erfolgsrezept für deine Musik?<br />
Ein wirkliches Erfolgsrezept gibt es nicht - und<br />
manchmal bin ich selbst sehr überrascht darüber,<br />
wie und in welche Richtung sich Noisuf-X entwickelt<br />
hat. Schließlich hat alles als harmloses Spaß-Projekt<br />
begonnen. Es war nie geplant, so viel Energie und<br />
Zeit in dieses Projekt zu stecken, wie ich es mittlerweile<br />
tue. Im Gegensatz zu meinem Hauptprojekt X-<br />
Fusion ist Noisuf-X das weniger ernsthafte Projekt,<br />
in dem ich mir den Spielraum für viele Experimente<br />
und musikalischen Freiraum gönne. Vielleicht ist<br />
gerade diese unverkrampfte Art mit Musik umzugehen,<br />
auch das Erfolgsrezept. Mit X-Fusion verfolge<br />
ich konkrete Ziele in Bezug auf<br />
Thematik und Atmosphäre und<br />
bei Noisuf-X lasse ich einfach<br />
alles laufen, ohne mich selber<br />
einzuschränken und bin daher<br />
in der Lage, dort Elemente oder<br />
Samples zu benutzen, die ich<br />
so bei X-Fusion niemals nutzen<br />
wollen würde oder könnte, um<br />
die Ernsthaftigkeit dieses Projektes<br />
nicht zu untergraben. Anders eben bei Noisuf-<br />
X. Es gibt dort ernsthafte aber genauso auch spaßige<br />
Songs oder Samples. Gerade diese Mixtur scheint im<br />
Club ganz gut zu funktionieren.<br />
Der Titel „Voodoo Ritual“ – erklärst du ihn uns<br />
näher? Hängt es mit diesen bekannten Voodoopuppen<br />
zusammen oder was sollen wir<br />
drunter verstehen?<br />
Der Albumtitel bezieht sich in erster Linie auf den<br />
titelgebenden Song „Voodoo Ritual”, in dem ich<br />
„Vielleicht ist<br />
gerade diese<br />
unverkrampfte<br />
art mit musik<br />
umzugehen, auch<br />
das Erfolgsrezept.“<br />
afrikanische Beschwörungsformeln<br />
benutzt habe, um<br />
die „Geister des Tanzes” zu<br />
beschwören. Voodoo stellt ja<br />
bekanntlich eine Hybrid-Religion<br />
dar, die sich aus verschiedensten<br />
Elementen diverser<br />
Weltreligionen zusammensetzt<br />
und entwickelt hat. Und genauso<br />
verhält es sich mit Noisuf-X.<br />
Dieses Projekt ist ebenfalls ein<br />
Hybrid, da sich dort verschiedene<br />
musikalische Stile wie<br />
z.B. EBM, Industrial, Techno/<br />
Goa usw. vereinen.<br />
Als Bonus ist ein Remix von<br />
X-Fusion zu finden. Wie<br />
fühlt es sich für dich an, die<br />
eigene Musik zu remixen?<br />
Der große Vorteil daran ist<br />
eben, dass man schon vorher<br />
weiß, dass man vom Ergebnis<br />
nicht enttäuscht sein wird. Es<br />
ist jedenfalls eine interessante<br />
Erfahrung, seinen eigenen<br />
Kram zu remixen, da man die<br />
Herangehensweise des Remixens<br />
nur von Songs kennt,<br />
die nicht aus eigener Feder stammen und somit dann<br />
zu ganz anderen Ergebnissen kommt, da nun mal<br />
gewisse Elemente schon vorgegeben sind. Ich per-<br />
sönlich empfinde gerade diesen<br />
Remix als große Bereicherung<br />
fürs Album, da der Original-Song<br />
in den Clubs ja nun echt schon<br />
totgespielt wurde.<br />
Kannst du ein kurzes Resümee<br />
über dein Schaffen<br />
ziehen, und wo wir dich in<br />
zwei bis drei Jahren sehen<br />
werden?<br />
Wenn ich Resümee ziehe, bin ich recht stolz auf das,<br />
was ich bis jetzt erreicht habe, sowohl mit meinen<br />
musikalischen Projekten, als auch mit meiner Tätigkeit<br />
als Produzent für andere Bands. Ich hatte<br />
schließlich erst 00 die erste Veröffentlichung<br />
innerhalb der Schwarzen Szene und war bis dato<br />
noch ein gänzlich unbeschriebenes Blatt in diesem<br />
Bereich. Ich denke, die viele Arbeit und Zeit, die ich<br />
investiert habe, haben sich wirklich gelohnt. Auch<br />
dass wirklich alle dazugehörigen Arbeiten (Maste-<br />
ring, Webseiten, CD-Cover usw.) in Eigenregie entstanden<br />
sind, macht mich sehr stolz, da so etwas ja<br />
nicht gerade gang und gäbe ist. Ich konnte folglich<br />
(ohne Kompromisse eingehen zu müssen) genau das<br />
machen, was ich wollte.<br />
www.noisuf-x.com<br />
VÖ „Voodoo Ritual“: 27.02.09<br />
DaNiEl FRiEDRicH
Homofürstenalarm in der Sexualkiste<br />
X-Rx ist Industrial-Rave-Musik für Industrial-<br />
Rave-Menschen. So fühlt es sich auch an. Es bewegt<br />
und reißt dich mit. Auf dem neuen Werk<br />
„Stage 2“ werden wie bei dem Vorgänger keine<br />
Gefangenen gemacht. Neben den Industrial<br />
Rave Parts werden auch Streicher mit Synthies<br />
gepaart, witzige Samples aus allerlei B-Movies<br />
setzen auf den Spaßfaktor im Club. So findet<br />
sich die Comedy-Street-Oma mit dem genialen<br />
„Homofürst“ in einem Industrial-Song wieder<br />
und verspricht so einen Nachfolger zum urwitzigen<br />
Straßenprediger „Sexualkiste der Hölle“<br />
der ersten Scheibe.<br />
Wie kam es zur urgenialen „Homofürst“ Sache?<br />
Der Song klingt nicht nur stimmig – auch<br />
das Sample (so lustig wie es ja ist) macht sich<br />
wirklich vorzüglich darin!<br />
Passi: Erstmal vielen Dank . Solche Tracks wie der<br />
Homofürst passieren einfach, ich starte meistens<br />
fast ohne eine feste Idee, setze mich ins Studio und<br />
fange an zu produzieren und der Song nimmt Stück<br />
für Stück Gestalt an, dann höre ich irgendwo einen<br />
passendes Sample und denke mir, das könnte passen<br />
und meistens sitzt das dann genau so, wie ich<br />
mir das vorgestellt habe, so auch mit dem guten<br />
Fürsten.<br />
Die Sexualkiste der Hölle war ja euer absoluter<br />
Überflieger. Hat der Straßenprediger eigentlich<br />
mal euren Song gehört?<br />
Ich glaube nicht, außer es hat ihm irgendwer vorgespielt,<br />
ich denke aber auch nicht, dass es den Geschmack<br />
von dem guten Mann trifft .<br />
Wie findet ihr eigentlich immer eure skurrilen<br />
Samples?<br />
Wenn wir mal nicht im Studio oder unterwegs sind,<br />
gucken wir viele Filme, meistens Trash Horror, B-Movies,<br />
Animes. Eigentlich so ziemlich alles, was uns anspricht<br />
und meistens sind die Filme so klasse, dass ich<br />
allein mit einem ein ganzes Album machen könnte.<br />
Zumindest bei der Titelgebung folgt ihr dem Konzept<br />
der frühen Elektroniker wie DAF, ganz nach<br />
dem Motto: In der Kürze liegt die Würze. Sträubt<br />
ihr euch gegen ausschweifende Aussagen?<br />
Lieber kurze prägnante Titel als langes Gewäsch, mal<br />
im ernst:es ist Partymusik, wer will schon vor dem DJ<br />
stehen und sich einen Track wünschen der zwei Kilometer<br />
lang ist, dann lieber Titel, die man sich merken<br />
kann. Unsere Tracks haben keine Aussage. Warum im<br />
Titel eine erfinden? Wer x-rx hört, weiß, was er bekommt.<br />
Clubmusik nicht mehr und nicht weniger, wir<br />
sind ja keine Emos.<br />
Ist euch der Spaß am Abfeiern am wichtigsten?<br />
Oder würdet ihr auch einmal ein eher getragenes<br />
Konzept verfolgen?<br />
Solange wir jung und knackig sind, werden wir weiter<br />
feiern bis es knallt, getragene Konzepte sind wie<br />
getragene Kleidung, irgendwer hatte die schon mal.<br />
Kann man sich aus der Rave-Szene noch einiges<br />
für den jetzigen Industrial abschauen?<br />
Abschauen sollte man sich gar nichts, der jetzige Industrial<br />
wird sich immer weiter entwickeln, es sind genug<br />
Talente unterwegs, um das Genre zu fördern. x-rx<br />
ist kein klassischer Industrial, deshalb würde ich mich<br />
nicht wagen, den Industrialbands zu sagen, macht<br />
dies und das anders. Wir gehen unseren Weg als eine<br />
schubladenfreie Band weiter, ob die Leute das ganze<br />
verstehen oder nicht. Industrial-Rave-Music ist und<br />
bleibt eine eigenständige Geschichte. Wir haben keinesfalls<br />
vor, den Ur-Industrial zu vertreiben. Vielmehr<br />
wollen wir den jüngeren und auch allen anderen, die<br />
Spaß am feiern haben, zeigen, dass man auch anders<br />
kann, I.R.M versteht sich eher als eine Sub-Subkultur<br />
als einen Angriff auf den alten Industrial<br />
DaNiEl FRiEDRicH<br />
www.myspace.com/xrxindustrial<br />
Gert Hof<br />
Wolkenbügel<br />
„Ein Tuch aus Licht über die erstarrte Nacht zu breiten,<br />
eine Axt aus Licht in die Felsen der Dunkelheit<br />
zu schlagen, einen Sturm aus Licht zu entfesseln,<br />
einen Sonnenaufgang mitten im Auge der Nacht<br />
zu inszenieren. Nur so kann es möglich sein, in den<br />
Dunstkreis der Götter zu kommen, um sie den Men-<br />
schen etwas näher zu bringen – einen<br />
Wolkenbügel aus Licht zu erschaffen“,<br />
so umschreibt Gert Hof,<br />
der Großmeister der Regie seine<br />
Obsession, sein Schaffen. Neueste<br />
Zusammenarbeit nach Rammstein,<br />
Witt und Diamanda Galas sind Corvus<br />
Corax mit ihrer neuen Cantus<br />
Buranus.<br />
Wie kam es zum Erstkontakt<br />
zwischen Corvus Corax und<br />
Gert Hof?<br />
Die Managerin von Corvus Corax hat meinen Manager<br />
angerufen. Das war ein sehr gerader, merkwürdiger<br />
und sympathischer Anruf: Hof ist der<br />
Wunschregisseur von Corvus Corax, Geld haben wir<br />
keines, kannst du dir das vorstellen? Ich habe mir die<br />
neue CD angehört und war begeistert, das kommt<br />
nicht oft bei mir vor, ich habe die Jungs kennengelernt.<br />
Die Zusammenarbeit macht mir sehr viel Spaß,<br />
sie sind sehr kreativ, verstehen ihr Handwerk und<br />
sind verrückt, das letztere hat mich überzeugt.<br />
Welche Beziehung haben Sie zur Carmina<br />
Burana?<br />
Bedingt durch meine Herkunft vom Theater habe ich<br />
ein sehr sensibles Verhältnis zu Sprache, und wenn<br />
es sich dabei um eine der wichtigsten Dichtung<br />
des Mittelalters, wie Carmina Burana, handelt ist<br />
das für mich eine besondere Herausforderung. Für<br />
mich ist diese Sammlung von Texten der eigentliche<br />
„Hof ist der<br />
wunschregisseur<br />
von corvus<br />
corax, Geld<br />
haben wir<br />
keines, kannst<br />
du dir das<br />
vorstellen?“<br />
Beginn von Theaterliteratur. Der Text erzählt kleine<br />
Geschichten, wenn man will kleine Theaterstücke,<br />
kostbare Einakter. So ist auch mein Zugang zu diesen<br />
Texten. Theater kann Sprache und Geschichten sichtbar<br />
machen. Theater kennt keine sprachlichen Grenzen,<br />
es spricht in Bildern und Emotionen, es schreit,<br />
es flüstert, es weint, es lacht, es staunt, es erzählt, es<br />
macht neugierig, es ist historisch und futuristisch, es<br />
macht Mut, Hoffnung, Sehnsucht und immer ist es<br />
faszinierend und kann die Menschen verzaubern, für<br />
Augenblicke, wenn es gut ist. Theater kann Sprache<br />
übersetzen in Körper und Gesten,<br />
in das Unausgesprochene, in das<br />
Verschwiegene, in Bewegungen,<br />
in Pausen, in einen Blick, in das<br />
Monumentale, dass daraus ein verzauberter,<br />
ein geheimnisvoller, ein<br />
mystischer oder ein revolutionärer<br />
Augenblick wird. Es verleiht dem<br />
Text ein Bild, einen Vorgang und<br />
einen Herzschlag.<br />
Gibt es bereits erste Lichtentwürfe?<br />
Ich bin gerade dabei, das Bühnenbild und die Kostüme<br />
zu entwerfen, simultan dazu entstehen die ersten<br />
Ideen zu einer Licht- und Pyroarchitektur. Aber<br />
am Schluss ist das alles eine Frage des Budgets. Es<br />
ist für mich wie eine Expedition in eine andere Zeit,<br />
das Wichtigste dabei ist, das Geheimnis in diesen<br />
Texten zu finden. Auf einem Gemälde von Edward<br />
Hopper ist ein leeres Zimmer mit einer ein Stück offen<br />
stehenden Tür zu sehen. Ich denke, durch diese<br />
Tür muss ich gehen. Dahinter, im Verborgenen, ist die<br />
Welt, die mich interessiert, das Geheimnis. Die Welt<br />
hinter dieser Tür, wo alles möglich ist, will ich sichtbar<br />
