Tangente Programm 2024

Page 1

Programm 24





Programm Programme


Inhalt Contents

004


008

Drei Fragen an Johanna Mikl-Leitner Matthias Stadler

014

Vorwort Tarun Kade

Laufende Projekte

174

Katalog der Vögel Olivier Messiaen / Pierre-Laurent Aimard / Birgit Minichmayr 1.5.2024

176

Kali Malone Orgel Experimentell #1 2.5.2024

178

Shared Landscapes Caroline Barneaud / Stefan Kaegi 3.5., 4.5., 5.5., 10.5., 11.5. und 12.5.2024

180

Freeway Dance Ayaka Nakama 3.5. und 4.5.2024

062

Domplatz Ein Bad für Florian Though Dead, I Am Still Paper Film am Dom Konzerte am Domplatz

076

Festivalzentrum Tangente Biennale Urbana (BUrb)

084

Kunstparcours The Way of the Water Traisen, She/Her

182

Alien Disko The Notwist 4.5.2024

098

Tangente Stadtprojekte KREDO Songwriting Call Visionale Stadt-Galerie Tangiert es mich? Art of Community

184

The School of Mountains and Water Amanda Piña / Studio Fortuna 9.5. und 12.5.2024

186

Tipping Time Klimakonferenz 9.–11.5.2024

188

Assembly Hall Crystal Pite / Jonathon Young / Kidd Pivot 9.5.2024

190

Alfa Romeo und die elektronische Giulietta Wunderbaum 11.5. und 17.5.2024

Ökologie 162

Markus Weidmann-Krieger Porträt von Solmaz Khorsand

172

JUSTICE Hèctor Parra / Milo Rau / Fiston Mwanza Mujila / Tonkünstler-Orchester 30.4. und 1.5.2024

005


Erinnerung

264

X-Erinnerungen Matthias Lilienthal / Helena Eckert / Friederike Kötter 28.6.–30.6.2024

266

Sacred Music for Two Guitars / New Masada Quartet John Zorn / Tzadik Artists 4.7.2024

234

Martha Keil Porträt von Solmaz Khorsand

244

Erinnerungsbedarf Konferenz zum pluralen Erinnern 1.6. und 2.6.2024

246

Mothers Martha Górnicka 5.6. und 6.6.2024

268

Sisters United / ‫ األخوات المتحدة‬/ об’єднані сестри / ‫خواهران متحد‬ Gegen Gewalt an Frauen 7.6.2024

The Hermetic Organ Orgel Experimentell #2 John Zorn 4.7.2024

270

Nichts als Schule Anita Lackenberger

248

250

Blick in den Schatten Stadtmuseum St. Pölten 14.6.2024–25.5.2025

Demokratie 312

Boriana Karapanteva-Strasser Porträt von Solmaz Khorsand

322

about home Teresa Distelberger 12.9., 20.9. und 28.9.2024

324

Maria Stuart Friedrich Schiller / Amir Reza Koohestani / Mahin Sadri 13.9.2024

252

Die Stadt ohne Juden PHACE / Nacho de Paz 14.6.2024

254

StadtLandFluss 2024 21.6. und 22.6.2024

256

blue nile to the galaxy around olodumare Jeremy Nedd / Impilo Mapantsula 22.6.2024 326

258

260

262

Hands Made Begüm Erciyas 27.6.–30.6.2024

328

Wasteland Susanne Kennedy / Markus Selg / Debit 330 27.6.2024 Haribo Kimchi Jaha Koo 27.6. und 28.6.2024

006

332

Listen Now! Jugendkonferenz 14.9.2024 Kampf um die Stadt Julian Warner / Veronika Maurer 14.9. und 15.9.2024 Jail Rock (Arbeitstitel) Lola Arias 19.9. und 20.9.2024 Nur Kinder verändern die Welt KinderKunstLabor 20.9.2024


334

Working Class Festival 20.9. und 21.9.2024

336

Cassette Kyle Abraham 21.9.2024

338

Super Farm Saeborg 28.9., 29.9. und 30.9.2024

340

Der Garten der Lüste Philippe Quesne / Vivarium Studio 27.9. und 28.9.2024

342

Many Ones Tania Bruguera September 2024

344

Blätterwirbel Spezial 8.5., 26.6. und 2.10.2024

346

Virus #3.6 – Twilight Zones Orgel Experimentell #3 Elisabeth Schimana / Ludwig Lusser / Andrii Pavlov / Black Page Orchestra 3.10.2024

348

Yo Bro Joana Tischkau 4.10. und 5.10.2024

350

Zusammen oder getrennt? God’s Entertainment 5.10. und 6.10.2024

360

Auf der Flucht Haus der Geschichte im Museum Niederösterreich 2.3.2024–2.2.2025

362

Tiere auf Wanderschaft Haus für Natur im Museum Niederösterreich 23.3.2024–9.2.2025

364

Von Steinen und Beinen / Zeitreise am Domplatz Stadtmuseum 3.5.2024 – Sommer 2025

366

Reopening Museumssammlung / Schädelkult & Stiftstumult Museum am Dom 9.5.–15.11.2024

368

Dinge bewegen Ehemalige Synagoge St. Pölten 16.5.–10.11.2024

370

Jewish Weekends Ehemalige Synagoge St. Pölten 7.–9. und 14.–16.6.2024

372

Parque del Sol 2024 Solektiv 29.7.–4.8.2024

374

KinderKunstLabor ab 28.6.2024

376

Stadtbücherei ab Mai 2024

380 384 386 412 414 416

Tickets Anreise Hauptstadtregion St. Pölten Team Spiel- und Ausstellungsorte Impressum

Kultur St. Pölten 2024 356

Kooperationen

358

Zimmer Frei! Haus der Geschichte im Museum Niederösterreich 23.9.2023–2.2.2025

007


Drei Fragen an die Landes- und Stadtpolitik 3 Fragen an Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner und Bürgermeister Matthias Stadler

Das Land NÖ und die Stadt St. Pölten sind für die Realisierung der Tangente St. Pölten erstmals eine gemeinsame Kooperation in dieser Dimension eingegangen. Was erhoffen Sie sich von dieser Kooperation für das Land Niederösterreich beziehungsweise die Stadt St. Pölten? Johanna Mikl-Leitner

Die gemeinsame Initiative zeigt das vereinte Bestreben von Stadt und Land, nachhaltige Impulse für die Weiter­ entwicklung der Hauptstadtregion zu setzen. Unser erklärtes Ziel ist die Stärkung der gesamten Region, die zen­ tral in Niederösterreich liegt und die daher eine besondere Bedeutung hinsichtlich der Entwicklung von Wirtschaft, Digitalisierung, Ökologie, Bildung und Kultur hat. Wir alle erleben derzeit vielfältige Herausforderungen und globale Krisen auf vielen Ebenen. Umso wichtiger ist es, dass das gesamte Land Niederösterreich gemeinsam und zukunftsorientiert agiert. 008


Matthias Stadler

Kulturell wie touristisch werden das Land Niederösterreich und seine Hauptstadt noch enger zusammenwachsen. Eine langfristige und tragfähige Weiterentwicklung St. Pöl­ tens zur vollwertigen Landeshauptstadt für alle Nieder­ österreicher:innen braucht eben auch ein gemeinsames Vorgehen im Bereich Kunst und Kultur. Als jüngste Landeshauptstadt werden wir uns ganz bewusst als weltoffen und zukunftsorientiert, lebendig und vielfältig, nahbar und zeitgenössisch präsentieren. St. Pölten ist eine lebens­ werte Stadt, die kulturell viel zu bieten hat und nächstes Jahr überraschen möchte. Frau Landeshauptfrau Mikl-Leitner, die Tangente St. Pölten ist eines der Aushängeschilder für die verschiedenen kulturellen Aktivitäten im nächsten Jahr, die unter Kultur St. Pölten 2024 zusammengefasst sind. Welche Ziele verfolgt das Land damit? Wir wollen die Menschen mit Kultur inspirieren und Kunst in allen Facetten darbieten, deshalb setzen wir zahlreiche Aktivitäten auf mehreren Ebenen: Mit neuen Kulturinstitutionen wie dem KinderKunst­ Labor oder der ehemaligen Synagoge, die renoviert wird und mit der wir die jüdische Geschichte in den Vordergrund rücken. Mit Sonderausstellungen etwa im Stadtmuseum, großen Kulturereignissen auf dem Domplatz sowie mit der neuen Museumscard. Damit setzen wir Signale für eine kulturell hochaktive Landeshauptstadt, die weit über die Grenzen hinauswirken soll. Kultur ist der Motor der Gesellschaft, Kultur unterstützt die Bildung und die persönliche und gesellschaftliche Weiterentwicklung. Und in dieser Verantwortung wenden wir uns an ein breites Publikum, und zwar aus Nah und Fern. Herr Bürgermeister Stadler, die Tangente St. Pölten befasst sich mit Gegenwartskultur und behandelt insbesondere die Themen Ökologie, Erinnerung und Demokratie. Warum sind diese Themen wichtig? 009

Drei Fragen


Es sind genau die Themen, die uns als Individuen wie als Gesellschaft aktuell beschäftigen und die eng miteinander verknüpft sind. Mir ist es wichtig, gerade nach der Pandemie wieder intensiv in Dialog mit den Menschen zu treten und das Festival bietet dafür einen sehr guten Rahmen. Viele Programme werden zur Partizipation einladen – dass Menschen teilhaben und mitwirken können an gesellschaftlichen Prozessen, erachte ich als zentral. Ebenso muss die Freie Szene von der Einbindung in das Gesamt­ projekt nachhaltig profitieren können. Und die Tangente St. Pölten kooperiert mit dem KinderKunstLabor, mit dem wir europaweit ein einzigartiges neues Haus schaffen, das Kinder mit Kunst und Kultur in Berührung bringt. Was sind Ihre Wünsche für das Festival Tangente St. Pölten? Johanna Mikl-Leitner

Mir sind Kunst und Kultur ein Herzensanliegen. Ich wünsche mir, dass das Festival die Gäste in St. Pölten und darüber hinaus begeistern kann und diese die Region auf neue Art und Weise kennenlernen. Und dass durch lokale, nationale und internationale Kooperationen ein nachhal­ tiger und wertvoller Impuls für St. Pölten und das Land Niederösterreich entsteht. Matthias Stadler

Unser gemeinsames Ziel ist es, die Stadt auf neue Art und Weise auch international sichtbar zu machen. Es soll Besucher:innen wie auch den St. Pölt­ ner:innen neue Perspektiven bieten und Unerwartetes entdecken lassen. Das Festival möchte mit den Programmen möglichst viele Bevölkerungsgruppen „tangieren“ und neue Verbindungen entstehen lassen. Ich freue mich auf einen reichhaltigen Austausch zwischen internationalen Künstler:innen und den regionalen Kunst- und Kulturschaffenden, der das Profil St. Pöltens nachhaltig schärft. Das Fes­ tival soll den Menschen einfach „Lust auf mehr“ machen. 010


Foto: Peter Rauchecker

3 Questions for Governor Johanna Mikl-Leitner and Mayor Matthias Stadler The federal state of Lower Austria and the city of St. Pölten have entered into a joint cooperation for the first time for the realisation of Tangente St. Pölten. What do you expect from this cooperation for Lower Austria? Johanna Mikl-Leitner The joint initiative shows the united efforts of the city and the federal state to generate sustainable stimuli for the further development of the capital region. Our declared goal is to strengthen the entire area, which is centrally located in Lower Austria and therefore has a special significance with regard to the developments in economy, digitalisation, ecology, education and culture. We are all currently experiencing diverse challenges and global crises on many levels. It is therefore all the more important that the entire province of Lower Austria acts jointly and in a forward-looking manner.

011

Drei Fragen


Matthias Stadler Culturally and in terms of tourism, the federal state of Lower Austria and its capital will grow even closer together. A long-term and sustainable development of St. Pölten into a fully-fledged provincial capital for all Lower Austrian citizens also requires a joint approach in the field of art and culture. As the youngest provincial capital, we will consciously present ourselves as cosmopolitan and future-oriented, lively and diverse, approachable and contemporary. St. Pölten is a vibrant city that has a lot to offer culturally and intends to surprise us next year. Governor Mikl-Leitner, the Tangente St. Pölten is one of the flagship events for the various cultural activities next year, which are grouped under Kultur St. Pölten 2024. What goals is Lower Austria striving for? We want to inspire people with culture and present art in all its facets, so we are launching numerous activities on several levels: With new cultural institutions such as the KinderKunstLabor or the former synagogue, which is being renovated and with which we are bringing Jewish history to the fore. With special exhibitions, for example in the Stadtmuseum, major cultural events on the Domplatz and with the new museum card. In this way, we are providing signals for a culturally highly active state capital that will have an impact far beyond its borders. Culture is the engine of society, culture supports education and personal and social development. And with this responsibility, we address a broad audience, from near and afar. Mayor Stadler, Tangente St. Pölten is concerned with contemporary culture and deals in particular with the themes of ecology, memory and democracy. Why are these themes important? They are precisely the topics that currently occupy us as in­ dividuals and as a society and they are closely interlinked. It is important to me, especially after the pandemic, to enter into intensive dialogue with people again and the festival offers a very good framework for this. Many programmes will invite participation – I consider it central that people can participate and contribute in social processes. Likewise, the independent scene must be able to profit sustainably from the integration into the overall project. And Tangente St. Pölten is cooperating with the KinderKunstLabor, with which we are creating a unique new venue in Europe that brings children into contact with art and culture.

012


What are your wishes for the festival Tangente St. Pölten? Johanna Mikl-Leitner Art and culture are dear to my heart. I wish that the festival can inspire guests in St. Pölten and beyond and that they get to know the region in a new way. And that through local, nation­ al and international cooperation a sustainable and valuable stimulus is created for St. Pölten and the federal state of Lower Austria. Matthias Stadler Our common goal is to make the city visible in a new way, especially internationally. It should offer visitors and the people of St. Pölten new perspectives and al­ low them to discover the unexpected. With its programming, the festival wants to “touch” as many sections of the population as possible and create new connections. I am looking forward to a rich exchange between international and regional artists and cul­ tural workers, which will sharpen the profile of St. Pölten in a lasting manner. The festival should simply make people want more.

013

Drei Fragen


Vorwort Tarun Kade, kuratorischer Leiter, für das Team der Tangente St. Pölten – Festival für Gegenwartskultur

Ich arbeitete zu diesem Zeitpunkt gerade einmal etwas mehr als zwei Monate für das Festival. Christoph Gurk, bis kurz zuvor künstlerischer Leiter der Tangente und langjähriger Kollege an den Münchner Kammerspielen, hatte mich nach St. Pölten geholt. Nun hatte seine Mitwirkung bei diesem Projekt geendet und ich hatte die aufregende, verantwortungsvolle und auch ziemlich fordernde Auf­ gabe übernommen, das von ihm und seinem Team entworfene Konzept und Programm weiterzuentwickeln und zusammenzuführen. 014

Foto: Katie-Aileen Dempsey

Es war ein Tag im Juli 2023 am ehemaligen Glanzstoff-Gelände in St. Pölten, der mir ein Gefühl dafür gab, was die Tangente wirklich zu einem Festival für Gegenwarts­ kultur machen könnte.


In dieser Woche stand die zweite Ausgabe des Som­ merprogramms der Tangente Stadtprojekte an. Die Stadtprojekte sind so etwas wie das Herz des Festivals. Mit dem Ziel, nachhaltige Verbindungen zu stiften, arbeiten die Kurator:innen Magdalena Chowaniec, Muhammet Ali Baş und Andi Fränzl seit über zwei Jahren an der Verknüpfung der Tangente mit der Stadt. Dafür veranstalten sie Gesprächsformate wie den „Kulturdialog“ oder Aktionen, Versammlungen, Essen und Kunst im Rahmen der Reihe „Neue Freundschaften“. Das Sommerpro­ gramm war so eine Initiative der „Neuen Freundschaften“. Für eine Woche wurde „Die Villa“, die ursprünglich Wohnstätte des Bruders des GlanzstoffFirmengründers gewesen war, zum Stadtteil­ kulturzentrum erklärt. Es gab dort zum Beispiel ein Mosaikatelier für Familien, Hip-Hop-Workshops und auch ein Grillfest mit Karaoke. Alles bei freiem Eintritt. Am Tag des Grillfests war der Berliner Künstler Markus Selg zu Gast in St. Pölten, um die orts­ spezifische Installation „Wasteland“ vorzubereiten, die er, so hoffte ich, gemeinsam mit der Regisseurin Susanne Kennedy im Sommer 2024 auf der Brache hinter der ehemaligen Glanzstoff-Fabrik verwirklichen würde. Früher hatte sich hier die Spinnerei befunden, Selg und Kennedy nannten sie den Tempel. Mit Hilfe einer Augmented-RealityApp ließ der Künstler ein Wesen, das er mit Mitteln künstlicher Intelligenz aus den Samen einer auf dem Glanzstoff-Gelände wachsenden Magnolienfrucht entwickelt hatte, durch den „Tempel“ fliegen. Auf dem Smartphone-Bildschirm erweiterte sich vor meinen Augen die Realität der In­ dustrieruine um Naturphänomene und virtuelle Welten. In der Überlagerung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, von virtueller und physischer Realität berühren die Arbeiten von Susanne Kennedy und Markus Selg die Festivalthemen Ökologie und Erinnerung auf überraschende Weise. 015

Vorwort


Es hatte wieder zu regnen begonnen. Hungrig liefen wir dort hinüber, wo Musik und Stimmen zu hören waren, zur Villa. Dort standen die Kurator:innen der Stadtprojekte zusammen mit einem Mann am Grill, der mir als „Markus, unsere helping hand“ vorgestellt wurde. Sie bereiteten Fleisch, Würstchen, Halloumi und Gemüse für die warten­ de Schlange von Kindern, Eltern, Künstler:innen und Teammitgliedern zu. Im Hof spielten Kinder Fußball oder malten mit Kreide Bilder auf den Boden. Bis vor einigen Jahren war die Villa, die St. Pöltener:innen wissen das, eine Gaststätte mit Biergarten gewesen. Markus erzählte, dass er hier vor über fünf Jahren seine Hochzeit gefeiert hatte. Nun war er gerne an den Ort dieser für ihn so wichtigen Erinnerung zurückgekehrt, um zum Gelingen des Sommerprogramms beizutragen. Ich setzte mich zu einer Gruppe von Leuten an einer Bierbank unter der beeindruckenden alten Rotbuche und begann zu essen. Es war zu schmecken, dass die Kurator:innen ihre zentrale Exper­ tise weniger in der Zubereitung von Grillgut für größere Gruppen hatten, sondern vor allem in der Herstellung sozialer Situationen. In so einer befand ich mich offensichtlich gerade. Neben mir saß die Künstlerin Tuğba Şimşek, die gerade das Mosaikatelier für Familien mit Kindern geleitet hatte. Sie fragte Markus Selg nach seiner Praxis („immersive Theater- und Medienkunst“), den Kontexten, in der er an­ sonsten seine Arbeiten zeigt („gemeinsam mit Susanne Kennedy zuletzt vor allem Volksbühne Berlin, Wiener Fest­ wochen, Festival d’Avignon“), den Themen seiner Arbeit („neue Rituale, virtuelle Realität, Natur als Bühne“). Ich stellte Tuğba Şimşek Fragen zu ihrer Arbeit. Şimşek erzählte von ihrer Ausstellung „Ramba Zamba“ im Kunstver­ ein Grafschaft Bentheim, bei der sie farbige Kreide ausgelegt hatte und die Besucher:innen die Wände des Ausstellungsraums mitgestalten konnten. Dass sie seit dem 19. Februar 2020, dem Tag des rassistisch motivierten An­ schlags in Hanau, bei dem ein Mann neun Menschen ermordet hatte, den Entstehungszeitpunkt jeder ihrer Arbeiten mit Kreide dokumentiert, recherchierte ich an einem anderen Tag im Internet. 016


Später, als es wie aus Kübeln zu schütten begonnen hatte, wurde in der Villa Karaoke gesungen. Popsongs auf Türkisch, Deutsch, Persisch, Arabisch und Englisch. ‫برای توی کوچه رقصیدن‬ ‫برای ترسیدن به وقت بوسیدن‬ ‫برای خواهرم خواهرت خواهرامون‬ „Zum Tanzen in den Gassen / Aus Angst beim Küssen / Für meine Schwester, deine Schwester, unsere Schwestern.“ Ich holte mir einen Regenschirm von unserer Produktionsleiterin Anna Sonntag, schaute nach Markus Selg, der inzwischen wieder in seinen „Tempel“ abgewandert war, und wir stiegen in ein Taxi. Wenige Tage später war die Produktion „Wasteland“ fixiert. An diesem Tag am Gelände der „Glanzstoff“ wurde die Tangente für mich sicht-, spür- und greifbar – im Aufeinandertreffen von Menschen unterschiedlicher sozialer und kultureller Hintergründe, die durch Kunst und Kultur zu­ sammenkom­men und sich damit beschäftigen, was ­unser Zusammenlebens gegenwärtig bestimmt. So wie es Markus Weidmann-Krieger, Martha Keil und Boriana Karapanteva-Strasser tun, beschrieben in den Porträts, die die Journalistin Solmaz Khorsand für dieses Programmbuch verfasst hat. Als Landschaftsgestalter im Sonnenpark, als Direktorin des Instituts für jüdische Geschichte Österreichs und als Lehrerin im Schulzentrum Eybnerstraße gestalten sie Umwelt, Erinnerungskultur und demokratisches Zusammenleben in St. Pölten mit. Nicht nur im Rahmen eines Festivals, sondern im Zentrum ihrer Biografien. In den vier großen Fotostrecken in diesem Buch bilden sich weitere Perspektiven auf die Inhalte der Tangente ab. Es geht um Weltpolitik und lokale Mikrokosmen, es geht um Grassroots-Initiativen und Großkonzerne, es geht um Musik, Theater, Diskurs und Communitys, es geht um Geschichte, Gegenwart und Zukunft, es geht um St. Pölten, Österreich und die Welt. Es geht ums Ganze. 017

Vorwort


Denn, dass in Europa wieder Kriege geführt werden, dass Naturkata­ strophen zahllose Menschen aus ihren Heimaten treiben, dass rechtsnationale Parteien die ökonomischen und ökologischen Ängste der Menschen in den Dienst von menschenverachtenden Ideologien zu stellen versuchen – damit sind wir jeden Tag aufs Neue beschäftigt. Debatten um Migration, um Klimaschutz und Demokratie polarisieren die Gesellschaften. In Österreich und der Welt. Die Tangente ist ein Festival, das sich der Gegenwart ver­ schrieben hat. Die Gegenwart ist die „Tipping Time“, in der es gilt, die Zukunft zu gestalten. Die Tangente beschäf­ tigt die Frage, wie wir in dieser Gegenwart Spielräume des Handelns und Gestaltens wiedergewinnen können. Und sie ist selbst ein Versuch, das auch zu tun. Es hätte sie ohne die große gemeinsame Kraftanstrengung vieler Bürger:innen der Stadt St. Pölten für die Bewerbung zur Kulturhauptstadt Europas 2024 nie gegeben und sie ist deshalb auch ein Festival für und in Zusammenarbeit mit vielen St. Pöltner Menschen, Institutionen und Geschichten.

Foto: Katie-Aileen Dempsey

Mein Dank gilt dem künstlerischen Beirat, Bettina Masuch, Constanze Eiselt vom Festspielhaus St. Pölten und Marie Rötzer vom Landestheater Niederösterreich, für die institutionsübergreifende Mitgestaltung. Mein Dank gilt

018


Roland Risy und Thomas Pulle vom Stadtmuseum und allen lokalen Kooperationspartner:innen. Mein Dank gilt Christoph Gurk, der als künstlerischer Leiter die Tangente entwickelt und geformt hat. Und natürlich dem gesamten Team der Tangente St. Pölten. Ich freue mich auf den von Joanna Warsza mit Lorena Moreno Vera kuratierten Kunstparcours „The Way of the Water“. Über 20 Künstler:innen aus aller Welt erarbeiten neue Werke in Zusammenarbeit mit St. Pöltner Gewässern, der Traisen und dem Mühlbach. „The Way of the Water“ ist den ganzen Festivalzeitraum über kostenfrei zugänglich. So wie alle bildende Kunst, die die Tangente initiiert, im öffentlichen Raum frei zugänglich ist. Die skulpturalen Inter­ ventionen am Domplatz von Christian Philipp Müller und Mariana Castillo Deball ebenso wie die partizipative „Stadt-Galerie“ in Leerständen und Schaukästen. Ich freue mich auf spektakuläre Koproduktionen im Festspielhaus, etwa die Oper „JUSTICE“ von Milo Rau, Hèctor Parra und Fiston Mwanza Mujila mit dem Tonkünstler-Orchester, Philippe Quesnes beim Festival d’Avignon, bei der Ruhrtriennale und in Athen gefeierte Arbeit „Der Garten der Lüste“ und neue Inszenierungen der Tanzerneuer:innen Crystal Pite, Jeremy Nedd und Kyle Abraham. Ich freue mich auf die im Landestheater St. Pölten entwickelten internationalen Koproduktionen mit dem nieder­ ländischen Kollektiv Wunderbaum und dem iranischen Regisseur Amir Reza Koohestani ebenso wie auf die Gast­ spiele der polnischen Regisseurin Marta Górnicka und der Argentinierin Lola Arias. Ich freue mich auf ungewohnte Perspektiven beim Theater zwischen Wald und Wiese „Shared Landscapes“ sowie beim Kinderstück „Super Farm“ von Saeborg und der Wrestlingshow „Kampf um die Stadt“ in der Jahnturnhalle. Ich bin gespannt auf Tangente Neuproduktionen wie „X-Erinnerungen“, „Nichts als Schule“ von Anita Lackenberger oder Tania Brugueras „Many Ones“. 019

Vorwort


Ich will meinen Horizont erweitern bei der Klimakonferenz „Tipping Time“ in Kooperation mit GLOBART und Solektiv im Sonnenpark, bei der Erinnerungskonferenz „Erinnerungsbedarf“ in Zusammenarbeit mit dem Institut für jüdische Geschichte Österreichs und der Coalition for Pluralistic Public Discourse und bei der Jugendkundgebung „Listen Now“ mit vielen lokalen und überregionalen Bündnissen, Initiativen, Vereinen aus der Jugendarbeit und vor allem mit Jugendlichen. Ich freue mich, in der Reihe „Orgel Experimentell“ von Kali Malone, John Zorn und Elisabeth Schimana sowie bei den Musikminifestivals „Alien Disko“, „StadtLandFluss“ und „Working Class“ überrascht zu werden. Ich werde mich mitreißen lassen von den großen Konzerten am Domplatz. Ich hoffe, Sie machen mit bei unserer kritischen Redaktion KREDO, bei Teresa Distelbergers Dialogspiel „about home“, unserem „Songwriting Call“ (musik.stp), bei der „Visionale“ oder beim Frauen*-Tanzprojekt. Ich freu mich auf die Zusammenarbeit mit den lokalen Kooperationspartner:innen wie dem KinderKunstLabor, dem Festspielhaus, dem Landestheater, der Bühne im Hof, dem Stadtmuseum, Blätterwirbel, Cinema Paradiso oder dem Freiraum. Ich freue mich auf all die kleineren und größeren Programmpunkte, die es nicht in dieses Buch geschafft haben, die immer aktuell unter tangente-st-poelten.at nachzulesen sind. Ich freue mich auf viele Gespräche bei Essen, Trinken und Musik im Festivalzentrum in der Linzer Straße, das vom Architekturkollektiv Biennale Urbana (BUrb) in Zusammenarbeit mit lokalen und internationalen Partner:innen gestaltet wird. Ich freue mich, mit Ihnen den Fährten zu folgen, die die Kunst uns legen wird. Auf die kurzen gemeinsamen Augenblicke der Freude und die lang nachklingenden Irritationen des Augenblicks! 020


It was a day in July 2023 at the former Glanzstoff site in St. Pölten that gave me a sense of what could really make Tangente a festival for contemporary culture. I had been working for the festival for just over two months at that point. Christoph Gurk, until shortly before artistic director of the Tangente and a long-time colleague at the Kammerspiele in Munich, had brought me to St. Pölten. Now his involvement in this project had come to an end and I had taken on the exciting, responsible and also quite demanding task of further developing and bringing together the concept and pro­ gramme designed by him and his team. This week the second edition of the Tangente Stadtpro­ jekte (city projects) summer programme was coming up. The Stadtprojekte are something like the heart of the festival. With the aim of creating sustainable connections, the curators Magdalena Chowaniec, Muhammet Ali Baş and Andi Fränzl have been working on connecting Tangente with the city for over two years. To this end, they organise discussion formats such as the “Kulturdialog” (cultural dialogue) or events, gatherings, food and art as part of the series “Neue Freundschaften” (new friend­ ships). The summer programme was one such initiative of “Neue Freundschaften”. For one week, “The Villa”, which had originally been the home of the brother of the Glanzstoff company founder, was declared a cultural centre for the district. For example, there were a mosaic workshop for families, hip-hop workshops and a barbecue with karaoke. Everything free of charge. On the day of the barbecue, the Berlin artist Markus Selg was a guest in St. Pölten to prepare the site-specific installation “Wasteland”, which I hoped he would realise together with the director Susanne Kennedy in the summer of 2024 on the derelict land behind the former Glanzstoff factory. In the past, the spinning mill had been located here, Selg and Kennedy called it the “temple”. With the help of an augmented reality app, the artist had a creature fly through the “temple” that he had developed from the seeds of a magnolia fruit growing on the Glanzstoff site using artificial intelligence. On the smartphone screen, the reality of the industrial ruin expanded before my eyes to include natural phenomena and vir­ tual worlds. Through this superimposition of past, present and future, of virtual and physical reality the works by Susanne Kennedy and Markus Selg touch on the festival themes of ecology and memory in a surprising way.

021

Vorwort


It had started to rain again. Hungry, we walked over to where music and voices could be heard, to the Villa. There, the curators of the city projects, together with a man introduced to me as “Markus, our helping hand”, were at the grill preparing meat, sausages, halloumi and vegetables for the waiting queue of children, parents, artists and team members. In the courtyard, children played football or drew pictures with chalk on the ground. Until a few years ago, the Villa was – as the people of St. Pölten know – a pub with a beer garden. Markus told us that over five years ago he had celebrated his wedding here. Now he was happy to return to the place of this memory, which was so important to him, to help make the summer programme a success. I sat down with a group of people at a beer bench under the impressively old copper beech tree and began to eat. You could taste that the curators’ central expertise was not so much in preparing barbecue food for larger groups, but mainly in creating social situations. I was obviously in one of those at the moment.

Foto:Markus Selg

Next to me sat the artist Tuğba Şimşek, who had just led the mosaic studio for families with children. She asked Markus Selg about his practice (“immersive theatre and media art”), the contexts in which he otherwise shows his work (“together with Susanne Kennedy lately mainly Volksbühne Berlin, Wiener Festwochen, Festival d’Avignon”), the themes of his work (“new rituals, virtual reality, nature as stage”). I asked Tuğba Şimşek questions about her work. Şimşek told me about her exhibition “Ramba Zamba” at Kunstverein Grafschaft Bentheim, where she had laid out coloured chalk and the visitors could help design the walls of the exhibition space. Another day, I researched on the internet that she has been documenting the time of creation of each of her works with chalk since February 19th, 2020, the day of the racially motivated attack in Hanau, where a man murdered nine people. Later, when the rain had started coming down in buckets, there was karaoke in the Villa. Pop songs in Turkish, German, Persian, Arabic and English.

022


‫برای توی کوچه رقصیدن‬ ‫برای ترسیدن به وقت بوسیدن‬ ‫برای خواهرم خواهرت خواهرامون‬ “To dance in the alleys / For fear when kissing / For my sister, your sister, our sisters.” I got an umbrella from our production manager Anna Sonntag, checked on Markus Selg, who had by now wandered off to his “temple” again, and we got into a taxi. A few days later, the production “Wasteland” was confirmed. On that day at the “Glanzstoff”, Tangente became visible, tangible and palpable for me – in the encounter of people from different social and cultural backgrounds who come together through art and culture to engage with the conditions of our communal life. As Markus Weidmann-Krieger, Martha Keil and Boriana Karapanteva-Strasser do, told in the portraits that journalist Solmaz Khorsand has written for this programme book. As a landscaper in the Sonnenpark, as the director of the Institute for Jewish History in Austria and as a teacher in the Eybnerstraße school centre, they help shape the environment, cul­ ture of remembrance and democratic coexistence in St. Pölten. Not only in the context of a festival, but as the centre of their biographies. In the four large photo series in this book, further perspectives on the contents of the Tangente are presented. It’s about global politics and local microcosms, it’s about grass-roots initiatives and large corporations, it’s about music, theatre, dis­ course and communities, it’s about history, present and future, it’s about St. Pölten, Austria and the world. It is about the entire picture. After all, that wars are being waged again in Europe, that natural disasters are driving countless people from their homes, that right-wing nationalist parties are trying to bring people’s economic and ecological fears into the service of inhuman ideologies – these are the things we deal with anew every day. Debates about migration, climate protection and democracy polarise societies. In Austria and the world. Tangente is a festival dedicated to the present. The present is the “Tipping Time” when it is important to shape the future. Tangente is concerned with the question of how we can regain leeway for acting and shaping in this present. And it is itself

023

Vorwort


an attempt to do exactly that. It would never have existed without the great joint effort of many citizens of the city of St. Pölten for the application for the European Capital of Culture 2024 and is therefore also a festival for and in cooperation with many people, institutions and stories of St. Pölten. My thanks go to the artistic advisory board, Bettina Masuch, Constanze Eiselt from the Festspielhaus St. Pölten and Marie Rötzer from the Landestheater Niederösterreich, for the cross-institutional co-creation. My thanks go to Roland Risy and Thomas Pulle of the Stadtmuseum and all local cooperation partners. My thanks go to Christoph Gurk, who as artistic director has developed and shaped Tangente. And of course to the entire Tangente St. Pölten team. I am looking forward to the art parcours “The Way of the Water” curated by Joanna Warsza with Lorena Moreno Vera. More than 20 artists from all over the world are creating new works in collaboration with St. Pölten’s water bodies, the Traisen and the Mühlbach. “The Way of the Water” is open to the public free of charge throughout the entire festival. Just as all fine art initiated by Tangente is freely accessible in public space. The sculp­ tural interventions on Domplatz by Christian Philipp Müller and Mariana Castillo Deball as well as the partici­ patory “Stadt-Galerie” (city gallery) in vacant lots and showcases. I am looking forward to spectacular co-productions at the Festspielhaus such as the opera “JUSTICE” by Milo Rau, Hèctor Parra and Fiston Mwanza Mujila with the Tonkünstler orchestra, Philippe Quesne’s work “Der Garten der Lüste” (the garden of delights) which was ­celebrated at the Festival d’Avignon, the Ruhrtriennale and in Athens, as well as new productions by dance innovators Crystal Pite, Jeremy Nedd and Kyle Abraham. I am looking forward to the international co-productions developed at the Landestheater St. Pölten with the Dutch collective Wunderbaum and the Iranian director Amir Reza Koohestani as well as the guest perfor­ mances by the Polish director Marta Górnicka and the Argentinean Lola Arias. I am looking forward to seeing unfamiliar perspectives at the theatre for forests and meadows “Shared Landscapes”, the children’s play “Super Farm” by Saeborg at the Jahnturnhalle and the wrestling show “Kampf um die Stadt” (battle for the city) at the same venue.

024


I am excited about new Tangente productions like “X-Erinner­ ungen”, “Nichts als Schule” (nothing but school) by Anita Lackenberger or Tania Bruguera’s “Many Ones”. I want to broaden my horizon at the climate conference “Tipping Time” in cooperation with GLOBART and Solektiv in the Sonnenpark, at the remembrance conference “Erinnerungsbedarf” in cooperation with the Institute for Jewish History of Austria and the Coalition for Pluralistic Public Discourse and at the youth rally “Listen Now” with many local and supra-regional alliances, initiatives, associations from the field of youth work and above all with young people. I am looking forward to being surprised in the series “Orgel Experimentell” (organ experimental) by Kali Malone, John Zorn and Elisabeth Schimana as well as at the music mini festivals “Alien Disko”, “StadtLandFluss” (Categories) and “Working Class”. I will let myself be carried away by the great concerts at Domplatz. I hope you will join our critical editorial team KREDO, Teresa Distelberger’s dialogue play “about home”, our “Songwriting Call” (musik.stp), the “Visionale” or the women*’s dance project. I am happy to work with local cooperation partners such as KinderKunstLabor, Bühne im Hof, Stadtmuseum, KulturhauptSTART, Blätterwirbel or Freiraum. I look forward to all the smaller and larger programme items that have not made it into this book. Information about them is always available up to date at tangente-st-poelten.at. I look forward to many talks over food, drinks and music in the Festivalzentrum on Linzer Straße, that is being created by the architecture collective Biennale Urbana (BUrb) in collaboration with local and international partners. I look forward to follow with you along the tracks that art will lay out for us. To the short moments of joy we share and to the long-lasting irritations of the moment! Tarun Kade, curatorial director, for the team of Tangente St. Pölten – Festival for Contemporary Culture

025

Vorwort


026


Laufende Projekte Continuous Projects

027


028


029


030


031


032


033


034


035


036


037


038


039


040


041


042


043


044


045


046


047


048


049


050


051


052


053


054


055


056


057


058


059


Bildcredits / Image Credits 028 „The Flying Circus“, Biennale Urbana (BUrb) © Giulia Mazzorin / BUrb

035 EU-Beitritt Österreichs, 1995 043 Neue Freundschaften: „It’s / Austria joins the EU, 1995 a Date: Community Cook© Erwin Schuh / ing“ / Tangente Sunset picturedesk.com Dinner, FH St. Pölten, 2023 030 „Museum Niederösterreich“, © JD Photography / Stadtporträt St. Pölten 036 Schulprojekte: „Wir maJasmina Džanić / “Museum Lower Austria” chen‘s anders! Ideen für die city portrait St. Pölten Zukunft.“ Mariella Schloss- 044 Aus der Serie „Meine Lieder © Erli Grünzweil nagl mit Schüler:innen der – Meine Träume“, 2016 ASO Nord“, 2023 / From the series “My 031 Firma Voith, Welle mit Lauf/ School projects: We’re Songs – My Dreams”, 2016 rädern, Laufraddurchmesdoing it it differently! Ideas © Anna Aicher ser ca. 180 cm, St. Pölten, for the future. Mariella ca. 1930 Schlossnagl with students 045 Eröffnung „Ein Bad für Flo/ Voith factory, shaft with from ASO Nord, 2023 rian“ von Christian Philipp impeller, diameter of impeller © JD Photography / Müller, Domplatz St. Pölten, ca. 180 cm, St. Pölten, Jasmina Džanić 2023 ca. 1930 / Opening “A Bath for Flo­ © Voith / Stadtarchiv via 037 Plakat David-Bowie-Konrian” by Christian Philipp Topothek St. Pölten zert auf dem Domplatz in Müller, Domplatz St. Pölten, St. Pölten, 1996 2023 032 „Grabungen am Domplatz“, / Poster for the David © Peter Rauchecker Stadtporträt St. Pölten Bowie concert on the / “Excavations on the Domplatz in St. Pölten, 1996 046 Freiwillige Feuerwehr St. Domplatz” city portrait © Werbung / Georgen, Landesfeuerwehr St. Pölten advertisement Leistungswettbewerbe in © Jürgen Völkl St. Pölten, 1955 038 „St. Pölten von oben“, / Volunteer fire brigade St. 033 Mariana Castillo Deball, Stadtporträt Georgen, federal fire briga„Papalote crocodilo piel de / St. Pölten from above, city de championship in St. Pöllos días“ (Krokodilhaut-Draportrait ten, 1955 chen der Tage), 2021, Per© René Weiss © Repro Anton Weber formance am Tempelhofer via Topothek St. Pölten Feld, Behind the Screen, 040 Regina Hügli, „Traisen She/ Klosterfelde Edition, Berlin Her“, Recherche und foto047 Neue Freundschaften: „It’s / Mariana Castillo Deball, grafische Beobachtungen a Date: Community Cook“Papalote crocodilo piel de zu Traisen und Mühlbach, ing“ / Tangente Sunset los días” (crocodile skin kite 2023 Dinner, FH St. Pölten, 2023 of the days), 2021, perfor/ Regina Hügli, “Traisen © JD Photography / mance on the Tempelhofer She/Her”, research and Jasmina Dzanic Feld, Behind the Screen, photographic observations Klosterfelde Edition, Berlin of Traisen and Mühlbach, 048 Stadtporträt St. Pölten © Manuel Raeder 2023 / City portrait St. Pölten © Regina Hügli © Jürgen Völkl 034 Schulprojekte: „Wir machen’s anders! Ideen für die 042 Autobahn-Pylon, Egger049 Katholikentag / Catholics’ Zukunft.“ Felix Röper mit Bierdose, St. Pölten Day, Domplatz St. Pölten, Schüler der ASO Nord, / Highway pylon, Egger 1958 2023 beer can, St. Pölten © Vinzenz Höfinger / / School projects: We’re © Patrick Salfinger Klaus Höfinger doing it it differently! Ideas for the future. Felix Röper with student of ASO Nord, 2023 © JD Photography / Jasmina Dzanic

060


050 Neue Freundschaften: Performance Nina Sandino, Blockparty, Kulturheim Nord, 2022 © Anna Netouschek 051 Jagdstrecke, Sankt Pölten, ca. 1970 / Hunting trip, Sankt Pölten, ca. 1970 © Rotheneder Johann / Sebor Heinz via Topothek St. Pölten 052 Flora und Martin SzurcsikNimmervoll, Langer Atem, Premierenausstellung KinderKunstLabor St. Pölten „Träume von Räumen“, 2023 © Mars + Blum

058 KinderKunstLabor, St. Pölten, 2023 / KinderKunstLabor, St. Pölten, 2023 © KinderKunstLabor / Max Kropitz 059 Eröffnung „Ein Bad für Florian“ von Christian Philipp Müller, Domplatz St. Pölten, 2023 / Opening “A Bath for Flo­ rian” by Christian Philipp Müller, Domplatz St. Pölten, 2023 © Peter Rauchecker

053 Regina Hügli, „Traisen She/ Her“, Recherche und fotografische Beobachtungen zu Traisen und Mühlbach, 2023 / Regina Hügli, “Traisen She/Her”, research and photographic observations of Traisen and Mühlbach, 2023 © Regina Hügli 054 Neue Freundschaften: „Frauen* Open Space“, Stadtmuseum St. Pölten, 2022 © Katie-Aileen Dempsey 055 „Working in progress – Debris of the history. Matter of memory“, Biennale Urbana (BUrb) © Andrea Curtoni / BUrb 056 Fahrzeugweihe, Freiwillige Feuerwehr St. Pölten, 1958 / Vehicle consecration, volunteer fire brigade St. Pölten, 1958 © Böck Johannes via Topothek St. Pölten

061

Bildcredits


Domplatz Der Domplatz ist mit rund 5.700 Quadratmetern der zweitgrößte Platz in der St. Pöltner Innenstadt. Im Vorfeld seiner Neugestaltung fanden zwischen 2010 und 2019 archäologische Untersuchungen statt, ergänzt durch klein­ flächige baubedingte Nachuntersuchungen in den Jahren 2020 bis 2023. Die Grabungen haben wichtige, teils sensationelle Erkenntnisse über die Epoche von der Römer­ zeit bis in die Frühe Neuzeit gebracht, die nicht nur für die St. Pöltner Stadtgeschichte, sondern für ganz Niederösterreich von Bedeutung sind und international Aufsehen erregen. Im Bereich der heutigen Innenstadt gründete nach derzeitigem Wissensstand Kaiser Hadrian kurz nach 120 u. Z. eine römische Stadt, das Municipium Aelium Cetium. Charakteristisch für eine römische Stadt war ihr regel­­ mäß­iges Straßenraster, das sich in St. Pölten zum Teil noch im modernen Stadtplan widerspiegelt. Der heutige Domplatz liegt im östlichen Teil der damaligen römischen Stadt. Bei den Grabungen kamen Reste der römischen Bebauung und zweier innerstädtischer Straßenzüge aus dem 2. und dem 3. Jahrhundert u. Z. zutage. Gegen Ende des 3. Jahrhunderts wurden die Bauten geschleift und durch einen mehrteiligen Gebäudekomplex ersetzt. Im Norden des Domplatzes hat man einen Rundbau mit individuellem Grundriss und Außenmaßen von ca. 16,5 mal 17 Metern zur Gänze freigelegt. Um einen zentralen Rundraum mit 5,6 Metern Durchmesser gruppieren sich im Norden drei mit Fußbodenheizung ausgestattete und mit Apsiden (halbrunden Nischen) versehene Räume; im Westen, Süden und Osten schließen unbeheizte, von einem weiteren konzentrischen Mauerring begrenzte Räume an. 062


Das Gebäude kann aufgrund der Lage, der beheizten, zum Teil mit Apsiden versehenen Räumlichkeiten, der Reste einer Kanalisation und des Ziegelsplitts im verwendeten Mörtel als Badegebäude bestimmt werden. Römische Badehäuser wiesen stets die gleiche Raumfolge auf: ein­ en unbeheizten Kaltbaderaum, einen Raum mit milder Temperatur, einen Heißbaderaum und schließlich (aber nicht immer) ein Schwitzbad. Die Temperatur entsprach vermutlich jener in einem türkischen Hammam und auch die Badeprozedur kann man sich ähnlich vorstellen. Rund 9 Meter südöstlich des Badegebäudes stieß man bei den Grabungen auf Teile eines Rechtecksaales mit halbrundem (apsidialem) Abschluss an der Nordseite, an den im Westen weitere Räumlichkeiten angeschlossen waren. Der Saal wies nach der ersten Bauphase eine innere Breite von 8,9 Metern auf; die Nord-Süd-Ausdehnung konnte nicht eruiert werden. In einer zweiten Bauphase wurde der Saal samt Apsiden massiv vergrößert, er hatte nun eine Dimension von ca. 18 mal 12 Metern. Sol­ che Säle, auch aulae genannt, dienten in erster Linie der Repräsentation. In der Südhälfte des Domplatzes wurden Reste eines Gebäudes freigelegt, das sich in Bauweise, Größe und Raumausstattung deutlich von zuvor in Aelium Cetium ausgegrabenen (Wohn-)Bauten unterschied und offenbar einen Trakt aus mindestens neun nebeneinanderliegenden Räumen bildete. Diese waren flächendeckend mit Fußbodenheizung versehen; einer der Räume wies im Westen einen apsidialen Abschluss auf. Östlich dürfte sich eine in Leichtbauweise errichtete Halle befunden haben. Ein im Stadtmuseum verwahrtes Foto von 1914, das die Baugrube vor Errichtung der Liegenschaft Herrenplatz 14 zeigt, deutet darauf hin, dass sich im Westen ein ähnlicher Gebäudetrakt befunden haben könnte. Alle beschriebenen Gebäude gehörten zu einer mindestens 5.300 Quadratmeter großen und frühestens Ende des 3. Jahrhunderts u. Z. errichteten Anlage. Individuell gestaltete Badegebäude und Aulen waren vor allem bei 063


Großvillen, palastähnlichen Anlagen und Kaiserresidenzen zu finden. Der Baukomplex kann als Verwaltungsanlage bezeichnet werden, genauer als Sitz des zivilen Statthalters der Provinz Noricum ripense. Der große Saal diente ihm ebenso wie das Badehaus, wo auch Gäste empfangen wurden, zur Repräsentation. Aelium Cetium erlebte ab dem späten 3. Jahrhundert eine Blütezeit, wie Um- und Neubauten im Bereich des heutigen Rathausplatzes und in anderen Stadtteilen belegen. In jener Zeit soll übrigens der Heilige Florian, ein pensionierter Kanzleivorstand, von Aelium Cetium nach Lauriacum (heute Enns) aufgebrochen sein, um dort christlichen Gefährten beizustehen, die unter Diokletian verfolgt wurden. Ende des 5. Jahrhunderts scheint Aelium Cetium dann verlassen worden zu sein. Erst mit der Gründung eines Klosters nach 800 – der Legende nach durch die Brüder Adalbert und Ottokar – beginnt die Wiederbesiedlung der ehemaligen, nun aus Ruinen bestehenden Römerstadt. Die Grabungen haben nicht nur Reste des mittelalterlichen Klosters zum Vorschein gebracht, sondern auch eine im 9. Jahrhundert unter Verwendung der Mauern des Badehauses errichtete Rundkirche – sie ist eine der ältesten in Niederösterreich. Im selben Jahrhundert wurde hier ein Friedhof angelegt. Somit ist am Domplatz der Nachweis des Beginns der mittelalterlichen Stadtwerdung gelungen. Um 1100 wurde die heutige Domkirche gebaut und für die Bevölkerung geöffnet. Die Klosterkirche – sie stand für die Bevölkerung nicht mehr zur Verfügung – bestand weiterhin. Im südlichen Bereich entstand eine zweigeschoßige Kapelle, deren Untergeschoß als Beinhaus diente, das Obergeschoß indes als Taufkapelle. Beide Sakralbauten wurden im Laufe des Mittelalters ausgebaut. Rund um die Gotteshäuser befand sich der im 9. Jahrhundert angelegte Stadtfriedhof, der ursprünglich das gesamte heutige Platzareal umfasste und bis auf Gebiete reichte, die nun bebaut sind. Hier hat man die Gebeine von 22.380 Individuen exhumiert, dokumentiert und 064


anthro­pologisch untersucht. Damit besitzt St. Pölten ein für die Forschung vieler Disziplinen unschätzbares Bioarchiv – ein Alleinstellungsmerkmal in Europa, wenn nicht sogar weltweit. Zwischen 1690 und 1692 wurde die Pfarrkirche abgeris­ sen, 1779 der Friedhof und 1784 die zweigeschossige Kapelle aufgelassen. So entstand aus dem ursprünglichen Kirchenzentrum ein Platz, der im Laufe des 19. Jahrhunderts eingeebnet wurde. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde der Markt vom Rathausplatz hierher verlegt. Dies ist eine gekürzte Fassung des Textes von Ronald Risy, der anlässlich der Eröffnung der skulpturalen Intervention „Ein Bad für Florian“ von Christian Philipp Müller am 30.9.2023 erschienen ist (s. S. 68).

The Domplatz is the second largest square in St. Pölten’s city centre and covers an area of around 5,700 square meters. In preparation for the redesign, archaeological investigations took place from 2010 to 2019, supple­ mented by small-scale follow-up investigations due to the construction work in the years 2020 to 2023. The excavations have yielded important, in part sensational findings about the epochs from Roman times to the early modern era, which are of great importance not only for the history of the city of St. Pölten, but for all of Lower Austria, and are attracting international attention. According to current knowledge, Emperor Hadrian founded a Roman city, the Municipium Aelium Cetium, in the area of today’s city centre shortly after 120 CE. A rectangular grid was characteristic for a Roman city, which can still be found in part in today’s city map of St. Pölten.

Today’s Domplatz is located in the eastern part of the former Roman city. During excavations, remains of Roman buildings and two inner-city streets from the 2nd and 3rd centuries CE were found. Towards the end of the 3rd century, the buildings were demolished and replaced by a multi-part building complex. In the north of the Domplatz, a circular building with a unique ground plan and external dimensions of approximately 16.5 by 17 meters was completely uncovered. Three rooms with underfloor heating and apses (semi-circular niches) are grouped around a central circular room with a diameter of 5.6 meters in the north; unheated rooms adjoin to the west, south and east and are bordered by another concentric ring of walls.

065


The building can be determined as a bathing building on the basis of its location, the heated rooms, some of which have apses, the remains of a sewage system and the brick chippings used in the mortar. Roman bathhouses always had the same sequence of rooms: an unheated cold bath room, a room with a mild temperature, a hot bath room and finally (but not always) a sweat bath. The temperature probably corresponded to that in a Turkish hammam and the bathing procedure was probably similar as well. About 9 meters south-east of the bath building, parts of a rectangular hall with a semi-circular (apsidal) end on the north side were found during the excavations, to which further rooms were connected in the west. After the first construction phase, the hall had an inner width of 8.9 meters; the north-south extension could not be determined. In a second construction phase, the hall including the apses was massively enlarged and now had a dimension of approximately 18 by 12 meters. Such halls, also called aulae, were primarily used for representation. In the southern half of the Domplatz, remains of a building were uncovered that differed significantly in construction, size and room furnishings from the (residential) buildings previously excavated in Aelium Cetium and apparently formed a tract of at least nine adjoining rooms. These were equipped with underfloor heating throughout, and one had an apsidal end to the west. To the east was probably a hall built as a lightweight construction. A photograph from 1914 preserved in the Stadtmuseum shows the excavation pit before the construction of the property at Herrenplatz 14 and suggests that a similar building wing may have been located to the west. All the buildings described belonged to a complex of at least 5,300 square meters, which was built at the earliest at the end of the 3rd century CE. Individually designed bath buildings and aulae were mainly found in large villas, palace complexes and imperial residences. The building complex can be described as an administrative complex, more precisely as the seat of the civil governor of the province Noricum ripense. The great hall and the bathhouse, where guests were also received, served for representational purposes. From the late 3rd century onwards, Aelium Cetium experienced a period of prosperity, to which the reconstructions and new buildings in the area of today’s town hall square and in other

066


parts of the city bear witness. Interestingly, at this time St. Florian, a retired chancery clerk, is said to have set off from Aelium Cetium to Lauriacum (today Enns) to assist his Christian companions there who were persecuted under Diocletian. At the end of the 5th century, however, Aelium Cetium seems to have been abandoned. Only with the founding of a monastery some­ time after 800 CE – according to legend by the brothers Adalbert and Ottokar – did the former Roman city, now in ruins, begin to be repopulated. During excavations, not only were remains of the me­ dieval monastery found, but also a round church, which was built in the 9th century from stones of the walls of the bathhouse – one of the oldest known churches in Lower Austria. A cemetery was also established here in the same century. Thus, evidence of the beginning of the medieval city’s development has been found at Domplatz. Around 1100 today’s Domkirche was built. The monastery church remained, but was closed to the public. A two-storey chapel was built in the southern area, the lower storey of which served as an ossuary, while the upper storey was used as a baptistery. Both sacral buildings were extended over the course of the Middle Ages. Around the churches was the town cemetery, which was laid out in the 9th century and originally covered the entire area of today’s square and in part extended below the current buildings. Here the bones of 22,380 individuals were excavated, documented and anthropologically examined. This gives St. Pölten a unique position in Europe, if not worldwide, and an invaluable bioarchive for research in many disciplines. Between 1690 and 1692 the parish church was demolished, in 1779 the cemetery and in 1784 the two-storey chapel were abandoned. Thus the original church centre became a square, which was levelled in the course of the 19th century. Towards the end of the 19th century, the market was moved here from the Rathausplatz. This is a shortened version of Ronald Risy’s article, released on the occasion of the opening of Christian Philipp Müller’s sculptural intervention “Ein Bad für Florian” (a bath for Florian) on 30.9.2023 (p. 68).

067


Skulptur / Intervention / Bildende Kunst

TangenteNeuproduktion

Christian Philipp Müller Ein Bad für Florian Am Domplatz in St. Pölten, dort, wo sich im 3. Jahrhundert u. Z. in der römischen Stadt Aelium Cetium der Palast des Statt­halters befand, genauer da, wo das Badehaus in diesem Palast platziert war, lässt Christian Philipp Müller das Unsichtbare, Vergangene, einst Dagewesene wieder gegenwärtig werden. Auf Einladung der Tangente St. Pölten geht er in seiner Arbeit „Ein Bad für Florian“ der St. Pöltner Stadtgeschichte auf den Grund, bringt verschüttete Elemente an die Oberfläche und verbindet Historisches mit Zeitgenössischem. Dabei hat er den einstigen römischen Beamten Florianus in den Fokus gerückt, der in späterer Zeit zum katholischen Heiligen Florian und zum Schutzpatron sowohl St. Pöltens als auch der Feuerwehr avancierte. Die performative Skulptur „Ein Bad für Florian“ besteht aus einer runden Plattform, die genau über dem eins­tigen Badehaus errichtet wurde und in deren Mitte sich eine runde Ausnehmung in der Größe des Beckens befindet. Zwölf Elemente sind auf der Scheibe angeordnet wie auf dem Ziffernblatt einer Uhr. Acht davon am Außenrand laden mit Sitzflächen zum Verweilen und Betrachten ein. Vier Obelisken am Innenrand markieren die Himmelsrichtungen und erinnern daran, dass St. Pölten als römische Stadt in einer Nord-Süd-Achse angelegt wurde. Der gläserne Obelisk, der den Norden markiert, beherbergt eine von Grödner Holzschnitzern angefertigte Florians-Figur. Ein von Müller orchestrierter Einweihungsfestzug feierte am 30.9.2023 mit Feuerwehren, Blaskapellen und Vereinen aus der Region Geschichte und Gegenwart der Stadt. Vom Künstler entworfene Plakate trugen die Intervention in den Stadtraum und darüber hinaus. Christian Philipp Müller ist ein Schweizer Konzeptkünstler. ­Neben zahllosen internationalen Ausstellungen hat Müller u. a. mehrfach an der Biennale in Venedig und der ­Documenta in Kassel teilgenommen. 068


Zeitraum ab 30.9.2023

On St. Pölten’s Domplatz, where the governor’s palace was located in the Roman city of Aelium Cetium in the 3rd century CE – or more precisely on the sight of the palace’s bathhouse – Christian Philipp Müller makes the invisible, the past, the gone present again. Invited by Tangente St. Pölten, he explores the history of St. Pölten in his work “Ein Bad für Florian” (a bath for Florian), bringing buried elements to the surface and combining the historical with the contemporary. He focuses on the former Roman official Florianus, who later became the Catholic Saint Florian and the patron saint of both St. Pölten and firefighters. The performative sculpture “Ein Bad für Florian” consists of a round plattform placed exactly above the former bathhouse, with a round recess the size of the basin in its centre. Twelve elements are arranged on the disc, as on the face of a clock. Eight seats on the edge invite visitors to linger and contemplate. Four obelisks on the inner edge mark the cardinal points reminding us that Roman cities, including St. Pölten, were aligned on the north-south axis. The glass obelisk, which marks the north, houses a figure of Florian made by wood carvers from Val Gardena. An inauguration procession orchestrated by Müller celebrated the town’s past and present on 30.9.2023 with fire departments, brass bands and clubs from the region. Posters designed by the artist carried the intervention into the urban space and beyond. Christian Philipp Müller is a Swiss conceptual artist. In addition to countless international exhibitions, Müller has participated several times at the Venice Biennale and the Documenta in Kassel.

Ort Domplatz Konzept, Choreographie Festzug, Entwurf Künstlerplakat Christian Philipp Müller Produktion Thomas Brandstätter, Tangente St. Pölten Herstellung Skulptur Tischlerei Krumböck GmbH Schnitzerei Holzschnitzerei Dolfi Grafik gebr.silvestri.nl Mit Unterstützung von pro helvetia.

069

Ein Bad für Florian

ab September 2023


Skulptur / Intervention / Bildende Kunst

TangenteNeuproduktion

Mariana Castillo Deball Though Dead, I Am Still Paper Die Geschichte besteht aus Schichten von Erde, Fleisch, Mauern und Wunden, die die Siege und Schicksale einer Gemeinschaft nachzeichnen. Es ist jedoch interessant zu sehen, was über die Zeit hinweg verdeckt bleibt und was ausgegraben wird. Die mexikanische Künstlerin Mariana Castillo Deball wird im Sommer 2024 ein künstlerisches Projekt für den Domplatz im Herzen von St. Pölten entwickeln. Der Domplatz gewann im Jahr 2010 zusätzlich an historischer Bedeutung als dort während archäologischer Ausgrabungen rund 22.000 menschliche Skelette am Areal des ehemaligen Stadtfriedhofs (Mitte des 11. Jahrhunderts – 1779) sowie mittelalterliche und römische Überreste der Gemeinde Aelium Cetium zum Vorschein kamen. Ausgehend von diesen Funden und den damit verbundenen Geschichten wird Castillo Deball die Komplexität der menschlichen Geschichte und Erinnerung erkunden. Um diese zu ergründen, recherchiert Castillo Deball in Bibliotheken und Archiven, zieht wissenschaftliche Expertise hinzu, bringt die komplexe Geschichte der Objekte ans Licht und schreibt sie künstlerisch weiter fort. Mariana Castillo Deballs künstlerisches Projekt auf dem St. Pöltener Domplatz wird die Verbindung zu den freigelegten Überresten vertiefen und dazu anregen, da­ rüber nachzudenken, was diese über kollektive Identität und die Erzählungen, die unser Geschichtsverständnis prägen, verraten. Es ist eine Einladung, über das fragile Gleichgewicht zwischen Bewahrung und Auslöschung nachzudenken. Die 1975 in Mexiko-Stadt geborene Mariana Castillo Deball lebt und arbeitet in Berlin. Ihr Schaffen wurde inter­ national ausgestellt, u. a. im MoMA in New York, bei der Documenta 13 in Kassel und der Biennale in Venedig, im Pariser Centre Georges Pompidou, im Londoner Institute of Contemporary Art sowie im MACBA in Barcelona. 070


History is made up of layers of earth, flesh, walls and wounds that trace the victories and destinies of a community. However, it is interesting to see what remains covered and what is excavated. In Summer 2024, the Mexican artist Mariana Castillo Deball will develop an artistic project for the Domplatz at the heart of St. Pölten. This area holds historical significance as in 2010, approximately 22,000 human remains from the former town cemetery (mid-11th century – 1779) were excavated along with medieval and Roman vestiges of the municipality of Aelium Cetium. Drawing inspiration from these archaeological findings and their juxtaposed stories, Castillo Deball will explore the complexities of human history and memory. To sound these out, Castillo Deball ­research­es in libraries and archives, consults scientific expertise; she brings the complex history of the objects to light and, in a sense, continues to write them in artistic form. Marianna Castillo Deball’s artistic project on St. Pölten’s Domplatz will deepen the connection to the exhumed remains and encourage reflection on what they reveal about collective identity and the narratives that shape our understanding of history. It is an invi­ta­ tion to reflect on the fragile balance between preservation and eradication. Born in Mexico City in 1975, Mariana Castillo Deball lives and works in Berlin. Her work has been exhibited internationally, including at MoMA in New York, Documenta 13 in Kassel, the Venice Biennale, Centre Georges Pompidou in Paris, London’s Institute of Contemporary Art and MACBA in Barcelona.

Eröffnung Sommer 2024 Ort Domplatz

071

Though Dead, I Am Still Paper

ab Sommer 2024


Film

Cinema Paradiso Film am Dom 17. Open-Air-Filmfestival

Film am Dom ist – nach 15 Jahren Pause – wieder da! Cinema Paradiso und die ­Tangente bringen den legendären gelben Kino-LKW zurück auf den Domplatz von St. Pölten. An vier Tagen erstrahlen auf der großen Leinwand direkt beim Dom außergewöhnliche Filme unter dem Sternenhimmel. Dazu gibt es ein Rahmenprogramm mit Kurzfilmen und Musik. Begonnen hat alles 1994 mit der Idee, das Filmwunder „Cinema Paradiso“ von Giuseppe Tornatore aus dem Jahr 1988 so vielen Menschen wie möglich zu zeigen. Das Open-Air-Kino war damals ein Novum und entwickelte sich zu einer der beliebtesten Kulturveranstaltungen Niederösterreichs. Tausende kamen auf den Domplatz, um sich von den Filmen verzaubern zu lassen. Weil die vorhandene Bestuhlung nie ausreichte, kamen die Menschen mit Decken oder Campingsesseln und machten aus „Film am Dom“ ein einzigartiges Kinoereignis. Der Erfolg eb­nete den Weg für das Programmkino Cinema Paradiso am Rathausplatz. Es eröffnete 2002, wurde 2006 zum „Besten Kino Europas“ gewählt. Nach dem Motto „Mehr als Kino“ gibt es Konzerte, Lesungen große Premierenfeiern und ein buntes Kinder- und Familienprogramm – und das alles neben dem täglichen Kinoprogramm. Eine einzigartige Erfolgsgeschichte! 2009 fand das 16. und bisher letzte „Film am Dom“ statt. Danach begannen die archäologischen Ausgrabungen am Domplatz. Dass die Magie des Kinos nun auf den Domplatz zurückkehrt, ist wunderbar. Und wie sagt der Filmvorführer Alfredo zu Toto im Film „Cinema Paradiso“: „Was du im Leben auch anfängst, tu es mit Liebe.“

072

Tangente × Cinema Paradiso


“Film am Dom” (cinema at the cathedral) is back! After a 15year break, Cinema Paradiso and Tangente are bringing the legendary yellow cinema truck back to St. Pölten’s Domplatz. For four days, extraordinary films will be shown on the big screen directly at the cathedral under the starry sky . There will also be a supporting programme with short films and music. It all began in 1994 with the idea of showing Giuseppe Tornatore’s 1988 film sensation “Cinema Paradiso” to as many people as possible. The open-air cinema was a novelty at the time and developed into one of the most popular cultural events in Lower Austria. Thousands came to the Domplatz to be enchanted by the films. Because the available seating was never enough, people came with blankets or camping chairs and turned “Film am Dom” into a unique cinemat­ic event. The success paved the way for the arthouse cinema Cinema Paradiso on Rathausplatz. It opened in 2002, was voted “Best Cinema in Europe” in 2006. Following its motto “More than cinema” there are concerts, readings, permiere parties and a diverse programme for children and families. A unique success story! In 2009, the 16th and so far last “Film am Dom” took place. Afterwards, archaeological excavations began on the Domplatz. But the magic of cinema returning to Domplatz is wonderful. And as the projectionist Alfredo says to Toto in the film “Cinema Paradiso”: “Whatever you start in life, do it with love.”