machen. Dort offenbaren sie sich die heimlichen<br />
Wünsche, Ursprung aller Geschichten, in der Kammer<br />
der Todsünden. Das ist ein Aspekt von vielen,<br />
der mich an Carmina Burana fasziniert.<br />
Fotos: Heine (1), Rötzsch ( ), Wenzel ( )<br />
In wieweit unterscheiden sich Musikerproduktionen,<br />
wie bereits für Rammstein, Witt, Galas<br />
durchgeführt, im Vergleich mit präsentativen<br />
Lichtinszenierungen?<br />
Es gibt eigentlich keine großen Unterschiede, außer<br />
dass ein Megaevent viel komplexer ist. „Lichtinszenierungen“,<br />
wie Sie es bezeichnen, kenne ich nicht.<br />
Mit der Inszenierung eines großen Events verändert<br />
man für Momente das Aussehen einer ganzen Stadt.<br />
Es ist ein Gesamtkunstwerk, das sich aus vielen verschieden<br />
Elementen zusammensetzt: Choreografie,<br />
Laser, Licht, Theater, Musik, Feuerwerk. Die Millenniums<br />
Show, die ich für China inszeniert habe, war<br />
eine Inszenierung die fünf Stunden dauerte. Ich muss<br />
die Musik auswählen bzw. einen Komponisten finden,<br />
der nach meinen Vorgaben eine Musik komponiert,<br />
dann hatte ich 5000 Statisten, die ich choreografieren<br />
musste etc. Das ist also ein sehr komplexer<br />
Prozess. Die Partitur, die ich für solch einen Event<br />
schreibe, umfasst ca. 1000 Seiten und umfasst alle<br />
Gewerke. Man kann es am besten mit einer Inszenierung<br />
an einem Theater oder einer Oper vergleichen,<br />
nur in anderen Dimensionen. Die Basis bleibt<br />
die Dramaturgie.<br />
www.gert-hof.de<br />
www.cantusburanus.com<br />
GERt DRExl<br />
5
Zurück in die Zukunft<br />
Als 1993 Digital Factor ihre ersten Songs veröffentlichten,<br />
war die Szene von einem Aufbruchswillen<br />
beseelt, von dem man heute<br />
nur noch träumen kann. Fanzines, Agenturen<br />
und Kleinlabels schossen aus dem überreifen<br />
Boden und man zog am gemeinsamen Seil,<br />
um den überlebensgroßen EBM Banner über<br />
ganz Ostdeutschland zu hissen. Den Aufstieg<br />
und Untergang dieser so fruchtbaren Jahre<br />
haben Digital Factor miterlebt und widmen<br />
mit ihrem neuen<br />
Album „Look Back<br />
To Go Forward“<br />
eine besondere<br />
Nabelschau – Inspiriert<br />
vom Gestern<br />
zelebriert man<br />
einen modernen<br />
und nach vorne<br />
gerichteten Elektrosound.<br />
„Look Back To Go<br />
Forward“ ist das<br />
gereifte Motto des<br />
neuen Albums.<br />
Verbindet ihr Traditionen<br />
des Gestern<br />
mit den Möglichkeiten<br />
des Heute?<br />
Gerade der Titeltrack<br />
klingt wie<br />
good old Front, nur<br />
eben moderner...<br />
Wenn alle diesen Eindruck<br />
haben, dann<br />
wäre uns unser Album mehr als<br />
gelungen. Digital Factor darf von<br />
sich behaupten, einer der frühen<br />
Elektro-EBM Acts aus dem Osten<br />
Deutschlands gewesen zu sein.<br />
Mit diesen 16 Jahren können<br />
wir natürlich auch auf eine eigene<br />
Geschichte und auf eigene<br />
musikalische Entwicklungen<br />
zurückblicken. Und genau das<br />
passiert auf „Look Back To Go<br />
Forward“. Wir spannen einen musikalischen Bogen<br />
von unseren Anfängen in das Heute. Als Musiker ist<br />
man immer wieder auf der Suche nach dem eigenen<br />
Sound. Auch unsere Releases sind von dieser Suche<br />
„wir haben<br />
damit einer der<br />
wichtigsten Droge<br />
unseres bisherigen<br />
musikerlebens ein<br />
Denkmal setzen<br />
wollen.“<br />
geprägt, und die zweite Phase von Digital Factor<br />
(gekennzeichnet durch eine hochgestellte „ “ nach<br />
dem Bandnamen) hat mit „Look Back To Go Forward“<br />
richtig begonnen.<br />
Gerade EBM scheint durch junge Bands, die<br />
dem alten Stil frönen (Spetznaz etc.) wieder<br />
gehörig an Fahrt aufzunehmen.<br />
Das ist richtig. Allerdings ist dabei<br />
das Problem, dass sich viele<br />
dieser Bands in der Kritik damit<br />
konfrontiert sehen, nichts Neues<br />
zu machen. Auch wir haben uns<br />
dabei ertappt, genau von dieser<br />
Kritik treiben zu lassen. Bei „Look<br />
Back To Go Forward“ haben wir<br />
von vornherein gesagt, dass uns<br />
das Wurscht ist. Wenn eben Spetznaz<br />
genau wie Nitzer Ebb klingen,<br />
dann ist das doch deren gutes Recht. Die Jungs<br />
machen halt die Musik, die ihnen Spaß macht, und<br />
das auch noch richtig gut. Genau das ist auch unser<br />
Ansatz auf „Look Back To Go Forward“.<br />
Dopamin – die ideale Droge für ältere Elektroherren?<br />
Ältere Elektroherren? Was sind denn dann Front<br />
? Aber mal Spaß beiseite, das Schaffen von Digital<br />
Factor war schon immer von Dopamin geprägt.<br />
Irgendwie haben andere Drogen in der Band nie eine<br />
Rolle gespielt. Jedes Release, jede Tour, jedes Konzert<br />
aber auch jedes Zusammensein der Band hat uns<br />
immer ein besonderes<br />
Gefühl<br />
gegeben. Das<br />
Ganze auf einen<br />
biochemischen<br />
Prozess herunter<br />
gebrochen: Dopamin.<br />
Wir haben<br />
damit einer<br />
der wichtigsten<br />
Droge unseres<br />
bisherigen Musikerlebens<br />
ein<br />
Denkmal setzen<br />
wollen.<br />
East German<br />
Attitude<br />
– Große Reden,<br />
schöner Schein.<br />
Was kritisiert<br />
ihr damit?<br />
Als der Song entstanden<br />
ist, war<br />
von Wirtschaftskrise<br />
noch keine<br />
Rede. Mittlerweile ist es erschreckend, wie recht wir<br />
hatten. Aber in East German Attitude geht es eben<br />
auch darum, dass dies nicht so schlimm ist. Wir, als<br />
ehemalige DDR-Bürger, wissen, dass man von ganz<br />
unten, wenn alles kaputt ist, wieder neu anfangen<br />
kann. Kommen wir jetzt zurück zur Wirtschaftskrise:<br />
All die geschniegelten Bankmanager auf N lagen<br />
in den letzten Jahren mit ihren Prognosen und Analysen<br />
komplett daneben. Wir sollten also den Kopf<br />
nicht hängen lassen, wenn ein solches System kaputt<br />
geht. Der Untergang der DDR war ja auch mehr<br />
Chance als Schaden.<br />
www.digitalfactor.de<br />
VÖ „Look Back To Go Forward“: 23.01.09<br />
SiEGmaR OSt<br />
Fading Colours<br />
Dunkle Metaphysik<br />
Die Fading Colours sind bestimmt die berühmteste<br />
Darkwave-Gothic-Band Polens,<br />
das sich sonst nicht so viel mit großen Namen<br />
dieses Genres hervortut. Im Zentrum ihres neuen<br />
Werkes „Come” steht die ewige Wiederkehr<br />
der Seele und die Vergänglichkeit der Körperlichkeit.<br />
Entsprechend beseelt äußern sich Leszek<br />
und Decoy im Interview.<br />
Euer neues Album vereint Weltmusik, Triphop,<br />
Elektronik und Gitarrenwave mit eurem ureigenen<br />
Sound. Klingt so moderner Darkwave?<br />
Decoy: Die Musik, die wir machen, kam schon immer<br />
direkt von Herzen. Die Einflüsse und Genres, die wir<br />
vielleicht hier und da benutzen, sind nur die Brücke<br />
für unsere Gefühle. Das kann man gerne als modernen<br />
Darkwave bezeichnen.<br />
Leider gibt es heutzutage immer weniger traditionelle<br />
Darkwavebands. Ihr scheint da eine<br />
der wenigen Ausnahmen zu sein. Fühlt ihr<br />
euch dieser Tradition verbunden?<br />
Leszek: Als wir damals das Album „Black Horse”<br />
veröffentlichten, wurde es sehr schnell als Gothrock-<br />
Album klassifiziert, obwohl wir uns eigentlich nur<br />
als Rockband fühlten. Als wir dann mehr Syn<strong>the</strong>sizersounds<br />
benutzen und „Time” veröffentlicht wurde,<br />
galten wir schnell als Darkwave-Band, obwohl<br />
wir uns zu diesem Zeitpunkt eher als Triphop-Band<br />
verstanden. Ich bin mal gespannt auf die Stimmen<br />
zu „Come”.<br />
Das Gesangsarrangement ist unglaublich ausgefeilt.<br />
Es gibt viele verschiedene Räume und<br />
Chorpassagen. Passiert das einfach während<br />
der Produktion?<br />
D: In der Tat. Während der Aufnahmen fällt uns immer<br />
wieder etwas Neues ein, ich improvisiere sehr<br />
gerne. Meistens habe ich vor Beginn der Aufnahmen<br />
nur ein sehr vage Vorstellung, wie es klingen<br />
wird. Daniel nimmt dann einfach alles auf, was ich<br />
so spontan singe und er selektiert dann die besten<br />
Parts. Wir finden es dann sehr spannend, all diese<br />
Gesangsparts miteinander zu kombinieren.<br />
Neben Didgeridoos, vielen Samples und räumlichen<br />
Effekten fällt die rituelle Ebene stark<br />
ins Gewicht. Das unterscheidet das neue Werk<br />
auch zu euren letzten Alben. Diese vielen<br />
studiotechnischen Details scheinen euch sehr<br />
wichtig geworden zu sein.<br />
L: Wir sind Studiofreaks geworden. Gerade die unendlichen<br />
Möglichkeiten der vielen Plugins und<br />
elektronischen Klangerzeuger begeistern uns immer<br />
aufs Neue. Aber speziell der rituelle Aspekt wurde<br />
mir immer wichtiger. Besonders als ich in den 90ern<br />
in England mit der Goa Bewegung infiziert wurde,<br />
habe ich vielleicht so ein letztes Bisschen von der<br />
68er Bewegung abbekommen. Alle Samples auf dem<br />
neuen Album sind übrigens von uns selbst erzeugt.<br />
Das Didgeridoo stammt vom berühmtesten polnischen<br />
Didgeridoospieler Luka.<br />
Ihr habt „Come” in zwei Teile unterteilt.<br />
D: Die erste CD „I had to come” ist die eigentliche<br />
VÖ „Come“: 13.03.09<br />
Scheibe. Die zweite CD „Time of Returning” variiert<br />
einige Songs und hält auch noch Remixe älterer Titel<br />
bereit. Als wir das Album abgeschlossen hatten,<br />
haben uns direkt noch weitere Bearbeitungen auf<br />
den Nägeln gebrannt. Manche der Tracks, die auch<br />
auf der ersten Scheibe enthalten sind, haben auf der<br />
zweiten CD einen anderen Namen, da sie sich auch<br />
sehr stark verändert haben. Teilweise sind sie auch<br />
nicht wieder zuerkennen.<br />
Die meisten Texte handeln vom Verlassen,<br />
Sterben und dem Ende des Lebens, lassen aber<br />
eine Hoffnung auf eine Wiederkehr aufkeimen.<br />
Wie seid ihr zu dieser Sicht des Lebens<br />
gekommen?<br />
L: Ich würde uns als spirituell geprägte Menschen<br />
bezeichnen. Das kann man dem Rituellen in unseren<br />
Songs natürlich auch anhören. Ehrlich gesagt, fühlen<br />
wir uns auch nur als Reisende und temporär Anwesende<br />
dieser seltsamen und unfertigen Welt.<br />
Die elektronische Röhre im Herzen eurer Coverbilder<br />
scheint das Lebenslicht zu repräsentieren.<br />
L: Ja, ich sehe unsere Körper als Maschinen. Manchmal<br />
sind es auch sehr schöne Maschinen, wahre<br />
Meisterwerke. Trotzdem ist es schon seltsam, wie<br />
wenig unser Körper manchmal mit den Dingen zu<br />
tun hat, die in uns und in unserer Seele passieren.<br />
Die Seele ist einfach ein anderer Teil von uns, ein metaphysisches<br />
Wesen, das trotz unserer Vergänglichkeit<br />
ewig bestehen bleibt. Davon schreibe ich auch<br />
in meinem ersten, bald veröffentlichten Buch.<br />
www.fadingcolours.com<br />
6 7<br />
GERt DRExl
5 Jahre deutscher Synthie Pop Fotos: Reiner Pfisterer<br />
Schon mit ihrer ersten Single „The Great Commandment“<br />
feierten Camouflage 1987 einen Riesenerfolg,<br />
der sie damals direkt in die deutschen<br />
Top 15 und in Amerika sogar auf Platz 1 der Billboard<br />
Dance Charts katapultierte. Dass dies keine<br />
Eintagsfliege blieb, ist hinlänglich bekannt. Nach 5<br />
Jahren Bandgeschichte gibt es nun eine Premiere:<br />
Die erste DVD der Band erscheint. „Live in Dresden“<br />
bietet sowohl das 006er Konzert in der Reithalle<br />
Dresden als auch eine Menge exklusiver Extras und<br />
eine Live-CD mit dem Dresdner Konzert. Auf DVD 1<br />
befindet sich, abgesehen vom Song „Being Boiled“,<br />
das komplette Livekonzert. Das Event wurde sehr<br />