Zeitraum 6.6.–9.6.2024 Filmbeginn bei Einbruch der Dunkelheit Ort Domplatz Kuratiert von Cinema Paradiso Alexander Syllaba, Christoph Wagner Eine Produktion von Tangente St. Pölten – Festival für Gegenwartskultur in Kooperation mit Cinema Paradiso

073

Film am Dom

Juni 2024


Musik / Open Air

Konzerte am Domplatz

5.7. 20:00 Uhr Tonkünstler & Gäste 6.7. ab 18:00 Uhr Pop am Dom 074


075


Festival zentrum Biennale Urbana, lokale und internationale Partner:innen

Tangente Das Festivalzentrum der Tangente in der Linzer Straße wird einen öffentlichen Co-Working-Space zum Bauen, Denken, Vorbereiten und für Workshops bieten. Vor allem aber wird es ein Ort sein, an dem man sich trifft, Ideen austauscht, diskutiert, feiert und vielleicht sogar gemeinsam von anderen Welten träumt. Lokale, regionale und internationale Realitäten wer­ den während des gesamten Bauprozesses zusammenkommen – von der Konzeption bis zur Realisie­ rung und Nutzung. Das Festivalzentrum wird als kreative Werkstatt verstanden. Es wird in einem kollektiven Prozess mit lokalen Akteur:innen gestaltet und soll zur Schaffung einer über die Dauer des Fes­ tivals hinausreichenden kulturellen Infrastruktur beitragen. Kollektive aus der Welt des Designs und der Architektur, Künstler:innen, Kreative, Studierende und Handwerker:innen werden im Rahmen von Residenzen in die Planung einbezogen und be­ wohnen so den Projektstandort als direkte Akteur:in­ nen der Veränderung. Zusammen wird in einem mehrmonatigen Prozess das Tangente Festivalzentrum konzipiert, gebaut und aktiviert. 076


Gastfreundschaft und Partizipation stehen dabei im Mittelpunkt. Als Entwurfsvorschlag denken wir an eine Oase, einen Raum des Innehaltens und der Regeneration, in dem Kre­ ativität und Fantasie frei fließen können. So werden alle Elemente und Aktivitäten, die die angebotenen Projektflächen mit Leben erfüllen, beflügelt. Im Festivalzentrum werden die Voraussetzungen und Orte für erschwingliche Gastronomie, Veranstaltungen und Partys, Einführungen, Lectures, Versammlungen, Skill-Sharing, Vermittlungsund Austauschformate sowie kleine Shows und Vorträge geschaffen. Das Herz des Festivalzentrums ist ein offener Vermittlungsraum für alle. Dieser besteht aus Info-Point, Archiv bisheriger und laufender Tangente-Projekte, Bibliothek mit Leseecke, Kreativatelier für Workshops und einem Ort für kleine­re Veranstaltungen, Diskussionen und Wissensaustausch. Beim Info-Point erhält man nützliche Informationen über die Stadt und die Tangente und kann Eintrittskarten kau­fen. Gleichzeitig ist das Festivalzentrum Treff­punkt für Vermittler:innen und Besucher:innen, für Kooperations­ par­tner:innen und diverse Community-Gruppen, für regelmäßige Get-togethers, Stammtische, gemeinsames Kochen und ande­re Aktivitäten – eben Herz und Pulsschlag der Tangente. Eine Ko-Produktion von Raum Das Kollektiv Biennale Urbana wird den gesamten Prozess der urbanen Transformation durch die Öffnung neuer materieller und räumlicher Narrative, die Reaktivierung verlorener Erinnerungen und die Aktivierung interaktiver Räume begleiten: „Unser Ziel ist es, einen Raum voller ungewohnter, neuartiger Elemente zu entwickeln, deren Vorhandensein uns zwingt, unsere Welt grundsätzlich anders zu denken. Der Prozess, so eine gelebte Utopie aufzubauen, soll sich in der Entstehung des Festivalzentrums widerspiegeln. Die oft getrennten Phasen Projektplanung und Einbindung gebauter Umgebung führen 077


wir durch einen gemeinsamen Entscheidungs- und Umsetzungsprozess eng zusammen. Wir stellen uns das Zen­ trum des Festivals als ein Reservoir des Savoir-faire vor, das die Umgestaltung der Umgebung mit Taktgefühl und Scharfsinn unterstützt. Immer im Einklang mit den Themen der Tangente – Ökologie, Erinnerung und Demokratie.“ Lokale Kooperationspartner:innen Biennale Urbana für Gestaltung und Programm des Biennale Urbana (BUrb) ist eine Agentur, die bestehenden Distanzen zwischen La BiennaFestivalzentrums sind unter ander­ die le (Kulturinstitution), Venedig (Stadt) und seiner Lagune (Gebiet) erforscht und bewohnt. em die festen „Bewohner:innen“ Die Biennale Urbana ist inspiriert von der des Löwinnenhof*: der Verein Kul­ Documenta Urbana, einem Projekt, das Lucius und Annemarie Burckhardt zwischen 1980 und turhauptSTART, der den Prozess 1982 in Kassel realisierten, um die Wiederbelebung verlassener und ungenutzter Räume in um die Bewerbung für die Kultur- der Stadt durch die Verbindung von künstlerischer Produktion mit den realen Bedürfnissen des hauptstadt Europa 2024 maßstädtischen Kontexts zu erproben – in einer Ver­ geblich initiiert hat und einen zen­ flechtung von Kunst, Architektur und Urbanismus. tralen Ankerpunkt für die freie Seit 2014 arbeitet BUrb an Vermittlungspround Kunstproduktionen, die formelle Szene St. Pöltens darstellt; das grammen Institutionen mit informellen und neu ent­ stehenden Realitäten in Venedig verbinden. Unter KUNST:WERK und der St. Pöltner anderem: „La CasaMare“, ein Projekt in ZusamKünstlerbund; das NÖDOK– Doku­ menarbeit mit den New Yorker Designstudios DSGNAGNC, Change Administration und Street Plans mentationszentrum für moderne Collaborative für den US-Pavillon „SpontaInterventions“ auf der ArchitekturbienKunst Niederösterreich; Mars & neous nale 2012; „How to Know: The Protocols and Pedagogy of National Abstraction“, Performance, Blum; der Masterstudiengang So­ produziert mit dem Künstler Pedro Lasch anziale Arbeit der FH St. Pölten; das lässlich des Creative Time Summit für die Bien­ nale Venedig 2015; „Architectural EthnograHaus der Frau St. Pölten; das phy“, Summerschool unter der Leitung der ArchiMomoyo Kaijima (Atelier Bow Wow) für Büro für Diversität; St. Pride; die tektin die University of Queensland, die University of Tsukuba und die ETH Zürich in ZusammenBühne im Hof sowie zahlreiche arbeit mit dem japanischen Pavillon auf der weitere lokale Vereine, Initiativen Architekturbiennale 2018; „Beyond Repair“, Summerschool mit der Hochschule für Künste und Einzelpersonen. Bremen, der Hochschule für Gestaltung Karlsruhe (HfG) und der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig für den deutschen Pavillon auf der Kunstbiennale 2019.

Mit der Frage nach dem Sinn des Bewohnens verlassener Räume startete BUrb Ende 2016 „Esperienza Pepe“, einen außergewöhnlichen Prozess der Wiederverwendung der ehemaligen Militärkaserne Pepe am Lido von Venedig. Ein Ort der Kon­ vergenz aller Aktivitäten in einer gemeinsamen Aktion der Stadterneuerung durch Kunst, kulturelle und soziale Produktion. In Zusammenarbeit mit dem französischen Pavillon auf der Biennale von Venedig schuf BUrb 2018 die Voraussetzungen für ein einzigartiges Erlebnis mit einem öffen­ tlichen Programm aus Veranstaltungen, Workshops und Residenzen von Künstler:innen. „Esperienza Pepe“ war ein Nonstop-Laboratorium (2016–19) für die Schaffung von Gemeinschaftsräumen und -umgebungen mit selbstgestalteten Interventionen und Installationen.

078


BUrb wurde 2014 von Giulia Mazzorin, Lorenzo Romito und Andrea Curtoni gegründet. Seit 2022 leitet das Kollektiv an der Kunstuniversität Linz die Abteilung raum&designstrategien.

The Tangente Festival Centre will be a public co-working space for workshops, construction, thinking and preparation. But first and foremost it will be a place to meet, exchange ideas, debate, celebrate and, perhaps, even to dream together of other worlds. Local, regional and international realities will merge throughout the building process, from its conception to its realisation and use. The entire festival centre will be understood as a creative workshop. It will be designed in a collective process with local stakeholders and will contribute to the creation of a cultural infrastructure that will last beyond the duration of the festival. Collectives from the world of design and archi­ tecture, artists, creatives, students and craftspeople will be involved during planning in the form of residencies and thus inhabit the project site as direct agents of change. Together, the Tangente Festival Centre will be conceived, built and activated in a process lasting several months. Particitpation and hospitality will be the guiding principles. As a suggested blueprint, we are thinking of an oasis, a space of pause and regeneration where creativity and imagination can flow freely. This will inspire all the elements and activities that populate the project spaces. In the Festival Centre we will create the conditions and places for affordable gastronomy, events and parties, introductions, lectures, gatherings, skill sharing, mediation and exchange formats and small shows and lectures.

079

Foto: Dylan Calves

Seit 2020 arbeitet BUrb mit der Gemeinde Lavarone (Trentino, Italien) zusammen, um ungenutzte Räume zu reaktivieren und zeitgenössische Kunst und Kultur in einer kleinen Berggemeinde mit kaum mehr als 1.000 Einwohnern zu fördern. In diesem Zusammenhang hat BUrb das „Creative Living Lab“, einen vom italienischen Kulturmini­ sterium geförderten Wettbewerb, mit einem Projekt zur partizipativen Reaktivierung eines Teils einer ehemaligen Schule als Standort für ein Gemeinschaftszentrum und für das neue Stadtmuseum gewonnen. Außerdem organisiert BUrb Künstler:innen-Residenzen zum Thema Enviromental Art in einer alten Villa der Stadt (Foresteria Culturale), die früher als Heim für selbstversorgende Senior:innen genutzt wurde.


The heart of the Festival Centre is an open mediation space for all. This consists of an info point, an archive of previous and ongoing Tangente projects, a library with a reading corner, a creative studio for workshops and a place for smaller events, discussions and know­ ledge exchange. At the info point you can get useful information about the city and Tangente and buy tickets. At the same time, the Festival Centre is a meeting place for mediators and visitors, for cooperation partners and various community groups, for regular gettogethers, regulars’ tables, brunches and other activities – the heart and pulse of Tangente. Co-producing space BUrb will curate and coordinate the overall process of urban transformation through the opening of new material and spatial narratives, the reactivation of lost memories and the activation of interactive spaces of estrangement: “Our goal is to develop a space full of unfamiliar, novel elements whose presence forces us to think of our world in a fundamentally different way. The process of building such a lived utopia should be reflected in the creation of the festival centre. We bring together the often separate phases of project planning and the integration of the built environment through a joint decision-making and implementation process. We envision the festival centre as a reservoir of savoir-faire that supports the transformation of the environment with tact and acumen. Always in line with the themes of Tangente – ecology, memory and democracy.” Local cooperation partners for the design and programme of the festival centre include the permanent “residents” of the Löwinnenhof*: the association KulturhauptSTART, which was instrumental in initiating the process for the application for the European Capital of Culture 2024 and represents a central hub for St. Pölten’s independent scene; KUNST:WERK and the St. Pöltner Künstlerbund (St. Pölten artists’ association); NÖDOK -Dokumentationszentrum für moderne Kunst Niederösterreich (documentation center for modern art Lower Austria); Mars & Blum; the Master’s programme in Social Work at the FH St. Pölten; Haus der Frau St. Pölten (house of women St. Pölten); Büro für Diversität (office for diversity); St. Pride; Bühne im Hof; as well as numerous other local associations, initiatives and individuals.

080


Biennale Urbana Biennale Urbana (BUrb) is an agency that explores and inhabits the existing distances between La Biennale (the cultural institution), Venice (the city) and its lagoon (the territory). Biennale Urbana finds inspiration from Documenta Urbana, a project realized by Lucius and Annemarie Burckhardt in Kassel between 1980 and 1982, to experiment with the regeneration of abandoned and underutilized spaces of the city through the connection of artistic production with the real needs of the urban context, in an intertwining of art, architecture and urbanism. Since 2014 the collective BUrb has been working on an educational programme and art production connecting formal institutions with informal and emerging realities based in Venice. Amongst them: “La CasaMare”, a project in collaboration with the New York design studios DSGNAGNC, Change Administration and Street Plans Collaborative for the US pavilion “Spontaneous Interventions“ at the 2012 Architecture Biennale; “How to Know: The Protocols and Pedagogy of National Abstraction”, performance, produced with the artist Pedro Lasch on the occasion of the Creative Time Summit for the Venice Biennale 2015; “Architectural Ethnography“ summerschool led by architect Momoyo Kaijima (Atelier Bow Wow) for the University of Queensland, the University of Tsukuba and ETH Zurich in collaboration with the Japanese pavilion at the 2018 Architecture Biennale; “Beyond Repair”, the summerschool with Hochschule für Künste Bremen, Karlsruhe University of Arts and Design (HfG) and the Leipzig Academy of Fine Arts for the German pavilion at the 2019 Art Biennale. Questioning the meaning of inhabiting abandoned spaces, at the end of 2016 BUrb started “Esperienza Pepe”, an extraordinary process of re-use of the former military barracks Pepe on the Lido of Venice, a place of convergence of all activities in a common action of urban regeneration through art, cultural and social production. In 2018, in collaboration with the French Pavilion at Venice Biennale, BUrb created the conditions for a unique experience with a public program of events, workshops and art residency. “Esperienza Pepe” has been a non-stop laboratory (2016–19) for the creation of community spaces and environments with self-constructed interventions and installations. Since 2020 BUrb is collaborating with the municipality of Lavarone (Trentino, Italy) in reactivating underused spaces for promoting contemporary art and culture in a small mountain community, of hardly more than 1,000 inhabitants. BUrb has won a national competition in this context, promoted by the Italian Ministry of Culture, “Creative Living Lab”, with a project of participatory re-activation of a part of a former school as the location for a community centre and the new town museum. BUrb is also organising art residencies related to environmental art in an old villa of the town (Foresteria Culturale), previously used as home for self-sufficient seniors. BUrb was founded in 2014 by Giulia Mazzorin, Lorenzo Romito und Andrea Curtoni. Since 2022 the collective heads the department raum&designstrategien at Kunstuniversität Linz.

081


082


083


The Way of the Water Ein Kunstparcours in Zusammenarbeit mit der Traisen und dem Mühlbach

An art parcours in collaboration with the Traisen and the Mühlbach

Kuratiert von / curated by Joanna Warsza Associate Curator Lorena Moreno Vera

Die Existenz aller lebenden Organismen hängt vom Wasser ab. Wenn wir ein Glas Wasser trinken, fließt dieses Wasser durch uns zurück in die Welt. Mit jedem Schluck treten wir in einen arten­ übergreifenden Austausch mit verschiedenen Lebewesen, aber auch mit meteorologischen, kulturellen, ökologischen und geophysikalischen Technologien. Unser Körper besteht zum größten Teil aus Wasser; es ist Lebensquelle und tödliches Element zugleich, bringt Rettung und Gefahr. Es kann auch eine Grenze markieren oder ein Zeichen für Ver­ schmutzung sein, ein Träger von Zeit, Erinnerung und Wandel, von kolonialer Ausbeutung oder indigenen Kämp­ ­fen. Wasser ist transnational, transkorporal und politisch. Die meisten menschlichen Siedlungen wurden entlang von Flüssen errichtet. Flüsse sind das Rückgrat, die Lunge, die Beine und der Kopf der urbanen Entwicklung. Sie durchschneiden unsichtbare und sichtbare Mauern und Zäune und dienen sowohl als Beförderungsmittel als auch als Barriere. So auch in St. Pölten, das einst zur Römerzeit an der Traisen gegründet wurde. Den Ausgangspunkt der Ausstellung „The Way of the Water“ bildeten eine Reihe grundlegender Fragen an die Künstler:innen: 084


Künstler:innen / Artists:

Amanda Piña Wien, Mexico City Clara Laila Abid Alsstar München Cecylia Malik Kraków Christina Gruber Wien Edgar Calel San Juan Comalapa Elisabeth von Samsonow Wien Eva Grubinger & Werner Feiersinger Berlin, Wien Filip Van Dingenen Brüssel Javier Téllez New York City Jimena Croceri Buenos Aires Katarina Pirak Sikku Jokkmokk Klara Hobza Berlin Lisa Tan Stockholm Lisa Truttmann Wien, St. Pölten neonpink Collective Wien, St. Pölten Paola Torres Núñez del Prado Stockholm, Lima Rainer Prohaska Wien, Krems Regina Hügli Wien Rita Fischer Montevideo Roberta Lazo Valenzuela St. Pölten, Santiago de Chile Sissel Tolaas Berlin Slavs and Tatars Berlin Sophie Utikal Berlin, Wien Ursula K. Le Guin 085


Was bedeutet es, eine Zusammenarbeit mit dem Fluss einzugehen? Wie kann Kunst in Wechselwirkung mit dem Fluss, seinen jahreszeitlichen Veränderungen, der Sonne, der Trockenheit, den Regenfällen, seinen künstlichen Formen und wechselnden Gestalten entstehen? Wie können wir unser Menschsein „im Fluss“ vermitteln? Als Teil einer „Hypersea“ aus unzähligen Verkörperungen von Wasser? Können wir Interventionen oder konzeptionelle Gesten entwerfen, die nicht nur von ökologischem Bewusstsein sprechen, sondern sich auf subtile Weise mit diesem verbinden? Mit dem Fluss sprechen, im Fluss sitzen, mit dem Fluss fließen? Die Route beginnt am Mühlbach bei Solektiv, der selbstorganisierten Initiative für Kunst, Kultur und Natur, und folgt dann dem Verlauf von Traisen und Mühlbach von Süden nach Norden. Auf unserem Weg entlang der Uferpromenade des Regierungsviertels unterqueren wir zahlreiche Brücken, bei denen sich künstlerische Interventionen mit Themen wie dem ökologischen Menschsein oder dem ökologischen Fußabdruck der sogenannten grünen Energie beschäftigen. Wir stoßen auf die unerzählten Geschichten des überfluteten Arbeitslagers an den Viehofner Seen. Auf dem Rückweg zum Mühlbach kommen wir an den Wassertürmen der ehemaligen Glanzstoff-Fabrik und am Brunnen der Mevlana-Moschee vorbei. Wir folgen den begrünten Wegen entlang des Mühlbachs und enden bei einem ehemaligen Imbissstand, der in den späten 1970erJahren von Wien nach St. Pölten gebracht wurde. Die nach St. Pölten eingeladenen Künstler:innen prägen die Themen der Tangente – Ökologie, Erinnerung und Demokratie – entscheidend mit. Die Projekte bestehen teils aus neuen Auftragsarbeiten, teils aus bereits existierenden Werken, die an die neuen Kontexte angepasst sind: von Zeichnungen, die das Wasser anfertigt, über im Fluss schwim­ mende Instrumente bis hin zu Hörstücken über das, was sich unter der Wasseroberfläche befin086


det. Die Künstler:innen verbindet ein gemeinsames Interesse an Eingriffen in die Umwelt, an der Kraft einfacher Gesten, aber auch an umfassenderen Themen wie der Ausbeutung und Privatisierung planetarischer Ressourcen, den mythologischen oder spirituellen Deutungen des Fluiden, aquatischen Formen der Erinnerung oder den Veränderungen von Wetter und Klima. Der Kunstparcours ist sowohl für einheimische wie internationale Besucher:innen gedacht, die ihn auf einer Tour mit dem Fahrrad, zu Fuß und vielleicht sogar mit dem Kajak erkunden können, bietet aber auch den zufällig Vorbeikommenden interessante Entdeckungen. Eine wichtige Inspirationsquelle der Ausstellung sind die Schriften der feministischen Wissenschaft­ lerin Astrida Neimanis über „Hydrofeminismus“ und die Idee, dass wir Menschen über die undichte, durchlässige und transkorporale Ontologie des Wassers den planetarischen „Hydrocommons“ The Way of the Water angehören. Gemeinsam mit dem Fluss werEröffnungsprogramm den wir Kunst als Sprache nutzen, die nach1.–2.5.2024 vollziehbar macht, was es wirklich bedeutet, 1.5.2024 ein Glas Wasser zu trinken, mit Wasser zu 14:00–18:00 denken und selbst Wasser zu sein, sowohl Algae Diplo­macy Brunch in St. Pölten als auch anderswo in der Welt. im Sonnenpark, gefolgt von Vorführungen, Performances und einem gemeinsamen Spaziergang auf dem ersten Teil der Route mit künstlerischen Interventionen auf dem „Weg des Wassers“. 2.5.2024 14:00–18:00 Uhr Zweiter Teil der Route mit künstlerischen Interventionen auf dem „Weg des Wassers“, gefolgt von einem Abendprogramm mit Vorträgen und Gesprächen. Programm zur Sommersonnenwende 21.–22.6.2024 Programm zur Herbstsonnenwende 21.–22.9.2024

087


The Way of the Water

The starting point for the exhibition “The Way of the Water” was a series of fundamental questions for the artists: What does it mean to you to enter into a collaboration with the river? How can art be created in interaction with the river, its seasonal changes, the sun, the drought, the rainfall, its artificial forms and changing shapes? How can we convey our humanity as part of a “hypersea” of myriad bodies of water? Can we design interventions or conceptual gestures that not only talk about environmental personhood, but subtly connect with it? Talking to the river, sitting in the river, floating with the river? The route starts at the Mühlbach at Solektiv, the selforganised initiative for art, culture and nature, and then follows the course of the Traisen and the Mühlbach from south to north. On our way along the riverside promenade of the government quarter, we pass under numerous bridges where artistic interventions deal with themes such as ecological humanness or the ecological footprint of so-called green energy. We come across the untold stories of the flooded labour

088

Foto: Lorena Morena Vera

The existence of all living organisms de­ pends on water. When we drink a glass of water, this water flows through us back into the world. With every sip, we enter into a cross-species exchange with various living beings, but also with meteor­ ological, cultural, ecological and geophysical technologies. Our bodies are largely made up of water; it is both a source of life and a deadly element, bringing both salvation and danger. It can also mark a border or be a sign of pollution, a carrier of time, memory and change, of colonial exploitation or indigenous struggles. Water is transnational, transcorporeal and political. Most human settlements were built along rivers. Rivers are the backbone, lungs, legs and head of urban development. They cut through invisible and visible walls and fences and serve as both a means of transport and a barrier. This is also the case in St. Pölten, which was once founded on the Traisen in Roman times.


camp at the Viehofner Lakes. On the way back to the Mühlbach we pass the water towers of the former Glanzstoff factory and the fountain of the Mevlana mosque. We follow the green paths along the stream and end at a former snack kiosk that was brought in the late 1970s from Vienna to St. Pölten. The artists coming to St. Pölten from near and far will have a decisive influence on the themes of the Tangente – ecology, memory and democracy. The projects consist partly of new commissions, partly of existing works adapted to the new contexts: from drawings made by the water, to instruments floating in the river, to audio pieces about what is under the surface of the water. The invited artists share an interest in in­ terventions in the environment, in the power of simple gestures, but also in broader themes such as the exploitation and privatisation of planetary resources, the mythological or spiritual interpretations of the fluid, aquatic forms of memory or the changes in weather and climate. The art parcours is intended for both local and international visitors, who can explore it during a tour by bicycle, on foot and perhaps even by kayak, but it also offers interesting The Way of the Water discoveries for those who happen to be passing by. Opening programme 1.–2.5.2024 1.5.2024 14:00–18:00 Algae Diplomacy Brunch in the Sonnenpark, followed by demonstrations, performances and a collective walk on the first part of the route with artistic interventions on “The Way of the Water”. 2.5.2024 14:00–18:00 Second part of the route with artistic interventions on “The Way of the Water”, followed by an evening programme of talks and discussions. Programme summer solstice 21.–22.6.2024 Programme autumn solstice 21.–22.9.2024

089

An important source of inspiration for the exhibition are the writings of feminist scholar Astrida Neimanis on “hydrofeminism” and the idea that we humans belong to the planetary “hydrocommons” via the leaky, permeable and transcorporeal ontology of water. Together with the river, we will use art as a language that makes tangible what it really means to drink a glass of water, to think with water and to be water yourself, both in St. Pölten and elsewhere in the world.


Traisen, She / Her

Recherche und fotografische Beobachtungen zu Traisen und Mühlbach

Research and photographic observations on the Traisen and Mühlbach Fische aus dem Linken Mühlbach in St. Pölten werden bei der Mühlbachabkehr in die Traisen ausgesetzt, damit ihr angestammtes Habitat, der Werksbach, für Instandhaltungsarbeiten entleert werden kann.

Fish from the left Mühlbach in St. Pölten are released into the Traisen river when the Mühlbach stream is drained so that their traditional habitat, the Werksbach, can be emptied for maintenance work.

So schwierig es ist, zweimal in denselben Fluss zu steigen, so schwierig gestaltet es sich, ihn zu porträtieren und zu fassen, was das ephemere, dynamische, sichtWas alles macht die Traisen und bar und unsichtbar agierende Gebilde eines Flusses ausmacht. ihre industriellen Werks- und Regina Hügli Mühlbäche aus? Was entsteht im aktuellen Zusammenspiel der Interaktionen zwischen Fließgewässer, Grundwasser, Landschaft, Wetter, Mensch, Infrastruktur, Flora und Fauna?

Der ca. 80 Kilometer lange niederösterreichische Fluss Traisen, der in den Kalkalpen entspringt und in die Donau mündet, ist stark reguliert und wird intensiv genutzt. Unter anderem speist die Traisen zwei Werksbäche im Gebiet St. Pölten und treibt zahlreiche Turbinen an. In den letzten Jahren erlebt sie abschnittsweise neue Eingriffe in Form von Renaturierungsprojekten. 090


Dem Hyperobjekt „Traisen“ auf der Spur, materialisiert sich die Recherche von Regina Hügli in einem fotografi­ schen Beitrag zu diesem Buch. Sie befasst sich mit Sicht­ barkeit und Unsichtbarkeit dessen, was die Traisen und ihre Mühlbäche ausmacht, und damit, wie diese wahr­ genommen, genutzt und die von ihnen geschaffenen Räu­ me überformt werden. Die Recherche ist inspiriert vom Begriff der Hydro-Logik (nach Astrida Neimanis), der ein neues ontologisches Verständnis von Körpern und Gemeinschaft ermöglicht. „Traisen, She/Her“ basiert auf fotografischen Beobachtungen entlang des Flusses und Gesprächen mit Menschen, die an der Traisen leben, arbeiten, sie nutzen, umgestalten oder zu ihr forschen.

What defines the Traisen and its industrial streams? What emerges in the current interplay of interactions between flowing water, groundwater, landscape, weather, people, infrastructure, flora and fauna? The approximately 80-kilometre-long Lower Austrian river Traisen, which rises in the Limestone Alps and flows into the Danube, is highly regulated and intensively used. Among other things, the Traisen feeds two factory streams in the St. Pölten area and drives numerous turbines. In recent years, it has experienced new interventions in the form of renaturation projects. On the trail of the hyperobject “Traisen”, Regina Hügli’s research materialises in a photographic contribution to this book. She deals with the visibility and invisibility of what constitutes the Traisen and its mill streams, and with how they are perceived, used and how the spaces they create are reshaped. The research is inspired by the concept of hydro-logic (according to Astrida Neimanis), which enables a new ontological understanding of bodies and community. “Traisen, She/ Her” is based on photographic observations along Regina Hügli the river and on conversations with peo­ As difficult as it is to step into the same ple who live or work along the Traisen, river twice, it is even more difficult to por- use, transform or research her. tray it and to capture what constitutes the ephemeral, dynamic, visibly and invisibly acting entity of a river.

091


Flussbett des Linken Mühlbachs in St. Pölten mit wenig Restwasser bei der Mühlbachabkehr.

092

Riverbed of the left Mühlbach in St. Pölten with little residual water when the Mühlbach is drained.


(links) Viehweide beim Paul(left) Cattle pasture near the mauer auf der Wasserscheide im Paulmauer on the watershed in Quellgebiet zwischen Türnitzer the headwaters between TürnitTraisen und Unrechttraisen. zer Traisen and Unrechttraisen. (rechts) Im Kieswerk Rohrdorfer bei Nussdorf ob der Traisen wird Schotter aus Geschiebefeldern der Traisen für die Produktion von Transportbeton abgebaut.

093

(right) At the Rohrdorfer gravel works near Nussdorf ob der Traisen, gravel is extracted from the debris fields of the Traisen for the production of concrete.


(links) Durch die Maschen ge(left) Slipping through the fallen: Bei der Abfischung des net: When trawling the MühlMühlbachs wird versucht, den bach, an attempt is made to Fischbestand mit möglichst resettle the fish stock with wenigen Verlusten umzusiedeln. as few losses as possible. (rechts) Quelle in der Falkenschlucht in den Kalkalpen, im Einzugsgebiet der Türnitzer Traisen.

094

(right) Spring in the Falkenschlucht in the Kalkalpen, in the catchment area of the Türnitzer Traisen.


Regina Hügli, geboren 1975, ist Regina Hügli, born in 1975, is Schweizer Fotografin und Künst- a Swiss photographer and artist lerin und lebt in Wien. Wasser, living in Vienna. Water, waterWasserscheiden und Gewässer sheds and bodies of water are sind ihr Hauptfokus, sie arbei- her main focus. In her work, she tet dazu sowohl mit experimen­ uses experimental means as well tellen Mitteln wie auch dokumen- as documentary and investigatarisch und investigativ. Mit tive methods. With her associ­ ihrem Verein ONE BODY OF WATER ation ONE BODY OF WATER, she is ist sie auch als Organisatorin also active as an organiser of von transdisziplinären Projekten transdisciplinary projects und aktivistischen Unterneh­ and activist ventures. In 2023 mungen tätig. 2023 hat sie den she received the Austrian Nepösterreichischen Neptun Staats- tun State Prize for Water in Art. preis für Wasser in der Kunst erhalten.

095

Traisen, She / Her


096


097


Tangente Stadt projekte Die Tangente ist in ihrem Kern ein Festival für die Bewohner:innen der Stadt St. Pölten. Und ein Festival mit der Stadt St. Pölten. Die Tangente sucht die Beteiligung vielfältiger Bevölkerungsgruppen, will die Sichtbarkeit von bestehenden Initiativen und Vereinen stärken und die Bildung neuer Verbindungen, Communitys und Netzwerke unterstützen. Mehr als zwei Jahre vor Beginn des Festivals haben die Kurator:innen der Tangente Stadtprojekte begonnen, mit Menschen der Stadt in Kontakt zu treten, diese zu informieren und mit ihnen zu diskutieren, um Möglichkeiten der Teilhabe zu schaffen. Gemeinsam mit Teilnehmer:innen unterschiedlichen Alters und diverser sozialer wie kultureller Herkünfte, Künstler:in­ nen, Sozialarbeiter:innen, Aktivist:innen und Expert:innen widmeten sich Magdalena Chowaniec und Muhammet Ali Baş im Rahmen von „Neue Freundschaften“ Themen wie dem Zugang zu Kultur, Arbeit und Bildung, der Asylpolitik, der Barrierefreiheit und der Situation von Frauen*. Zudem wurde gemeinsam gekocht, gegessen und in Gesprächen voneinander gelernt. So entstanden an Orten wie dem Kulturheim Nord oder der Villa im Glanzstoff-Areal neue Beziehungen und inklusive Räume für die gegenwärtige Migrationsgesellschaft. Auch der von Andreas Fränzl kuratierte „Kulturdialog!“ eröffnete 2023 neue Räume für Diskurs und Austausch. In drei unterschiedlichen Kultureinrichtungen St. Pöltens 098


wurde ein thematischer Bogen gespannt – von der freien Szene (Löwinnenhof* / KulturhauptSTART) über Stadtentwicklungsfragen (Cinema Paradiso) hin zu Fragen nach der Zugänglichkeit von Institutionen (Festspielhaus St. Pölten). Die Verbindung der lokalen Kulturszene mit der Tangente und die Beförderung eines Dialogs über kulturelle Infrastruktur sowie Herausforderungen und Visionen im lokalen Kunst- und Kulturbereich standen hier im Fokus. Diese vielfältigen Perspektiven aufzunehmen und somit be­ stehenden Strukturen und lokalen Akteur:innen Raum zu geben, bleibt eine zentrale Aufgabe der Tangente. Aus den Stadtprojekten haben sich für den Festivalzeitraum eine Vielzahl von Programmpunkten ergeben. Zur Festival­ eröffnung im Mai laden lokale Künstler:innen, Kollektive, Initiativen, Bildungseinrichtungen und viele mehr zu einer Werkschau der freien Szene mit Gesprächen, Austausch, Performance, Konzerten, Ausstellungen, künstlerischen und räumlichen Interventionen in die Linzer Straße ein. In Kooperation mit dem Haus der Frau St. Pölten wird mit „Sisters United“ (S. 248) ein Zeichen gegen Gewalt an Frauen* gesetzt. Bei „StadtLandFluss“ (S. 254) im Regierungsviertel/Kulturbezirk etabliert die lokale Szene mit Institutionen von Stadt und Land sowie der Tangente in co-kreativer Weise ein neues Format der Zusammenarbeit und bietet zwei Tage voll von Begegnung, Musik, Kunst und Feiern. Im Sommer verwandelt sich die Villa auf der Herzogenburger Straße 67 unter dem Motto „Art of Community“ (S. 112) eine ganze Woche lang in ein Labor bestehender und zukünftiger Community-Arbeit. Bei der „Visionale“ (S. 106) werden mit Jugendlichen und jun­ gen Erwachsenen Wände in St. Pölten künstlerisch mit Murals gestaltet. In der kritischen Festivalredaktion „KREDO“ (S. 102) berichten Jungjournalist:innen entschieden multiperspektivisch über das Festivalgeschehen. Beim „Songwriting Call“ (musik.stp) (S. 104) vom Freiraum St. Pölten entstehen 2024 in Kooperation mit der Tangente via Open Call neue Lyrics und Musik zu den Festivalthemen. Verschiedene Schulen und das Jugend­ zentrum Steppenwolf sind ebenso Teil des Prozesses. Bei der „Stadt-Galerie“ (S. 108) entsteht ebenso eine 099

Stadtprojekte


temporäre Ausstellung mit lokalen Künstler:innen in Schaukästen, Vitrinen und Leerständen der Stadt. Dies sind nur einige der Projekte, die direkt aus den Tangente Stadtprojekten hervorgegangen sind. Zahlreiche Künstler:innen, Einzelpersonen und Akteur:innen sind in viele weitere Tangente-Projekte involviert. In diesem ­Programmbuch finden sich Porträts von Markus WeidmannKrieger aus dem Sonnenpark (S. 162), von Martha Keil vom Institut für jüdische Geschichte Österreichs (S. 234) und von Boriana KaraAt its core, Tangente is a festival for the residents of the panteva-Strasser, Leh- city of St. Pölten; and a festival with the city of St. Pölten. rerin am Schulzentrum Tangente seeks the participation for a wide variety of Eybnerstraße (S. 312). the population, wants to strengthen the visibility of existing initiatives and associations and support the

Die Tangente Stadt- formation of new connections, communities and netprojekte werden wäh­ works. More than two years before the start of the festival, the curators of the Tangente Stadtprojekte (city rend des Festivalzeit- projects) began to get in touch with the people of the raums 2024 im Fes- city. In order to create opportunities for participation, tivalzentrum in der they offered spaces for information and discussion. Linzer Straße angesiedelt sein, um Kontakte Together with participants of various ages and social zu knüpfen, Verbindun- and cultural backgrounds, artists, activists and experts, Magdalena Chowaniec and Muhammet Ali Baş adgen zu vertiefen und dressed topics such as access to culture, work and edugemeinsam zu arbei- cation, asylum policy, accessibility and the situation of ten – an Kunst und women* as part of “Neue Freundschaften” (new friendKultur, an Gegenwart ships). In addition, they cooked together, ate together and learned from each other in conversation. In this way, und Zukunft. new relationships and inclusive spaces for the current society of migration were created in places like the Kulturheim Nord or the Villa on the Glanzstoff grounds.