aufwendig mit acht Kameras gefilmt und bietet neben<br />
dem normalen Stereo-Sound auch eine 5.1 DTS<br />
Abmischung, die keine Wünsche offen lässt. Weiterhin<br />
enthält DVD 1 eine 1 -minütige Dokumentation<br />
der Europatour und eine Studio-Unplugged-Version<br />
von „Something Wrong“. Auf DVD befinden sich<br />
neben allen Videos der Band eine einstündige Dokumentation<br />
zur „Relocated“-Tour in Russland und<br />
nostalgische Fernsehauftritte der Band zwischen<br />
1987 und 1989. <strong>NEGAtief</strong> sprach mit Heiko Maile<br />
und Marcus Meyn.<br />
Warum habt ihr die Reithalle Dresden für den<br />
DVD-Livemitschnitt ausgewählt?<br />
HM: Bei einer Tour wählt man für solche Anlässe<br />
gerne eines der letzten Konzerte. Das hat den Vorteil,<br />
dass die Band bis dahin gut eingespielt ist und<br />
sich Details beim Konzertprogramm, wie aber auch<br />
im technischen Sinne im Laufe der Zeit verändern.<br />
Speziell nach den ersten zwei bis drei Konzerten<br />
wird noch viel am Ablauf gefeilt. Ursprünglich war<br />
als Aufnahmeort Berlin geplant, da hätten wir aber<br />
Probleme mit der Raumhöhe wegen des benutzten<br />
Kamerakrans bekommen. Letztendlich sind wir aber<br />
über die Wahl sehr glücklich, denn die Reithalle war<br />
ein passender Rahmen für unser erstes Konzert auf<br />
DVD.<br />
Wie wichtig war es euch, als richtige Liveband<br />
zu agieren, anstatt mit Livetracks zu arbeiten,<br />
wie es bei vielen Elektronikbands üblich ist?<br />
Wie viele Leute waren an der Umsetzung der<br />
Liveaufnahmen beteiligt?<br />
HM: Wir versuchen seit Jahren den Spagat zwischen<br />
Elektronik und Livemusik hinzubekommen – was übrigens<br />
auch für CD-Aufnahmen gilt. Wir haben uns<br />
vorgenommen, nie Scheuklappen zu tragen – egal in<br />
welche Richtung. Mit einem reinen Elektronik-Setup<br />
treten wir zwar ab und an auch auf, aber dies ist eher<br />
eine Lösung für Konzerte im Ausland, bei denen wir<br />
oft mit Transportproblemen, speziellen Auftrittsorten<br />
oder Zeitnot haben. Grundsätzlich finden wir es aber<br />
langweilig, immer nur vorbereitete Electro-Play-<br />
backs abzuspielen. So wie es eben oft in der Synthi-Szene<br />
gemacht wird. Wir wollen den Zuschauern<br />
etwas bieten und nicht zuletzt auch selbst ein gutes<br />
Gefühl auf der Bühne haben. Das ist aber eigentlich<br />
schon seit den Anfängen unsere Band so. Allen voran<br />
haben Jochen Schmalbach (Schlagzeug) und Volker<br />
Hinkel (Gitarre) die Konzerte 006 mitgeprägt. Mit<br />
ihnen zusammen haben wir wirklich viele unserer alten<br />
Songs neu entdeckt und auch die neueren Stücke<br />
hervorragend auf die Bühne umsetzen können. Aber<br />
natürlich ist an solchen Auftritten eine achtköpfige<br />
Crew von Menschen beteiligt, mit denen wir schon<br />
viele Konzerte erlebt haben und die durch ihren Einsatz<br />
solche Momente überhaupt erst ermöglichen.<br />
Für die eigentlichen Aufnahmen kamen dann noch<br />
zwei Techniker inkl. Soundmobil, acht Kameraleute,<br />
ein Fotograf und ein befreundeter Kameramann, der<br />
uns ein paar Tage begleitete, dazu.<br />
Wie aufwendig war die Umarrangierung der<br />
Songs aufgrund der zusätzlichen Musiker?<br />
HM: Da wir mit Jochen und Volker schon seit Jahren<br />
zusammenarbeiten, ist dies eine gewachsene Sache.<br />
An vielen Songs von „Sensor“ oder „Relocated“ waren<br />
die beiden auch schon bei den Aufnahmen im<br />
Studio oder bei der Produktion beteiligt, somit waren<br />
viele der Umsetzungen klar und jeder wusste, was er<br />
zu tun hatte. Für ein paar der älteren Songs musste<br />
ich mir leider komplett neue Sounds kreieren, denn<br />
viele der Original Syn<strong>the</strong>sizer aus den 80ern existieren<br />
nicht mehr, oder es war damals technisch nicht<br />
möglich, die Sounds abzuspeichern.<br />
Die Liveaufnahmen der DVD stammen von<br />
Ende 2006. Warum habt ihr euch mit der Veröffentlichung<br />
so viel Zeit gelassen? Gab es<br />
schwierige Momente? Inwieweit wart ihr in<br />
die Post-Produktion eingebunden?<br />
HM: Die Tonbearbeitung wurde komplett von mir gemacht.<br />
Leider hatten wir für diese Arbeit kein allzu<br />
großes Budget, was eine völlige Konzentration auf<br />
dieses Projekt ermöglicht hätte, so konnte meistens<br />
nur in Studiofreizeiten an der Umsetzung gefeilt<br />
werden. Glücklicherweise hat mir Volker Hinkel einiges<br />
an Arbeit abgenommen, sonst wäre die DVD<br />
immer noch nicht fertig. Wir waren schon immer<br />
Perfektionisten, so gilt dies auch für das nun vorliegende<br />
Werk. Für die Abmischung konnten wir Sven<br />
„Samson“ Geiger von den Neckarklangwerken in<br />
Stuttgart gewinnen. Bei einer Abmischung von teilweise<br />
mehr als 50 Audiospuren pro Song, einem 5.1<br />
Surround Mix, einem Stereo Mix und dem Mastering<br />
eine wahre Sisyphusarbeit.<br />
Auf der zweiten DVD befindet sich die einstündige<br />
Dokumentation eurer Russlandtour.<br />
Welche Eindrücke habt ihr von diesem gigantischen<br />
Land bekommen? Was hat euch besonders<br />
gefallen, was war schwierig?<br />
HM: Der Film war eigentlich ein Geschenk unseres<br />
Tontechnikers Guido Fricke an uns. Als wir die erste<br />
Schnittversion sahen, waren wir uns aber gleich bewusst,<br />
dass dies auch ein großartiges Bonbon für<br />
unsere DVD wäre. Natürlich ist die Bildqualität nicht<br />
immer ganz so überzeugend, die Aufnahmen wurden<br />
alle mit einer handelsüblichen DV Kamera gemacht.<br />
Absolut überzeugend sind aber die Stimmung und<br />
die Erlebnisse, die in diesem Film eingefangen sind.<br />
Genauso war es! Es war zwar schon unsere zweite<br />
Russlandreise, aber dieses Land hat immer wieder<br />
Überraschungen parat, die man so wohl nirgendwo<br />
anders erleben kann. Alleine die ewigen Zugfahrten<br />
zwischen den Auftrittsorten, oder die Ankunft in<br />
fremden Städten, deren Namen uns bis zu diesem<br />
Zeitpunkt nicht bekannt, geschweige denn aussprechbar<br />
waren, birgt genügend Material für drei<br />
solcher Filme. Mit unserer Crew haben wir ja schon<br />
einiges mit der Zeit erlebt, und wir können uns völlig<br />
auf sie verlassen. Manche technischen Rahmenbedingungen<br />
vor Ort brachten aber selbst diese gestandenen<br />
Leute schwer ins Schwitzen. Da wurde<br />
teilweise bis kurz vor dem Auftritt gelötet, repariert<br />
oder gar Teile der Bühne zusammengeschraubt.<br />
Im Vergleich zu euren Anfangszeiten gibt es<br />
heutzutage viele Möglichkeiten bei der Musikproduktion<br />
und beim Songwriting. Wie hat sich<br />
das bei euch im Laufe der Jahre verändert?<br />
HM: Ob heute oder damals – uns geht es immer um<br />
das gleiche Ziel – der Song. Einen guten Song zu schreiben,<br />
ist heute genauso schwierig wie damals. Oft ist es<br />
heute trotz des Fortschritts sogar langwieriger – man<br />
verliert sich schnell in all den Möglichkeiten, die man<br />
zur Verfügung hat. Dass man nicht mehr wegen jeder<br />
Kleinigkeit ein großes Studio anmieten muss, ist sicher<br />
sehr praktisch, andererseits war mit den alten Budgets<br />
noch viel Studioarbeit mit Gastmusikern, Tontechniker<br />
und Produzenten möglich. Das hat uns immer sehr<br />
viel Spaß gemacht und gab uns immensen kreativen<br />
Schub für die Arbeit an den Aufnahmen.<br />
Was bedeuten euch Songs wie „The Great<br />
Commandment“ heute? Welches Resümee<br />
zieht ihr nach 25 Jahren erfolgreicher Bandgeschichte?<br />
Welche Herausforderungen gibt es<br />
für euch noch?<br />
Marcus: Wir wissen, was wir solchen Songs verdanken<br />
und wir spielen sie inzwischen auch ziemlich<br />
unverändert, da die Fans ja auch darauf warten. Wir<br />
ziehen aus jeder Erfahrung ein Resümee für uns, aber<br />
es ist in der Kürze der Zeit natürlich nicht möglich,<br />
dieses für die letzten 5 Jahre abzubilden. Herausforderungen<br />
sehen wir ganz klar in jedem Song, den<br />
wir schreiben und wir haben noch viel vor!<br />
Wie sieht es mit neuen Camouflage-Songs aus?<br />
Arbeitet ihr an einem neuen Album? In welche<br />
Richtung geht es?<br />
Marcus: Wir haben uns für 009 vorgenommen, neue<br />
Songs zu schreiben und ein Album zu produzieren.<br />
Abgesehen davon wird es aber auch noch weitere<br />
Projekte geben. Die Richtung haben wir nicht vorgegeben<br />
– es bleibt spannend!<br />
www.camouflage-music.com<br />
VÖ „Live in Dresden“: 23.01.09<br />
8 9<br />
POlONi mElNikOV
Wie unter vier Augen<br />
Magisch, mystisch und verträumt – All diese<br />
Eigenschaften treffen auf die Songs der norwegischen<br />
Ausnahmestimme zu, die seit vielen<br />
Jahren ihre Heimat in Schwaben gefunden<br />
hat. Zur Veröffentlichung der umfangreichen<br />
und detailverliebten DVD blickt Liv Christine<br />
in mittlerweile lupenreinem Deutsch auf ihre<br />
Vergangenheit zurück und verrät das ein oder<br />
andere Geheimnis ihrer Band.<br />
Leaves’ Eyes – aus einem ursprünglichen Sideprojekt<br />
wurde mittlerweile eines der erfolgreichsten<br />
Female Metal Acts. Hättest du damit<br />
je gerechnet?<br />
Liv Christine: Leaves’ Eyes entstand aus einer Idee<br />
bei einem Waldspaziergang von Alex und mir. Ich fing<br />
an, ein Konzept zu schreiben und zeigte es meinen<br />
Freunden von Atrocity. Es gefiel ihnen gut und somit<br />
fingen wir an, die ersten Lieder zu komponieren.<br />
Nach meinem Rauswurf bei Theatre of Tragedy hatte<br />
ich viel mehr Zeit für Leaves’ Eyes und im Nachhinein<br />
muss ich sagen: gut so! Leaves’ Eyes war von<br />
Anfang an eine Band und nie ein Sideprojekt. Was<br />
wir machen, nehmen wir sehr ernst und möchten<br />
uns als Gruppe ständig entwickeln und<br />
technisch besser werden. Ich bin unseren<br />
Fans sehr dankbar dafür, dass sie<br />
mit uns gemeinsam diesen<br />
Weg nach oben gehen<br />
wollen.<br />
Du lebst jetzt schon sehr lange in Deutschland.<br />
Inwieweit kannst du immer noch aus der nordischen<br />
und jetzt so fernen Mythologie tanken?<br />
Jedes Mal, wenn ich zu Hause in Norwegen bin, verbringe<br />
ich einige Zeit damit, nach neuen, wichtigen<br />
und interessanten Quellen zu suchen. Ich habe mich<br />
schon immer für Mythologie und Geschichte interessiert,<br />
aber eigentlich noch mehr, seit dem ich in<br />
Deutschland wohne. Außerdem verbringe ich noch<br />
mehr Zeit draußen in der Natur oder am Meer. Die<br />
norwegische Natur ist ein sehr intensives und wunderbares<br />
Erlebnis; ich kann abschalten, und ich kann<br />
neue Energie, Kraft und Ideen tanken.<br />
In Deutschland wird ja schnell alles Nordische,<br />
bzw. Skandinavische zusammengefasst. Unterscheidest<br />
du hier und inwieweit fasst du Dinge<br />
zusammen?<br />
Es gibt sehr klare Grenzen zwischen den skandinavischen<br />
Ländern. Die Beziehung zwischen Norwegen<br />
und Schweden ist so wie die zwischen Deutschland<br />
und Holland. Kulturell gesehen sind wir uns eher<br />
ähnlich, und wir besuchen uns gegenseitig gern und<br />
kommen miteinander sehr gut aus, aber menschlich<br />
gesehen, sind die Nationen charakteristisch zu unterscheiden.<br />
Ein Beispiel: Die Norweger sind etwas<br />
ruhiger, introvertiert und nachdenklich, während generell<br />
gesehen die Dänen ein offeneres, lebhafteres<br />
Wesen haben. Also machen die Norwegen gerne<br />
Urlaub im flachen Dänemark, um einfach die Lockerheit<br />
dort zu spüren. Wird ein Fußballmatch zwischen<br />
Norwegen und Schweden gespielt, gibt es starke,<br />
nationale Gefühle auf beiden Seiten. Die Schweden<br />
haben uns lange unterdrückt; die Dänen haben uns<br />
zu unserer Selbstständigkeit als Nation sogar geholfen.<br />
Ich glaube aber, dass die Lappen, weil sie<br />
aus verschiedenen Regionen stammen und über<br />
unterschiedlichen Landesgrenzen herkommen,<br />
sich eher als eigene Nation sehen und fühlen.<br />
Um in Skandinavien zu bleiben: Habt Ihr<br />
eigentlich Kontakt zu anderen norwegischen<br />
Künstlern wie z.B. Sirenia oder<br />
Gothminister?<br />
Eigentlich nur, wenn wir zusammen ein Festival<br />
oder eine Tour spielen. Zu Hause in Stavanger treffe<br />
ich manchmal den einen oder anderen, aber das ist<br />
eher Zufall.<br />
Im Rückblick: Erinnerst du dich gerne an deine<br />
Anfangstage bei Theatre Of Tragedy? Hast du<br />
Kontakt zu deren neuen Sängerin?<br />
Natürlich. Es war eine sehr spannende Zeit. Wir sind<br />
von “Null auf hundert” gegangen, und das innerhalb<br />
von ein paar Monaten. Man kann sich vorstellen,<br />
wie toll und aufregend das war. Ich habe mehrmals<br />
Nell getroffen, da ich sie zum Leaves’ Eyes Konzert<br />
in Oslo eingeladen habe. Wir verstehen uns sehr gut.<br />
Mit Raymond und Lorenz verstehe ich mich auch<br />
wieder gut, aber als sie mich fragten, ob ich live mit<br />
ihnen zum 15 Jubiläumstour singen würde, habe ich<br />
Nein gesagt. Theatre of Tragedy ist Geschichte.<br />
War von Anfang an klar, dass das DVD Projekt<br />
so umfangreich werden würde? Wie lange hat<br />
sich das Schneiden hingezogen? Habt ihr das<br />
gemeinsam mit der ganzen Band erledigt?<br />
Den Cut für die gesamte DVD hat Stefan „Leebee”<br />
Liebhauser in Abprache mit Alex gemacht. Leebee<br />
kennt uns seit vielen Jahren und ist auch mit uns als<br />
Lichttechniker unterwegs, was eine gute Idee war,<br />
da er uns alle sehr gut kennt. Er hat auch die große<br />
Special Show „En Saga I Belgia” mit dem Wikingerschiff<br />
und den tollen Animationen konzipiert, welche<br />
die zweite DVD des DVD-Pakets beinhaltet. Der<br />
Umfang dieses Projekts ist natürlich sehr groß. Wir<br />
haben Filmmaterial über vier Jahre lang gesammelt,<br />
und die Bandereignisse quasi von Beginn an mit der<br />
Kamera aufgezeichnet.<br />
Hat sich im Laufe der Jahre eine feste Arbeitsweise<br />
beim Schreiben der Songs eingespielt?<br />
Entstehen zuerst Texte oder musikalische Fragmente?<br />
Zuerst entsteht ein Gesamtkonzept und dazu schreiben<br />
wir die Musik. Allerdings gibt es immer ein paar<br />
Demosongs, die wir spontan hier und da aufgenommen<br />
haben, die noch zum Konzept verfeinert werden<br />
müssen. Bei der jetzigen Platte „Njord” haben wir<br />
sogar die Musik für sich sprechen lassen. Ich hatte<br />
ziemlich früh eine Idee für das Konzept, habe es aber<br />
neu überlegt, da viele Lieder vom Feeling und der<br />
Charakteristik her eine klare und interessante Richtung<br />
eingeschlagen haben, an der wir unbedingt<br />
festhalten wollten.<br />
Was inspiriert dich noch immer am meisten<br />
zum Texten?<br />
Meine Heimat und ihre My<strong>the</strong>n, die Natur und meine<br />
Heimatsgefühle.<br />
Inwieweit bekommt man all das unter einen<br />
Hut: Mutter, Ehefrau, Tourneen, Aufnahmen,<br />
Interviews? Fehlt noch was?<br />
Ich kann gut planen, und das ist sehr wichtig. Was<br />
ich mache, mache ich, bis es fertig ist und konzentriere<br />
mich drauf, das Ziel zu erreichen. Mittlerweile<br />
achte ich drauf, mir auch mal eine Pause zu gönnen,<br />
das heißt, ich jogge sehr gerne, weil ich somit sehr<br />
gut abschalten kann. Mutter zu sein, ist ein Geschenk,<br />
auch wenn es manchmal viel Energie und<br />
Verständnis kostet. Aber sobald der Kleine da ist,<br />
kann ich ohne Probleme abschalten. Zurzeit verbringen<br />
wir viel Zeit mit Lego bauen, das finde ich ge-<br />
nial. Manchmal gibt es natürlich Tage, an denen ich<br />
denke, ich sollte mich am besten Klonen lassen, weil<br />
ich das Gefühl habe, keiner ist mit mir zufrieden.<br />
Gibt es einen regen Austausch mit den metallischen<br />
Frontsängerinnen von Krypteria, Nightwish<br />
usw.?<br />
Tarja gehört zu meinen besten Freundinnen, und<br />
Doro finde ich auch als Person eine Klasse für sich.<br />
Ich würde sehr gerne wieder ein Duett mit einer anderen<br />
Frontsängerin singen. Also, ich habe es jetzt<br />
gesagt. Die Einladung steht!<br />
Inwieweit war euch der dokumentarische Blick<br />
hinter die Kulissen wichtig? Habt ihr keine<br />
Angst, den ein oder anderen Mythos zu lüften?<br />
Natürlich gibt es hier und da ein „Geheimnis”, das<br />
gelüftet wird auf der DVD, aber das sind Aufnahmen,<br />
die wir euch gerne zeigen. Wir sind alle aus<br />
Fleisch und Blut. Jeder in der Band hat seine eigene<br />
starke Persönlichkeit, was wir in einigen Kapiteln anschneiden.<br />
Der Leaves’ Eyes Film als solcher ist sehr<br />
spannend und mit viel Herzblut gemacht, zeigt die<br />
Geschichte von Leaves’ Eyes und die Hintergründe<br />
sowie die gesammelten Erlebnisse auf unserer Reise<br />
durch vier Kontinente und Länder, auf der wir<br />
Konzerte gespielt haben.<br />
www.leaveseyes.de<br />
0 1<br />
PEtER iStuk<br />
VÖ „We Came With The Nor<strong>the</strong>rn Winds“: 27.02.09
Vom Horrorfilm zum Rock ’n’ Roll<br />
Das Jahr ist noch jung, wie auch das dynamische<br />
Debütalbum von The Pussybats. Obwohl<br />
die Band bereits 2006 erste Auftritte hatte,<br />
kommt erst jetzt ihr Erstlingswerk „Famous<br />
Last Songs” in die Läden. Neben einem hoffentlich<br />
erfolgreichen Verkauf, ab 23. Januar,<br />
hat die Band viele weitere Vorsätze.<br />
Stellt euch doch bitte kurz den Lesern vor. Wer<br />
seid ihr? Wie würdet ihr selbst eure Musik beschreiben?<br />
Sid: Bandgeschichte ist immer was Langweiliges,<br />
zumal es ja noch nicht so viel zu erzählen gibt. Also<br />
machen wirs kurz: Roy, Marple und meine Wenigkeit<br />
haben sich beim Dreh zu einem Horrorfilm getroffen,<br />
beschlossen zusammen den Soundtrack zu machen<br />
und das hat so gut funktioniert, dass wir das einfach<br />
mal weitergemacht haben. Mitte 006 sind wir<br />
zum ersten Mal aufgetreten, Anfang 07 haben wir<br />
den Sonic Seducer Battle of <strong>the</strong> Bands gewonnen,<br />
nach unserem Auftritt am WGT 007 hatten wir ein<br />
Angebot von Black Rain. Es ging eine Weile hin und<br />
her, wir hatten noch andere Angebote geprüft, aber<br />
letztendlich hat sich doch das erste Angebot als bestes<br />
herausgestellt und wir sind uns Anfang 008<br />
einig geworden. Im Mai kam als kleiner Vorbote die<br />
Single „No Romeo“ raus, im Sommer sind wir dann<br />
ins Studio zu Chai Deveraux, um unser erstes Full-<br />
VÖ „Famous Last Songs”: 23.01.09<br />
Length-Album „Famous Last Songs” aufzunehmen.<br />
Jo, und hier sind wir nun.<br />
Unsere Musik? Wir selbst nennen es Alternative<br />
Rock, das sagt irgendwie alles und nichts. Es hat<br />
Rockgitarren, Rockbass und Rockschlagzeug drin,<br />
mal lauter, mal leiser. Wir legen Wert auf eingängige<br />
Melodien, poppig könnte man sagen. Weil die Welt<br />
generell schlecht ist, sind unsere Songs geprägt von<br />
gewisser Melancholie, die sich mal aggressiver, nachdenklicher<br />
und mal depressiver äußert. Schön finde<br />
ich an dem Album, dass es sehr abwechslungsreich<br />
ist. Wir haben Songs für jede Lebenslage darauf, außer<br />
eventuell für Karneval und Ballermann-Urlaub.<br />
Für euer Werk wird u.a. damit geworben, dass<br />
der Produzent davon Chai Deveraux (Jesus On<br />
Exstasy) ist. Seht ihr die Band als Vorbild?<br />
Sid: Also wir mögen sie und ihren Sound, sonst wäre<br />
Chai als Produzent eine etwas merkwürdige Wahl<br />
gewesen. Vom Ansatz her gibt es natürlich deutliche<br />
Unterschiede. JoE sind viel elektronischer und tanzbarer<br />
angelegt, während wir eher klassisch rockig un-<br />
terwegs sind. Uns verbindet eine Vorliebe für schöne<br />
Melodien und simple oder besser, effektive Strukturen<br />
und Arrangements. Also wenig Schnickschnack, oder<br />
„ich kann so toll Gitarre spielen und muss es Allen<br />
zeigen”, sondern genau soviel oder so wenig, wie der<br />
Song braucht. Es gibt durchaus gemeinsame Nenner<br />
zwischen uns, das hat man während der Produktion<br />
gemerkt. Wir waren uns immer ziemlich schnell einig,<br />
was funktioniert und was nicht. Natürlich ist da auch<br />
die eine oder andere Sache, wo man sich denkt „auf<br />
sowas wäre ich auch gern gekommen“. Vorbilder in<br />
dem Sinne sind sie, weil ihnen nie gross etwas geschenkt<br />
wurde, sondern sie sich ihren Status hart erarbeitet<br />
haben. Klar werden sie von ihrem Label gut<br />
gepusht, aber Drakkar wirft ja nicht so aus Spass mit<br />
Geld um sich. Man muss erst einmal an den Punkt<br />
kommen, wo jemand bereit ist, soviel zu investieren,<br />
weil da wieder was zurückkommen könnte.<br />
Neugierige Hörer können bereits bei MySpace<br />
in einige eurer Songs reinhören und zur Single<br />
„No Romeo” das erste Video anschauen.<br />
Erzählt mal etwas über die ersten Erfahrungen<br />
am Set.<br />
Sid: Es war nicht direkt unser erstes Video, sondern<br />
das vierte und die haben wir alle selbst produziert.<br />
Marple, Roy und ich haben mit ein paar Kollegen<br />
zusammen noch eine Filmproduktionsfirma. Dazu<br />
machen Marple und ich zusammen mit Patrick Götz<br />
von Nightfall Entertainment, der auch beim „No<br />
Romeo” Video hinter der Kamera gestanden hat,<br />
noch Rockhaus television, eine zweiwöchig erscheinende<br />
Rock’n’Roll-Sendung, die im Internet (www.<br />
rockhaus.tv) und via Satellit zu sehen ist. Wir haben<br />
also mehr als ein paar erste Erfahrungen. Trotzdem<br />
ist jeder Videodreh eine Herausforderung, zumal<br />
man prinzipiell zuwenig Geld und einen völlig illusorischen<br />
Zeitplan hat. Das „No Romeo” Video wurde<br />
an einem Wochenende gedreht, an dem wir noch ein<br />
Konzert gaben und den Single-Endmix abgenommen<br />
haben. Da wird’s manchmal schon recht spät. Lustig<br />
wars trotzdem, die bezaubernde weibliche Hauptrolle<br />
hat während ihrer Szenen am morgen(!) mehr<br />
als eine ganze Flasche Sekt weggeputzt, ok. Marple<br />
hat ihr bisschen geholfen, und ist am Nachmittag<br />
zum Geburtstag ihrer Oma gegangen. So kann<br />
man selbst langweiligen Familienfeiern noch was<br />
abgewinnen. By <strong>the</strong> way: Das neue Video zu „Your<br />
Woman“ ist nun auch fertig geworden und u.a. auf<br />
unsere Website www.<strong>the</strong>pussybats.com und allen<br />
gängigen Videoportalen zu bewundern.<br />
www.<strong>the</strong>pussybats.com<br />
NORma HillEmaNN
Wahre Kontrollfreaks<br />
Lange Jahre wurde vergeblich auf eine Rückkehr<br />
der Vorbilder zu alter Kraft gewartet und<br />
nur wenige Nachfolger wagten es, sich der Herausforderung<br />
zu stellen und die entstandene<br />
Lücke einzugestehen oder gar auszufüllen. Die<br />
Rede ist von EBM und den großen Helden dieses<br />
Genres: Skinny Puppy, Front 242, Nitzer Ebb.<br />
Wie Presseechos aus der ersten Jahreshälfte<br />
2008 deutlich zeigen, war die Entscheidung<br />
Wertstahls, genau in dieser Lücke anzusetzen,<br />
goldrichtig. Im Februar 2008 zeichnete das Syn<strong>the</strong>tics<br />
Magazin das Demo zu „Kontrol“ bereits<br />
zum Album des Monats aus. Die gefürchteten<br />
Online-Rezensenten von feindesland.de gaben<br />
dem Duo 14 von 15 Punkten mit dem Prädikat„.Ein<br />