The “Kulturdialog!” (cultural dialogue) curated by Andreas Fränzl also opened up new spaces for discourse and exchange. In three different cultural institutions in St. Pölten, the topics ranged from the independent scene (Löwinnenhof* / KulturhauptSTART) and urban development issues (Cinema Paradiso) to questions about the accessibility of institutions (Festspielhaus). The connection of the local cultural scene with the Tangente and the promotion of a dialogue about cultural infrastructure as well as challenges and visions in the local art and culture sector were the focus.

100


Taking up these diverse perspectives and thus giving space to existing structures and local actors remains one of the central tasks of Tangente. The Stadtpro­ jekte have resulted in a variety of programme items for the festival period. At the opening of the festival in May, local artists, collectives, initiatives, educational institutions and many more will be inviting people to the Linzer Straße for performative interventions, talks and lots of utopic perspectives. “Sisters United” (p. 248), in cooperation with the Haus der Frau St. Pölten, will set an example against violence against women*. At “StadtLandFluss” (Categories; p.254) in the government quarter / cultural district the local scene establishes a new format of cooperation for co-creative ways with institutions of the city, the federal state and Tangente, and offers two days full of music, art and celebrations. In summer, a villa in the Herzogenburger Straße is transformed into a laboratory of existing and future community work for a whole week under the motto “Art of Community” (p. 112). At the “Visionale” (p. 106), walls in St. Pölten are designed by youths and young adults. For the festival’s critical editorial team “KREDO” (p. 102), young journalists report on the festival events in a decidedly multi-perspective way. At the “Songwriting Call” (musik.stp)” (p. 104) is being realised in 2024 by Freiraum St. Pölten in cooperation with Tangente. The project invites music makers from the city to create lyrics and songs on the festival themes. Various schools and the Steppenwolf youth centre are part of the process. “Stadt-Galerie” (p. 108) shows an exhibition with local artists in showcases and empty spaces in the city. These are just a few of the projects that have emerged directly from the Tangente Stadtprojekte. Numerous artists, individuals and stakeholders are involved in many other Tangente projects. This programme book includes portraits of Markus Weidmann-Krieger from Sonnenpark (p. 162), Martha Keil from INJOEST (p. 234) and Boriana Karapanteva-Strasser, teacher at the Eybnerstraße school centre (p. 312). The Tangente Stadtprojekte will be located in the Tangente Festival Centre on Linzer Straße during the festival year 2024 to facilitate contacts, deepen connections and work together – on art and culture, on the present and the future.

101

Stadtprojekte


Open Call / Journalismus

KREDO

TangenteStadtprojekt

Kritische Redaktion Online

Unter der redaktionellen Leitung von Muhamed Beganović und Clemens Stachel, den Herausgebern des muslimischen Kulturmagazins QAMAR, bietet die Tangente die Möglichkeit, das Festival journalistisch zu begleiten. Was macht die Tangente aus? Was gelingt? Was läuft völlig falsch? Die KREDO-Redaktion schreibt unabhängig, was sie tangiert: Künstler:innenporträts, Interviews, subjektive Eindrücke zu Events bis hin zu literarischen und essayistischen Texten. Die Redaktion und ihre Arbeit begleiten die Tangente über den gesamten Zeitraum. KREDO besteht aus acht Redakteur:innen. Sie finden über einen Open Call zusammen und bringen als Teil der Tangente eine multiperspektivische und kritische Stimme in die Institution. Expert:innen und Künstler:innen aus verschiedenen journalistischen Feldern vermitteln den Teilnehmer:innen im Vorfeld des Festivals in fünf Einführungsmodulen das nötige journalistische Handwerkszeug. KREDO ist ein zentrales Vermittlungsprojekt des Festivals. Die Tangente macht nur dann Sinn, wenn Menschen auch an ihr teilnehmen, sie mitgestalten. Deswegen: Mitschreiben und mitlesen bei KREDO! Die KREDO-Redaktion freut sich auch über Leser:innenbriefe, Repliken und jede Art von Auseinandersetzung.

102


Under the editorial direction of Muhamed Beganović and Clemens Stachel, the editors of the QAMAR magazine, the Tangente offers the opportunity to journalistically accompany the festival. What makes the Tangente special? What succeeds? What is going completely wrong? The KREDO editorial team writes independently about what affects them. This ranges from portraits of artists to subjective impressions of events to literary and essayistic texts. The editors and their work accompany the Tangente throughout the entire period. KREDO consists of eight editors. They are selected through an open call and, as part of the ­Tangente, bring a multi-perspective and critical voice to the institution. Experts and artists from various journalistic fields teach participants necessary journalistic skills in preparation for the festival. KREDO is a central mediation project of the Tangente Festival. The Tangente only makes sense if people also participate in it, help shape it. Therefore: Join KREDO! The editorial team is looking forward to letters, feedback and any kind of exchange.

Zeitraum Herbst 2023 Konzeption und Vorarbeit mit Muhamed Beganović und Clemens Stachel Aussendung Open Call für Bewerber*innen Februar – April 2024 Fünf Einführungsmodule in die journalistische ­Arbeit Festivalzeitraum Arbeit in der Redaktion und Berichterstattung auf kredo.blog Redaktionsleitung ­Muhamed Beganović und ­Clemens Stachel (QAMAR)

103

KREDO


Open Call / Musik

TangenteStadtprojekt

musik.stp / Freiraum Songwriting Call Gemeinsam mit Texter:innen, erfahrenen Komponist:innen und einem Produzent:innenteam tauchen wir im Rahmen eines Songwriting-Camps in die Themenfelder der Tangente ein: Ökologie, Erinnerung und Demokratie. Und schaffen dabei co-kreativ neue Musik! Gedanken zur „Stadt der Zukunft“, zu Klimaschutz und Mobilität, Blicke in die Geschichte der Stadt bis hin zur gegenwärtigen Situation werden Teil der Recherche sein. So werden demokratische Prozesse und Fragen der Mitbestimmung in der Zivil­gesellschaft aktueller und spannender denn je. Der gesamte Output dieser Kreativtage wird gesammelt und eine Auswahl daraus in unterschiedlichen Live-Formaten von musik.stp, Freiraum und Tangente aufgeführt sowie auch als Teil des musik.stp-Vinyl-Samplers „Ausgabe drei“ veröffentlicht. Die Kooperation zwischen der etablierten Plattform musik.stp und Tangente St. Pölten soll Energien freimachen sowie ein guter Boden für neue spannende Prozesse, Begegnungen und Perspektiven sein. Interessierte Musiker:innen sind eingeladen, selbst komponierte und aufgenommene Werke oder Tracks an das Team des Songwriting Calls zu senden und diese in professionellen Aufnahmesessions im Songwriting-Camp weiterzuentwickeln. Aber auch Beats, Lyrics, Textbausteine, Instrumentals etc. können als Ideenpool für gemeinsame Projekte zur Verfügung gestellt werden. Das SongwritingCamp wird von namhaften Vertreter:innen der österreichischen Musikszene kuratiert und findet im Freiraum statt. Details und aktuelle Informationen finden sich auf: freiraum-stp.at/call

104


Together with lyricists, experienced composers and a team of producers, we will immerse ourselves – in the context of a songwriting camp – in the thematic fields of Tangente: ecology, memory and democracy. And in doing so, we will co-create new music! Thoughts on the “city of the future”, on climate protection and mobility, valuable and insightful looks into the history of the city up to the present will be part of this research. In this way, democratic processes and questions of co-determination in civil society will become more topical and exciting than ever. The entire output of these creative days will be collected and a selection of it will be performed in various live formats by musik.stp, Freiraum and Tangente as well as published as part of the musik.stp vinyl sampler “Ausgabe drei”. The cooperation between the established platform musik.stp and Tangente Festival is intended to release energies as well as be a good ground for new exciting processes, encounters and perspectives. Interested musicians can participate in various ways. Finished, independently composed and recorded works/tracks can be directly submitted. There will also be a songwriting camp curated by well-known representatives of the Austrian music scene with subsequent recording sessions in the Freiraum (limited spots available). Finally, beats, lyrics, text modules, instrumentals etc. can be sent in for use as a pool of ideas in the songwriting camp.

Call-Start 11.11.2023 Details and current information can be found at: Call-Ende 31.1.2024 freiraum-stp.at/call Rap Workshop mit Esra Özmen im Jugendzentrum Steppenwolf Anfang Februar Songwriting-Camp 23.–25.2.2024 Abschlussveranstaltung Herbst 2024 im Freiraum Leitung Martin Rotheneder, Andreas Fränzl Kurator:innen & Coaches Zebo Adam, Eva Klampfer aka Lylit, Yasmin Hafedh aka Yasmo, Thomas Gravogl, Elif Duygu, Clara Luzia Producer:innen Benedikt Dengler, Thomas Nagl, Cathi Priemer

105

Songwriting Call


Open Call / Bildende Kunst / Intervention

Visionale

TangenteStadtprojekt

Wände mit Visionen!

Bei der „Visionale“ werden mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Workshops künstlerische Motive zu den Festivalthemen entwickelt. Drei St. Pöltner Hauswände werden im Festivaljahr in einem gemeinschaftlichen Arbeitsprozess zur überdimensionalen Leinwand. In Zusammenarbeit mit erfahrenen Künstler:innen/ Street-Artists werden dabei Wandbilder (Murals), die sich mit Zeitgeschichte, Gesellschafts- und Zukunfts­ themen auseinandersetzen, co-kreativ umgesetzt. Verschiedenste Perspektiven und Haltungen treffen hier aufeinander und werden sich als Teil des Stadtbildes wiederfinden. Der inhaltliche Prozess des Ausverhandelns ist ­neben der technischen Umsetzung ein wichtiger Teil dieser (demokratischen) Auseinandersetzung. Um Kunstwerke dieser Größenordnung verwirk­ lichen zu können, braucht es Teamwork und ein Zusammenspiel verschiedenster technischer Skills. Durch die letztendliche Manifestation als Kunst im öffentlichen Raum startet für das mittels eines Open Calls bunt zusammengewürfelte Künstler:innenkollektiv eine spannende ­Korrespondenz mit der Stadt, mit Anwohner:innen und Festivalbesucher:innen.

106


At the “Visionale”, artistic motifs on the festival themes are developed in workshops with youth and young adults. During the festival year, three house walls in St. Pölten will be transformed into oversized canvases in a collaborative work process. In cooperation with experienced (street) artists, murals dealing with contemporary history, social and ­futurual issues will be co-created. A wide variety of perspectives and attitudes will meet here and become part of the cityscape. The process of negotiating the content is an important part of this (democratic) debate, alongside its technical implementation. In order to realise artworks of this magnitude, teamwork and the interplay of a wide range of tech­ nical skills are required. The final manifestation as art in public spaces will initiate an exciting dialogue with the city, its residents and festival visitors for a colourful artitsts’ collective organized through an open call.

Open Call 1.12.2023–1.2.2024 Umsetzungszeiträume März/April 2024 Mai/Juni 2024 August/September 2024 Ort öffentlicher Raum Tangente St. Pölten – Festival für Gegenwartskultur in Kooperation mit ArtEmbassy, Österreichisches Institut für nachhaltige Entwicklung (ÖIN) u. a.

107

Visionale


Open Call / Bildende Kunst / Ausstellung

Stadt-Galerie

TangenteStadtprojekt

Kunst in Schaukästen und Leerständen

Im September 2024 werden in der St. Pöltner Innenstadt Schau­ kästen, Schaufenster, Vitrinen und leerstehende Geschäfts­lokale temporär künstlerisch bespielt. Wenn man durch St. Pölten streift, begegnet man immer wieder Schaukästen, leerstehenden Geschäfts­ lokalen und Schaufenstern, die keine Funktion mehr haben. Auslagen zeugen von einer Vergangenheit, die stillzustehen und von der Gegenwart unberührt scheint. Die Tangente möchte diese Leerstände gemeinsam mit St. Pöltner Künstler:innen mit Gegenwart fluten, sie mit neuem Leben füllen und Möglichkeiten aufzeigen. Die Ansätze sind hierbei vielfältig: Von bildender Kunst bis hin zu Arbeiten mit Text, Sound oder Video reicht die Palette. Der öffentliche Raum wird zur Präsentations-, Ausdrucks- und Kommunikationsplattform. Die Tangente lädt dazu ein, über die und mit den Festivalthemen Ökologie, Erinnerung und Demokratie Kunst zu schaffen, Statements abzugeben, kleinere und größere Räume zu gestalten und so sichtbar zu werden. Was dabei entsteht, wird im September während des dritten Höhepunkts der Tangente zu sehen sein. Jedes dieser Schaufenster soll eine Einladung sein, die Stadt und ihre Menschen besser kennenzulernen – oder gänzlich neue Ecken zu erkunden und frische Bekanntschaften zu schließen.

108


In September 2024, show windows, display cases and vacant business premises in St. Pölten’s city centre will be temporarily used for artistic purposes. When wandering through St. Pölten, one repeatedly encounters showcases, empty business premises and shop windows that no longer have a function. Shop displays bear witness to a past that seems to stand still and remains untouched by the present. Together with artists from St. Pölten, Tangente wants to flood these vacancies with the present, fill them with new life and suggest possibile uses. The approaches are diverse: from visual art to works with text, sound or video. Public space becomes a platform for presentation, expression and communication. Tangente Festival invites people to create art about and with the festival themes of ecology, memory and democracy, to make statements, to design smaller and larger spaces and thus attain visibility. What emerges will be on display in September during the third peak of Tangente. Each of these showcases is meant to be an invitation to become more familiar with the city and its inhabitants – or to explore new corners and make fresh acquaintances.

Open Call ab März 2024 Ausstellungszeitraum 12.9.2024–6.10.2024 Ausstellungseröffnung 12.9.2024 Die Auswahl erfolgt durch eine unabhängige Jury und wird bis Mitte Juni 2024 bekannt gegeben.

109

Stadt-Galerie


Vermittlung / Partizipation

Tangiert es mich?

TangenteStadtprojekt

Vermittlungsprogramm

Bei der Tangente stehen große Themen nicht nur im Zentrum, sondern auch zur Debatte. Ausgehend von unserem vielfältigen Programm entstehen klassische und innovative Vermittlungsangebote, die eine kritische Auseinandersetzung ermöglichen und zum Mitmachen einladen. Im Vorfeld der Tangente gibt es eine Vielzahl von Projekten mit Schulklassen, die gemeinsam mit Künstler:innen und Vermittler:innen an Kunstwerken, Performances und Interventionen arbeiten. In diesem Sinne begleiten verschiedene Schulklassen Tangente-Projekte wie die Klimakonferenz „Tipping Time“, die Ausstellung „Blick in den Schatten“ im Stadtmuseum St. Pölten, unseren „Songwriting Call“ (musik.stp) und andere. Sie gestalten das Festival aktiv mit. Während der Gesamtdauer des Festivals gibt es verschiedenste Formate, um gemeinsam mit den Vermittler:innen der Tangente über die Stadt und ihre Geschichte, über Programm und Künstler:innen zu lernen, diese Themen zu diskutieren und sie weiterzudenken. Im Festivalzentrum entsteht das Herz der Tangente: ein Vermittlungsraum. Er ist ein Info-Point, ein Archiv bisheriger und laufender Tangente-Projekte, eine Bibliothek mit Leseecke, ein Kreativatelier für Workshops und ein Ort für kleinere Veranstaltungen, Diskussionen und Wissensaustausch. Gleichzeitig ist er ein Treffpunkt für Vermittler:innen und Besucher:innen, für Kooperationspartner:innen und diverse Community-Gruppen. Das Tangente-Vermittler:innenkollektiv fördert Kreativität, schafft Räume zum Lernen und Verlernen und arbeitet gemeinsam daran, durch Bildungsarbeit gegen jede Form von Diskriminierung einzustehen. Klar ist: Es wird viel los sein, dabei sein lohnt sich!

110


At Tangente, major issues are not only at the centre, but also up for debate. Based on our diverse programme, classical and innovative educational concepts are created that enable a critical examination of ecology, memory and demo­ cracy and invite people to participate. In preparation for Tangente, there are a number of projects with school classes that work together with artists and mediators on artworks, performances and interventions. In this way, various school classes accompany Tangente projects such as the climate conference “Tipping Time”, the exhibition “Blick in den Schatten” (gaze into the shadow) in the Stadtmuseum St. Pölten, our “Songwriting Call” (musik.stp) and others. They actively shape the festival. During the entire duration of the festival there will be various formats for learning, discussing and thinking together with the Tangente mediators about the city and its history, the festival programme and its artists. A mediation space is being created in the festival centre: the heart of the Tangente. It is an information point, an archive of previous and ongoing Tangente projects, a library with a reading corner, a creative studio for workshops and a place for smaller events, discussions and knowledge exchange. At the same time, it is a meeting place for mediators and visitors, for cooperation partners and various community groups. The Tangente mediator collective promotes creativity, creates spaces for learning and unlearning, and works together to stand up against all forms of discrimination Programm through educational work. One thing is clear: there will be a lot going on, it’s worth being there! Buchbare Führungen & Workshops Freie Kurator:innenführungen & Künstler:innenworkshops Veranstaltungen und ­Get-togethers im ­Ver­mittlungsraum im Festivalzentrum und im öffentlichen Raum Frühjahr 2024 Übersicht aller Ver­ mittlungsangebote auf der Website der Tangente Bei Interesse direkt mel­ den unter vermittlung@ tangente-st-poelten.at

111

Tangiert es mich?


Akademie / Workshop / Partizipation

Art of Community

TangenteSummerschool

Die Neue Freundschaften Summerschool

Nach fast zwei Jahren der Veranstaltungsreihe „Neue Freundschaften“ geht es im Sommer 2024 in der Villa auf der Herzo­genburger Straße 67 weiter. Im Rahmen der Summerschool „Art of Community“ treffen diverse (Young) Professionals aus Kunst, Aktivismus, Kuration, Vermittlung und der Sozialen Arbeit aufeinander und leben zehn Tage lang zusammen. Sie teilen ihre Perspektiven auf lokal betriebene Community-Arbeit und reflektieren Strategien des Zusammenkommens und -wachsens. Neben Festivalbesuchen und gemeinsamem Kochen bietet „Art of Community“ vier Labore mit Expert:innen an, die tiefe Einblicke in Community- und Kunstprojekte geben und Antworten auf Fragen der Repräsentation, der Betroffenheit und der Handlungsfähigkeit suchen. Zusätzlich werden Skill-­Sharing-Gelegen­ heiten geschaffen und Räume für Gespräche sowie Diskussionen mit lokalen und internationalen Expert:innen geöffnet. Ziel von „Art of Community“ ist es, länderübergreifende Netzwerke zu stärken, die gegen menschenfeindliche Politiken aufstehen und Praxen der Soli­darität und gegen Einsamkeit und Isolation verbreiten. Darüber hinaus sind Teilnehmer:innen der Summerschool eingeladen, ihre verschiedenen Communitys vorzustellen und gemeinsam Fragen zu diskutieren: Was macht eine Community aus? Wie ver­­binden wir uns mit anderen? Wer ist willkommen oder wird nie eingeladen? Wie schaffen wir nachhaltige Strukturen für eine multiperspektivische Gemein­wesenarbeit? Während dieser Tage werden die Türen der Villa für örtliche Communitys und interessierte Personen immer wieder geöffnet, um öffentliche Momente mit Essen, Gesprächen und Musik zu schaffen. Zum Abschluss gibt es ein Nachbarschaftsfest für alle.

112


After almost two years, the event series “Neue Freundschaften” (new friendships) continues in summer 2024 in the Villa at Herzogenburger Straße 67. As part of the “Art of Community” summer school, various (young) professionals from the fields of art, activism, curation, mediation and social work will meet and live together for ten days. They will share their perspectives on local community work and reflect on strategies for cooperation and communal growth. In addition to visiting the festival and community cooking, “Art of Community” will offer four laboratories with experts providing deep insight into community and art projects seeking solutions for representation, effectiveness and the power to act. In addition skill-sharing opportunities are planned and space will be created for discussion and talks with international experts. The aim of “Art of Community” is the strengthening of international networks which stand up against inhuman policies and support solidarity against loneliness and isolation. In addition, participants of the summer school are invited to present their various communities and discuss questions such as: What defines a commu­ nity? How do we connect with others? Who is wel­ come? Who is never invited? How do we create Laufzeit 28.6.–7.7.2024 sus­­tainable structures for multi-perspective community work? Ort Throughout this period, the doors of the Villa Die Villa will be open for local communities and interested Herzogenburger Straße 67 people to create public moments with cooking and Open Call und weitere eating together, conversations and music, culminatInfos im Jänner 2024 ing in a neighbourhood party open to all. Community Labs mit Nadine Jessen und Migrantpolitan (Kamp­ nagel Hamburg), Samuel Mago, Hamze Bytyçi und Simonida Selimovic (HÖR, Romatrial, Romano Svato), Queer ­Museum Vienna u. a. Paneltalks mit Michaela Moser (FH Soziales, Die Armutskon­ ferenz), Conny Scheuer (Verein BIZEPS), Stephan Kuß (Kunsthaus Wien) , SOS Balkanroute, Carlos Maria Romero aka Atabey (HKW Berlin), Seebrücke Herzogenburg, Diakonie St.Pölten u. a.

113

Art of Community

Juni / Juli 2024


114


Ökologie Ecology

115


116


117


118


119


120


121


122


123


124


125


126


127


128


129


130


131


132


133


134


135


136


137


138


139


140


141


142


143


144


145


146


147


148


149


150


151


152


153


154


155


156


157


158


159


Bildcredits / Image Credits 116 „Shared Landscapes“, Probe Lausanne, 2023 © Léonard Rossi 118 „Shared Landscapes“, Probe Lausanne, 2023 © Sarah Imsand 119 „Eisvogel an der Traisen in St. Pölten“, Stadtporträt St. Pölten / “Kingfisher along the Traisen in St. Pölten”, city portrait St. Pölten © René Weiss 120 Menschen beim Bestäuben von Bäumen, China / Humans fertilizing trees, China © Cpressphoto / Visum / picturedesk.com 122 Regina Hügli, „Traisen She/ Her“, Recherche und fotografische Beobachtungen zu Traisen und Mühlbach, 2023 / Regina Hügli, “Traisen She/Her”, research and photographic observations of Traisen and Mühlbach, 2023 © Regina Hügli 123 Der Traisenfluss mit geplantem reguliertem Bett, 1820 / The river Traisen with planned regulated riverbed, 1820 © Stadtarchiv via Topothek St. Pölten 124 Flüchtlinge aus Eritrea, Lybien und Sudan auf einem hölzernen Boot / Refugees from Eritrea, Libya and Sudan on a wooden boat © Joan Mateu Parra / AP / picturedesk.com

160

125 Oben: Stadtporträt St. Pölten / Top: City portrait St. Pölten © Romana Schroll Unten / bottom: Amanda Piña, „The School of Mountains and Water“, 2022 © nadaproductions.at 126 Demonstration gegen das AKW Zwentendorf / Protests against the nuclear power plant in Zwentendorf © ÖNB / picturedesk.com 128 Neue Freundschaften: „It’s a Date: Community Cooking“ / Tangente Sunset Dinner, FH St. Pölten, 2023 © JD Photography / Jasmina Džanić 129 Baan Noorg Collaborative Arts and Culture, Documenta 15, 2022 © Martin Meissner / AP / picturedesk.com 130 Regina Hügli, „Traisen She/ Her“, Recherche und fotografische Beobachtungen zu Traisen und Mühlbach, 2023 / Regina Hügli, “Traisen She/Her”, research and photographic observations of Traisen and Mühlbach, 2023 © Regina Hügli 131

„Hochhausblicke 3“, Stadtporträt St. Pölten / “Highrise views 3”, city portrait St. Pölten © Elisabeth Groihofer

132 Werbefoto für Alfa Romeo / Alfa Romeo advertisment photograph © Roger Viollet / picturedesk.com

134 Klimaaktivist:innen in Köln, 2023 / Climate activists in Cologne, 2023 © snapshot-photography / SZ-Photo / picturedesk.com 136

StadtLandFluss-Festival 2019, Regierungsviertel / government district St. Pölten © Peter Rauchecker

137 Zara Pfeifer, Schlafkoje eines Trucks aus dem Fotoprojekt „Good Times“ / Zara Pfeifer, Sleeping space of a truck from the photo project “Good Times” © Zara Pfeifer 138 Regina Hügli, „Traisen She/ Her“, Recherche und fotografische Beobachtungen zu Traisen und Mühlbach, 2023 / Regina Hügli, “Traisen She/Her”, research and photographic observations of Traisen and Mühlbach, 2023 © Regina Hügli 140 Ayaka Nakama, „Freeway Dance“ © Hideto Maezawa 142 Rhonegletscher (CH), unterer Teil der Gletscherabdeckung, die die Ablation im Bereich der Eisgrotte verlangsamen soll / Rhone glacier (CH), lower part of the glacier covering, intended to slow down the ablation in the vicinity of the ice grotto © Science Photo Library / picturedesk.com


144 Orgel, Dom zu St. Pölten / Organ of St. Pölten Cathedral © Uoaei1 / Wikipedia 145 Brennstäbe, AKW Zwentendorf / fuel rods, AKW Zwentendorf © Jeff Mangione / KURIER / picturedesk.com 146 Kontrollzentrum, AKW Zwentendorf / control room AKW Zwentendorf © EVN / Walter Knoll 148 Weltweilte Klimastreik Demo, Fridays for Future St. Pölten, 2023 / Worldwide climate strike rally, Fridays for Future, St. Pölten, 2023 © Lukas Zainzinger / FFF Austria 150 Zellmembrane / Cell membrane © Adobe Stock 151

Kobaltmine in Ruanda / Cobalt mine in Ruanda © Benoit Doppagne / Belga / IMAGO

152 Neue Freundschaften, Tanzworkshop / dance workshop, Sturm 19 Park, 2022 © JD Photography / Jasmina Džanić 154 Stadtporträt St. Pölten / City portrait St. Pölten © Jürgen Völkl 155 Arch McLeish, „ Sky Tyre“ aus der Serie „Barren Landscapes“, konzeptuelle Fotografie / conceptual photography © Arch McLeish

161

156 Sonnenparkfest 2014, St. Pölten © Thomas Schnabl 158 Orientexpress in St. Pölten © Alfred Tatschl via Topothek St. Pölten 159 Tigerschnegel, in Europa heimisch, oft missverstanden als invasive Art, nützlich in Gärten zur Bekämpfung anderer Nackt­ schnecken / Leopard slug, native to Europe, often misunder­ stood as invasive species, useful in gardens to combat other slugs © maerzkind / iStock


Der geheime Gärtner

Solmaz Khorsand über Markus Weidmann-Krieger

Demut flößt einem dieser Ort ein. Wenn man so mit nackten Füßen auf der Wiese steht, die Bäume und Sträucher betrachtet, die Jahre, gar Jahrzehnte an Zeit, Energie und Pflege gebraucht haben, um zu wachsen. Um überhaupt zu existieren. Wie ein verwunschener Garten offenbart sich der Sonnenpark am Spratzerner ­Kirchenweg in St. Pölten. Als hätte sich ein Stück wilder Natur trotz aller menschlicher Ignoranz heimlich seinen Platz zurückerobert, hier, mitten im Wohngebiet im Südwesten der Stadt, zwischen Genossenschaftstürmen und Einfamilienhäusern. Es dauert eine Weile, bis man auf andere Menschen trifft. Eine Frau spaziert vorbei, ein kleines Mädchen an der Hand, mit einem Hund an der Leine. Man nickt einander komplizinnenenhaft zu, als würde man ein Geheimnis teilen, das Geheimnis, diesen Ort entdeckt zu haben. Und tatsächlich hat der Sonnenpark etwas von einem Geheimnis. Nur 20 Prozent aller Menschen in St. Pölten würden ihn kennen, meint Markus Weidmann-Krieger. Dabei tut der 50-Jährige seit fast zwei Jahrzehnten alles, um seinen Mitbürger:innen begreifbar zu machen, welche Oase sich in dieser Stadt befindet. 50.000 Quadratmeter Grünraum, ein Rückzugsort nicht nur für Menschen, sondern auch für Tiere und Pflanzen. Es ist der atmende, lebende und wachsende Beweis, dass alles nebeneinander existieren kann, im Takt der Natur behutsam gepflegt, nicht durchgestylt wie in herkömmlichen Parks. 162


Seit 1999 kümmert sich Weidmann-Krieger um diesen Ort. Die meiste Zeit ehrenamtlich, seit vier Jahren angestellt als „Kulturgärtner“. Offiziell für 23,5 Stunden die Woche, inoffiziell etliche unbezahlte Stunden mehr. Nicht umsonst wird er von einigen Besucher:innen „das Rückgrat“ des Parks genannt. Jeden einzelnen Baum kennt er. Welcher gefällt wurde, welche gepflanzt wurden, welcher Gefahr läuft, von den zwei ehrgeizigen Biberfamilien, die seit einigen Wochen den Park heimsuchen, angenagt zu werden. 40 Bäume haben sie bereits gekippt. Erst in der Vornacht haben sie wieder zugeschlagen. Er zeigt an diesem Dienstagnachmittag auf einen umgestürzten Apfelbaum. Dieser stand unmittelbar neben einem der zwei Vereinshäuser beim Eingang Spratzerner Kirchenweg 81–83.