Highlight am EBM-Himmel, der schon<br />
fast untergegangen schien!“ Vielleicht auch<br />
durch den „Arschtritt“ der befreundeten Tyske<br />
Ludder motiviert, ist das Demo jetzt endlich als<br />
wohlklingendes Album erschienen.<br />
Wertstahl? Wie kommt man auf einen solchen<br />
Bandnamen?<br />
W.A.Mossad: Der greifbarste Ansatz wäre vielleicht,<br />
eine Kombination aus meinem Faible für Wortspiele,<br />
dem Zeitpunkt zu dem er entstanden ist und dann<br />
natürlich das oft unterbewertete Thema Bandnamen.<br />
Erstens ist der Name im Internet eindeutig zu<br />
finden und zweitens verbindet er zwei extrem ausdrucksstarke<br />
Begriffe. Ich glaube, besonders wichtig<br />
war auch, dass wir uns musikalisch nicht von dem<br />
Namen leiten ließen. Daher haben wir nun die Möglichkeit,<br />
zu sagen: Hör dir die Musik an! Hört man<br />
eher den Wertanteil, also die Arbeit, die investiert<br />
wurde, oder hört man eher den Stahlanteil, also die<br />
aufwändige Raffination aus Eisenerz bis hin zum<br />
Werkstoff? Dann macht es meistens Klick.<br />
„Kontrol“ ist ein wirklich abwechslungsreiches<br />
und gelungenes Werk. Wie entstehen eure<br />
Songs? Steht erst die Musik oder erst der<br />
Text?<br />
Die Texte umgeben mich eigentlich andauernd. Es<br />
sind Erlebnisse und Gedanken, die ich nur noch einmal<br />
kurz aufschreibe. Interessanterweise geht es de-<br />
Dokter nahezu genau so, vielleicht auch ein Grund,<br />
weshalb wir uns in der Hinsicht bestens ergänzen.<br />
Die grundsätzlichen Entwürfe für Songs entstehen<br />
meistens aus Sessions. Und dann haben wir, wegen<br />
der großen geografischen Distanz in der Vergangenheit,<br />
in mühsamer Arbeit ein ausgefeiltes System<br />
entwickelt, nach dem jeder von uns, von überall aus<br />
uneingeschränkt auf einem Songprozess einwirken<br />
kann. Das führt mittlerweile zu so etwas Ähnlichem<br />
wie einander gegenseitig zu remixen. Aber wir sehen<br />
davon ab, zu einem Instrumental dann noch eben<br />
schnell einen Text zu verfassen, „weil Gesang drauf<br />
muss“.<br />
Eure Musik ist ein erfrischender Mix aus EBM<br />
und Industrial – wie habt ihr euren Sound gefunden<br />
und perfektioniert – quasi: die Kontrolle<br />
erlangt?<br />
Wir haben viel Musik gehört, die nach unserem Empfinden<br />
etwas untypisch Eigenständiges transportiert.<br />
Ich habe mich außerdem beispielsweise mit den<br />
Anfängen von Bands wie Skinny Puppy oder Front<br />
beschäftigt und hinterfragt, was deren Einflüsse<br />
waren. Da bin ich auf einige sehr interessante und<br />
effektive Methoden des Sounddesigns gestoßen. An<br />
dieser Stelle ein herzlicher Gruß an Ecki Stieg, der<br />
in den 90ern bisher unerreichte Informationsarbeit<br />
geleistet hat! Letztendlich die volle Kontrolle über<br />
die Produktion zu erlangen, war allerdings sehr kräftezehrend.<br />
Uns war wichtig, dieses Mal wirklich jede<br />
Idee zu verwirklichen, keine Kompromisse einzugehen<br />
und alle Fähigkeiten einzusetzen. Wir waren fix<br />
und fertig, als die Platte abgeschlossen war.<br />
Eure Texte sind prägnant. Wer schreibt sie? Ich<br />
finde gerade Sätze wie den zitierten „Sun is<br />
shining, smile on my Face“ recht gut – etwas<br />
abgesetzt von diesem dunklen Einheitsbrei<br />
– woher kommt die Inspiration?<br />
Wie vorhin schon erwähnt, die Texte sind größtenteils<br />
mehr oder weniger durchlebt, sozusagen. Das<br />
Festhalten ist dann vielleicht ein wenig so wie beim<br />
„Freestylen“ oder jeder trägt einen Teil bei. Witzigerweise<br />
machen sich die wenigsten Leute Gedanken<br />
darüber, Methoden aus anderen Genres mal auszuprobieren.<br />
Und zu dem anderen, da kann ich nur<br />
sagen, spätestens seit den Videos,<br />
die im Zuge des Irak-Krieges aufgetaucht<br />
sind, gibt es für mich nichts<br />
erschreckenderes als die Realität.<br />
Wozu sich also noch über Monster<br />
und Horrormärchen Gedanken machen?<br />
Ich habe Teile eines dieser<br />
Videos gesehen. Karger Raum, Fahne, vermummte<br />
Terroristen, gefesseltes Opfer. Ich stand mindestens<br />
für zwei Wochen unter Schock. Warum sollte man<br />
sich etwas derart grauenvolles dann auch noch ausdenken?<br />
Ich finde das teilweise recht geschmacklos,<br />
und die Message erschließt sich mir nicht.<br />
Mögt ihr eher Sonnenschein oder Regen?<br />
Welches Lebensmotto habt ihr?<br />
Wer die Sonne liebt, muss den Regen nicht fürchten,<br />
und umgekehrt, behaupte ich. Es wäre nach meiner<br />
Auffassung ziemlich übertrieben, sich ein Leben lang<br />
nur darauf zu konzentrieren, gut oder schlecht drauf<br />
zu sein. Für uns ist es wichtig, sich frei und aus eigenem<br />
Antrieb durch die Zeit zu bewegen. Wer sich<br />
hetzen oder drängen, schlimmstenfalls sogar zwingen<br />
lässt, der wird auf seiner Reise zwar den Weg<br />
kennenlernen, wissen wie Asphalt aussieht, beispielsweise.<br />
Aber der Blick für den Moment und das<br />
Universum geht verloren. Es wirft Menschen biswei-<br />
len völlig aus der<br />
Bahn, wenn etwas<br />
einschneidendes<br />
passiert, und sie<br />
haben in ihren<br />
kühnsten Träumen<br />
nicht damit gerechnet.<br />
Man kann die<br />
Uhr gerne ignorieren,<br />
aber man sollte<br />
sie nicht vergessen.<br />
„Es gibt für<br />
mich nichts<br />
Erschreckenderes<br />
als die Realität.“<br />
Wie wichtig ist<br />
euch das Medium<br />
Internet für die<br />
Verbreitung eurer<br />
Musik und wie<br />
seht ihr das Problem<br />
mit illegalen<br />
Downloads?<br />
Das Internet ist nicht nur für uns das zukünftig essenzielle<br />
Medium für die Verbreitung von Kunst und<br />
Kultur. Leider ist es so, dass große Teile der Musikbranche<br />
das immer noch nicht verinnerlicht haben.<br />
Man verschwendet Zeit mit Klage, anstatt über Lösungen<br />
nachzudenken. Ohne Frage – eine CD in der<br />
Hand zu halten ist etwas Reales.<br />
Deshalb war es uns auch wichtig,<br />
eine CD zu machen, eben weil sie<br />
für uns noch „echt“ ist. Die Jugend,<br />
die aber gerade heranwächst, weiß<br />
unter Umständen nicht mal mehr<br />
wie ein CD-Player funktioniert. Für<br />
die hat das keinen Wert mehr. Und deshalb muss ein<br />
Umdenken in Bezug auf Musik im Internet ganz dringend<br />
gefördert werden. Bestenfalls mit attraktiven<br />
Inhalten. Ich glaube auch, dass die Bezeichnung<br />
„illegaler Download“ unpassend ist. Verbrecherisch<br />
sind solche Personen, die kopierte Musik ohne Lizenz<br />
gewerblich verkaufen.<br />
In der Presseinfo steht etwas von widrigen<br />
Begleitumständen der Produktion und von<br />
der fruchtreichen Zusammenarbeit mit Tyske<br />
Ludder. Könnt ihr uns zu beiden Sachen etwas<br />
sagen?<br />
Bleiben wir bei den positiven Dingen. Zum Beispiel<br />
Tyske Ludder. Wir haben uns sofort verstanden, und<br />
die sind schwer in Ordnung. Ich hatte ein, zwei Remixe<br />
für Olaf gemacht, das war aber ursprünglich<br />
mehr als Spaß gedacht. Er war aber äußerst zufrieden<br />
mit der Arbeit und konnte wohl nicht länger<br />
mit ansehen, dass ich Wertstahl so schleifen lasse.<br />
Nach der „://firewall“<br />
war die Band nämlich,<br />
sagen wir, etwas sehr<br />
undiszipliniert. Irgendwann<br />
stand dann auf<br />
der Tyske Homepage<br />
sinngemäß: „Wertstahl,<br />
kriegt endlich euren<br />
Arsch hoch!“ Das hat<br />
gewirkt. Seitdem arbeiten<br />
wir mit Tyske relativ<br />
eng zusammen. Siehe<br />
Bonustrack auf deren<br />
letzter EP! (lacht)<br />
Gibt es irgendwelche<br />
Gedanken an ein<br />
nächstes Album, was<br />
plant ihr für die Zukunft?<br />
Einige kleine Hinweise konnte ich mir ja schon nicht<br />
verkneifen, wir haben ein paar neuartige Spezialitäten<br />
in Arbeit und kommen gut voran. Aufmerksame<br />
Beobachter werden das im Album auch sehen.<br />
Im Vordergrund steht aber derzeit, für „Kontrol“<br />
eine würdige Aufmerksamkeit zu ermöglichen. Nicht<br />
zuletzt wegen der anschließenden Vorhaben. In Hinblick<br />
darauf wollen wir auch vermeiden, eine musikalische<br />
Fastfood-Kultur mit überstürztem Herausfeuern<br />
von Material zu fördern. Man sieht, wie das<br />
anderen Künstlern schadet, und wir wollen diesen<br />
Fehler nicht machen. Außerdem gilt es ja noch eine<br />
feine Tour zu liefern.<br />
www.wertstahl.de<br />
VÖ „Kontrol“: 13.03.09<br />
DaNiEl FRiEDRicH<br />
5
Supreme Court<br />
Willkommen beim<br />
obersten Gericht<br />
Die Jungs von Supreme Court bitten mit<br />
ihrem dritten Longplayer zur Verhandlung.<br />
„Keep calm + carry on“ besticht<br />
durch einen eingehenden Sound und einen<br />
Rhythmus, der einfach in die Beine<br />
geht. Zudem konnten sie Lea<strong>the</strong>r Strip<br />
für zwei Songs gewinnen. Supreme<br />
Court wurde 1996 im schönen Chemnitz<br />
gegründet und orientierte sich damals<br />
schon in Richtung Industrial a la Feindflug,<br />
Hocico, Suicide Commando oder<br />
Funker Vogt. Nach einer längeren Pause<br />
wegen anderer Verpflichtungen und<br />
Umbesetzungen in der Band kamen die<br />
Chemnitzer 2004 aus der Versenkung<br />
und machten mit den zwei ersten CDs<br />
auf sich aufmerksam und sicherten sich<br />
einen festen Platz in der Industrial-Szene.<br />
Nicht zuletzt die Zusammenarbeit<br />
mit Feindflug (“We’ll f*** you up!”)<br />
und anderen Künstlern wie z.B. DJ Rexx<br />
Arkana (FGFC820 / Bruderschaft) setzte<br />
einen wichtigen Wendepunkt in der Karriere.<br />
In 2008 jetzt zum Infacted Label<br />
gewechselt, ist von der Urbesetzung nur<br />
noch Kay Härtel (Music, Vocals, Arrangements)<br />
an Bord. Ihm zur Seite stehen<br />
noch Enrico Kunze (Lyrics) und Sebastian<br />
Nebel (Live Support).<br />
Supreme Court wurde 1996 gegründet.<br />
Warum genau gab es die lange Pause,<br />
bis ihr 2004 richtig durchgestartet seid?<br />
Kay: Supreme Court war im Grunde das Projekt,<br />
mit dem ich begonnen habe. Zu diesem<br />
Zeitpunkt war es auch nur als Experiment zu<br />
betrachten. Ich konnte mich ausprobieren<br />
und meinen Ideen freien Lauf lassen. Als es<br />
dann ernsthafter wurde und ich auch mit anderen<br />
zusammengearbeitet habe, sollte dafür<br />
ein neuer Name geboren werden, das war<br />
dann davaNtage. Nach meinem „Ausstieg”<br />
aus der Band lag es für mich nahe, mein<br />
Baby, mit dem alles begonnen hatte, wieder<br />
auferstehen zu lassen. Es war die beste Entscheidung,<br />
die ich fällen konnte.<br />
Wie kommt ihr auf euren Bandnamen „Supreme<br />
Court“? Fühlt ihr euch als die letzte<br />
Instanz?<br />
Nein, ganz sicher fühlen wir uns nicht als letzte In-<br />
stanz, das maßen wir uns nicht an.<br />
Ich kann es dir nicht sagen, was<br />
Anstoß für diese Namensgebung<br />
gewesen ist. Aus heutiger Sicht<br />
war es für mich eine Art Suche<br />
nach Gerechtigkeit. Wir sind nicht<br />
fehlerfrei, aber zu einem Fehler zu<br />
stehen und einen solchen auch zu<br />
gestehen, darf nicht schwer sein.<br />
Supreme Court ist mein Ventil,<br />
meinen Gedanken freien Lauf zu lassen. Ich kann<br />
mir meinen Frust von der Seele schreien, meine Wut<br />
zum Ausdruck zu bringen und mich somit auf eine<br />
gewisse Art <strong>the</strong>rapieren.<br />
Eure Zusammenarbeit mit Feindflug auf der<br />
EP „We’ll f*** you up!” sorgte für Furore in<br />
der Szene. Seid ihr Feindflug dankbar für die<br />
tatkräftige Unterstützung?<br />
Die Zusammenarbeit mit Feindflug war lange<br />
vorher im Gespräch und somit nur eine Frage der<br />
Zeit. Für Furore zu sorgen, ist heute ja schon eine<br />
Kunst, da man im Zeitalter des medialen Krieges<br />
niemanden mehr so leicht beeindrucken kann. Das<br />
fasse ich also als Kompliment auf. Ich bin auch immer<br />
und für jegliche Unterstützung dankbar. Im übrigen<br />
waren Felix und Banane auch beim aktuellen<br />
Werk mit von der Partie. Einige der Stücke sind in<br />
Zusammenarbeit und im Studio von Feindflug entstanden.<br />
Leider haben es zwei Songs nicht auf das<br />
Album geschafft, aber die werden auch noch das<br />
Licht der Welt erblicken.<br />
Das Militärische von Feindflug habt ihr ja auch<br />
teilweise übernommen. Habt ihr keine Angst<br />
davor, wie es auch oft schon bei Feindflug<br />
passiert ist, in eine politische Ecke gedrängt<br />
zu werden?<br />
Nein, davor habe ich keine Angst. In den Texten von<br />
Supreme Court wirst du keine klaren und stellungsbeziehenden<br />
politischen Aussagen finden.<br />
Wie würdet ihr eure Musik beschreiben und<br />
was wollt ihr mit euren Texten aussagen?<br />
Es ist nicht möglich, Musik zu beschreiben! Ich<br />
strebe danach, meine persönlichen musikalischen<br />
„Einige der<br />
Stücke sind in<br />
Zusammenarbeit<br />
und im Studio<br />
von Feindflug<br />
entstanden.”<br />
Vorlieben in einem Song zu verarbeiten, was schier<br />
unmöglich, aber nicht weiter schlimm ist. Sonst<br />
könnte ich ja aufhören. Das Wesentliche an unserem<br />
Sound – man hört eben, dass es Supreme<br />
Court ist. Ich muss zugeben, dass ich kein begnadeter<br />
Texter war und mir früher dabei immer Hilfe<br />
geholt habe. Mittlerweile schreibe ich selber Texte.<br />
Bei „Loosing Game” z.B. geht es<br />
darum, Ereignisse meines Lebens<br />
zu hinterfragen. Warum müssen<br />
manche beispielsweise mit letzter<br />
Kraft immer noch Spielchen spielen,<br />
wo doch vorher klar ist, dass<br />
sie dabei nicht gewinnen können.<br />
„Reaching out <strong>the</strong> hands” geht an<br />
alle, die mir im Leben weiter geholfen,<br />
mich dadurch gestärkt und mir<br />
durch sehr schwierige Situationen geholfen haben.<br />
Selbst an jene, die mich durch ihren Kampf gegen<br />
mich nicht zu Fall, sondern zum Fliegen gebracht<br />
haben. Auch aus schwierigen, fast unlösbaren Situationen<br />
bin ich gestärkt herausgegangen und dafür<br />
bin ich am Ende allen dankbar.<br />
Wenn man sich eure Arbeit anschaut, seid ihr<br />
ja die Meister der Remixe. Warum macht euch<br />
das Remixen so Spaß, bzw. was bringt euch<br />
das? Und welcher Remix ist eurer Meinung<br />
nach der Gelungenste?<br />
Danke. Warum einem etwas Spaß macht, ist sehr<br />
schwierig zu beantworten. Ich würde es mit Neugier<br />
begründen. Mich interessiert die Herangehensweise<br />
von anderen Musikern, welche Instrumentierung<br />
sie benutzen usw. Das ist für mich der<br />
Reiz am Remixen. Ich lerne auch viel dabei und<br />
es freut mich, wenn ich auf meine Arbeit positive<br />
Resonanzen bekomme. Welcher meiner Remixe der<br />
gelungenste ist, kann ich gar nicht so recht sagen,<br />
für mich sind alle einzigartig und gut.<br />
Auf dem neuen Album habt ihr Claus von Lea<strong>the</strong>r<br />
Strip gewinnen können. Ich nehme an,<br />
der Kontakt kam durchs Remixen zustande.<br />
Auf „Keep calm + carry on“ leiht er den Stücken<br />
„Æuropa” und „Oværkill” seine Stimme.<br />
Wie war die Zusammenarbeit?<br />
Ja, der Kontakt kam durch meinen Remix für „One<br />
more reason” zustande. Claus war sehr begeistert<br />
und meinte, es wäre der beste Remix von einem<br />
seiner Songs seit langem. Ich war sehr stolz, das<br />
von einem meiner Jugendidole zu hören. Auf meine<br />
Frage, ob er den nicht Lust hätte, bei einem meiner<br />
Songs mir seine Stimme zu leihen, antwortete er<br />
sofort mit ja. Die Zusammenarbeit war völlig entspannt<br />
und ging sehr schnell. Was dann zu Folge<br />
hatte, dass wir gemeinsam beschlossen, einen<br />
zweiten Song zu machen. Das Schönste für mich<br />
ist: Claus ist von unserer Arbeit so begeistert, dass<br />
er diese beiden Songs auf seinem nächsten Album<br />
auch nochmal veröffentlichen wird. Das ist eine<br />
große Ehre für mich.<br />
Der Titel des Albums heißt übersetzt, „Bleibt<br />
ruhig und macht weiter“, ist das euer Motto<br />
oder eine Message an eure Fans?<br />
Für mich bedeutet dieser Titel, dass sich in der heutigen<br />
Zeit jeder nur um sich kümmert und alle ihren<br />
Mund halten, auch wenn es ihnen noch so schlecht<br />
ergeht. Keiner macht den Mund auf, es könnte ja<br />
schlimmer sein, ist es aber nicht, also halten wir<br />
die Füße still und machen immer schön so weiter<br />
wie bisher.<br />
Ein Song, der sich in meinem Ohr festgesetzt<br />
hat, ist „Shed <strong>the</strong> blood“. Welcher Song hat<br />
eurer Meinung nach Tanzgarantie?<br />
Das ist schön zu hören und freut mich wirklich sehr,<br />
weil genau dieser Song der Anfang des Albums war.<br />
Es war der erste Song, den ich fertig hatte und bekommt<br />
dadurch einen besonderen Stellenwert für<br />
mich. Ich denke, neben „Shed <strong>the</strong> blood” dürften<br />
auch Songs wie „Everyday Tragedy”, „Reaching<br />
out <strong>the</strong> hand”, „We’re on <strong>the</strong> march” und „Keep<br />
calm and carry on” den Weg in die Clubs schaffen.<br />
Ich bin sehr zuversichtlich, dass dieses Album bei<br />
meinen Fans gut ankommen wird.<br />
HEikO NOltiNG<br />
www.myspace.com/supremecourtinfo<br />
6 7
Sacred: Der Schattenkrieger<br />
Das Hörspiel „Der Schattenkrieger“<br />
geht in die dritte Runde. „Im<br />
Bann der Bestie“ beschreibt die<br />
Suche von Krieger Garlan und<br />
seiner Gefährtin Leandra nach<br />
der Großen Maschine, die die<br />
Geschicke der Welt kontrollieren<br />
soll. Doch der Suche droht ein<br />
jähes Ende, denn Leandra erleidet<br />
im Kampf gegen eine<br />
Bestie grauenhafte Wunden.<br />
<strong>NEGAtief</strong> sprach mit<br />
der Regisseurin Patricia Nigiani<br />
und dem Produzenten<br />
Udo Baumhögger über den<br />
teils amüsanten Produktionsalltag<br />
und über Myk Jung.<br />
Wie kam es eigentlich zur Hörspiel-Adaption<br />
von Sacred 2 Der Schattenkrieger? Welche<br />
Instanzen gibt es zwischen Idee und Produktion?<br />
Patricia: Martin Ruiz Torreblanca, der Labelchef von<br />
Weirdoz*, schlägt uns ein bestimmtes Thema aus<br />
dem Gamesbereich vor und fragt uns, ob und wie<br />
man das hörspieltechnisch umsetzen kann. Oder wir<br />
finden ein spannendes Thema und fragen ihn, was er<br />
davon hält. Wenn wir dann zu einem Konsens kommen,<br />
zieht Martin los und besorgt die Lizenz dafür.<br />
So ist es letztendlich auch bei Sacred abgelaufen.<br />
Ihr habt namhafte und hoch professionelle<br />
Sprecher für die<br />
Produktion besetzen können.<br />
Wie habt ihr sie für<br />
den Schattenkrieger überzeugt?<br />
Wie bringt man sie<br />
zeitlich und organisatorisch<br />
unter einen Hut?<br />
Patricia: Udo und ich überlegen<br />
uns, wer unsere<br />
Lieblingsbesetzung für<br />
bestimmte Rollen ist.<br />
Martin stellt dann<br />
wiederum den Kontakt<br />
her. Im Grunde<br />
haben wir,<br />
glaube ich, den<br />
Vorteil, dass die<br />
meisten Schauspieler<br />
sehr<br />
gerne Hörspiele machen. Das ist sozusagen<br />
die Königsdisziplin im Sprecherbereich.<br />
Wenn das Drehbuch gefällt, stößt man<br />
mit einer Hörspielanfrage meistens auf<br />
offene Ohren.<br />
Die Organisation wahr sehr schwierig.<br />
Wir haben in Hamburg und in Düsseldorf<br />
aufgenommen. Wir mussten uns<br />
immer abstimmen. Wenn in Düsseldorf<br />
jemand gebucht wurde, mussten<br />
wir hier in Hamburg bereit<br />
sein, denn ich kann leider nicht<br />
an zwei Orten gleichzeitig Regie<br />
führen.<br />
Udo: Wir hatten ja 150 Rollen,<br />
die zu erledigen waren. Das<br />
war der Wahnsinn. Wir hatten<br />
z.B. damit zu kämpfen, dass ein<br />
wichtiger Sprecher ins Krankenhaus musste. Wir<br />
wussten nicht, können wir noch mit ihm arbeiten?<br />
Wann kommt er wieder raus? Bei anderen Sprechern<br />
mussten wir genau deren Drehpausen abpassen,<br />
was auch oft schwierig war. Unser Dank geht von<br />
hier aus noch einmal an Patrick, der in Düsseldorf die<br />
ganze Disposition dafür gestemmt hat.<br />
Sicher gibt es auch lustige Anekdoten aus dem<br />
Produktionsalltag. Sind die Schauspieler auch<br />
manchmal aus der Rolle gefallen bzw. in andere<br />
Rollen gewechselt?<br />
Udo: Oh ja. Wir haben hier eine wunderbare, riesengroße<br />
Outtake-Sammlung. Wahrscheinlich werden<br />
wir irgendwann einmal einen kleinen Beitrag davon<br />
zusammenschneiden.<br />
Patricia: Unser Großinquisitor ist ja auch der Sprecher<br />
von Data aus Star Trek. Er ist echt ein Kasper,<br />
was er übrigens auch über sich selbst sagt. Es war<br />
sehr witzig, wenn er gerne mal in seine Rolle als<br />
Data zurückgefallen ist, was natürlich komplett konträr<br />
zu seiner Rolle als Großinquisitor war.<br />
Wie kam es eigentlich zur Zusammenarbeit mit<br />
Myk Jung?<br />
Patricia: Als Fans von „Herr der Ringe“ fanden wir<br />
Myk Jungs „Herr der Ohrringe“ ziemlich interessant<br />
und sehr witzig. Er hat einfach eine sehr außergewöhnliche<br />
und markante Stimme.<br />
Udo: Wir haben ihn gefragt, ob er nicht Lust hätte<br />
und er war gleich Feuer und Flamme. Dann haben<br />
wir ihm direkt eine Rolle verpasst und er hat es auch<br />
richtig gut gemacht.<br />
www.weirdoz.de<br />
POlONi mElNikOV<br />
Folge 3 „Im Bann der Bestie“<br />
Der in der Zeit gestrandete Krieger Garlan<br />
mag im Kampf gegen die Finsternis in seiner<br />
Seele einen ersten Sieg errungen haben,<br />
doch die wahre Herausforderung steht ihm<br />
noch bevor: die Suche nach einem Artefakt,<br />
dessen Macht ausreicht, um ganz Ancaria zu<br />
vernichten. An ein Versprechen gebunden,<br />
das er einem sterbenden Freund gegeben<br />
hat, macht sich der Schattenkrieger gemeinsam<br />
mit der Halbelfe Leandra auf die Suche<br />
nach der Großen Maschine. Wer immer sie<br />
kontrolliert, kontrolliert zugleich die Geschicke<br />
der Welt. Kaum hat die Suche begonnen,<br />
droht jedoch bereits ihr Ende: Leandra<br />
erleidet im Kampf gegen eine Bestie, die<br />
im Licht des Vollmonds ihr Unwesen treibt,<br />
grauenhafte Wunden. Wird Garlan auch seine<br />
letzte Gefährtin verlieren? Kann er hinter<br />
die Masken blicken, die die scheinbar so<br />
hilfsbereiten Bewohner eines abgelegenen<br />
Dorfes tragen? Wem lohnt es sich Vertrauen<br />
zu schenken, und wer will Garlan für seine<br />
eigenen, finsteren Zwecke einspannen?<br />
Schlimmer noch: Wie lange wird es dauern,<br />
bis ein alter, längst bezwungen geglaubter<br />
Feind Garlan aufspürt, um schreckliche Rache<br />
an ihm zu üben?<br />
Spieldauer: ca. 80 Min.<br />
Sprecher: Helmut Krauss, Thomas Fritsch,<br />
Sandra Schwittau, Michael Pan, Raimund<br />
Krone, Annabelle Krieg, Jürgen Holdorf,<br />
u.v.m.<br />
Mit den deutschen Synchronstimmen von<br />
Russel Crowe, Samuel L. Jackson, Marlon<br />
Brando, Bart Simpson, Hilary Swank, Milla<br />
Jovovich, Eva Mendes, Brent Spiner (Lt.<br />
Cmdr. Data in Star Trek), und Michael Dorn<br />
(Lt. Cmdr. Worf in Star Trek).<br />
8 9
Fernsehdiktatur<br />
Unkonventionell ist der kleinste gemeinsame<br />
Nenner womit man Violet gerecht werden<br />
dürfte, versteckt sich doch hinter dem mittelalterlich<br />