Hier, am Rande der Stadt, im toten Winkel der St. Pöltner:innen, sollten diese jungen Musiker:innen, Künstler:innen und Freigeister nun ihre Zelte aufschlagen. „Es war ganz schön schwer, Freiwillige zu finden, um aus den Ruinen hier etwas zu machen“, erzählt Weidmann-Krieger. Aber es gelang, mit Learning by Doing ein kleines Utopia zu schaffen – samt Ateliers, Musikräumen, Symposien, 163

Foto: Katie-Aileen Dempsey

Hier hat alles vor 24 Jahren begonnen. Mit zwei heruntergekommenen Häusern – und einer Gruppe junger Künstler:innen. Nachdem 1999 deren alte Räumlichkeiten nahe dem Bahnhof abgerissen worden waren, stellte ihnen die Stadt das verwaiste Gelände am Spratzerner Kirchenweg zur Verfügung. Ein großes Areal, weit weg vom Schuss. Einst der Standort einer alten Mühle, später einer Fabrik für Eisen­ waren, deren Gebäude mit Ausbruch der Kriege im ehemaligen Jugoslawien zur Unterbringung von Geflüchteten genutzt wurden. Weidmann-Krieger erinnert sich noch an die verschachtelten Zimmer in den zwei Häusern, wo auf engstem Raum Betten und Nachtkästchen standen. Bis zu 200 Personen sollen hier Zuflucht gefunden haben.


legendären Partys und später dem mehrtägigen Festival „Parque del Sol“. Avantgarde und Punk hatten plötzlich in St. Pölten ihre Heimat gefunden. Mit Hunderten Besucher:innen aus aller Welt – von Dänemark bis Russland. Und einem Park, der allzu gern vom Rest der Stadt als Müllhalde missbraucht wurde, um alte Fahrräder, gar Dächer zu entsorgen. Zugewuchert von Rosen und Schlingpflanzen sei er anfangs gewesen, erinnert sich WeidmannKrieger. Stück für Stück hat er, der sich eigentlich als Schlagzeuger und Videokünstler verstand, ihn freigegärtnert. Einen echten Park mit einem drei Kilometer langen Wegenetz geschaffen. Und das alles in seiner Freizeit. Die Bäume, ein heikles Kapitel Sein halbes Leben hat Weidmann-Krieger in diesen Ort gesteckt. Wer mit ihm durch den Park spaziert, begreift, warum ihn andere als dessen Rückgrat bezeichnen. Es hat etwas Väterliches, wenn er über den Boden, die Pflanzen und vor allem die Bäume spricht. Als würde er von seinen Kindern erzählen, die er von Geburt an begleitet hat. Wie er sie gepflanzt und von allerlei invasiven Gewächsen befreit hat. Wie er sie so lange schützt, bis sie von alleine überleben können – ob mit Draht vor Bibern, Kunststofffolien vor Rehen, die sich an ihrer Rinde abwetzen, oder kleinen selbstgebastelten „Rauchen verboten“-Schildern, um die Menschen davon abzuhalten, achtlos ihre Zigarettenstummel wegzuschmeißen, die schon einmal zu einem Waldbrand führen können. Er bückt sich, um einen dieser Stummel aufzuklauben. Verächtlich hält er ihn in die Höhe: „500 Liter Grundwasser verseucht. Das ist eine Giftbombe, die so lange hält, das ist irre!“, sagt er und verschwindet plötzlich im Dickicht. Er will seinen Lieblingsplatz herzeigen. An der Ostseite des Parks, versteckt im Gestrüpp, bleibt er vor zwei Baumstümpfen stehen, den Resten zweier Eschen, die gefällt werden mussten, weil sie sonst von alleine umgeklappt wären. Er setzt sich auf einen der Stümpfe und schaut auf das Blättermeer, das sich vor ihm erstreckt. Sein geliebter Weißdorn mit den roten Früchten, diese „extreme Heilpflanze“, die Blätter der Elsbeere, die er 2020 gesetzt hat, und die schon so hoch ist. „Ab dieser Höhe habe ich schon gewonnen, dann geht es in den Kronenbereich, und ich muss mich nicht mehr kümmern, dass sie durchkommt“, sagt er. 164


Die Bäume sind ein heikles Kapitel in der Geschichte des Sonnenparks. Wurden sie doch 2008 dazu genutzt, um Weidmann-Krieger und seinen Mitstreiter:innen zu beweisen, wer auf dem Areal das Sagen hatte. Zwei Jahre zu­ vor hatte der Bürgermeister den Es hat etwas Väterliches, wenn er Künstler:innen zu verstehen gege­ über den Boden, die Pflanzen ben, dass sie in ihrem Sonnenund vor allem die Bäume spricht. park nur geduldet seien, dass die Als würde er von seinen Kindern Fläche Bauland sei und längst erzählen, die er von Geburt an be­ einer Genossenschaft zum Verkauf gleitet hat. angeboten worden war. Die Punks hatten sich die längste Zeit dort ausgetobt. 2008 kam es zur Machtdemonstration. 150 Obstbäume wurden an einem Tag gefällt. Der Rest sollte am Tag darauf folgen. Weidemann-Krieger und seine Kolleg:innen konnten das verhindern. Mit Kampagnen, Teilen der lokalen Bevölkerung und einem überregionalen Medien­ rummel. Es sollte noch einmal zehn Jahre dauern, bis der Park 2018 auch als solcher vom Verein Sonnenpark betrieben und genutzt werden durfte. Mit einem Haken: Auf zehn Jahre ist der Vertrag zwischen Stadt und Verein ausgelegt. Mit der Klausel, dass die Stadt jederzeit bei Platzbedarf auf den Park zurückgreifen kann. „Rund zwei Drittel des Parks sind nach wie vor Bauland“, erklärt Weidemann-Krieger. Um den Park dauerhaft vor einer Bebauung zu schützen, müsste es eine Flächenumwidmung geben. Nichts deutet darauf hin, dass das in naher Zukunft passieren wird. Alles also wieder nur ein Provisorium? Weidmann-Krieger lächelt. Der Spaziergang ist zu Ende, er dreht sich auf einer der Sitzbänke vor den beiden Häusern eine Zigarette. „Die Zeit spielt eher für den Park“, sagt er, „ich könnte das auch nicht machen, wenn ich nicht daran glauben würde, dass er bleiben wird.“ Zu sehr sei die ökologische Krise in der Gesellschaft angekommen. Selbst die Ahnungslosesten hätten begriffen, wie wichtig Grünraum in der Stadt sei, obgleich sich die politisch Verantwortlichen zu­ rückhalten, den Ort als grüne Oase zu bewerben – mit eigenem Klimaforschungslabor für Kinder, Festivals und gemeinsam bewirtschafteten Gemüsebeeten, dem Indiz 165


gelebten Bürger:innenengagements. Und schon gar nicht komme man auf die Idee, mehr Geld zu investieren, um den Park zu beschildern, vor Vandal:innen und Ignorant:innen zu schützen, von denen es noch zu viele gibt. Auch an diesem Tag hat Weidmann-Krieger, der früher als Betreuer in einer Montessori-Schule gearbeitet hat, wieder versucht, einer Gruppe leicht beschwipster Besucher:innen ins Gewissen zu reden. In pädagogischer Manier hat er sie darauf hingewiesen, ihre Bierdosen in die dafür vorgesehenen Mülleimer zu werfen. „Passt scho“, haben sie zurückgegrunzt. Es ärgere ihn, wie viele den Park weiterhin verschmutzen würden. Als hätten sie immer noch nicht begriffen, wie kostbar und rar so ein Raum ist. Manchmal mache er sich Gedanken darüber, was „nach ihm“ passieren wird mit diesem Ort. Ob er sie für diese Arbeit gewinnen könne, diese neue Generation, die es nicht gewohnt sei, lange an etwas dranzubleiben, wenn nicht Geld, Prestige oder zumindest ein paar Likes auf Social Media im Spiel sind. In solchen Momenten erinnert er sich an die Geschichte eines Jungen. Den damals 14-Jährigen habe er mit seinen Freunden auf die Polizeiwache geschleppt, nachdem sie eine Hütte auf dem Gelände zu ihrem Geheimlager gemacht und anschließend demoliert sowie gelegentlich Feuerlöscher in die frisch verglasten Fenster der Vereinsgebäude geschmissen hatten. Richtig gefährlich sei das gewesen. Jahre später sei dieser Junge als Erwachsener zurück in den Park gekommen. Er wolle sich entschuldigen. Er habe damals nicht verstanden, was hier eigentlich geleistet werde. Jetzt als Erwachsener verstehe er es. Und wolle mithelfen. Zwei Jahre lang habe er ehrenamtlich mitgearbeitet. Heute studiere er in Wien an der Universität für Bodenkultur Forstwissenschaften. Er, der kein Interesse für Bäume hat­ te, widme sich ihnen nun Vollzeit. Markus Weidmann-Krieger strahlt, wenn er die Anekdote erzählt. Offenbar ist in den vergan­ genen Jahrzehnten in St. Pölten am Spratzerner Kirchenweg doch mehr gewachsen als nur ein bisschen Grün. So etwas wie ein Bewusstsein.

166


The Secret Gardener This place fills you with humility. When you stand on the meadow with bare feet, looking at the trees and bushes that have taken years, even decades of time, energy and care to grow, to exist at all. The Sonnenpark on Spratzerner Kir­chenweg in St. Pölten reveals itself like an enchanted garden. As if a piece of wild nature had secretly reclaimed its place, despite all human ignorance, here in the middle of the residential area in the south-west of the city, between cooperative housing and single-family homes. It takes a while before you meet other people. A woman walks by, a little girl holding her hand, with a dog on a leash. A complicit nod, as if sharing a secret, the secret of having discovered this place. And indeed, the Sonnenpark is somewhat of a secret. Only 20 percent of all people in St. Pölten know about it, Markus Weidmann-Krieger says. Yet the 50-year-old has been doing everything he can for almost two decades to make his fellow citizens realise what an oasis hides in this city. 50,000 square ­metres of green space, a retreat not only for people but also for animals and plants. It is the breathing, living and growing proof that everything can exist side by side, carefully cultivated to the rhythm of nature, not styled as in con­ ventional parks. Weidmann-Krieger has been looking after this place since 1999, most of the time on a voluntary basis, for the last four years he has been employed as a “cultural gardener”. Officially for 23.5 hours a week, unofficially for several more unpaid hours. It is not for nothing that some visitors call him “the back­bone” of the park. He knows every single tree, which ones have been felled, which ones have been planted, which ones are in danger of being gnawed on by the two am­bitious beaver families that have been haunting the park for a few weeks. They have already toppled 40 trees. Just last night they struck again, he points to a fallen apple tree. It stood right next to one of the two clubhouses at the entrance at Spratz­ erner Kirchenweg 81–83. It all started here 24 years ago with two run-down houses – and a group of young artists. After their old premises near the railway station were demolished in 1999, the city made the abandoned site on Spratzerner Kirchenweg available to them, a large area, far away from the action. Once it was the site of an old mill, later a hardware factory, whose buildings were tem­ porarily used to house refugees when the wars in the former Yugoslavia broke out. Weidmann-Krieger still remembers the small, nested rooms in the two houses, where beds and bed-

There is something fatherly about the way he talks about the soil, the plants and especially the trees. As if he were talking about his children, whom he has accompanied from birth.

167


side tables were crammed together. Up to 200 people are said to have found refuge here.

The trees, a delicate chapter

Weidmann-Krieger has put half Here, on the outskirts of the city, in a blind spot his life into this place. Anyone who of St. Pölten, these young musicians, artists walks through the park with him and free spirits were to pitch their tents. “It was understands why others call him quite difficult to find volunteers to build some- the backbone of the park. There thing out of the ruins here,” says Weidmann-­ is something fatherly about the Krieger. But they succeeded in creating a small way he talks about the soil, the plants and especially the trees. As utopia with learning by doing – with studios, music rooms, symposia, legendary parties and if he were talking about his chillater the multiday festival “Parque del Sol”. dren, whom he has accompanied Avant-garde and punk had suddenly found a from birth. How he planted them home in St. Pölten, with hundreds of visitors and freed them from all kinds of from all over the world – from Denmark to Rus- invasive plants. How he protects sia. And a park that the rest of the city was them until they can survive on their only too happy to abuse as a dumping ground own – be it with wire to guard for old bicycles, even roofs. In the beginning, it them from beavers, plastic sheet­ was overgrown with roses and vines, Weidmann-­ ing to keep them safe from deer Krieger recalls. Piece by piece, he, who origi­ chafing on their bark, or little home­ nally thought of himself as a drummer and video made no-smoking signs to keep artist, cleared it out. He created a real park people from carelessly throwing with a three kilometres long network of paths. away their cigarette butts, which could lead to a forest fire. He And he did it all in his spare time. bends down and picks up one of these butts. He holds it up contemptuously: “500 litres of groundwater contaminated. That’s a poison bomb that lasts so long, it’s crazy!” he says and suddenly disappears into the thicket. He wants to show off his favourite spot. On the east side of the park, hidden in the under­growth, he stops in front of two tree stumps, the remains of two ash trees that had to be cut down be­cause they otherwise would have fallen over by themselves. He sits down on one of the stumps and looks at the sea of leaves spreading out before him. His beloved hawthorn with its red fruits, this “extreme medicinal plant”, the leaves of the wild service tree he planted in 2020, which has already grown tall. “From this height I have already won, then it goes into the crown area and I don’t have to worry about it pulling through,” he says. The trees are a sensitive chapter in the history of the Sonnenpark, since they served to prove who was in charge on the site to Weidmann-Krieger and his fel­ low campaigners in 2008. Two years earlier, the mayor had told the artists that they were only tolerated in the

168


Sonnen­park, that the area was zoned for building and had long since been offered for sale to a housing cooperative. The punks had been wreaking havoc there for long enough. In 2008, there was a show of force. 150 fruit trees were felled in one day. The rest were to follow the next day. Weidmann-Krieger and his colleagues managed to prevent this, with campaigns, parts of the local pop­ ulation and a media frenzy that went beyond the region. It was to take another ten years until the park could be operated and used as such by the Sonnen­park association in 2018. But there is a catch: the contract between the city and the association runs for ten years, with the clause that the city can access the park at any time if space is needed. “Around two thirds of the park are still zoned for building,” explains WeidmannKrieger. In order to permanently protect the park from development, there would have to be a rezoning. There are no signs that this will happen in the near future.

Also on this day, Weidmann-Krieger, who used to work as a counsellor in a Montessori school, again tried to appeal to the conscience of a slightly tipsy group of visitors. In a pedagogical manner, he told them to throw their beer cans into the waste bins provided. “That’s alright,” they grunted back. It annoys him how many people continue to litter in the park. As if they still haven’t understood how precious and rare such a space is. Sometimes he worries about what will happen to this place “after him”; whether he can win them over for this work, this new generation that is not used to stick­ ing to one thing for long if it is not for money, prestige or at least a few likes on social media.

At such moments, he remembers the story of a boy. He had dragged the then 14-year-old to the police station after he and his friends had made a hut on the grounds their secret camp and then ­demolished it; they had also occasionally thrown fire extinguishers into the freshSo it’s all just a temporary solution ­ly glazed windows of the club buildings. again? Weidmann-Krieger smiles. The That was really dangerous. Years later, walk is over, he rolls a cigarette on this boy came back to the park as an one of the benches in front of the two adult. He wanted to apologise. At the time, houses. “Time is on the side of the he did not understand what was actu­ park,” he says, “I couldn’t do this either ally being done here. Now, as an adult, he if I wouldn’t think it will stay.” The ecounderstood. And he wanted to help. logical crisis, he says, has become too He worked as a volunteer for two years. much of an issue in society. Even the Today he is studying forestry at the most clueless have realised how impor­ ­Universität für Bodenkultur (University of tant green space is in the city, even Natural Resources and Life Sciences) if the political leaders are reluctant to in Vienna. He, who had no interest in trees, promote the place as a green oasis – now devotes himself to them full-time. with its own climate re­search lab for chil­ Markus Weidmann-Krieger beams when dren, festivals and community veg­he tells the anecdote. Apparently, more etable beds as a sign of active citizen than just a bit of greenery has grown in engagement. Nor would it occur to St. Pölten on Spratzerner Kirchenweg anyone to invest more money in signage over the past decades: something like for the park and protection against an awareness. vandals and ignorants, of which there are still too many.

169


170


171


Musiktheater · Österreichische Erstaufführung

TangenteKoproduktion

Hèctor Parra / Fiston Mwanza Mujila / Milo Rau / Tonkünstler-Orchester JUSTICE Kongo, 2019: Auf einer Dorfstraße in Katanga, zwischen ­Lubumbashi und Kolwezi, rammt ein mit Schwefelsäure beladener Tanklaster einen Bus. Die Folgen: mehr als 20 Tote und viele Verletzte. Die Säure fließt in einen nahen Fluss. Es ist jene Säure, die bei der industriellen Verarbeitung von Mineralien verwendet wird. In fast jedem Smartphone-­ Akku ist Kobalt verarbeitet, nirgendwo wird mehr Kobalt gefördert als im Kongo. Die zweite Operninszenierung des international preisgekrönten Regisseurs und Intendanten der Wiener Festwochen Milo Rau basiert auf diesem Ereignis. Rau entwickelt daraus ein chorisches und elegisches Werk über dieses Dorf, über zerrissene Schicksale, aber auch eine Reflexion über die Kräfte des Guten und des Bösen und die Interessen der Allgemeinheit. Zwischen NGOs und multinationalen Unternehmen, politischen Mächten und der lokalen Bevölkerung scheint die Verstrickung von Verantwortung und dem, was man „Entwicklung“ nennt, sehr ausgeklügelt zu sein … In „JUSTICE“ inszeniert Rau das Theater als politischen Ort, an dem globale Diskurse kollektiv verhandelt werden. Dabei mischen sich Stimmen von Geistern und Opfern, Schuldigen und vermeintlich Schuldigen mit den Mythen der nicht nur an Bodenschätzen reichen Region. Librettist von „JUSTICE“ ist der in Graz lebende kongo­ le­sische Autor Fiston Mwanza Mujila. Die Musik stammt vom katalanischen Komponisten Hèctor Parra. Kurze Zeit nach der Premiere am Grand Théâtre de Genève wird das aufrüttelnde Werk mit den Tonkünstlern und einem hochkarätigen Ensemble erstmals in Österreich zu er­ leben sein.

172

Tangente × Festspielhaus St. Pölten × Tonkünstler-Orchester


Congo, 2019: On a village road in Katanga, between Lubumbashi and Kolwezi, a tanker loaded with sulphuric acid rams into a bus. The consequences: more than 20 dead and many Datum / Uhrzeit injured. The acid flows into the nearby river. Sulphuric 30.4. und 1.5.2024 jeweils 19:30 Uhr acid is used in the industrial processing of minerals. Cobalt is found in al­most every smartphone battery, Ort and nowhere is more cobalt mined than in the Congo. Festspielhaus St. Pölten Großer Saal The second opera production by the internationally award-winning director and artistic director of Preis the Wiener Festwochen Milo Rau is based on this EUR 69, 62, 55, 42, 20 event. Rau created an elegiac, choral work about the vil-50 % für alle unter 26 lage, torn fates, the forces of good and evil and public Sprache interest. The intertwining of responsibility and so-called Französisch mit deutschen development seems to be quite complex among NGOs, Übertiteln multinationals, political powers and the local populace … Oper von Hèctor Parra, In “JUSTICE”, Rau utilises the theatre as a politi­ Libretto von Fiston cal arena where global discourse is collectively nego­ Mwanza Mujila nach einem tiated. Voices of ghosts and victims, culprits and alleged Drehbuch von Milo Rau culprits mix with the myths of the region, which is not Regie Milo Rau only rich in mineral resources. Librettist for “JUSTICE” Musikalische Leitung is the Congolese author Fiston Mwanza Mujila, who Titus Engel Bühne Anton Lukas lives in Graz. The music is by the Catalan composer Kostüme Cedric Mpaka Hèctor Parra. Shortly after its premiere at the Grand Lichtdesign Jürgen Kolb Videos Moritz von Dungern Théâtre de Genève, this stirring work will be performed by the Ton­künst­ler orchestra and a top-class Dramaturgie Clara Pons Chordirektor Mark Biggins ensemble for the first time in Austria. Mit Cyrielle Ndjiki Nya (Mutter), Lauren Michelle (Stimme, Anwältin), Katarina Bradić (Fahre­ rin), Idunnu Münch (Frau des Direktors), Serge Kakudji (Junge), Peter Tantsits (Direktor), Simon Shibambu (junger Priester), Willard White (Priester) Tonkünstler-Orchester Niederösterreich, Kojack Kossakamvwe (E-Gitarre), Chor des Grand Théâtre de Genève Eine Produktion des Grand Théâtre de Genève in Koproduktion mit Festspielhaus St. Pölten und Tangente St. Pölten – Festival für Gegenwartskultur. Mit Unterstützung von pro helvetia.

173

JUSTICE

April / Mai 2024


Musik / Literatur

Olivier Messiaen / Birgit Minichmayr / Pierre-Laurent Aimard Katalog der Vögel Mit Texten von Fiston Mwanza Mujila, Vinciane Despret

Die Hälfte aller Feld- und Wiesenvögel ist verschwunden. Vögel, vor allem aber die Amsel, die über elf oder zwölf Strophen improvisieren könne, seien seine einflussreichste Quelle, antwortete Olivier Messiaen auf die Frage, welche Musiker:innen ihn am meisten beeinflusst hätten. Mit seinem 13-teiligen Zyklus „Catalogue d’oiseaux“ („Katalog der Vögel“), der in den Jahren 1956 bis 1958 entstand, tauchte der französische Komponist tief in die Welt des Vogelgesangs ein. Inspiration schöpfte er dabei aus seiner Liebe zu Klängen, Farben, Formen und Rhythmen der Natur. Doch wie viele der 77 Vogelarten, die Messiaen in unterschiedlichen Regionen Frankreichs transkri­ bierte und auf die er kompositorisch reagierte, sind heute, in Zeiten des Artensterbens, noch zu hören? Pianist Pierre-Laurent Aimard und Schauspielerin Birgit Minichmayr setzen Messiaens Werk über die Welt der Vögel in einen neuen Kontext mit ausgewählten Texten von Fiston Mwanza Mujila, dem Autor des Librettos von „JUSTICE“ (siehe Seite 172), und der Philosophin Vinciane Despret. Diese beschreibt in ihrem 2022 erschienenen Buch „Wie der Vogel wohnt“ das komplexe Verhältnis von Vögeln untereinander, aber auch ihre vielfältigen Welten und Existenzweisen auf unserem Planeten. Dabei werden gängige Auffassungen von Rivalität, Territorien, Grenzen und Eigentum überwunden, zugunsten einer Aufmerksamkeit für die Kom­plexität sozialer Interaktion, in der Räume stän­dig und gemeinsam neu verhandelt werden. Die musikalische Lesung wird Messiaens Werk in mehreren Teilen erklingen lassen, zunächst im Fest­ spielhaus St. Pölten und anschließend an weiteren Orten der Stadt. 174

Tangente × Festspielhaus St. Pölten × Ehemalige Synagoge


Datum/Uhrzeit 1.5.2024 12:00 Uhr

Half of all field and meadow birds have disappeared. When Asked which musicians influenced him the most, Olivier Messiaen replied, birds and most of all the blackbird which can improvise over eleven or twelve verses. With his 13-part cycle “Catalogue d’oiseaux” (“Catalogue of Birds”), written between 1956 and 1958, the French composer delves deeply into the world of birdsong. He drew inspiration from his love for the sounds, colours, shapes and rhythms of nature. But how many of the 77 bird species whose voices Messiaen transcribed in different regions of France and to which he responded comp­ositionally can still be heard today, in times of species extinction? Pianist Pierre-Laurent Aimard and actress Birgit Minichmayr put Messiaen’s work on the world of birds into a new context with selected texts by Fiston Mwanza Mujila, author of the libretto of “JUSTICE” (see page 172), and philosopher Vinciane Despret. In her book “Living as a Bird”, released in 2022, Despret describes the complex relationships between birds and their diverse worlds and forms of existence on our planet. Common notions of rivalry, territory, borders and ownership are set aside in favour of attentiveness to the complexity of social interaction in which space is constantly and collectively renegotiated and reallocated. The musical reading will bring Messiaen’s work to life in several parts, first at the Festspiel­ haus St. Pölten, then elsewhere in the city.

Ort Festspielhaus St. Pölten Ehemalige Synagoge St. Pölten Öffentlicher Raum Preis EUR 34 -50 % für alle unter 26 Klavier Pierre-Laurent Aimard Lesung Birgit Minichmayr Textfassung Helena Eckert Tangente St. Pölten – Festival für Gegenwartskultur in Kooperation mit dem Festspielhaus St. Pölten.

175

Katalog der Vögel

Mai 2024


Musik

Kali Malone

Orgel Experimentell #1

„Einerseits sind Orgeln riesige, majestätische Machtsymbole. Andererseits kann ein kleines Insekt sie komplett ausrangieren.“ Neben ihrer Arbeit als Komponistin und Musikerin hat Kali Malone früher Pfeifenorgeln gestimmt und repariert. Sie spricht also aus Erfahrung über die Verletzlichkeit und Feinfühligkeit der größten Instrumente, die der Mensch spielen kann. Nach St. Pölten bringt die in Stockholm lebende Amerikanerin neue Kompositionen und bestehende Orgelwerke aus ihrem Portfolio. Scheinbar tranceartig führt uns Kali Malone durch einen Prozess, bei dem jede kleine Bewegung, jede winzige Klangveränderung durch Stille vergrößert wird und intensive Konzentration auslöst. Bei mehreren vierhändigen Orgelstücken wird Kali Malone von Stephen O’Malley begleitet. Kali Malones zuletzt erschienene Alben „The Sacrificial Code“ (2019) und Living Torch (2022) erregten internationales Aufsehen. Mit „Does Spring Hide Its Joy“ (2023) schaffte es Malone gemeinsam mit Stephen O’Malley und Lucy Railton sogar auf die Nummer vier der Billboard Classical Crossover Charts. Weltweite Auftritte bei Festivals, in Konzertsälen, Kirchen und Museen, darunter Berlin Atonal, Elbphilharmonie, Rockefeller Chapel, Moogfest und bei der Biennale Venezia. Stephen O’Malley ist Gitarrist, Produzent, Komponist und bildender Künstler. Seit mehr als zwei Jahrzehnten konzipiert und gestaltet er zahlreiche Drone- und Experimental­­musikgruppen mit. Abseits von Liturgie und Repertoire arbeiten sich drei markante ­Persönlichkeiten unterschiedlichster musikalischer Provenienz in der neu aufgelegten Serie „Orgel Experimentell“ an der Königin der Instrumente ab und stellen dem barocken Interieur des St. Pöltner Doms Gegenwarts­kultur zur Seite. (Siehe auch S. 268 und S. 346.)

176

Tangente × Diözese St. Pölten


“On one hand, organs are huge, majestic symbols of power. On the other, an insect can completely disable them.” In addition to her work as a composer and musician, Kali Malone used to tune and repair pipe organs. So she speaks from experience about the vulnerabilty and sensibility of the largest instruments humans can play. The American, who lives in Stockholm will present new compositions and existing works from her portfolio for pipe organ in St. Pölten. Seemingly austere, Kali Malone takes us through a process in which every little movement, every tiny change in sound is magnified by silence, thus creating a stunning depth of focus. The performance will take place with additional accompaniment by Stephen O’Malley on several four-hand organ pieces. Kali Malone’s recently released albums “The Sacrificial Code” (2019), “Living Torch” (2022) quickly rose to international critical acclaim. With “Does Spring Hide Its Joy” (2023) featuring Stephen O’Malley and Lucy Railton she made it to number four on the Billboard Classical Crossover charts. Worldwide performances at festivals, concerts halls, churches and museums, such as Berlin Atonal, Elbphilharmonie, Rockefeller Chapel, Moogfest and Biennale Venezia. Stephen O’Malley is a guitarist, producer, composer and visual artist who has conceived and co-created numerous drone and experimental music groups for more than two decades. Apart from ­liturgy and repertoire, three remarka­ ble personalities of the most diverse musical provenance work on the queen of instruments in the upcoming series “Orgel Experimentell” (organ exper­imental) and jux­tapose the baroque interior of the St. Pölten Cathedral with contemporary culture. (See also p. 268 and p. 346.)

Datum/ Uhrzeit 2.5.2024 21:00 Uhr Ort Dom zu St. Pölten Preis EUR 20 -50 % für alle unter 26 Orgel Kali Malone Begleitung der vierhändigen Kompositionen Stephen O‘Malley

177

Kali Malone

Mai 2024


Theater / Performance / Musik · Österreichische Erstaufführung

Caroline Barneaud / Stefan Kaegi Shared Landscapes

TangenteKoproduktion

Sieben Stücke zwischen Wald und Wiese

Wie kann man sich der Landschaft nähern, ohne gleichzeitig eine Distanz zu ihr zu schaffen? Was wäre, wenn die Kunst die Natur nicht nachahmt sondern sie anders erlebbar machen würde? Diese Fragen wirft das Projekt „Shared Landscapes“ auf. Caroline Barneaud, Kuratorin, und Stefan Kaegi, Theaterregisseur (Rimini Protokoll), laden das Publikum ein, das Theater zu verlassen und einen ganzen Tag in der Natur am Stadtrand von St. Pölten zwischen Bäumen, Wiesen, menschlichen und nicht-menschlichen Bewohner:innen zu verbringen. Unter freiem Himmel entsteht eine neue Art von Gemeinschaft an der Schnittstelle zwischen Stadt und Land. Bei einem gemeinsamen Spaziergang erleben die Besucher:innen sieben Inszenierungen – musikalische Skulpturen, Klangkreationen, choreografische Audiotouren, subvertierte Picknicks und philosophische Theaterstücke –, die Natur und Kultur verbinden. Unter Einbindung regionaler Partner:innen und Mitwirkender entsteht in der hügeligen Umgebung von St. Pölten die lokale Neuinszenierung dieses europäischen Projekts. Bei „Shared Landscapes“ können Besucher:innen aller Altersgruppen und Hintergründe Erfahrung damit machen, wie Theater in Dialog mit der Natur tritt. „Shared Landscapes“ ist Teil des Projekts „Performing Landscape“, einer Zusammenarbeit zwischen Kulturinstitutionen, Künstler:innen und Wissenschaftler:innen, die eine Reflexion über die Begriffe Kunst, Land­schaft und Territorium entwickeln. Sie zeichnen eine sichtbare und unsichtbare Karte der Orte, die sie besuchen und machen durch das Prisma von Kunst und Wissenschaft gemein­ same Räume sichtbar.

178


How to approach the landscape without simultaneously creating a distance from it? What if art did not imitate nature but enabled us to experience it differently? These Mit Stücken von are the questions posed by the project “Shared Chiara Bersani und Marco Landscapes”. D’Agostin, El Conde de Torrefiel, Sofia Dias und Caroline Barneaud, curator, and Stefan Kaegi, Vítor Roriz, Begüm theatre director (Rimini Protokoll), invite the audience Erciyas und Daniel Kötter, Stefan Kaegi, Ari Benjamin to leave the theatre and spend a whole day in nature Meyers und Émilie Rousset on the outskirts of St. Pölten among trees, meadows, human, and non-human inhabitants. In the open air, a new kind of community emerges at the intersection Datum / Uhrzeit 3.5., 4.5., 5.5., 10.5., of city and country. Walking together, the audience 11.5. und 12.5.2024 experiences seven productions – musical sculptures, jeweils 13:00 Uhr sound creations, choreographic audio tours, subverted picnics and philosophical plays – that will connect Dauer nature and culture. By involving various regional partsieben Stunden ners and participants, the local staging of this EuroOrt pean project will be created in the hilly surroundings Umgebung von St. Pölten of St. Pölten. During “Shared Landscapes” visitors of Preis all ages and backgrounds can experience, how theaEUR 30 tre engages in a dialogue with nature. -50 % für alle unter 26 “Shared Landscapes” is part of the project “Performing Landscape”, a collaboration between culKonzept und Kuratierung Caroline Barneaud und tural institutions, artists, and scientists, who develop a Stefan Kaegi reflection on the notions of art, landscape, and terriLokale Produktion Tangente St. Pölten – Fes­ tory. They draw a visible and invisble map of the diftival für Gegenwartskultur. ferent places they visit and through the prism of arts Produktion Rimini Apparat, and sciences they unveil the spaces they share. Théâtre Vidy-Lausanne

Weitere Informationen performinglandscape.eu Koproduktion im Rahmen des Europäischen Projektkonsortiums „Performing Landscape“: Bunker/Mladi Levi Festival, Culturgest, Festival d’Avignon, Temporada Alta, Zona K/Piccolo Teatro di Milano Teatro d’Europa, Tangente St. Pölten – Festival für Gegenwartskultur. In Koproduktion mit Berliner Festspiele. Kofinanziert von der Europäischen Union; Konzeption gefördert durch die Bundeszentrale für politische Bildung (DE); In Partnerschaft mit INVR. SPACE GmbH für die VirtualReality-Headsets VR Cinema Solution.

179

Shared Landscapes

Funded by the European Union. Views and opinions expressed are however those of the author(s) only and do not necessarily reflect those of the European Union or the European Edu­ cation and Culture Executive Agency (EACEA). Neither the European Union nor EACEA can be held responsible for them.

Mai 2024


Tanz / Performance · Österreichische Erstaufführung

Ayaka Nakama Freeway Dance „Freeway Dance“ ist eine vierstündige Performance-Hymne an den Tanz als Ort der Begegnung, an dem Erinnerungen, Menschen, Geografien und verschiedene Formen der Freiheit ineinander fließen. „Mein Körper“, sagt Ayaka Nakama, „kann ohne Choreografie nicht tanzen, und er hat die Eigenschaft, dass er viel tanzen will, also braucht er viel Choreografie (wie Nahrung). In diesem Projekt habe ich Erinnerungen als Choreogra­fie behandelt. Ich staple diese Choreografien in meinem Körper, ohne sie zu ersetzen.“ Was ist unsere erste Erinnerung an das Tanzen? Für „Freeway Dance“ bat die japanische Choreografin und Performance-Künstlerin Ayaka Nakama eine Nachbarin, ihren Vater, ihre Freund:innen, ihre Erinnerungen an ihr erstes Tanzen zu beschreiben. Auf Grundlage dieser Beschreibungen rekonstruiert sie die Bewegungen mit ihrem eigenen Körper. Dafür lädt sie in einen Garten – an einen Ort, an dem man sitzen, auf der Schaukel schaukeln oder an einem der Essensstände etwas essen kann. Obwohl die Choreografie vorgegeben ist, wechselt die Musik jeden Abend. Zuschauer:innen erhalten, bevor sie kommen, eine E-Mail, in der sie um ein Lied gebeten werden, das sie mit einem bestimmten Moment in der Vergangenheit verbinden, zu dem sie getanzt oder das sie während einer Autofahrt gehört haben. So tanzt Ayaka Nakama die Tänze, an die sich zuerst die anderen erinnern, zu den Erinnerungen der Anwesenden im Raum. Ayaka Nakama lebt als Tänzerin und Choreografin in Kobe, Japan. Sie hat u. a. mit Mika Kurosawa, Reina ­Kimura, Toshiki Okada (chelfitsch) und contact Gonzo gearbeitet. Seit 2022 ist sie Fellow bei der Saison Foun­ dation in Tokio.

180

Tangente × Freiraum


“Freeway Dance” is a four-hour performance hymn to dance as a place of encounter where memories, people, geographies and different forms of freedom converge. “My body,” says Ayaka Nakama, “cannot dance without choreography, and it has the property that it wants to dance a lot, so it needs much more choreography (like food). In this project, I treated memories as chore­ography. I stack multiple choreographies in my body without replacing them.” What is our first memory of dancing? For “Freeway Dance”, the Japanese choreographer and per­formance artist Ayaka Nakama asked a neighbour, her father and her friends to describe their memories of their first dance. Based on these descriptions, she re­constructs the movements with her own body. To do this, she invites people to a garden – a place where you can sit, swing on the swing or eat something at one of the food stalls. Although the choreography is fixed, the music changes every evening. Beforehand, the audience receives an email asking them to choose a song that they associate with a particular moment in the past, a song they danced to or heard while driving. Datum / Uhrzeit 3.5.2024 In this way, the dances that others remembered are 18:00 Uhr danced to the memories of those present in the room. 4.5.2024 Ayaka Nakama is a dancer and choreographer 14:00 Uhr based in Kobe, Japan. She has worked with Mika Dauer vier Stunden, Kurosawa, Reina Kimura, Toshiki Okada (chelfitsch) Kommen und Gehen and contact Gonzo, among others. She has been a jederzeit möglich Fellow at the Saison Foundation in Tokyo since 2022. Ort Freiraum

Preis EUR 20 -50 % für alle unter 26 Tanz Ayaka Nakama Dramaturgie Tomonori Fujisawa, Shunsuke Manabe Mit choreografischen Erinnerungen von Tsubasa Ako, Chihiro Kanoh, Kimiaki Nakama, Tomonori Fujisawa, Tadasu Masuda u. a. Bühnenbildgestaltung Moenaing Aung, Mikio Tazoe Licht Asako Miura Sound Bunsho Nishikawa Produktion Dance Box (JP)

181

Freeway Dance

Mai 2024


Musik

The Notwist Alien Disko „Bring in the savage, bring in the loud, and fill our house with all the holy astronauts.“ Diese programmatischen Zeilen stammen aus dem Song „Gravity“ von The Notwist. Die vor 35 Jahren von den Brüdern Markus und Micha Acher im oberbayerischen Weilheim als Schülerband gegründete Formation ist weltweit für ihren me­ lancholischen wie experimentierfreudigen Indie-Rock bekannt. Mit einem exklusiv für die Tangente, das Festspielhaus, die Bühne im Hof und den öffentlichen Raum entwickelten Programm kommt die Gruppe nun nach St. Pölten. Geleitet durch einen superben Musikgeschmack kuratieren The Notwist unter dem Titel „Alien Disko“ ein außergewöhnliches Festivalerlebnis. „‚Alien Disko‘ ist eine Art Verstärker oder Empfänger für komische, ungewöhnliche, außergewöhnliche, fremde, seltsame Sounds oder Ideen oder Musik“, meint Markus Acher. Pop und Avantgarde aus den entlegensten Winkeln der Musikwelt auf den Brettern, die die Welt bedeuten: „Alien Disko“ macht Türen auf, die heute nur allzu oft verschlossen bleiben oder gar nicht erst sichtbar sind. Die Chance, einmal etwas zu hören, das feste Erwartungshaltungen nicht nur unterläuft, sondern ganz einfach Neues zu bieten hat, ist das unvergleichliche Angebot des Trios aus dem Pfaffenwinkel. Auf der großen Bühne des Festspielhauses sowie an anderen Orten der Stadt entsteht ein Paralleluniversum aus selten oder noch nie gehörten Klängen, Konstellationen und Experimenten. Nach den erfolgreichen Ausgaben in München macht „Alien Disko“ erstmals in Österreich Halt. Klar, dass dabei ein Auftritt von The Notwist nicht fehlen darf!

182

Tangente × Festspielhaus St. Pölten × Bühne im Hof


Datum / Uhrzeit 4.5.2024 18:00 Uhr

“Bring in the savage, bring in the loud, and fill our house with all the holy astronauts.” These programmatic lines come from the song “Gravity” by The Notwist. Founded 35 years ago by the brothers Markus and Micha Acher in Weilheim, Upper Bavaria, as a school band, the group is known worldwide for its me­ lancholic and experimental indie rock. Now they are coming to St. Pölten with a programme developed exclusively for Tangente, Festspielhaus, Bühne im Hof and public spaces. With “Alien Disko” The Notwist curate an extraordinary festival experience guided by their superb taste in music. “‘Alien Disko’ is a kind of amplifier or receiver for funny, unusual, extraordinary, weird, alien sounds or ideas or music,” Markus Acher says. Pop and avantgarde from the remotest corners of the music world in the limelight. “Alien Disko” opens doors that today too often remain shut or are not even visible in the first place. The chance to hear something that not only undermines fixed expectations, but simply has something new to offer, is the incomparable offering from the Pfaffenwinkel trio. Creating for the big stage and other venues, a parallel universe of rarely or never before heard sounds, constellations and experimentation. After the successful editions in Munich, “Alien Disko” makes its first stop in Austria. It goes without saying that a performance by The Notwist is a must for the event!

Ort Festspielhaus St. Pölten Öffentlicher Raum Bühne im Hof Preis EUR 32 -50 % für alle unter 26 Kuratiert von Markus Acher und Micha Acher Mit einem Konzert von The Notwist

Das vollständige Programm wird Anfang 2024 bekanntgegeben. Tangente St. Pölten – Festival für Gegenwartskultur in Kooperation mit der Bühne im Hof und dem Festspielhaus St. Pölten.

183

Alien Disko

Mai 2024


Performance / Spaziergang / Akademie

Amanda Piña / Studio Fortuna The School of Mountains and Water

TangenteKoproduktion

Endangered Human Movements Vol. 5

Berge sind lebendige Körper und spielen eine lebensnotwendige Rolle im Wasserkreislauf. „The School of Mountains and Water“ versteht sich als eine Schule des Verlernens jenes modernen bzw. kolonialen Denkens, das den Menschen als losgelöst von seiner Umwelt betrachtet, und plädiert stattdessen für eine von gegenseitiger Fürsorge geprägte Beziehung zwischen den Körpern von Menschen und jenen von Bergen, Gletschern und Gewässern. In der speziell für St. Pölten konzipierten Ausgabe beschäftigt sich die „School of Mountains and Water“ mit der Geschichte der Glanzstoff-Fabrik und verschränkt vergangene Kämpfe um die Demokratisierung des Zugangs zu Trinkwasser mit aktuellen ökologischen Anliegen. Dabei wird auch die Frage aufgeworfen, ob die Wasserversorgung der Stadt so unendlich ist, wie sie scheint. In einem performativen Audio-Walk kann das Publikum durch Geschichte(n) der lokalen und globalen Vergangenheit überraschende Perspektiven auf die bekannte Umgebung kennenlernen. Mit „The School of Mountains and Water“, mit „The Water Talks“ (im Rahmen von „Tipping Time“; s. S. 186) und mit der lebenden Skulptur „Blühend / Florecimiento“, die sie für den Kunstparcours entwickelt (s. S. 84), setzt Amanda Piña ihre Langzeitrecherche zum gegenwärtigen Verlust der kulturellen und biologischen Vielfalt des Planeten fort. Das potenzielle Zusammenspiel von Kunst, indigenem Wissen, Aktivismus und wissenschaftlicher Forschung steht im Mittelpunkt der Arbeit der Choreografin, die sich auf indigene Praktiken der Gegenseitigkeit des Lebendigen konzentriert.

184


Mountains are living bodies and play a vital role in the water cycle. “The School of Mountains and Water” sees itself as a school of unlearning the modern or colonial way of Datum / Uhrzeit thinking that regards people as detached from their 9.5. und 12.5.2024 jeweils 14:00 Uhr environment. It instead argues for a relationship of mutual care between the bodies of humans and those Ort of mountains, glaciers and waters. In the edition speÖffentlicher Raum cially designed for St. Pölten, the “School of MounPreis tains and Water” looks at the history of the Glanzstoff EUR 20 factory and intertwines past struggles to democratise -50 % für alle unter 26 access to safe drinking water with current ecological Künstlerische Leitung, concerns, also raising the question of whether the Konzept, Performance city’s water supply is as infinite as it seems. In a perAmanda Piña formative audio walk the audience can learn about Dramaturgie surprising perspectives on familiar surroundings Cecilia Vallejos Integral Design through the history and stories of the local and Michel Jimenez global past. Performance Juan José With “The School of Mountains and Water”, Ramirez Katira, Leonel Lienlaf, Dafne Moreno, “The Water Talks” (as part of “Tipping Time”; see p. 186) Rocío Marano, Angela and the living sculpture “To Bloom / Florecimiento”, Muñoz, Piere Louis Kerbart which she is developing for the art parcours (see p. 84), Live-Sound Ángela Muñoz Amanda Piña continues her long-term research into Kostüme, Performance Federico Protto the current loss of the planet’s cultural and biological Mit einem Beitrag von diversity. The potential interplay of art, indigenous Juan José Ramirez Katira knowledge, activism and scientific research is at the Sounddesign Dominik heart of the choreographer’s work, which focuses on Traun und Ángela Muñoz indigenous practices of reciprocity with the living. Text Amanda Piña mit Katalin Erdodi und Cecilia Vallejos Stimmen Amanda Piña, Rocío Marano, Dafne Moreno Musik von und mit Don Pedro Guerra González, Juan José Ramirez Katira, Tor Lennart Tuorda, Vrouw! Quellen amerindianisches und samisches indigenes Wissen, Alexander Bartl, Ivan Illich, Lukas Plan, Eduard Suess Produktion Studio Fortuna International distribution somethinggreat.de

Eine Koproduktion von Studio Fortuna mit Tanzquartier Wien, Terreno Común (Siemens Stiftung), Zürcher Theater Spektakel und Tangente St. Pölten – Festival für Gegenwartskultur. Mit Unterstützung von Stadt Wien Kultur.

185

The School of Mountains and Water

Mai 2024


Diskurs / Workshop / Musik

Tipping Time

Klimakonferenz der Zivilgesellschaft

Der Klimawandel ist kein Gefühl, aber mit vielen Gefühlen ­verbunden: Wut über zu wenig Fortschritte und vermeintlich unwillige, mit der Industrie paktierende Regierungen, Trauer über bereits verlorene Zeit und die Sicherheit, dass wir noch mehr verlieren werden. Wir spüren, dass etwas kippt und reagieren mit Schockstarre, Verdrängung und manchmal sogar Aggression auf die Warner:innen. Aber es gibt auch Freude über bereits Erreichtes, das zu oft in Vergessenheit gerät. Wut, Trauer, Freude – sie sind mächtige Wegweiserinnen und haben ein immenses Potential uns zum Handeln anzuspornen. Die dreitägige Konferenz „Tipping Time“ öffnet als Kooperation zwischen der Tangente St. Pölten, GLOBART und Solektiv einen Raum für Diskurs und Diskussion auf wissenschaftlicher, aktivistischer und künstlerischer Ebene, mit Vorträgen, Gesprächen, Musik, Kunst und Workshops. Das Zentrum der „Klimakonferenz der Zivilgesellschaft“ bildet dabei die Begegnung zwischen namhaften nationalen wie internationalen Gästen, die Vernetzung mit regionalen Initiativen und der Austausch mit neugierigen Besucher:innen. Wir reden u. a. über Klimagerechtigkeit, koloniale und ökonomische Wirkmächte, Handlungsspielräume von Aktivist:innen und demokratische Implikationen des Klimawandels. All das wird im Sonnenpark St. Pölten stattfinden, an einem Ort, der ohne das Engagement von Solektiv (vormals Verein LAMES/Sonnenpark) und Unterstützer:innen längst verbaut wäre. Inmitten der Natur kann mitei­nander gedacht, geredet und gehandelt werden.

186

Tangente × GLOBART × Solektiv


Climate change is not a feeling, but it is associated with many feelings: anger about too little progress and suppo­sedly unwilling governments that conspire with industry, sadness about time already lost and the certainty that we will lose even more. We feel something tipping and react with shock, denial or sometimes even aggression towards those who warn us. But there is also joy for what has already been achieved, something that is overlooked all to often. Anger, sadness, joy – they are powerful guides and they have an immense potential to spur us to action. As a cooperation between Tangente St. Pölten, Datum/Uhrzeit GLOBART and Solektiv, the three-day conference 9.–11.5.2024 “Tipping Time” opens up a space for discourse and discussion on a scientific, activist and artistic level, Eröffnung 9.5.2024 with talks, panels, music, art and workshops. 17:00 Uhr The centre of the “Climate Conference of Civil Society” is the meeting between well-known national Ort Sonnenpark St. Pölten and international guests, the connection with regional initiatives and the exchange with cusious visitors. We Preis will talk about climate justice, colonial and economic Tagesticket Do EUR 15 powers, activists’ scope for action and the democratic Fr und Sa jeweils EUR 30 Festivalpass EUR 50 implications of climate change. All this will take place -50 % für alle unter 26 in the Sonnenpark St. Pölten, a place that would not exist without the commitment of Solektiv (formerly Mit Nikolaj Schultz (Philosoph), Peter LAMES/Sonnenpark) and supporters. Surrounded Emorinken-Donatus by nature, people can think, talk and act together. (Aktivist), Ilona Otto (Soziolologin/Ökonomin), Michaela Krömer (Anwäl­ tin), Amanda Piña (Künstlerin), Stefan Kaegi (Theatermacher), Caroline Barneaud (Kuratorin), Karin Harrasser (Kulturwissen­ schaftlerin) u. a. Kuratiert von GLOBART – Verein für diskursive Praxis und ­Tangente St. Pölten – Festival für Gegenwarts­ kultur Produktion Solektiv Eine Produktion von Tangente St. Pölten - Festival für Gegenwartskultur in Kooperation mit Solektiv und ­GLOBART – Verein für diskursive Praxis.

187

Tipping Time

Mai 2024


Tanz · Österreichische Erstaufführung

Crystal Pite / Jonathon Young / Kidd Pivot Assembly Hall „Packend“, „unwiderstehlich“, „überwältigend emotional“: Als Crystal Pite und Jonathon Young 2015 ihr erstes gemeinsames Tanztheaterstück präsentierten, überschlugen sich nicht nur die Kritiker:innen vor Lob. Gleich mehrere hochkarätige Auszeichnungen prasselten auf das neu formierte Duo ein, dem mit dem Stück „Betroffenheit“ eine differenzierte Auseinandersetzung mit einer unaussprechlichen Tragödie gelang: dem Tod des eigenen Kindes. Crystal Pite, die einst in William Forsythes Ballett Frankfurt tanzte und seit über 30 Jahren für renommierte Kompanien choreografiert, begeistert ihr Publikum mit mutigen Arbeiten über hochsensible Themen. In Thea­ termacher Jonathon Young fand die Kanadierin einen idealen Partner, um Tanz und Theater intelligent miteinander zu verschmelzen. Ihre dritte Zusammenarbeit, deren Österreich-­ Premiere im Festspielhaus zu erleben ist, erkundet das ­Bedürfnis des Menschen nach Zugehörigkeit. Mit einem achtköpfigen Ensemble imaginieren Pite und Young einen Versammlungsort, der als Gemeindesaal oder mythisches Reich dient und verschiedene Emotionen offenlegt: von den Freuden und Gefahren, die von hingebungs­voller Verbundenheit ausgehen, bis hin zum Schmerz des Exils.

188

Tangente × Festspielhaus St. Pölten


“Gripping”, “irresistible”, “overwhelmingly emotional”: When Crystal Pite and Jonathon Young presented their first dance theatre piece together in 2015, not only the critics raved with praise. Numerous prestigious awards were showered upon this newly formed duo whose empathic approach in “Betroffenheit” (affectedness) proficiently staged an unspeakable tragedy with the necessary nuances: the death of one’s child. Crystal Pite, who once danced in William ­Forsythe’s Ballet Frankfurt and has been a choreographer for renowned companies for over 30 years, ­delights her audiences with bold works about highly sen­sitive topics. The Canadian found an ideal part­ ner in theatre-maker Jonathon Young. The two intelligently merge dance and theatre. Their third collaboration – whose Austrian premiere can be experienced at the Festspielhaus – explores the human need for belonging. With an eight-member ensemble, they envision a gathering place, both a community hall and mythical realm, which offers a space for various emotions: from the joys and dangers of devoted like-mindedness to the pain of exile.

Datum/Uhrzeit 9.5.2024 19:30 Uhr Ort Festspielhaus St. Pölten Großer Saal Preis EUR 49, 45, 40, 28, 12 -50 % für alle unter 26 Kreation Crystal Pite (Kidd Pivot) und Jonathon Young (Electric Company Theatre) Choreografie und Regie Crystal Pite Tanz Kidd Pivot Tangente St. Pölten – Festival für Gegenwartskultur in Kooperation mit dem Festspielhaus St. Pölten.

189

Assembly Hall

Mai 2024


Theater · Weltpremiere

TangenteKoproduktion

Wunderbaum Alfa Romeo und die elektrische Giulietta Ein Dinner: Um den Tisch sitzen Familienmitglieder aus der Dynastie eines bekannten Autoherstellers. Bald geht es ans Eingemachte. Unter anderem wird heftig über schnelle Sportwägen in Zeiten des Klimawandels diskutiert. Schaden sie heute womöglich dem Prestige? Doch auf dem Weg in eine grüne Zukunft muss sich die Familie erst noch ihrer unrühmlichen Vergangenheit stellen. Das international erfolgreiche Kollektiv Wunderbaum schafft in seinem österreichisch-italienisch-niederlän­ dischen Musiktheater eine zukunftsweisende Erzählung über die Vision einer schönen, neuen Welt, der Schönheit und Neuheit zunehmend abhandenkommen. „Alfa Romeo und die elektrische Giulietta“ erzählt die Geschichte einer reichen Autodynastie am Beispiel des Familienunternehmens Alfa Romeo. Der Autohersteller aus Italien steht dabei stellvertretend für viele Unternehmen, die sich nicht mit ihrer Vergangenheit und ihrer Rolle im Faschismus auseinandergesetzt haben. Nach der Ächtung des fossilen Verbrennungsmotors muss er aus verschiedenen Gründen sein Image neu ausrichten. 2023 brachte Alfa Romeo immerhin sein erstes E-Auto auf den Markt. Wunderbaum arbeiten hier zum ersten Mal seit Jahrzehnten wieder in Österreich. Sie entzünden ein musiktheatrales Feuerwerk, bei dem sich die Grenzen der künstlerischen Genres auflösen und die Realitätsebenen zwischen den Rollen und den Schauspieler:innen des internationalen Ensembles – bestehend aus dem nie­ derländischen Kollektiv, den Ensemblemitgliedern des Landestheaters Niederösterreich sowie italienischen ­Akteur:innen – immer mehr verschwimmen.

190

Tangente × Landestheater Niederösterreich


A dinner: family members from the dynasty of a well-known car manufacturer sit around the table. Soon it gets down to the nitty-gritty. Among other things, there is a heated discussion about fast sports cars in times of climate change. Could they be damaging to prestige today? But on the way to a green future, the family must first confront its inglorious past. In its Austrian-Italian-Dutch music theatre, the internationally successful collective Wunderbaum creates a forward-looking narrative about the vision of a beautiful new world that is increasingly losing beauty and novelty. “Alfa Romeo und die elektrische Giulietta” (Alfa Romeo and the electric Giulietta) tells the story of a wealthy automobile dynasty using the example of the Alfa Romeo family business. The car Datum / Uhrzeit manufac­turer from Italy is representative of many 11.5. und 17.5.2024 companies that have not come to terms with their past jeweils 19:30 Uhr and their role in fascism. After fossil combustion engines are ostracised, Alfa Romeo has to realign its Ort Landestheater image for various reasons. After all, launched its first Niederösterreich electric car in 2023. Großes Haus For the first time in decades, Wunderbaum are Preis working in Austria again. They ignite musical-theat­rical 11.5. fireworks in which the boundaries of artistic genres EUR 51, 45, 39, 26 dissolve and the levels of reality between the roles and -50 % für alle unter 26 the actors of the international ensemble – consist17.5. ing of the Dutch collective, the ensemble members EUR 45, 42, 35, 23 of the Landestheater Niederösterreich and Italian -50 % für alle unter 26 actors – become increasingly blurred. Inszenierung Wunderbaum Bühne Maarten van Otterdijk Musik Annelinde Bruijs Dramaturgie Thorben Meißner Mit einem internationalen Ensemble aus dem niederländischen Kollektiv Wunderbaum, italienischen Schauspieler:innen sowie Schauspieler:innen aus dem ­Ensemble des Landestheaters Niederösterreich. Eine Produktion von Landestheater Niederösterreich und Kollektiv Wunderbaum in Koproduktion mit Tangente St. Pölten – Festival für Gegenwartskultur.

191

Alfa Romeo und die elektrische Giulietta

Mai 2024


Neben den wechselnden Veranstaltungen der ­Tangente finden auch laufende Projekte statt.

Kunstparcours The Way of the Water In Zusammenarbeit mit der Traisen und dem Mühlbach Kuratiert von: Joanna Warsza

Foto: Regina Hügli

Für nähere Informationen siehe Seite 84

192



194


Erinnerung Memory

195


196


197


198


199


200


201


202


203


204


205


206


207


208


209


210


211


212


213


214


215


216


217


218


219


220


221


222


223


224


225


226


227


228


229


230


231


Bildcredits / Image Credits 196 Niederösterreichische Nachrichten, Titelseite / Front page, 1986 © Niederösterreichische Nachrichten 198 NS-Zeit in St. Pölten / Nazi regime in St. Pölten © Stadtarchiv St. Pölten via Topothek St. Pölten 199 Stadtporträt St. Pölten / City portrait St. Pölten © Christoph Gorka 200 Ein Teilnehmer der Gedenkfeier für den getöteten Schubhäftling Marcus Omofuma mit dessen Foto, Wien, 1999 / A participant of the memorial for the killed deportee Marcus Omofuma, holding his photograph, Vienna, 1999 © Techt Hans Klaus / APA / picturedesk.com 201 Wrack der Titanic, Tauchgang 2019 / Wreck of the Titanic, dive 2019 © Science Photo Library / picturedesk.com 202 Marta Górnicka, „Magnificat“, 2011 © Esra Rotthoff 203 Handschuh-Fließband in Nord-China / Glove production line in North China © chinahbzyg / Shutterstock 204 Paukboden der Burschenschaft Franconia in Darmstadt / Fencing room of the fraternity Franconia in Darmstadt © V Hoehl / Wikipedia

232

206 Oben: Dieter Rams, Braun 216 Kim Kardashian und Lautsprecher LE 1, 1959, Richard Luger, Wiener (in St. Pölten existiert eine Opernball, 2014 der größten privaten Braun© Herbert Pfarrhofer / APA Sammlungen) / picturedesk.com / Top: Dieter Rams, Braun speaker LE 1, 1959, (one of 217 „The Death and Life of the largest existing Braun Marsha P. Johnson“, Dokucollections is located in mentarfilm zum Tod von St. Pölten) Saint Marsha in 1992 © Braun / Produktbild / “The Death and Life of Marsha P. Johnson”, docuUnten / bottom: Jeremy mentary about the death of Nedd, „The Ecstatic“, 2021 Saint Marsha in 1992 © Courtesy of Jeremy Nedd © Netflix / Everett Collection / picturedesk.com 207 ÖBB Hauptwerkstätte, St. Pölten, 1934 218 Oben: Thomas Bernhard, / Main workshop of ÖBB „Heldenplatz“, Proteste railway, St. Pölten, 1934 gegen das Theaterstück, © ÖBB / Technische Wien, 1988 Services / Top: Thomas Bernhard, “Heldenplatz”, protests 208 Unfallwagen Jörg Haider, against the play, Vienna, 2008 1988 / crashed car of Jörg © Votava / brandstaetter Haider, 2008 images / picturedesk.com © Gert Eggenberger / APA / picturedesk.com Unten: Änderungen der Straßennamen in St. Pölten, 210 Cukoo Reiskocher / 1938 Rice cooker / Bottom: change of street © Cuckoomall / names in St. Pölten, 1938 Produktbild © Stadtarchiv St. Pölten via Topothek St. Pölten 211 Jaha Koo / CAMPO, „Haribo Kimchi“ 219 Regina Hügli, „Traisen She/ © Jaha Koo Her“, Recherche und fotografische Beobachtungen 212 Perchten- und Krampuslauf zu Traisen und Mühlbach, Hochkönig 2023 © Hochkönig Tourismus / Regina Hügli, “Traisen GmbH She/Her”, research and photographic observations 214 Susanne Kennedy, „Women of Traisen and Mühlbach, in Trouble“, 2017 2023 © Lukas Lucida © Regina Hügli 215 Tania Bruguera, „Endgame“, 2017 © Courtesy of Estudio Bruguera


220 Frauen mit Bildern getöteter Lehrerinnen aus der Region Donezk, 2022 / Women with pictures of killed teachers from the region Donezk, 2022 © Stringer / Reuters / picturedesk.com 222 Linzer Straße, St. Pölten, 1930er-Jahre © Anton Hinterhofer via Topothek St. Pölten 224 Erli Grünzweil, Stadtporträt St. Pölten / Erli Grünzweil, city portrait St. Pölten © Erli Grünzeweil 225 Bruno Kreisky © Bundespressedienst / ÖNB / picturedesk.com 226 Der verwüstete Innenraum der St. Pöltener Synagoge, 1942 / The devastated interior of the St. Pölten synagogue © Stadtarchiv St. Pölten via Topothek St. Pölten 228 Hans Morgenstern, der letzte überlebende Jude St. Pöltens / Hans Morgenstern, the last living Jew in St. Pölten © Gerhard Mader / Kreativlösung 229 Die Burschenschaft Hysteria übernimmt den Akademikerball, Wien, 2018 / The fraternity Hysteria takes over the Akademikerball, Vienna, 2018 © phoenix produktions / picturedesk.com

233

230 Das iranische FrauenFußballnationalteam beim Training in Teheran / The women’s national football team of Iran during training in Teheran © Maryam Majd / IMAGO


Solmaz Khorsand über Martha Keil

Erinnerungs lücken füllerin Es ist vermutlich das erste Mal, dass in den Gängen des St. Pöltner Rathauses in voller Lautstärke das hebräische Lied „Hevenu Shalom Alechem“ zu hören ist. Und es ist definitiv das erste Mal, dass eine Gruppe herausgeputzter Frauen, Männer und Kinder aus Israel singend und tanzend damit in den Sitzungssaal im ersten Stock einzieht, um so die Atmosphäre für die nächsten Stunden vor­ wegzunehmen. Für die Bar-Mizwa von Sheizaf Carney. An diesem Donnerstagvormittag feiert der 13-Jährige gemäß der jüdischen Tradition seine religiöse Mündigkeit. Ein historischer Tag für Sheizaf Carney. Und ein noch viel his­ torischerer Tag für die Stadt. Es ist die erste Bar-Mizwa in St. Pölten, die nach 1938 hier gefeiert wird. Und das für und von einem Nachkommen eines Holocaustüberlebenden, dem Urenkel von Abraham Harry Reiss, einem St. Pöltner, der aus seiner Heimatstadt vertrieben wurde. Dessen Eltern von hier 1942 in die ostpolnische Stadt Włodawa deportiert und dann ermordet wurden. „Ich bin mir sicher, dass 234

Foto: Katie-Aileen Dempsey

Die beständige


Abraham heute auf dich herabblickt, Sheizaf. Er freut sich, dass du hier in St. Pölten deine Bar-Mizwa hast“, sagt Carneys Großmutter im Laufe der Zeremonie. Genau das wollte Sheizaf Carney. Genau in der Stadt seine Bar-Mizwa feiern, in der schon sein Urgroßvater sie gefeiert hatte. Nicht umsonst kommentieren viele seiner Verwandten, die wie Carney extra dafür aus Israel angereist sind, diesen Moment mit den Worten: „Der Kreis schließt sich.“ Zu verdanken ist das Martha Keil, der Direktorin des Instituts für jüdische Geschichte Österreichs. Eigentlich hätte die Veranstaltung ja in der Ehemaligen Synagoge auf der Karl-Renner-Promenade, wo das Institut beheimatet ist, stattfinden sollen. Wegen Renovierungsar­ beiten mussten die Feiernden ausweichen. Der Bürgermeister stellte den Rathaussaal für die Zeremonie zur Verfügung. Auch in seinem Büro war man sich offenbar der historischen Tragweite bewusst. Martha Keil hat Sheizaf Carneys Urgroßvater Abraham Harry Reiss das erste Mal 1996 in Israel zum Gespräch getroffen. Sie hat sich dann auf Spurensuche gemacht und nach und nach die Geschichte dieser „besonderen“ Familie, die einst in der Linzer Straße gelebt hat, zusammengetragen. Wer Martha Keil bei der Feier sieht, gewinnt den Eindruck, dass sie selbst Teil dieser Familie geworden ist. Wie eine wohlwollende Tante strahlt sie Sheizaf Carney an, wenn er aus der Thora vorliest. Nickt ihm aufmunternd zu, wenn er später etwas holprig auf der Violine Johann Strauß’ „Donau­ walzer“ spielt. Und meldet sich am Ende, wenn alle Verwandten gesprochen haben, auch noch einmal zu Wort. „Du wirst immer einen Platz in dieser Stadt und in unserem Herzen haben“, sagt sie. Selbst sichtlich gerührt. Irgendwie ist das heute auch ihr Tag. Die „Ernte“ nennt sie ihn. Weil sie an diesem Tag das erntet, 235


wofür sie und ihre Mitarbeiter:innen am Institut Jahre, wenn nicht gar Jahrzehnte gearbeitet haben: die Brücke zu schlagen zu den Überlebenden und ihren Nachkommen, in einer Stadt, in der er es zwar eine schöne Synagoge gibt – aber seit dem Holocaust keine jüdische Gemeinde mehr. Mit Hans Morgenstern gibt es hier genau einen lebenden Juden. Gelegentlich widmet die Lokalpresse dem heute 86-Jährigen, dem „letzten Juden von St. Pölten“ zu Gedenktagen etwas maskottchenhaft Aufmerk­ samkeit. Es täuscht nicht darüber hinweg, dass es kein jüdisches Leben mehr in St. Pölten gibt. Und auch kaum Erinnerungen daran. Dass etwa bis 1938 mindestens 400 Personen der Gemeinschaft hier gelebt haben. Seit 2018 versucht Keil, mit dem Institut auf ihr Leben und ihre Vertreibung mit den Steinen der Erinnerung aufmerksam zu machen. An fast 80 Adressen hat man bereits die 18 mal 18 Zen­ timeter großen Messingplatten mit Namen, Geburtsdatum, Deportations- und Todesdatum der einstigen Bürger:innen in den Gehsteig eingelassen. In ganz St. Pölten. Ein niederschwel­ liges Denkmal der Erinnerung. „Diese Steine sind nicht für die Familien, die haben ihr Gedenken im Herzen. Diese Steine sind für die St. Pöltner:innen“, stellt Keil klar. Sie sollen die Augen auf­ machen, schauen, wo sie hintreten würden, und „eine Ver­ neigung machen, damit sie den Text lesen können“, meint sie. „Das ist mir wichtig, dass man sich runterbeugen muss und sich für zwei Sekunden denkt: Aha, da ist etwas Grauenvolles passiert und das gehört zur Stadtgeschichte.“ Wie bringt man eine Gesellschaft dazu, sich erinnern zu wollen? Eine Gesellschaft, die so hartnäckig vergessen und verdrängen will? So sehr, dass sie an der Wahlurne Parteien wählt, in deren Umfeld Lieder gesungen werden mit Zeilen wie: „Da trat in ihre Mitte der Jude Ben Gurion: Gebt Gas, ihr alten Germanen, wir schaffen die siebte Million.“ Man gräbt und konfrontiert. Bringt Dinge ans Licht, die lieber im Dunklen gelassen werden. So begreift Martha Keil die Aufgabe der Forschung. Wie damals 1998, als ihr Institut aufgedeckt hat, dass in Viehofen, wo heute ein idyllischer Badesee für die St. Pöltner 236


liegt, ein Zwangslager war. Durch einen Brief einer damals Inhaftierten – Roszi Wolf – an das Institut mit der Frage, wo ihr Vater, ebenfalls ein Zwangsarbeiter, denn in St. Pölten begraben sei, kam die Recherche ins Rollen. Mithilfe engagierter Stadtbeamt:innen fand man schließlich das Grab: ein Massengrab – mit rund 200 anderen – am städtischen Friedhof. Eine Schande sei das für Keil, diese Verdrängung. „Spätestens bis 2025 kriegen sie einen Grabstein. Das schwöre ich!“, sagt sie. Seit dessen Gründung 1988 arbeitet Martha Keil am Insti­tut, seit 2004 leitet sie es. Seit 2023 bereitet sie als wissenschaftliche Kuratorin der Ehemaligen Synagoge deren Nutzung als Kulturbetrieb vor. Die Historikerin und Judaistin weiß, welche Frage diese Positionen aufwerfen, vor allem in einem Land wie Österreich. „Ich komme weder aus einer jüdischen noch aus einer Nazi-Familie“, stellt sie klar. Die zwei Hauptmotivationen für diese Berufswahl würden also wegfallen. Weil „bekanntlich nirgends so viel gelogen wird wie in Familien“, hat sie Letzteres in Archiven verifizieren lassen. Es stimmte. Keine Mitgliedschaft in NS-Organisationen. Ihre Familien seien klassische „Ermöglicher“ gewesen, die durch ihr Stillschweigen das Regime möglich gemacht haben. Verübeln könne sie es ihnen nicht. Nicht mehr. Als Keil jung war, habe sie sich vorgestellt, selbst im Widerstand zu kämpfen. Als sie Mutter wurde, habe sich das ge­ ändert. „Ich bin sehr vorsichtig bei diesen Bewertungen, wie sich jemand in einer Diktatur Wie bringt man eine Gesellschaft verhält. Es sind nicht alle todesdazu sich erinnern zu wollen? mutige Held:innen, vor allem, wenn Eine, die so hartnäckig vergessen man Kinder hat.“ und verdrängen will? Ihr Interesse für die Judaistik entstand aus anderen Motiven. Mit zwölf Jahren wollte sie nach Israel gehen, in einen Kibbuz, in der Hoffnung dort das „wahre sozialistische und gleichberechtige Leben“ vorzufinden. Nach der Matura tat sie das auch. Sie sei fas­ ziniert von dem Land gewesen, wie es Einwanderer:innen 237


sofort integrierte, die vielen Sprachen, die Geschichte – und natürlich das Reinschnuppern in das Leben im Kibbuz, wo sie schnell festgestellt habe, dass unter den Gleichen dann doch einige gleicher waren. Den Dingen auf den Grund zu gehen, die eigenen Vorstellungen von einer Sache abzuklopfen, sie im Zweifelsfall zu revidieren. Das hat sich Keil bis heute bewahrt. Ist es doch der Kern ihrer Arbeit, unter die Oberfläche zu schauen, zu kratzen und Verdrängtes aufzudecken. Egal wie schmerzhaft oder unangenehm das ist, was zum Vorschein kommt. Auch seit dem März 2023, als Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner verkündete, mit der FPÖ zu koalieren, und damit Udo Land­ bauer zu ihrem Stellvertreter machte. Jenen Burschenschafter, dessen deutschnationale Burschenschaft 2018 international mit ihrem antisemitischen Liederbuch für Schlagzeilen sorgte und der im selben Jahr trotz des Skandals das Wahlergebnis seiner Partei fast verdoppeln konnte. Diese Koalition stellt Keil als Institutsdirektorin vor ein großes Problem: „Wir sind in dem Dilemma, dass wir Projekte machen, die einem Teil dieser Regierung sicher nicht gefallen können – mit dem Geld dieser Regierung.“ Ein Balanceakt, der ihr einiges abverlangt. Beispielsweise, wie umgehen mit dem Fall der Fälle, dass bei der Eröffnung der renovierten Synagoge etwa ein offizieller Vertreter der Landesregierung zugegen sein könnte, in dessen Umfeld eine „siebte Million“ herumspukt? Will man das? Zerstört man auf diese Art nicht die Brücke, die in den vergangenen Jahren aufgebaut wurde? Wie eine Lösung aussehen könnte, hat der Autor Ernst Strouhal diesen Sommer bei seiner Festrede zum 35-jährigen Jubiläum des Instituts für jüdische Geschichte an Johanna Mikl-Leitner, die im Publikum saß, formuliert: „Beenden Sie, sehr geehrte Frau Landeshauptfrau, bei nächster Gelegenheit diese Koalition. Sie werden damit in die österreichische Geschichte eingehen.“ Das würde niemand so schnell vergessen. Selbst in Nieder­ österreich nicht.