aufgepoppten Projekt keine Geringere<br />
als Frau Stücker aka Vani, (wir berichteten<br />
in einem früheren <strong>NEGAtief</strong>). Zuletzt mit ihrem<br />
schriftstellerischen Debüt im Fischerverlag<br />
„Schaulaufen für Anfänger“ aufgefallen,<br />
welches vielleicht nicht so medienpräsent wie<br />
das Buch ihrer feuchtgebietsspezialisierten<br />
Kollegin Roche präsentiert wurde, dafür aber<br />
um einiges origineller in Wortwahl und Witz<br />
ausgefallen war, gerät das neue musikalische<br />
Werk zur Abrechnung mit der Fernsehdiktatur<br />
von heute.<br />
Hallo Bianca, nach Vani und einem tollen Buch<br />
im Fischerverlag machst du jetzt wieder eine<br />
CD. Was machst du eigentlich, wenn du nicht<br />
kreativ bist und nicht schläfst?<br />
Briefe verteilen. Aber hoffentlich nur vorübergehend!<br />
Das neue Album beschäftigt sich mit dem modernen<br />
Leben, das scheinbar komplett unter Kontrolle des<br />
TVs steht.<br />
Sogar ihr hängt im Booklet vornehmlich vor<br />
der Glotze. Steht es mittlerweile so schlimm<br />
um die Welt?<br />
Wir sind im Booklet nicht nur<br />
vor dem Fernseher, wir sind<br />
sogar im Fernsehen! Und<br />
das ging ganz leicht: Einfach<br />
Kamera ausgeliehen, in den<br />
Fernseher eingestöpselt, und<br />
zack, schon ist man da, wo<br />
sonst nur das Dschungelcamp,<br />
Peter Kloeppel und ungeklärte<br />
Vaterschaften sind. Wer hätte<br />
gedacht, dass es so simpel<br />
ist mit der Karriere? Meine<br />
messerscharfe Analyse der<br />
Welt, des Universums und des<br />
ganzen Rests sagt mir, dass<br />
man heutzutage nur etwas<br />
gilt, wenn man im Fernsehen stattfindet. Das Fernsehen<br />
ist sozusagen die Königsdisziplin der Wichtigmacherei,<br />
aber Internet, Internet und Internet holen<br />
natürlich stark auf. Man könnte es also so zusammenfassen:<br />
Das Fernsehen steht bei uns für die Zivilisationskrankheit<br />
des Wichtigseinwollens.<br />
In „Exult“ geht es um jene im Wohlstand gesättigten<br />
Menschen, die sich ihren Lustvorteil nur noch<br />
durch Sadismus anderen gegenüber<br />
verschaffen. Ist das<br />
auch eine Zivilisationskrankheit<br />
oder liegt das an der generellen<br />
„Unfertigkeit“ des<br />
Menschen?<br />
Gute Frage! Aber das ist<br />
schon richtig, Überdruss und<br />
Unersättlichkeit sind gewiss<br />
keine Erfindungen des 1.<br />
Jahrhunderts, nur kommen sie<br />
in Zeiten des relativen Wohlstands<br />
sehr wahrscheinlich<br />
häufiger vor.<br />
„Wreath Of Barbs“ ist eine<br />
Coverversion eines Songs<br />
einer Band, die häufig mit<br />
purer Provokation von sich<br />
Reden macht. Wie kam es<br />
dazu?<br />
Vielleicht so: Eines nachts saß<br />
der junge Herr Ratzinger in<br />
seinem Kellerverlies und überlegte<br />
sich einen neuen Hit. Ach,<br />
dachte er heimlich bei sich, da kommt mir gerade diese<br />
bildschöne Melodie in den Sinn, die sich anhört,<br />
als wäre sie wie für ein Hackbrett gemacht. Ich habe<br />
zwar kein Hackbrett, fuhr<br />
er in seinem inneren Monolog<br />
fort, aber das macht<br />
nichts, denn eines Tages<br />
wird sicher eine Band mit<br />
Hackbrett kommen und<br />
das Lied nachspielen. Und<br />
genau so ist es tatsächlich<br />
gekommen! Ist das nicht<br />
verrückt?<br />
VÖ „Modern Life“: 27.02.09<br />
Vani war ja mehr oder<br />
weniger dein Soloprojekt.<br />
Violet ist eine<br />
Band. Fällt dir Banddemokratie<br />
schwer?<br />
Gerade als Schriftstellerin bist du ja auch sehr<br />
autark gegenüber dem Einfluss anderer.<br />
Nein. Wir haben keine Banddemokratie. Wir spielen<br />
einfach immer alle durcheinander, wie man ja<br />
hört. Obwohl, die Macht hat nachher natürlich der<br />
Mischer. Und wer wird das wohl sein? Haha!<br />
Musikalisch vereint ihr mittelalterliche Instrumente<br />
mit modernem Songwriting. Liegt<br />
diesen archaischen Klangkörpern eine eigene<br />
Macht zugrunde? Schenkt das klingende Gestern<br />
einen neuen Blickwinkel auf das Jetzt?<br />
Mit viel Fantasie vielleicht schon. In Wirklichkeit hat<br />
sich bei uns aber einfach der Altersstarrsinn durchgesetzt,<br />
der verhindert, dass wir etwas Neues lernen.<br />
Einmal Sack, Flöte und Tröte, immer Sack, Flöte und<br />
Tröte sozusagen. Aber was da für komische Musik<br />
bei rauskommen kann, man glaubt es kaum!<br />
Was gibt es ansonsten Neues im Hause Stücker?<br />
Ist ein weiteres Buch geplant?<br />
Das wäre ja schlimm, wenn das nicht so wäre. Aber<br />
wir planen immer mehr Dinge auf einmal, als sich<br />
zeitgleich umsetzen lassen, daher alles schön der<br />
Reihe nach. Erst mal gibts jetzt “Modern Life” bis<br />
der Arzt kommt.<br />
www.violet-net.de<br />
GERt DRExl<br />
50 51
Anti Weltordnung<br />
Wer bei diesem Namen unmittelbar an karibische<br />
Magie und Hexerei denkt, liegt gänzlich<br />
falsch, denn Voodoma konzentrieren sich auf<br />
Ihre Version des Darkmetal. Ihr mittlerweile<br />
drittes Album klingt unglaublich professionell<br />
und man wundert sich, warum<br />
diese Band noch nicht<br />
längst bei einem der großen<br />
Häuser des Genres gelandet<br />
ist.<br />
„lebe nicht<br />
nach Regeln, die<br />
du selber nicht<br />
aufgestellt hast!“<br />
Voodoma – steht der Name<br />
für eine Kombination aus Voodoo und westlichen<br />
Traditionen?<br />
Interessante Theorie, die man so stehen lassen<br />
könnte! Wir wollten einen Namen, den es so noch<br />
nicht gibt und der außerdem etwas mystisch klingt.<br />
Euer Album ist in Kapitel aufgebaut. Was ist<br />
für euch das Antidogma?<br />
Da wir das Buch als Albumcover hatten, bot sich eine<br />
Aufteilung in Kapiteln an und deutete damit auch<br />
auf einen religiösen Bezug hin, der den meisten Betrachtern<br />
bei dem Titel des Albums vermutlich sofort<br />
in den Sinn kommt, zumal auch die dunkle Gestaltung<br />
des Buchs und die altertümlich-gotische Schrift<br />
bei vielen gleich eine Assoziation mit der Bibel bzw.<br />
bibelnahen Werken hervorrufen dürfte. Allerdings<br />
hatten wir den Titel von Anfang an nicht ausschließlich<br />
unter religiösen Gesichtspunktenbetrachtet,<br />
sondern hatten den<br />
Begriff als interessanten<br />
Denkanstoß gesehen, den<br />
man zwar auch auf Religion<br />
beziehen kann, aber<br />
ebenso auf Wissenschaft,<br />
Gesellschaft, Wirtschaft,<br />
Politik etc. Das Verwirrende<br />
an Dogmen ist eigentlich<br />
immer die Tatsache,<br />
dass sie einerseits eine<br />
grundlegende Bedeutung<br />
haben, auf denen alle<br />
davon abgeleiteten Aus-<br />
sagen beruhen, dass sie andererseits aber eigentlich<br />
selbst nicht beweisbar sind, ähnlich wie ein Axiom in<br />
der Ma<strong>the</strong>matik. Aber was wäre, wenn die ursprüngliche<br />
Aussage, auf der alles basiert, falsch ist? Welche<br />
Auswirkungen hätte das auf die o.g. Bereiche<br />
Wissenschaft, Gesellschaft, Wirtschaft, Politik etc.?<br />
Wenn man dann noch an die Auffassung denkt, dass<br />
es zu jeder Materie eine Anti-Materie<br />
gebe, könnte es dann nicht<br />
zu jedem Dogma auch ein Anti-<br />
D o g m a<br />
g e b e n ,<br />
und damitunsere<br />
gesamte Weltordnung<br />
auf den Kopf stellen? Um<br />
es kurz auf den Punkt zu<br />
bringen: Lebe nicht nach<br />
Regeln, die du selber nicht<br />
aufgestellt hast!<br />
Das Album klingt extrem<br />
rund und professionell.<br />
Wie kann man diesen<br />
Aufwand selbst überhaupt<br />
schultern? Habt<br />
ihr schon mal darüber<br />
nachgedacht, einen externen<br />
Produzenten zu<br />
buchen?<br />
Der Grund, alle unsere Albumproduktionen selber<br />
zu machen, ist aus der Not<br />
heraus geboren worden. Wir<br />
konnten uns beim ersten<br />
Album keinen Produzenten<br />
leisten und so haben wir das<br />
eben selber gemacht. Mittlerweile<br />
sind wir beim dritten<br />
Album angekommen und um<br />
eine Menge Erfahrungen reicher!<br />
Seit Anbeginn hatten<br />
wir allerdings auch unsere<br />
eigenen Soundvorstellungen,<br />
wie die Band zu klingen hat<br />
und das haben wir auch<br />
kompromisslos durchgezogen.<br />
Aber wir würden uns<br />
auch einem guten externen Produzenten keinesfalls<br />
verschließen, wenn wir die Möglichkeit hätten.<br />
Musikalische bedient ihr euch im Metal wie im<br />
Gothic Rock. Wie seid Ihr in euren Sound gewachsen?<br />
Was sind eure Vorbilder?<br />
Das liegt wohl an der Tatsache, dass wir alle einen<br />
breit gefächerten Geschmack haben und kein Schubladendenken<br />
kennen. Unser erstes Album war sicher<br />
im Gothic Rock verwurzelt, während das zweite ein<br />
reines Metalalbum war. „The Anti Dogma“ ist für<br />
mich die Verschmelzung beider Stilrichtungen, eben<br />
Dark Metal. Vorbilder gibt es immer und zwar aus<br />
jeder Musikrichtung. Allerdings orientieren wir uns<br />
nicht an einer bestimmten Band, das würde keinen<br />
Sinn machen.<br />
Gothic Rock hat es mittlerweile in der Schwarzen<br />
Szene sehr schwer. Alles verschiebt sich in<br />
eine sehr technoide Szene. Wie seht ihr diesen<br />
Trend?<br />
Wie du selbst sagst, ist das ein Trend. Das kann in<br />
einem Jahr wieder anders aussehen, weil sich jeder<br />
Trend auch wieder abnutzt. Ich denke, dass qualitativ<br />
gute Musik immer ihren Weg zum Hörer finden<br />
wird, auch wenn es länger dauert. Egal, ob es gerade<br />
im Trend liegt oder nicht. Wir planen für das nächste<br />
Album allerdings auch, mehr elektronische Einflüsse<br />
einzubringen und etwas weniger Metal. Noch einmal<br />
ein zweites Album in Richtung „The Anti Dogma“ aufzunehmen,<br />
wäre zu langweilig, also werden wir etwas<br />
experimentieren. Mal sehen, was dabei rauskommt.<br />
www.myspace.com/voodoma<br />
PEtER iStuk<br />
5 5
Wohnwagen, oder was?<br />
Der Erstkontakt mit dieser Gruppe löst Verwunderung<br />
aus, denn die Googlesuche verweist zuerst auf<br />
diverse Einträge zum Thema DDR Wohnwagen. Doch<br />
handelt es sich bei dem Minimal Darkwave Projekt<br />
nicht um eine verkappte Ostalgie. Dominic Daub, der<br />
so einigen aus der schon so fernen Gothrock Vergangenheit<br />
bei The House Of Usher bekannt sein dürfte<br />
und sein technisches Pendant Tobias Dupont warten<br />
mit einem einmaligen Sound auf, der allenfalls in seiner<br />
Reduktion an Bands wie DAF oder Second Decay<br />
zu erinnern vermag. Der Tanzflächeneinsatz dürfte<br />
dieser Band auf alle Fälle sicher sein.<br />
Der Bandname ist ja schon außergewöhnlich.<br />
Wie kamt ihr auf den Namen und was verbindet<br />
ihr mit QEK Junior? (Da Ihr doch eigentlich<br />
aus dem Westen kommt.)<br />
Dominic: Einen „echten” QEK haben wir uns vor<br />
ein paar Jahren zugelegt, weil wir keine<br />
Lust mehr auf Zelten bei Festivals etc.<br />
hatten. Beim letzten Zillo Festival auf<br />
der Loreley hat das Ding seine Feuertaufe<br />
erhalten. Während es draußen in<br />
Strömen goss, feierten wir in dem Ding<br />
ab. Als ich dann einen Namen für das<br />
Projekt suchte, lag QEK Junior absolut<br />
nahe. Er ist technisch veraltet, schlicht,<br />
und der Underdog auf jedem Campingplatz.<br />
Und das verbindet ihn wohl mit<br />
unserer Musik, der geht es in der aktuellen<br />
elektronischen Musikszene recht<br />
ähnlich. Und letztlich haben merkwürdige<br />
Namen in der Minimal-Szene ja<br />
schon Tradition.<br />
Ihr habt ja schon eine musikalische<br />
Vergangenheit. Wollt Ihr darüber<br />
erzählen und warum jetzt was<br />
neues eigenes?<br />