238


The Persistent Filler of Memory Gaps

emony. His office, too, was obviously aware of the historical signiIt is probably the first time that the Hebrew song ficance. “Hevenu Shalom Alechem” is heard at full volume in the corridors of the St. Pölten City Hall. Martha Keil met Sheizaf Carney’s And it is definitely the first time that a group great-grandfather Abraham Harry of dressed-up women, men and children from Reiss for the first time in 1996 in Israel enter the meeting room on the first floor Israel. She then went in search of singing and dancing, setting the mood for the clues and gradually collected next few hours, for the Bar Mitzvah of Sheizaf data on the history of this “special” Carney. On this Thursday morning, the 13-year- family that once lived in Linzer old celebrates his religious coming of age acStraße. Anyone who sees Martha Keil at the celebration gets the cording to Jewish tradition. impression that she herself has This is a historic day for Sheizaf Carney, and an become part of this family. She beams at Sheizaf Carney like a even more historic day for the city. benevolent aunt when he reads It is the first Bar Mitzvah to be celebrated in from the Torah, nods encouragingly St. Pölten since 1938. And it is being celebrated to him when he later plays, someby a descendant of a Holocaust survivor, what bumpily, Johann Strauss’ the great-grandson of Abraham Harry Reiss, “Danube Waltz” on the violin, and speaks up again at the end, a St. Pölten resident who was expelled from his hometown. His parents were deported from when all the relatives have spoken. here to the eastern Polish town of Włodawa in “You will always have a place 1942 and then murdered. “I am sure that Abra- in this city and in our hearts,” she ham is looking down at you today, Sheizaf. He says, visibly moved herself. is happy that you are having your Bar Mitzvah here in St. Pölten,” says Carney’s grandmother In a way, this is her day too. She calls it the “harvest”, because she during the ceremony. is reaping what she and her colThat is exactly what Sheizaf Carney wanted: leagues at the institute have to celebrate his Bar Mitzvah in the city where worked on for years, if not dechis great-grandfather already celebrated his ades: building bridges to the survivors and their descendants in Bar Mitzvah. It is not without reason that a city that has a beautiful synagogue – many of his relatives, who, like Carney, travelled from Israel especially for the oc­ but no Jewish community since the Holocaust. With Hans Morgenstern, there is casion, comment on this moment with exactly one living Jew here. Occasionally, the words: “The circle is complete.” the local press pays somewhat mascotlike attention to the now 86-year-old, the All this is thanks to Martha Keil, the director of the Institute for Jewish History “last Jew of St. Pölten”, for commemoration days. It can’t hide the fact that there in Austria. Actually, the event should have taken place in the old synagogue on is no longer any Jewish life in St. Pölten. Karl-Renner-Promenade, where the institute is located. Due to renovation work, And hardly any memories of it either. Until about 1938 at least 400 people of the celebrants had to move. The mayor made the town hall available for the cer- the community lived here. Since 2018,

239


Keil and the institute have been trying to draw attention to their lives and expulsion with the “Stones of Remembrance”. How do you make a society want to The 18 by 18 centimetre brass plaques remember? A society that so stubbornly with the names, date of birth, date of dewants to forget and repress? portation and date of death of the former citizens have already been set into the pavement at almost 80 addresses, all around St. Pölten: a lowthreshold memorial of remembrance. “These stones are not for the families, who have their memory in their hearts. These stones are for the people of St. Pölten,” Keil clarifies. They should open their eyes, look where they are stepping and “bow down so that they can read the text,” she says. “That’s important to me, that you have to bend down and think for two seconds: ‘Aha, something horrible happened there and that’s part of the city’s history.’” How do you make a society want to remember? A society that so stubbornly wants to forget and repress? So much so that it votes for parties at the ballot box that sing songs with lines like: “Then strode into their midst the Jew Ben Gurion: Step on the gas, you old Teutons, we’ll reach the seventh million.” You dig and confront, bringing to light things that are rather left in the dark. This is how Martha Keil understands the task of research. Like back in 1998, when her institute uncovered that in Viehofen, today the location of an idyllic bathing lake for the people of St. Pölten, was once a forced labour camp. A letter from a prisoner at the time – Roszi Wolf – to the institute, asking where her father, also a forced labourer, was buried in St. Pölten, set the research in motion. With the help of committed city officials, the grave was finally found: a mass grave – with about 200 others – in the municipal cemetery. For Keil, this repression is a disgrace. “They’ll get a gravestone by 2025 at the latest. This I swear!” she says. Martha Keil has worked at the Institute for Jewish His­ tory in St. Pölten since its foundation in 1988 and has been its director since 2004. Since 2023 she has been preparing the former synagogue for use as a cultural institution as its scientific curator. The historian and judaist knows which question this position raises, especially in a country like Austria. “I come neither

240


from a Jewish family nor from a Nazi family,” she clarifies. The two main motivations for taking this career path therefore don’t seem to apply to her. Because “notoriously, nowhere do people lie as much as in families,” she had the latter checked in archives. It turned out to be true. No memberships in Nazi organisations.

manic fraternity made international headlines in 2018 with its anti-Semitic songbook and who, despite the scandal, almost doubled his party’s election results in the same year.

This coalition poses a big problem for Keil as director of the institute: “We are in the dilemma of doing projects that a part of this government certainly won’t Instead her families were classic “ena- like – with that very government’s mon­ blers” who made the regime possible ey." A balancing act that demands a lot through their silence. She cannot blame of her. How should she proceed, for exthem, not any more. When Keil was young, ample, if at the opening of the renovated synagogue an official representative of she imagined herself fighting in the resistance. That changed when she be- the state government is present, whose came a mother. “I am very careful about environment is haunted by songs about assessments of how someone behaves a “seventh million”? Would one want under a dictatorship. Not everyone is a that? Wouldn’t this be a way of destroying the bridge that has been built in death-defying hero, especially if you have chilrecent years? dren. ”Her interest in Jewish studies arose from other motives. At the age of twelve, she wanted to go to Israel, to a kibbutz, in the hope of finding the “true socialist and equal life” there. After graduating from high school, she did so. She was fascinated by the country, how it immediately integrated immigrants, the many languages, the history – and, of course life in the kibbutz, where she quickly realised that among the equals, some were still more equal.

What a solution might look like, was formulated this summer by the author Ernst Strouhal in his speech on the occasion of the 35th anniversary of the Institute for Jewish History, addressing Johanna Mikl-Leitner, who was sitting in the audience: “End this coalition, dear governor, at the next opportunity. You would go down in Austrian history for it.”

No one would forget that in a Getting to the bottom of things, checking out one’s own ideas about something, revising them hurry. Not even in Lower Austria. in case of doubt – Keil has retained this to this day. After all, the core of her work is to look beneath the surface, to scratch and uncover what has been repressed. No matter how painful or unpleasant what comes to light turns out to be. Especially since March 2023, when the governor of Lower Austria, Johanna MiklLeitner, announced that she would form a coalition with the FPÖ, thus making Udo Landbauer her deputy. The Burschenschafter (member of a nationalistic fraternity) whose Ger-

241


242


243


Konferenz / Literatur / Musik

Erinnerungsbedarf

Konferenz zum pluralen Erinnern in Migrationsgesellschaften

Wessen Erinnern ist sichtbar, wessen unsichtbar? Erinnerung war und ist politisch aufgeladen. Die Konferenz setzt sich mit Möglichkeiten und Leerstellen im Umgang mit Erinnerungskulturen auseinander. In aufeinander bezogenen Beiträgen diskutieren Wissenschaftler:innen, Angehörige betroffener Communitys und Künstler:innen das kulturelle und politische Gedenken an rassistisch motivierte Gewaltereignisse. In der Gegenwart stellen sich in Österreich eine Vielzahl an Fragen: Warum sind nach wie vor einige Opfergruppen des Holocaust wie Roma und Sinti oder Jenische im kollektiven Gedächtnis kaum präsent? Warum werden Menschen, die Ziele von Gewalt sind – wie z. B. Jüd:innen, Muslim:innen, Angehörige queerer Communitys – nicht ausreichend gehört, wenn es um erinnerungs­ politsche Entscheidungen geht? Warum erhielten rassistische Gewaltverbrechen wie die Ermordung von Marcus Omofuma durch österreichische Polizisten 1999 kein dauerhaftes öffentliches Gedenken? Die Konferenz stellt auch Fragen nach grenzübergreifenden, übernationalen Erinnerungsformen. Wie wirken sich rassistische Terroranschläge – z. B. Hanau 2020 – auf Minderheiten in anderen euro­päischen Ländern aus? Welche Erinnerungen bringen Migrant:innen nach Europa? Und wie erinnern wir in Europa an die Opfer der Asylpolitik? Die Tangente St. Pölten, das seit 35 Jahren in St. Pölten ansässige Institut für jüdische Geschichte Österreichs (INJOEST) und das Netzwerk Coalition for Pluralistic Public Discourse (CPPD), Berlin, wollen darüber mit Betroffenen sprechen. Denn besteht nicht sowohl lokal als auch kollektiv ein Bedarf, das Gedenken an Gewaltereignisse in das Gedächtnis zu integrieren und so das Zusammenleben in einer vielfältigen Gesellschaft zu stärken? 244

Tangente × INJOEST × CPPD


Whose memories are made visible, whose invisible? Memory has been and continues to be politically charged. The conference will explore possibilities and gaps in dealing with cultures of remembrance. In interrelated contributions, scholars, members of affected communities and artists will discuss the cultural and political commemoration of racist violence. A number of questions arise in Austria today: Why are some groups of victims of the Holocaust, such as Roma and Sinti or Yenish, still barely represented in the collective memory? Why are the people targeteted with violence – from Jews to Muslims and queer communities – not sufficiently heard when it comes to decisions on remembrance policy? Why are racist hate crimes such as the murder of Marcus Omofuma by Austrian police officers in 1999 not permanently commemorated in public? The conference also poses questions about transnational, supranational forms of remembrance. How do racist terrorist attacks – e.g. Hanau 2020 – ­affect minorities in other European countries? Which memories do migrants bring to Europe? How do we remember the victims of asylum policy in Europe? This is what Tangente St. Pölten, the Institute for Jewish History in Austria INJOEST – which has been located in St. Pölten for 35 years – and the network Coalition for Pluralistic Public Discourse, CPPD, Berlin, want to talk about with those affected. After all, isn’t it necessary to integrate the comme­ moration of violent events both locally and collectively into memory and thus strengthen coexistence in a diverse society? Datum / Uhrzeit 1.6. und 2.6.2024 Ort Festivalzentrum Preis Tagesticket EUR 15 Festivalpass EUR 20 -50 % für alle unter 26 Eine Veranstaltung von Tangente St. Pölten – Festival für Gegenwartskultur in Kooperation mit Institut für jüdische Geschichte Österreichs (INJOEST) und Coalition for Pluralistic Public Discourse (CPPD).

245

Erinnerungsbedarf

Juni 2024


Theater · Österreichische Erstaufführung

Marta Górnicka Mothers

TangenteKoproduktion

A Song for Wartime

Die Kriegsrituale Gewalt gegen, Vergewaltigung von und Mord an Frauen sowie Hinrichtungen von Zivilist:innen ändern sich nie. Sie fanden im Dreißigjährigen Krieg in ganz Europa statt, sie fanden in den letzten 30 Jahren auf dem ­Balkan statt, in Tschetschenien, Syrien, Georgien, in der Ukraine, Israel und Palästina. „Wer immer gewinnt, Baby, der ­Gewinner ist immer der Krieg!“ Die international renommierte polnische Regisseurin, Autorin und Sängerin Marta Górnicka versammelt 25 ukrainische, polnische und belarussische Mütter und deren Kinder auf der Bühne. Es sind Geflüchtete aus Mariupol, Kyiv, Butscha. Da sind diejenigen, die vor dem Krieg geflohen sind, und diejenigen, die vor der Verfolgung in ihrer Heimat geflohen sind. Sie alle finden ihren Platz im Chor der Mütter – und folgen einer Form der Oper, die sich auf rituelle Frauenchöre aus dem siebten Jahrhundert v. u. Z. bezieht, als die sogenannte Chorlyrik im antiken Griechenland einen herausragenden und zentralen Platz mitten im religiösen und gesellschaft­ lichen Leben hatte. Marta Górnicka ist eine der profiliertesten euro­ päischen Regisseur:innen für zeitgenössische Theater­ arbeit mit Chören. Wie sie politisches Engagement und künstlerische Arbeit verknüpft, ist insofern von Bertolt Brecht inspiriert, als dass sie die einander widerstrei­ tenden Stimmen in gesellschaftlichen Konflikten zu Gehör bringt.

246

Tangente × Landestheater Niederösterreich


Datum / Uhrzeit 5.6. und 6.6.2024 jeweils 19:30 Uhr Ort Landestheater Niederösterreich Großes Haus

The rituals of war – violence against, rape and murder of women and executions of civilians – never change. They took place all over Europe in the Thirty Years’ War, they have taken place in the Balkans in the last thirty years, in Chechnya, Syria, Georgia, Ukraine, Israel and Palestine. “Whoever wins, baby, the winner is always war!” The internationally renowned Polish director, author and singer Marta Górnicka gathers 25 Ukrainian, Polish and Belarusian mothers and their children on stage. They are refugees from Mariupol, Kyiv, Bucha. Some of them have fled the war, others fled from perse­cution in their home country. They all find their place in the Chorus of Mothers – based on an opera form that refers to ritual women’s choruses from the seventh century BCE, when so-called choral poetry occupied a prominent and central place in religious and social life in Ancient Greece. Marta Górnicka is one of the most distinguished European directors of contemporary theatre work with choirs. Her particular approach of combining political engagement and artistic work is inspired by Bertolt Brecht in that they both make the contradictory voices in social conflicts heard.

Preis EUR 51, 45, 39, 26 -50 % für alle unter 26

Sprache Polnisch, Ukrainisch, Belarussisch mit englischen und deutschen Übertiteln Konzept, Regie Marta Górnicka Libretto Marta Górnicka & Ensemble Musik Wojciech Frycz, Marta Górnicka, traditionelle ukrainische Musik Choreografie Evelin Facchini Bühne Robert Rumas Dramaturgie Olga Byrska, Maria Jasińska Eine Produktion von The Chorus of Women Foundation Teatr Drama­tyczny, Warsaw, Maxim Gorki Theater, Festival d’Avignon, Le Maillon, Strasbourg, Spring Festival Utrecht, Euro-Scene, Leipzig und Tangente St. Pölten – Festival für Gegenwartskultur.

247

Mothers

Juni 2024


Diskurs / Performance / Musik

Sisters United / ‫ األخوات المتحدة‬/ об’єднані сестри / ‫خواهران متحد‬

TangenteStadtprojekt

Gegen Gewalt an Frauen*

Gewalt an FLINTA* hat viele Gesichter und nimmt immer noch kein Ende. Die Zahl der Femizide steigt jährlich. Auch in Europa sind FLINTA* vermehrt in Lebensgefahr. FLINTA* ist ein Sammelbegriff für alle, die nicht cis männlich sind. F steht für Frauen, all jene, die sich als weiblich identifizieren. L steht für Lesben, weiblich gelesene Menschen, die homosexuell sind. I steht für intergeschlechtliche Menschen, die mit einem uneindeutigen Geschlecht geboren wurden. N steht für nicht-binäre Personen, deren Geschlecht außerhalb von weiblich und männlich liegt. T steht für trans Menschen, die sich nicht dem bei der Geburt zugeschriebenen Geschlecht zugehörig fühlen. A steht für agender Personen, die sich keinem Geschlecht zugehörig fühlen. Der Stern steht für alle anderen, die aufgrund ihrer Identität von der pat­ri­ archalen Mehrheitsgesellschaft marginalisiert werden. Das Haus der Frau St. Pölten feiert 40-jähriges ­Jubiläum. Bei der Tangente bekommen jene eine Bühne, die die wichtige und oft unsichtbare Arbeit gegen Gewalt an FLINTA* und für Gleichberechtigung leisten. „Sisters United“ bringt Expert:innen, Künstler:innen, Aktivist:innen, lokale Held:innen und Organisationen zusammen, um gemeinsam mit dem Publikum in Gesprächen, Interventionen und künstlerischen Beiträgen die Komplexität des Problems zu beleuchten. Welche ökonomischen, sozialen und politischen Komponenten beeinflussen Gewaltspiralen? Wie schaut es mit der Gesetzeslage aus? Wa­ rum sind Intersektionalität und interkulturelle Kompetenz so wichtig? Warum braucht es neue Rollenbilder für Männer und mehr Geld für die kritische Männerarbeit? Das Programm umfasst Workshops, Theater und Diskussionen und zum Abschluss ein Konzert der iranisch-kanadischen Künstlerin Golnar Shayhar, die sich in ihrer Musik mit Herkunft und Identität auseinandersetzt. 248

Tangente × Bühne im Hof × Festspielhaus St. Pölten × Haus der Frau St. Pölten


Violence against FLINTA* has many faces and still no end. The number of femicides is increasing year after year. Even in Europe FLINTA* increasingly have to fear for their lives. FLINTA* is a collective term for all those who are not cis male. F stands for women, those who identify as female. L stands for lesbians, people read as female, who are homosexual. I stands for intersex peoDatum / Uhrzeit ple, those born with an ambiguous gender. N stands for 7.6.2024 non-binary people whose gender falls outside of fe14:00–17:30 Uhr male and male. T stands for trans people who do not 18:30–20:00 Uhr identify with their assigned gender. A stands for Interventionen, Diskusagender people who do not identify with any gender. sion und Beiträge von Künstler:innen, The star stands for all others who are marginalised by Aktivist:innen und the patriarchal majority society due to their identity. Expert:innen The Haus der Frau St. Pölten celebrates its 40th Ort anniversary. During Tangente, a stage is given to öffentlicher Raum those who do the important and often invisible work of Eintritt frei preventing violence against FLINTA* and advancing gender equality. “Sisters United” brings together experts, 17:30 Uhr Performance des Frauen*artists, activists, local heroines and organisations to Tanzprojekts Sisters explore the complexity of the issue with the audience Eintritt frei für FLINTA* through conversations, interventions and artistic con­ 20:30 Uhr tributions. What are the economic, social and political Golnar Shahyar Trio components that set spirals of violence in motion? What about the legal situation? Why are intersectional­ Ort ity and intercultural competence so important? Why Bühne im Hof do we need new role models for men and more money Preis for critical social work with men? Golnar Shayhar Trio The programme includes workshops, theatre EUR 26 -50 % für alle unter 26 performances and discussions and for the finale a concert of the Iranian-Canadian artist Golnar Shayhar, Mit Fikri Anıl Altıntaş, who explores her origins and identity through her Sonja Aziz, Christian Scambor, Marlene Krubner, music. Najwa Duzdar, Anahita Neghabat, Frauenplattform St. Pölten (Initiative des Büros für Diversität), Schwesta Ebra, Golnar Shahyar Trio, projekt Frauen*-Tanz­ Sisters, Frauen* aus lokalen Communitys, Künstler:innen, Aktivist:innen u. a. Eine Veranstaltung von Tangente St. Pölten – Festival für Gegenwartskultur in Kooperation mit der Bühne im Hof, dem Festspielhaus St. Pölten und dem Haus der Frau St. Pölten.

249

Sisters United

Juni 2024


Ausstellung / Vermittlung

Stadtmuseum St. Pölten Blick in den Schatten

TangenteKoproduktion

St. Pölten und der Nationalsozialismus

Die groß angelegte Ausstellung im Stadtmuseum St. Pölten macht die Vorboten des Nationalsozialismus ab der Jahrhundertwende, die Zeit der NS-Schreckensherrschaft und gesellschaftspolitische Kontinuitäten bis in die Gegenwart spürbar. „Blick in den Schatten. St. Pölten und der Nationalsozialismus“ wird inhaltlich einen größeren Zeitrahmen als nur die Jahre von 1938 bis 1945 umfassen. Die Ausstellung weigert sich, einen Schlussstrich unter die Auseinandersetzung mit dieser menschenverachtenden Epoche zu ziehen. In Zusammenarbeit mit der Tangente unternimmt das Stadtmuseum St. Pölten den Versuch, die Wirkungsmacht von Stadtgeschichte zu untersuchen und deutlich zu machen. Die Ausstellung soll ein Ort sein, an dem Geschichte von St. Pöltner:innen erzählt wird und neue Erzählungen aktiv aufgegriffen werden. Ein Ort, der der Öffentlichkeit Materialien aus dem Stadtarchiv und den Museumsdepots zur Ansicht gibt und so das Erinnern unterstützt. Ein Ort, an dem Wissen nicht nur weitergegeben, sondern auch generiert wird. Ein Schwerpunkt liegt darauf, dass Besucher:innen am Ausstellungsprozess aktiv mitwirken können. In partizipativen Workshops mit Schul- und anderen Gruppen wird die Forschung des Ausstellungsteams fort- und weitergeführt. Die Besucher:innen sind eingeladen, Spuren aufzunehmen, Fragen zu stellen und die­se mit der gegenwärtigen Situation in Beziehung zu ­setzen. Im Austausch mit Schulen ebenso wie bei den dialogischen Ausstellungsrundgängen.

250

Tangente × Stadtmuseum St. Pölten


The large-scale exhibition at the Stadtmuseum St. Pölten makes the harbingers of Nazism from the turn of the century, the period of the Nazi reign of terror and socio-poli­ tical con­tinuities up to the present tangible. “Blick in den Schatten. St. Pölten und der Nationalsozialismus” (gaze into the shadow. St. Pölten and Nazism) will cover a wider time frame than just the years from 1938 to 1945. The exhibition refuses to draw a line under the scrutiny of this inhuman epoch. In cooperation with Tangente, the Stadtmuseum St. Pölten is striving to examine and highlight the potency of urban history. The exhibition should be a place where the history of St. Pölten’s citizens is recounted and new narratives are actively taken on. A place where material from city archives and museum repositories is made available to the public in support of remembrance processes. A place where knowledge is not only passed on, but also generated. One focus is on enabling visitors to actively participate in the exhibition process. In participatory workshops with school and other groups, the ex­hibition team’s research will continually develop and expand. The themes of the exhibition offer incentives for groups to devote themselves to individual aspects of contemporary history. To pick up traces, ask questions and relate them to the present. Both in dialogue with school groups and during guided tours.

Laufzeit 14.6.2024–25.5.2025 Ort Stadtmuseum Museumscard Mit der stp Museumscard für EUR 18 innerhalb eines Jahres in alle teilnehmenden Museen in St. Pölten. Eine Kooperation von Stadt­ museum St. Pölten und Tangente St. Pölten – Festival für Gegenwartskultur.

251

Blick in den Schatten

ab Juni 2024


Musik / Film

PHACE / Nacho de Paz Die Stadt ohne Juden

Nach einem Roman von Hugo Bettauer (1924) Stummfilm von Hans Karl Breslauer (1924) mit Livemusik von Olga Neuwirth (2017)

„Es sind die Juden, die uns die Arbeitsplätze wegnehmen“, so Demonstrant:innen im Film. Im Rahmen der „Jewish Weekends“ (s. S. 370) präsentiert die Tangente den Stummfilm „Die Stadt ohne Juden“ von Hans Karl Breslauer mit Musik von Olga Neuwirth. 1924 in Wien gedreht, basiert der Film auf dem gleichnamigen Buch des jüdischen Schriftstellers und Journalisten Hugo Bettauer (1872–1925) mit dem Untertitel „Ein Roman von übermorgen“. Der Film zeigt irritierend prophetisch den eskalierenden ­Antisemitismus seiner Zeit und die Verarmung einer Stadt in allen Bereichen des Lebens nach der Vertreibung der ­jüdischen Bevölkerung. Lange nur in einer fragmentarischen Version erhalten, wurde das Werk 2015 auf einem Pariser Flohmarkt wiederentdeckt und dann restauriert. 2017 wurde Olga Neuwirth durch das Wiener Konzerthaus, die Elb­ phil­harmonie Hamburg, das Ensemble intercontemporain, das Barbican Centre und das Sinfonieorchester Basel beauftragt, den Film neu zu vertonen. Seitdem tourt der Film mit der von PHACE live gespielten Musik mit großem ­Erfolg international. Olga Neuwirth ist eine der international erfolgreichsten österreichischen Komponist:innen der Gegenwart. 2022 erhielt sie den renommierten Ernst von Siemens Musikpreis. Die elf Solist:innen von PHACE und ihr künstlerischer Leiter Reinhard Fuchs interpretieren und experimentieren seit vielen Jahren in speziellen Konzertformaten, Musiktheater­produktionen und spartenübergreifenden Projekten mit Tanz, Theater, Performance, Elektronik, Video, Turntables und Installationen. Mehr als 200 Werke sind so bisher in Auftrag ­gegeben, uraufgeführt und auf zahlreichen Tonträgern veröffentlicht worden. 252

Tangente × Festspielhaus St. Pölten × Jewish Weekends


“It’s the Jews who are taking away our jobs,” so protesters in the film. As part of the “Jewish Weekends” (p. 370), the silent film “Die Stadt ohne Juden” (“The City Without Jews”) by Hans Karl Breslauer will be screened with music by Olga Neuwirth. Shot 1924 in Vienna, the film is based on the novel by the Jewish writer and journalist Hugo Bettauer (1872–1925) with the subtitle “Ein Roman von übermorgen” (novel of the day after tomorrow). Irritat­ ingly prophetic, it shows the escalating anti-­Semitism of its time and the impoverishment of a city in all Datum/Uhrzeit 14.6.2024 areas of life after the expulsion of the Jewish population. 19:30 Uhr The work, long preserved only in a fragmentary version, was rediscovered at a Paris flea market in Ort 2015 and subsequently restored. In 2017, Olga Neuwirth Festspielhaus St. Pölten Großer Saal was commissioned by the Wiener Konzerthaus, the Elbphilharmonie Hamburg, the Ensemble IntercontemPreis porain, the Barbican Centre and the Basel Symphony EUR 20 -50 % für alle unter 26 Orchestra to set the film to music. Since then, the film has toured with great success internationally with the Dirigent Nacho de Paz music perfor­med live by PHACE. Olga Neuwirth is one of the most internationally PHACE Klarinette successful Austrian composers of our time. In 2022 Walter Seebacher she was awarded the prestigous Ernst von Siemens Saxofon Michael Krenn Trompete Spiros Laskaridis Music Prize. The eleven soloists of PHACE and their Posaune Stefan Obmann artistic director Reinhard Fuchs have been interpretE-Gitarre ing and experimenting with dance, theatre, perforSamuel Toro Pérez mance, electronics, video, turntables and installations Violoncello in special concert formats, music theatre productions Petra Ackermann Cello Roland Schueler and interdisciplinary projects for many years. More Keyboard than 200 works have been commissioned, preMathilde Hoursiangou Percussion Berndt Thurner miered and released on numerous recordings. Klangregie Alfred Reiter Eine Veranstaltung der Tangente St. Pölten – Festival für Gegenwartskultur in Kooperation mit Festspielhaus St. Pölten und den Jewish Weekends – Festival für jüdische Kultur. Mehr von „Jewish Weekends“ Ghetto Songs 8.6.2024, 19:30 Uhr Bühne im Hof Eine Kooperation von Bühne im Hof und Jewish Weekends siehe auch S. 370

253

Die Stadt ohne Juden

Juni 2024


Musik / Kunst

StadtLandFluss 2024 Wie kann es uns gelingen, Regierungsviertel, innere Stadt und Naturraum stärker miteinander zu verbinden? Nach der Premiere 2019 findet „StadtLandFluss“ im Rahmen der Tangente seine Fortsetzung. Damals war das interdisziplinäre Minifestival ein starkes Zeichen der freien Szene, das Synergien zwischen lokalen KulturPlayer:innen und der Zivilgesellschaft an besonderen Orten im Regierungsviertel schuf. Überraschungen wie beispielsweise eine Bühne im Landhausteich oder die erstmalige Bootstour ebendort sind vielen Besucher:innen noch in bester Erinnerung. Das Ziel von „StadtLandFluss“ ist, das solitäre Regierungsviertel und die Traisen noch stärker als Raum für Kunst, Kultur und Begegnung zu etablieren. Für 2024 wird es co-kreativ erweitert und mit dem bekannten Format „Sind im Garten“ des Festspielhauses St. Pölten und des Landesmuseums Niederösterreich abgestimmt. Diverse ­Protagonist:innen aus Stadt und Land wurden vom Kurator:innenteam eingeladen, das interdisziplinäre Programm mitzugestalten. Der „Kulturbezirk“ und das Regierungsviertel werden dabei auf unterschiedlichen Ebenen bespielt, neue Räume geöffnet und entdeckt, Perspektiven erweitert und Formate ausprobiert. So wird der großen Vielfalt der St. Pöltner und niederösterreichischen freien Kunst- und Kulturszene eine Bühne geboten, die überraschenden Möglichkeiten dieses öffentlichen Raumes sichtbar zu machen. Vom Vorplatz des Festspielhauses über den Klangturm und die Seebühne bis zum Traisenstrand oder zur Tiefgarage, von Diskurs bis Performance und Konzerten an ungewöhnlichen Orten: Es geht um eine temporäre Inbesitznahme und Entdeckungstour, die Besucher:innen aus St. Pölten, Niederösterreich und darüber hinaus einlädt, einen neuen Umgang mit altbekanntem Unbekanntem zu erleben.

254

Tangente × Festspielhaus St. Pölten × Museum Niederösterreich


Datum / Uhrzeit 21.6.2024 ab 16:00 Uhr 22.6.2024 ab 14:00 Uhr

How can we manage to connect the government district, the inner city and the natural environment more thoroughly? After its premiere in 2019, “StadtLandFluss” will be presenting a new chapter as part of Tangente. The mini festival sent a strong signal from the independent scene, creating synergy between local cultural players and civil society in special locations within the government district. Surprises such as a stage in the Landhaus pond or the first boat trip there are still fond memories for many visitors. The goal of “StadtLandFluss” is to strengthen the connection between the government district, the Traisen river, the (inner) city and its inhabitants. For 2024, the format will be expanded co-creatively with the well-known format “Sind im Garten” (we’re in the garden) by the Festspielhaus St. Pölten and the Landesmuseum Niederösterreich. Various protagonists from the city and the countryside have been invited by the curatorial team to help shape the interdisciplinary programme. The “cultural district” and the government quarter will be used on different levels, new spaces will be opened up and discovered, perspectives expanded and formats explored. A stage will be provided for the greatly diverse arts and cultural scene of St. Pölten and Lower Austria, revealing some surprising possibilities in public space. From the main plaza in front of the Festspielhaus to the lake stage, to the banks of the Traisen or the underground car park, from discourse to performance and concerts in unexpected places; it’s all about temporary usage and discovery, inviting visitors from St. Pölten, Lower Austria and beyond to experience the familiar, unfamiliarly.

Ort Öffentliche Orte im Regierungsviertel und Kulturbezirk St. Pölten Preis freier Eintritt Kuratiert von Andi Fränzl und Klaus-Michael Urban Kuratierung Klangturm Institut für Medienarchäologie (IMA) Eine Veranstaltung von Tangente St. Pölten – Festival für Gegenwartskultur in Kooperation mit Festspielhaus St. Pölten und Museum Niederösterreich.