Dominic: Also, ich hab früher in verschiedenen<br />
Bands gespielt. Metal, Indie,<br />
Wave. Ich bin dann 1998 bei The House<br />
of Usher gelandet, die ich 00 wieder<br />
verlassen habe. Die Zeit mit den Jungs<br />
war großartig, am Ende aber ziemlich<br />
anstrengend. Wir haben zuletzt in Kamen<br />
geprobt, während ich in einem<br />
Städtchen im Hunsrück lebte. Proben,<br />
Konzerte in halb Europa, Studiotermine<br />
– irgendwann wurde das Ganze zu<br />
einem echten Nebenjob! Ich hab dann<br />
einen Schlussstrich gezogen, auch um<br />
mein Studium abzuschließen. Mir hingen,<br />
wie so vielen, die Studiengebühren<br />
im Nacken. Der Ausgleich zum Schreiben<br />
der Magister-Arbeit war die Arbeit am<br />
Sequencer, in meinem kleinen Homestu-<br />
dio, in dem wir auch „Ausverkauf” aufgenommen<br />
haben. Tja, und danach stand ich vor der Wahl: Musik<br />
machen oder promovieren? Ich hab mich für die<br />
Musik entschieden. Tobias war früher eigentlich ausschließlich<br />
für die technischen Fragen zuständig, er<br />
war auch schon Tontechniker bei The House of Usher.<br />
Und ist irgendwann bei QEK gelandet.<br />
Eure Musik erinnert stark an die frühen 80er<br />
und die Neue Deutsche Welle. Wie würdet Ihr<br />
euren Musikstil beschreiben und habt ihr dafür<br />
Vorbilder?<br />
Dominic: Ich kann mit „kalter, elektronischer Minimal-Wave”<br />
recht gut leben. „NDW” sehe ich allerdings<br />
sehr, sehr skeptisch. Ich mag „frühe” NDW-<br />
Bands wie DAF, Fehlfarben oder Der Plan natürlich<br />
sehr gerne, kann mit den späteren Acts, die unter<br />
diesem Label liefen (Steinwolke, Geier Sturzflug,<br />
Markus und so weiter) aber überhaupt nix anfangen.<br />
Ich bin, was Musik angeht, sehr, sehr flexibel.<br />
Ich denke, wir klingen so, wie wir klingen, weil wir<br />
versuchen, mit absolut bescheidenen Mitteln Songs<br />
aufzunehmen. Was in den frühen Achtzigern zwangsläufig<br />
auch der Fall war.<br />
Euer Erstlingswerk wurde als EP auf Vinyl veröffentlicht.<br />
Wie kam das?<br />
Wir hatten unsere ersten Songs bei Myspace hochgeladen<br />
und dort hörte Jörg von Kernkrach die Songs.<br />
Und der hat uns dann zur Veröffentlichung der Platte<br />
genötigt. Nee, im Ernst: Ich bin immer noch heilfroh,<br />
dass die erste VÖ auf Vinyl lief. Das passte vollkommen<br />
zu unserer Retro-Attitüde.<br />
www.myspace.com/qekjunior<br />
VÖ „Ausverkauf“: 06.02.09<br />
HEikO NOltiNG<br />
5 55
Sara Noxx<br />
Achtziger Heroen und Alternativen<br />
Die dem deutschen Sprachgesang frönende,<br />
und von mir als „Queen of Cooperations“ bezeichnete<br />
Sara Noxx geht dieser Tage mit ihrem<br />
sechsten Studioalbum ins Rennen. Etwas scheu<br />
und zurückhaltend in ihren Antworten, wie<br />
man es von Frau Noxx gewohnt ist, konnte ich<br />
ihr dennoch einige Informationen entlocken.<br />
„In(t)oxxication“, so der Name des Longplayers<br />
wird angekündigt durch die Vorab-Single „Superior<br />
Love” die in zwei Versionen veröffentlicht<br />
werden wird. Lest selbst warum.<br />
Du hast mit dem großartigen Pop- und Wavehelden<br />
der Achtziger, Christopher Hamill auch<br />
bekannt unter dem Namen Limahl, den Song<br />
„Superior Love” aufgenommen. Wie genau<br />
kam es zu dem gemeinsamen Stelldichein?<br />
Dass ich Koopera-<br />
tionen zu schätzen<br />
weiß, dürfte inzwischen<br />
bekannt sein.<br />
Erneut hat ein großartiger<br />
Musiker seine<br />
Beteiligung zugesagt. Die aktuelle Zusammenarbeit<br />
mit Limahl erfüllt mich mit Stolz. „Neverending Story”<br />
hat mich in den Achtzigern tief berührt und so<br />
war ich erfreut, als Limahl unsere Anfrage mit einer<br />
Zusage beantwortete.<br />
Wie war die Arbeit mit Limahl?<br />
Dank modernster Technik problemlos!<br />
„in erster linie<br />
wird es Noxx<br />
pur geben.“<br />
Auf der anderen Seite gibt es den Titel noch in<br />
einer Kooperation mit 18 Summers, welche die<br />
„Dark-Side” repräsentieren sollen. Was genau<br />
steckt hinter dem Konzept der „Bright- und<br />
der Dark-Side”-<br />
Singles?<br />
Der Gedanke, einen<br />
einzigen Titel in<br />
zwei verschiedene<br />
Gewänder zu hüllen,<br />
faszinierte mich.<br />
Eine Umsetzung als<br />
„Dark” und „Bright”<br />
war da naheliegend.<br />
Unterstützen mich<br />
auf der „Bright Side”<br />
verschiedene Achtziger-Heroen<br />
mit<br />
Remixen, sind es bei<br />
der „Dark-Side” von<br />
mir geschätzte Vertreter<br />
der deutschen<br />
Alternativszene.<br />
VÖ Europe „Superior Love”: 13.02.09 – VÖ Worldwide: „Superior Love”: 27.02.09<br />
„Superior Love”<br />
ist sozusagen<br />
ein Appetizer für<br />
dein neues Album<br />
„In(t)oxxication”,<br />
welches dieses<br />
Jahr noch das Licht der Welt erblicken soll.<br />
Was kannst du uns schon jetzt über dein mittlerweile<br />
sechstes<br />
Studioalbum verraten?<br />
„In(t)oxxication”<br />
stellt eine weitere<br />
Seite in meinem musikalischen<br />
Tagebuch<br />
dar. Musikalisch wie<br />
textlich mit NoxxschemWiedererkennungswert.<br />
In der letzten Zeit<br />
hast du das Thema<br />
Zusammenarbeit<br />
ins Zentrum deines<br />
Schaffens gesetzt. Der „Earth Song“ gemeinsam<br />
mit Peter Spilles wurde ein riesiger Erfolg.<br />
Mit welchen Künstlern würdest du noch gerne<br />
Zusammenarbeiten?<br />
Hast Du die Telefonnummer von Thomas D?<br />
Wie wirst du eigentlich Live die vielen Kooperationen<br />
abdecken. Oder hast du vor, einen<br />
Bus voller Stars durch die Republik zu fahren?<br />
Keine schlechte Idee. Es wird sich zeigen, wie die<br />
Album-Idee live umsetzbar ist. Sicherlich wird es bei<br />
einem Noxx-Konzert in erster Linie Noxx-pur geben,<br />
aber die ein oder andere Überraschung möchte ich<br />
dennoch nicht ausschließen. In Deutzen durfte ich<br />
bereits mit Peter und Frank (Seabound) live performen.<br />
Eine wundervolle Erfahrung.<br />
Was, außer dem neuen Longplayer, ist für<br />
dieses Jahr noch in Planung? Wirst du auf dem<br />
WGT spielen?<br />
Dies ist angedacht. Ansonsten lasse ich mich in<br />
diesem wie in jedem Jahr gern vom Leben überraschen.<br />
www.saranoxx.com<br />
www.myspace.com/saranoxx<br />
56 57<br />
tYVES OBEN
The eTernal afflicT<br />
Auf ein Neues<br />
Vor gut zwei Jahren titelten wir noch: „Ende<br />
und Urlaub“. Pustekuchen! The Eternal Afflict<br />
sind wieder da. Bevor Winus und Cyan im Mai<br />
endlich den Fehler im Bandnamen mit einem<br />
neuen TEA-Album ausmerzen wollen, bringen<br />
sie jetzt gemeinsam mit Qntal einen der größten<br />
Tanzflächen-Evergreens in der „San Diego<br />
2k9“-Version neu in die Clubs. Dabei reiht sich<br />
die engelsgleiche Stimme von Syrah hervorragend<br />
in die TEA-Tradition ein, mit beeindruckenden<br />
Frauenstimmen zu arbeiten. Neben<br />
den Remixen von Qntal, Patenbrigade: Wolff,<br />
Jesus on Extasy und Project Pitchfork beinhaltet<br />
„San Diego 2k9/(Luminographic Agony)“<br />
auch das remasterte 1992er Album „(Luminographic)<br />
Agony“ und zwei Live-Videotracks<br />
von 2005.<br />
Wer oder was war die treibende Kraft, TEA erneut<br />
zu reanimieren?<br />
Winus: Die Sehnsucht nach dem immerwährenden<br />
Leid.<br />
Cyan: Wir können einfach nicht voneinander loslassen,<br />
wir haben zusammen Phasen gehabt, die wir<br />
als die tollste Zeit in unserem Leben bezeichnen<br />
würden, und die Phasen, die wir gerne von der Festplatte<br />
löschen würden, sind halt unsere Zeiten mit<br />
andauerndem Streit/Zwist. Aber es scheint immer<br />
wieder solche Abschnitte zugeben, wo wir uns wieder<br />
zusammenraffen, weil wir halt nicht voneinander<br />
loslassen können.<br />
Wie kam es zur Zusammenarbeit mit Qntal?<br />
Winus: Wir schätzen Qntal und ihre Musik sehr und<br />
unsere Vorliebe für elfengleichen Gesang ist ja hinlänglich<br />
bekannt. Was lag also näher, als Qntal zu<br />
kontaktieren und zu unserer großen Freude, waren<br />
sie gerne mit dabei. Michael hat seine Version von<br />
„San Diego“ entwickelt und Syrah uns mit ihrem<br />
Gesang verzaubert.<br />
„San Diego“ läuft nach wie vor in den Clubs.<br />
Welche der neuen Versionen auf der EP könnte<br />
der alten Version Konkurrenz machen. Habt ihr<br />
einen Favoriten?<br />
Winus: Also, ich habe da keinen Favoriten. Die verschiedenen<br />
Remixe haben alle einen eigenen Charakter,<br />
eigene Stärken und gefallen mir sehr gut. Das<br />
kann der geneigte Zuhörer sicherlich besser beurteilen.<br />
Ihr habt nach AFFLICT:ME Songs jetzt auch das<br />
Label AFFLICT:ME Records gegründet. Ein weiterer<br />
Schritt zur künstlerischen Freiheit?<br />
Winus: Es ist sehr angenehm, jetzt unabhängig zu<br />
sein und unsere eigenen Ideen uneingeschränkt umsetzen<br />
zu können. Allerdings gibt es ab jetzt auch<br />
keine Ausreden mehr.<br />
Cyan: Wir sind jetzt eigentlich da, wo wir immer hinwollten.<br />
Klar, da waren eine Menge Umwege, eine<br />
Menge Kreuzungen, an denen wir falsch abgebogen<br />
sind, aber ab jetzt ist Freiheit angesagt.<br />
Ihr arbeitet auch schon am neuen Album, das<br />
„-ION“ heißen soll. Ihr sagt, der Titel soll endlich<br />
den Rechtschreibfehler im Bandnamen<br />
ausmerzen. Was kann man musikalisch von<br />
euch erwarten?<br />
Winus: Ein neues TEA-Album „-ION“ birgt natürlich,<br />
neben dem Hinweis, dass uns der grammatikalische<br />
Fauxpas früherer Jahre aufgefallen ist, noch anderes<br />
in sich: Ein ION ist ein elektrisch geladenes Atom<br />
oder Molekül und wird sich zum WGT (VÖ) entladen.<br />
Cyan: Das fehlende (-ION) war ja Absicht, ich wollte<br />
keinen Bandnamen der auf „tschn” endet, und<br />
einfach nur The Eternal Afflict ohne „tschn” klang<br />
einfach viel besser. Und für mich war das auch alles<br />
ein wenig künstlerische Freiheit. Slade haben Rechtschreibfehler<br />
in ihren Songs für ihr Image benutzt.<br />
Wir haben halt Mitte 008 darüber nachgedacht,<br />
wie das nächste Album TEAs heißen könnte, und<br />
da kam uns halt die Idee mit (-ION), die endlich unseren<br />
Namen in voller grammatikalisch richtiger Art<br />
und Weise darstellen würde und zusätzlich unsere<br />
Arbeitsweise umschreiben würde. Wir sind ja bisher<br />
immer sich abstoßende oder sich anziehende Moleküle<br />
gewesen oder sind es immer noch.<br />
Werdet ihr wieder auf die Bühne gehen? Mit<br />
wie vielen Leuten?<br />
Winus: Bisher sind drei Konzerte fix: 1.01. zur VÖ<br />
von „San Diego k9“ in der Matrix Bochum, zur VÖ<br />
von „-ION“ auf dem WGT und im Juli im Dynamo/<br />
Werk 1 in Zürich. Weitere Konzerte sind in Planung<br />
und zur Zeit gehören Per-Anders Kurenbach und<br />
Anna Aliena zur Crew.<br />
Cyan: Unsere Zusammenstellung auf der Bühne wird<br />
wie immer eine Art Wundertüte, mit wem, weshalb,<br />
warum und wo, werden wir auf uns zukommen lassen.<br />
Aber eines wird uns dabei keiner nehmen können:<br />
Wir werden wieder sehr viel Spaß haben wollen<br />
mit unseren Fans.<br />
RiNGO müllER<br />
www.myspace.com/<strong>the</strong>eternalafflict<br />
VÖ „San Diego 2k9 /<br />
(Luminographic Agony)“: 30.01.09<br />
58 59
CoppeLIus<br />
Letzte Instanz<br />
Deathstars<br />
MetaLLspürhunDe<br />
projeCt pItChfork<br />
<strong>the</strong> MIssIon<br />
CaMoufLage<br />
sChanDMauL<br />
project pitchfork<br />
<strong>the</strong> Mission<br />
eisenfunk<br />
Februar / März 09<br />
ausgabe 18 - Jahrgang 4<br />
gratis zuM<br />
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