255

StadtLandFluss

Juni 2024


Tanz · Österreichische Erstaufführung

TangenteKoproduktion

Jeremy Nedd / Impilo Mapantsula blue nile to the galaxy around olodumare Die Zusammenarbeit mit der aus Südafrika operierenden Gruppe Impilo Mapantsula sei ein Privileg, sagt der US-Amerikaner Jeremy Nedd. Im mittlerweile fünften Jahr ihrer interna­ tional gefeierten, Schwarz-atlantischen Suche nach gemeinsamen afro-diasporischen Momenten, in denen Musik und Bewegung zu virtuosen Höhepunkten finden, präsentieren sie „blue nile to the galaxy around olodumare“. Der Titel des neuen Stücks bezieht sich auf zwei Kompositionen von Alice Coltrane. Die Musik von Bheki Mseleku, der wie viele international erfolgreiche südafri­ka­ nische Musiker:innen in der Diaspora arbeiten musste, ist die zweite Säule der Neuproduktion. Der in Brooklyn aufgewachsene und heute in der Schweiz lebende Tänzer und Choreograf schlägt eine Brücke vom Jazz als Ausdruck der afroamerikanischen Selbstbestimmung zur südafrikanischen Subkultur Pantsula, die aus dem Widerstand gegen die Apartheidpolitik erwuchs. Musik und improvisierende Bewegungen werden zu einem choreografischen Modell, das fähig ist, spezifische Erinnerungen in die Gegenwart zu übersetzen. Alice Coltrane, so geht die Geschichte, schenkte Bheki Mseleku in Newport das Saxofon-Mundstück, mit dem John Coltrane „A Love ­Supreme“ aufgenommen hatte. Den Stab aus der Vergangenheit in die Zukunft weitergeben, bedeutet bei ­Jeremy Nedd und Impilo Mapantsula, mit einer reichen Tanzsprache aus dem hochrhythmischen Pantsula-­Vokabular und Referenzen an Schwarzen Tanz und Schwarzes Theater seit den 70er-Jahren des letzten Jahrhunderts einen weitsich­tigen Tanzabend zu gestalten, der große Bögen spannt und im Jetzt begeistert. 256

Tangente × Festspielhaus St. Pölten


Working with Impilo Mapantsula, a group operating out of South Africa, is a privilege, says US-American Jeremy Nedd. Now in their fifth year of an internationally acclaimed, Black-Atlantic search for shared Afro-diasporic moments in which music and movement find virtuosic ­climaxes, they present “blue nile to the galaxy around olodumare.” The title of the new piece refers to two compositions by Alice Coltrane. The music of Bheki Mseleku, who like many internationally successful South African musicians has had to work in the diaspora, is the second pillar of the new production. The dancer and choreographer, who grew up in Brooklyn and now lives in Switzerland, builds a bridge from jazz as an expression of African American self-determination to the South African subculture Pantsula, which grew out of resistance to apartheid policies. Music and improvisational movement become a choreographic model capable of translating specific memories into the present. Alice Coltrane, the story goes, once gave Bheki Mseleku in Newport the saxophone mouthpiece with which John Coltrane had recorded “A Love Supreme.” Passing the baton from the past into the ­future, Jeremy Nedd and Impilo Mapantsula, with a rich dance language drawn from the highly rhythmic Pantsula vocabulary and references to Black dance and theater since the 1970s, create a wide-eyed evening of dance that arcs widely and inspires in the now. Datum / Uhrzeit 22.6.2024 19:30 Uhr Ort Festspielhaus St. Pölten Großer Saal Preis EUR 49, 45, 40, 28, 12 -50 % für alle unter 26 Konzept Jeremy Nedd Bühnenbild Laura Knüsel Sounddesign Fabrizio Di Salvo, Rej Deproc Choreografie und Performance Thomas Motsapi, Bonakele Masethi, Kgotsofalang Moshe, Jeremy Nedd Tangente St. Pölten – Festival für Gegenwartskultur in Kooperation mit dem Festspielhaus St. Pölten.

257

blue nile to the galaxy around olodumare

Juni 2024


Performance · Österreichische Erstaufführung

TangenteKoproduktion

Begüm Erciyas Hands Made „Die Hand ist das Fenster zum Verstand“, schrieb Immanuel Kant, und Richard Sennett forderte, dass wir nicht durch dieses Fenster gehen, bevor wir die Hand nicht angemessen studiert haben. In „Hands Made“ stehen die Hände der Besucher:innen im Mittelpunkt. Getrennt vom Rest des Körpers, aber in unmittelbarer Nähe zueinander, sind sie Zentrum von Spekulationen über die Vergangenheit und Zukunft der Hände, der Handarbeit und des Tastsinns. Womit haben sich diese Hände beschäftigt und was werden sie in Zukunft tun? Wen oder was werden sie berühren? Wir berühren die Welt, distanzieren uns dadurch von unserer Umgebung oder schaffen Beziehungen der Nähe und Intimität – zunehmend vermittelt durch Technologie. Begüm Erciyas erforscht die Fähigkeit der Berührung, indem sie sich auf die Hände konzentriert. Vor dem Hintergrund der ehemaligen Viskosefabrik in St. Pölten, ­einem Monument der Handarbeit, lädt „Hands Made“ dazu ein, unsere Beziehung zu unseren Händen im Laufe der Geschichte zu überdenken und sich ihre Rolle in einer zukünftigen Gesellschaft vorzustellen. Schon als Begüm Erciyas Molekularbiologie und Genetik in Ankara studierte, war sie an verschiedenen Tanzprojekten in der Türkei beteiligt. Später folgte ein Choreografie-Studium. Zur Zeit lebt sie in Berlin und Brüssel. Seit 2015 entwickelt Begüm Erciyas transdisziplinäre Formate, die das singuläre Publikum einladen, damit allein zu sein. Die Spannung zwischen Isolation und Zusammengehörigkeit ist dabei immer ein zentrales Thema. Ihre Arbeiten wurden u. a. gezeigt von Kunstenfestivaldesarts in Brüssel, Münchner ­Kammerspiele, Théâtre Nanterre-Amandiers und PACT Zollverein. Von 2021 bis 2026 ist sie Artist-in-Residence im deSingel in Antwerpen. 258


“The hand is the window to the mind,” wrote Immanuel Kant, and Richard Sennett urged that we only pass through this window when we have sufficiently studied the hand. In “Hands Made”, the visitors’ hands take centre stage. Separated from the rest of the body, but in close proximity to each other, they are the focus of speculation about the past and future of hands, handwork and the sense of touch. What have these hands been involved with and what will they do in the future? Who or what will they touch? We touch the world, and in touching it, we ­distance ourselves from our surroundings or create relationships of closeness and intimacy – increasingly mediated by technologies. Begüm Erciyas explores the capacity of touch by focusing on hands. Set against Datum / Uhrzeit the backdrop of the former viscose factory in St. Pölten, 27.6.–30.6.2024 jeweils 16:00, 17:15, a monument to manual labour, “Hands Made” invites 18:30, 19:45 und 21:00 Uhr us to reconsider our relationship with our hands throughout history and to imagine their role in a fuOrt Turbinenhalle am ture society. Glanzstoff-Gelände During her studies of molecular biology and genetics in Ankara, Begüm Erciyas was already inPreis volved in ­various dance projects in Turkey. Later she EUR 15 -50 % für alle unter 26 studied choreography. Today she lives in Berlin and Brussels. Since 2015, Begüm Erciyas has been develo­ ping transdisciplinary formats that invite the singuKonzept und Regie Begüm Erciyas lar audience member to be alone with the work. The Sound Design tension between isolation and togetherness is alLieven Dousselaere ways a central theme. Her work has been presented at Bühnenbild the Kunstenfestivaldesarts in Brussels, the Münchner Élodie Dauguet Künstlerische Mitarbeit Kammerspiele, the Théâtre Nanterre-Amandiers and Jean-Baptiste Veyret-­ PACT Zollverein, among others. From 2021 to 2026 Logerias, Gaëtan Bulourde she is artist-in-residence at deSingel Antwerp. Dramaturgie Jonas Rutgeerts Produktion Outline Vertrieb Something Great, somethinggreat.de Eine Koproduktion von deSingel (Antwerpen), PACT Zollverein (Essen), Kunstenfestivaldesarts (Brüssel), SPRING Performing Arts Festival (Utrecht) und Tangente St. Pölten – Festival für Gegenwartskultur. Unterstützt von Flanders State of the Art und vom Tanzpraxis Stipendium der Senatsverwaltung für Kultur und Europa.

259

Hands Made

Juni 2024


Installation / Environment

Susanne Kennedy / Markus Selg / Debit Wasteland

TangenteNeuproduktion

The Great Simplification

„Wasteland ist ein Ort, an dem man sich verändert, sobald man ihn betritt. In Wasteland sind Dinge möglich, die normaler­weise nicht möglich scheinen.“ Susanne Kennedy und Markus Selg aktivieren die Brache hinter der Glanzstoff-Fabrik und inszenieren für die Tangente St. Pölten eine erweiterte Realität. Das Publikum taucht ein in einen Erfahrungsraum mit einer ganz eigenen Logik. Hier begegnen einander Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Zeit und Sein. Realität und virtuelle Realität. Übriggebliebene Relikte aus vergangenen Zeiten, von vergangenen Ritualen. Nur eine Erinnerung daran bleibt. Nachklänge. Wasteland. Die Landschaft selbst als Bühne. Sonne, Wasser, Wind, Erde, Pflanzen und Tiere als ihre Protagonist:innen. Vereinzelt wandeln Menschen durch diese Landschaft, sitzen am Feuer, unterhalten sich, hören der Musik zu. Wo ist die Grenze zwischen Inszenierung und Realität? Wie viel Bühne brauchen wir, um unser Leben als Inszenierung zu erfahren? Sind wir selbst die Akteur:innen oder wird für uns gespielt? Die Theaterregisseurin Susanne Kennedy hat mit ihrer Ästhetik das westliche Theater auf einzigartige Weise erneuert. Ihre Arbeiten stellen infrage, was es bedeutet, ein Mensch zu sein. Markus Selg ist ein Multi­ mediakünstler, der sich mit der Überlagerung von antiker Mythologie, digitaler Technologie und Bewusstsein beschäftigt. Er untersucht die Möglichkeiten, in einer Welt zu leben, die sich in einen ständigen Daten- und Informationsfluss verwandelt hat. Seit 2016 arbeiten Susanne Kennedy und Markus Selg zusammen. „Wasteland“ ist ihre erste Zusammenarbeit mit der Musikproduzentin Debit, die auf ihrem Album „The Long Count“ Instrumente der Maya mit den futuristischen Technologien der künstlichen Intelligenz verbindet. 260


Datum Eröffnung 27.6.2024 18:00 Uhr

„Wasteland is a place where you change when entering. In Wasteland things are possible that normally don’t seem possible.” Susanne Kennedy and Markus Selg activate the wasteland behind the Glanzstoff factory and stage an expanded reality there for Tangente St. Pölten. The audience is immersed in an experiential space with a logic all its own. Here past, present and future meet. Time and being. Reality and virtual reality. Remaining relics from past times and of past rituals. Only the memory remains. Echoes. Wasteland. The landscape itself as a stage. Sun, water, wind, earth, plants and animals are its protagonists. Sporadically, people wander through this landscape, sit by the fire, talk, listen to the music. Where is the boundary between staging and reality? How much stage do we need in order to ex­ perience our lives as a production? Are we ourselves the actors or are they playing for us? The theatre director Susanne Kennedy has renewed Western theatre in a unique way with her ­aesthetics. Her works question what it means to be human. Markus Selg is a multimedia artist who explores the overlap of ancient mythology, digital technology and consciousness. In his works, he explores the possibilities of living in a world that has transfor­ med into a constant flow of data and information. ­Susanne Kennedy and Markus Selg have been working together since 2016. “Wasteland” is their first collaboration with the musician Debit, who combinded Mayan instruments with the futural technologies of artificial intelligence on her album.

Preis EUR 20 -50 % für alle unter 26 Weitere Termine auf der Website Ort Ehemalige Spinnerei am Glanzstoff-Areal Eine Produktion von Tangente St. Pölten – Festival für Gegenwartskultur und Ultraworld Productions.

261

Wasteland

Juni 2024


Theater / Performance · Österreichische Erstaufführung

TangenteKoproduktion

Jaha Koo Haribo Kimchi Kimchi ist fermentiertes Gemüse, das durch einen Gärungsprozess geschmackvoller und haltbarer gemacht wird. Die Zu­bereitung von Speisen ist eine Sprache, die die Strukturen einer Gesellschaft offenbart. Kochen ist die direkteste Methode des Austauschs zwischen Kulturen und daher ein mächtiges Medium, durch das kulturelle Identitäten und soziale Überzeugungen festgehalten und dargestellt werden. Jaha Koo erforscht die Vergangenheit und Gegenwart Südkoreas anhand der Geschichte des Essens. In „Haribo Kimchi“ befinden wir uns in einer Pojangmacha, einem typischen Straßenimbiss, den man nachts in den Straßen Südkoreas findet. Mit einer Speisekarte, die je nach Jahreszeit und Region variiert, bietet die Pojangmacha schnelle Imbisse, wie überall in unseren spätkapitalistischen Gesellschaften – und überall dort, wo Zeit Geld ist. Die Pojangmacha entpuppt sich auf der Bühne als ein imaginärer Ort unter dem Meer, an dem sich mythische Gestalten und verlorene Meeresbewohner:innen treffen. Dort versucht Jaha Koo, die Mythen, die durch die Kommerzialisierung des koreanischen Essens beseitigt wurden, neu zu gestalten, indem er eigene Rezepte als zeitgenössische Küche auftischt. Eine Food-Performance, die mit allen Sinnen spielt und darauf abzielt, beim Publikum die Wahrnehmung von Essen und seiner kulturellen Kraft völlig zu verändern. Jaha Koo ist ein südkoreanischer Theatermacher, Performer and Musikkomponist. 2021 präsentierte er seine komplette „Hamartia Trilogie“ zum ersten Mal, nachdem er seit 2014 daran gearbeitet hatte. Die Trilogie – bestehend aus „Lolling and Rolling“, „Cuckoo“ und „The History of Korean Western Theatre“ – befasst sich damit, wie die unausweichliche Vergangenheit unser heutiges Leben auf tragische Weise beeinflusst. 262

Tangente × Bühne im Hof


Kimchi refers to vegetables that have been fermented to make them more flavourful and longer-lasting. The preparation of food is a language that reveals the structures of a society. Cooking is the most direct method of exchange between cultures and therefore a powerful medium through which cultural identities and social beliefs are captured and represented. Jaha Koo explores the past and present of South Korea through the history of food. In “Haribo Kimchi”, we find ourselves in a pojangmacha, a typical street food stall found on the streets of South Korea at night. With a menu that varies according to season and region, the pojangmacha offers quick snacks, just like everywhere else in our late capitalist societies, and everywhere where time is money. On stage, the Pojangmacha turns out to be an imaginary place under the sea where mythical figures and lost sea creatures meet. There, Jaha Koo attempts to reshape the myths that have been eliminated by Datum / Uhrzeit the commercialisation of Korean food by creating his 27.6. und 28.6.2024 own recipes as contemporary cuisine. A food perforjeweils 20:00 Uhr mance that plays with all the senses and aims to comOrt pletely change the audience’s perception of food Bühne im Hof and its cultural power. Jaha Koo is a South Korean theatre maker, Preis EUR 20 performer and music composer. In 2021 he presented -50 % für alle unter 26 his complete “Hamartia Trilogy” for the first time, after working on it since 2014. The trilogy – consisting of Sprache Koreanisch mit Übertiteln “Lolling and Rolling”, “Cuckoo” and “The History of Korean Western Theatre” – looks at how the inescapKonzept, Text und able past tragically affects our lives today. Performance Jaha Koo Bühne und Media Operation Eunkyung Jeong Künstlerische Beratung Pol Heyvaert Dramaturgie Dries Douibi Eine Produktion von CAMPO in Koproduktion mit Kunstenfestivaldesarts, Rideau de Bruxelles, Theater Utrecht, SPRING festival, Festival d’Automne à Paris, Théâtre de la Bastille, Kampnagel International Summer Festival Hamburg, National Theatre and Concert Hall Taipei und Tangente St. Pölten – Festival für Gegenwartskultur.

263

Haribo Kimchi

Juni 2024


Theater / Performance / Spaziergang

TangenteNeuproduktion

Matthias Lilienthal / Helena Eckert / Friederike Kötter X-Erinnerungen Weltweit werden koloniale Denkmäler gestürzt und Straßen umgewidmet, Geschichte wird neu geschrieben. Lange unterdrückte Perspektiven finden mit ihren Erinnerungen endlich Gehör. Gleichzeitig versuchen nationalistischrechte Kräfte – in Österreich wie anderswo – Erinnerung zu kapern und die Geschichte umzudeuten. Für „X-Erinnerungen“ begeben sich lokale und ­internationale Künstler:innen auf Spurensuche in St. Pölten. Insgesamt 21 Orte, darunter private Wohnungen, ver­ lassene Fabriken, historische Bauernhöfe und versteckte Vereinsheime, werden zu Aushandlungsorten von Erin­ nerungen. Welche Geschichten verbergen sich im Wohn­ zimmer hinter der unauffälligen Fassade in der Fußgängerzone? Und wohin führen die Erzählungen von der ehemaligen Glanzstoff-Fabrik, deren Geruch jahrzehntelang über St. Pölten hing? Entlang von drei Routen durch die Stadt entwickeln die beteiligten Künstler:innen jeweils zehnminütige Performances, Theaterstücke und Installationen, die sich das Publikum in Zweiergruppen erschließt. Das Imagi­näre, Recherchierte oder Erlebte verbinden sie mit den lokalen Kontexten und schaffen damit unerwartete Begegnungen zwischen damals und heute, hier und dort. Wie können wir gemeinsam erinnern und welche Perspektiven eröffnen sich damit für unser zukünftiges Zusammenleben? „X-Erinnerungen“ ist eine Erweiterung des von Theatermacher Matthias Lilienthal erfundenen Erfolgsformats „X-Wohnungen“, das seit seiner Erstausgabe im Jahr 2002 u. a. in Johannesburg, Caracas, Berlin und Duisburg realisiert wurde.

264


All over the world, colonial monuments are being toppled, streets renamed and history is being rewritten. The memories of long-suppressed perspectives are finally being heard. At the same time, nationalist-right forces in Austria and elsewhere are trying to hijack memory and reinterpret history. For “X-Erinnerungen”, local and international ­ar­tists set out on a search for traces throughout St. Pölten. A total of 21 places, including private flats, abandoned factories, historic farms and hidden clubhouses, will become sites for the negotiation of mem­ ories. What stories are hidden in the living room behind the inconspicuous façade in the pedestrian zone? And where do the stories of the former Glanz­ stoff factory, whose smell hung over St. Pölten for decMit Alibeta, Kurdwin Ayub, ‚Bruch‘-, María ades, take us? Galindo, Tim Etchells, Along three routes through the city, the parTrajal Harrell, Institut ticipating artists develop ten minute performances, für Medien, Politik und Theater, Seba Kayan, Sara plays or installations, which the audience explores in Ostertag, Theater groups of two. They connect the imaginary, researched Perpetuum, Elisabeth or experienced with the local contexts and thus creWeilenmann, Sandra ate unexpected encounters between then and now, Wollner u. a. here and there. How can we remember together and Datum/Uhrzeit what perspectives does this open up for the way we Premiere live together in the future? 28.6.2024 Start 16:00–20:30 “X-Erinnerungen” is an extension of the success(im Abstand von 10 Min.) ful format “X-Wohnungen”, invented by theatre maker Matthias Lilienthal, which has been realised in Johan29.6.2024 nesburg, Caracas, Berlin and Duisburg, among other Start 14:00–18:30 (im Abstand von 10 Min.) places, since its premiere in 2002. 30.6.2024 Start 14:00–18:30 (im Abstand von 10 Min.) Dauer rund 2,5 Stunden Ort private Wohnungen und weitere Orte der Erinnerung Preis EUR 35 -50 % für alle unter 26 Kuratiert von Matthias Lilienthal, Helena Eckert, Friederike Kötter Produktionsleitung Friederike Kötter

265

X-Erinnerungen

Juni 2024


Musik

John Zorn / Tzadik Artists Sacred Music for Two Guitars / New Masada Quartet Radical Jewish Culture

„Musik sollte wie eine Reise zum Mond sein, Transzendenz, eine Rakete.“ John Zorn hat über mehr als 50 Jahre auf Hunderten von Konzerten und Tausenden von Tonträgern so ­diverse Genres wie Jazz, Rock, Hardcore, Speed Metal, Blues, jüdische Musik oder (zeitgenössische) klassische Musik zelebriert und weiterentwickelt. Seit 1992 bildet Radical Jewish Culture einen wesentlichen Fokus seiner Arbeit und auch einen Schwerpunkt seines Labels Tzadik. Zentrale Bedeutung für die Radical Jewish ­Culture hatte die Uraufführung von Zorns Komposition „Kristallnacht“, deren Titel sich auf die häufig so bezeichneten Novemberpogrome von 1938 bezieht. „Ich komponiere Musik für meine Freund:innen“, sagt John Zorn. Bei diesen Freund:innen handelt es sich um Künstler:innen, die ausnahmslos jene vier Anforderungen erfüllen, die es Zorns Analyse nach für gute Musik braucht: Ehrlichkeit, Können, Fantasie, Katharsis. In Zorns Musik zählt nur die Gegenwart, und zugleich gestaltet er diese voller Bezüge auf Musikgeschichtliches – von Hildegard von Bingen bis in die jüngste Vergangenheit hinein. Er arbeitet mit einem ganzen Kompendium spiritueller und mystischer Referenz­ größen, von der Kabbala über christliche Heilige bis hin zu Okkultismus, Tarot und anderem aus der Orakelabteilung. Manche seiner musikalischen Freund:innen, etwa Kenny Wollesen, spielen seit 40 Jahren seine Musik. Top-­Interpret:innen aus einem ungemein weiten Feld bis hin zu Klassikstars wie Barbara Hannigan gehören zu ­seinem engsten Kreis. „Ich habe mir mein eigenes System geschaffen“, erklärt Zorn. Lauter beste Freund:innen. Und alle ausnahmslos unersetzlich. 266

Tangente × Ehemalige Synagoge × Bühne im Hof


“Music should be like a journey to the moon, transcendence, a rocket.” For more than 50 years, John Zorn has celebrated and developed genres as diverse as jazz, rock, hardcore, speed metal, blues, Jewish music and (contemporary) classical music in hundreds of concerts and thousands of recordings. Since 1992, Radical Jewish Culture has been a major focus of his work and also a focus of his label Tzadik. Of central importance for Sacred Music for Two Guitars Radical Jewish Culture was the premiere of Zorn’s composition “Kristallnacht”, whose title refers to the Datum / Uhrzeit ­November pogroms of 1938. 4.7.2024 20:00 Uhr “I compose music for my friends,” says John Zorn. These friends are artists who, without exception, Ort fulfil the four requirements for good music according Ehemalige Synagoge to Zorn’s analysis: honesty, skill, imagination, catharsis. St. Pölten In Zorn’s music, only the present counts, and Gitarre Julian Lage at the same time he creates the present full of referGitarre Gyan Riley ences to music history – from Hildegard von Bingen to most recent times. Zorn works with a whole comNew Masada Quartet pendium of spiritual and mystical references, from the Kabbalah to Christian saints, the occult, Tarot and Datum / Uhrzeit others from the oracle department. Some of his mu4.7.2024 21:30 Uhr sical friends, such as Kenny Wollesen, have been playing his music for 40 years. Top performers from Ort an immensely broad spectrum, including classical Bühne im Hof music stars like Barbara Hannigan, belong to his Saxofon John Zorn inner circle. “I have created my own system,” explains Gitarre Julian Lage Zorn. All best friends. And all, without exception, irreBass Jorge Roeder placeable. Schlagzeug Kenny Wollesen

The Hermetic Organ Datum / Uhrzeit 4.7.2024 23:00 Uhr Ort Dom zu St. Pölten Orgel John Zorn siehe Seite 268 Preis Einzeltickets jeweils EUR 35 Tagespass John Zorn EUR 70 -50 % für alle unter 26

267

Sacred Music / New Masada Quartet

Juli 2024


Musik

John Zorn The Hermetic Organ Orgel Experimentell #2

„Ich werde alle Register ziehen“, lautet das im Falle einer Orgel nie nur metaphorisch zu verstehende Versprechen des Künstlers. „Es wird also ganz schön krass, aber ich schätze mal, dass ihr nichts anderes von mir erwartet.“ Die Orgel war John Zorns erstes Instrument. Er selbst nennt Lon Chaney im Stummfilmklassiker „Das Phantom der Oper“ oft als ursprünglichen Einfluss. Gleichwohl war es auch für Fans eine Überraschung, als Zorn 2011 eine Reihe von improvisierten Solo-Orgelkonzerten in Kirchen initiierte. Mittlerweile gab es Konzerte auf der ganzen Welt, die auch mit bisher zehn CDs auf seinem Label Tzadik dokumentiert sind. Die Musik ist atemberaubend und zeichnet sich durch jene spirituelle Stimmung aus, die nur eine riesige Pfeifenorgel erzeugen kann. Perfekt für Zorns dramatischen Sinn für Farben und Kontraste. Gerade an der Orgel erleben wir Zorn total – riesige Klangblöcke, Akkorde, Cluster, Kontrapunkte, Drones, Ostinatos, lyrische Melodien und mehr – oft alles zur gleichen Zeit! Zorn bezieht sich souverän auf die ganze Tradition der Orgelmusik – ausdrücklich auf Olivier Messiaen, Iannis Xenakis, György Ligeti, Johann Sebastian Bach sowie Charles Tournemire, die klassische und vor allem französische Orgelschule, aber auch auf Charles Ives oder exquisite Kuriositäten wie Korla Pandit, den „Godfather of Exotica“, und eben „Das Phantom der Oper“. Sein Konzert in St. Pölten wird da keine Ausnahme sein. Abseits von Liturgie und Repertoire arbeiten sich drei markante ­Persönlichkeiten unterschiedlichster musikalischer Provenienz in der neu aufgelegten Serie „Orgel Experimentell“ an der Königin der Instrumente ab und stellen dem barocken Interieur des St. Pöltner Doms Gegenwarts­kultur zur Seite. (Siehe auch S. 176 und S. 346.)

268

Tangente × Diözese St. Pölten


“I’m going to pull out all the stops,” the artist promises, never to be understood merely metaphorically in the case of an organ. “It’s going to be intense, but I don’t think you expect anything else from me.” The organ was John Zorn’s first instrument. He himself often cites Lon Chaney, who starred in the ­silent film classic “The Phantom of the Opera”, as an original influence. Nevertheless, it was also a surprise for fans when he initiated a series of improvised solo organ concerts in churches in 2011. In the meantime, there have been concerts all over the world, which are also documented on ten CDs so far on Zorn’s label Tzadik. The music is breathtakingly beautiful and is characterised by the spiritual mood that only a huge pipe organ can create, a perfect outlet for Zorn’s dramatic sense of musical colour and contrast. Especially on the organ, we experience Zorn totally – huge blocks of sound, chords, clusters, counterpoints, drones, ostinatos, lyrical melodies and more – often all at once! Zorn confidently refers to the whole tradition of organ music and explicitly to Olivier Messiaen, Iannis Xenakis, György Ligeti, Johann Sebastian Bach, Charles Tournemire, i.e. the classical and especially French organ school, but also Charles Ives or exquisite curiosities like Korla Pandit, the “Godfather of Exotica” and of course “The Phantom of the Opera”. His concert in St. Pölten will be no exception. Apart from ­liturgy and repertoire, three remarkable personalities of the most diverse musical provenance work on the queen of instruments in the upcoming series “Orgel Experimentell” (organ exper­imental) and jux­tapose the baroque interior of the St. Pölten Cathedral with contemporary culture. (See also p. 176 and p. 346.) Datum / Uhrzeit 4.7.2024 23:00 Uhr Ort Dom zu St. Pölten Orgel John Zorn Preis Einzeltickets jeweils EUR 35 Tagespass John Zorn EUR 70 -50 % für alle unter 26

269

The Hermetic Organ

Juli 2024


Film / Partizipation / Schulprojekt

Anita Lackenberger Nichts als Schule

TangenteKoproduktion

Nachrichten aus dem Schauplatz Schule

Irgendwie ist jeder Tag gleich, man kommt, man geht, man ­verbringt seine Zeit in diesem seltsamen Konstrukt, das Schule heißt. Manche gehen vier bis fünf Jahre in die Schule (vielleicht mit einer oder mehreren Ehrenrunden). Andere ­gehen 35 Jahre und länger in die Schule, ein Arbeitsleben lang. Allen gemeinsam ist die Zeit, die an guten und an schlechten Tagen miteinander verbracht wird. Schulen sind eine eigene Lebenswelt mit sozialen Voraussetzungen und Herausforderungen so verschieden, wie die Menschen, die dort gemeinsam Zeit verbringen. Schulen werden zum Auffangplatz sozialer Spannungen. Letztlich sind sie Plätze, an denen Menschen miteinander auskommen müssen, egal woher diese stammen. Das Projekt „Nichts als Schule“ soll diese verschiedenen Lebensrealitäten sichtbar machen. Junge Menschen teilen ihren genauen und vielfach schonungslosen Blick auf das Leben mit uns – einen Blick in die Zukunft. Vor und hinter der Kamera entsteht ein Film als ge­ mein­schaftliches Werk der Schüler:innen, der Lehrer:innen und letztlich der Filmcrew. Er wird rund um die Jugendkundgebung „Listen Now!“ (s. S. 326) gezeigt werden. Der Film wird parallel über Social Media kommentiert, ergänzt, erweitert. Um die Medien der nächsten Generation, die so ihre eigene Kommunikationswelt einbringt. Die St. Pöltnerin Anita Lackenberger hat in den letzten 20 Jahren über 50 Filme und TV-Dokumentationen realisiert. Neben den Spielfilmen „Vals“ und „Ein wilder Sommer“ auch „Leben an der Grenze – Gmünd“ aus der Reihe Universum History und zuletzt „Herr Morgenstern und seine Synagoge“ über den letzten lebenden Juden von St. Pölten. Seit 2014 gibt es die Koopera­tion von Anita Lackenberger mit der Mittelschule Viehofen, aus der bereits einige spannende Filme und Aufarbeitungen entstanden sind. 270

Tangente × MS Viehofen


Somehow every day is the same, you come, you go, you spend your time in this strange construct called school. Some go to school for four to five years (perhaps with one or more honorary rounds). Others go to school for 35 years or more, a lifetime of work. What they all have in common is the time spent together, on good days and bad. Schools have their own particular lived reality. But the social conditions and challenges are as dif­ ferent as the people who spend time there together. Schools become the catch-all place for social tensions. Ultimately, they are places where people have to get along with each other, no matter where they come from. The project “Nichts als Schule” (nothing but school) aims to make these different realities of life visible. Young people share their precise and often unsparing view of life – a view of the future. In front of and behind the camera, a film is being made as a joint effort by the students, the teachers and ultimately the film crew. It will be screened close to the youth rally “Listen Now!” (p. 326). The film is commented on, supplemented and expanded in parallel via social media. The media of the next generation, who thus contribute their own world of communication. Based in St. Pölten, Anita Lackenberger has made more than 50 films and TV documentaries in the last 20 years. Apart frm her feature films “Vals” and “Ein Wilder Sommer” (a wild summer), she released “Leben an der Grenze – Gmünd” (life at the border – Gmünd) from the series “Universum History” and most “Herr Morgenstern und seine Synagoge” (Mr. Morgenstern and his synagogue) about the last living Jew in St. Pölten, which was published in 2023. Anita Lackenberger has been col­laborating with the Mittelschule Viehofen since 2014, which has already resulted in several exciting films and treatments. Projektleitung Anita Lackenberger Theaterpädagogik und Schulkoordination Heidi Kneissl Schüler:innen Filmprojekt im Rahmen der Tangente St. Pölten – Festival für Gegenwartskultur in Kooperationen mit der Mittelschule Viehofen.

271

Nichts als Schule


Neben den wechselnden Veranstaltungen der ­Tangente finden auch laufende Projekte statt.

Der Domplatz wird als zentraler und geschichtsträchtiger Ort während der Tangente zur großen Bühne für Projekte von Christian Philipp Müller (s. S. 68) und Mariana Castillo Deball (s. S. 70), Konzerte mit dem Tonkünstler-Orchester sowie für das Revival von Film am Dom (s. S. 72).

Foto: Patrick Salfinger Fotografie

Foto: Manuel Raeder

Für nähere Informationen siehe Seite 62

272



274


Demokratie Democracy

275


276


277


278


279


280


281


282


283


284


285


286


287


288


289


290


291


292


293


294


295


296


297


298


299


300


301


302


303


304


305


306


307


308


309


Bildcredits / Image Credits 277 „Landhaus St. Pölten“, Stadtporträt St. Pölten / “Landhaus St. Pölten”, city portrait St. Pölten © René Weiss 278 God’s Entertainment, „Unter dem Teppich“, 2021 © Björn Stork 280 Aus dem Löwenhof in St. Pölten wird der Löwinnenhof*, 2022 / The Löwenhof in St. Pölten turns into the Löwinnenhof*, 2022 © Mars + Blum 282 Jacob Chansley, Mitte, beim Sturm aufs Capitol, Washington, 2021 / Jacob Chansley, middle, during the Capitol attack, Washington, 2021 © Manuel Balce Ceneta / AP / picturedesk.com 284 Israelische Abwehr (Iron Dome) von Hamas-Raketen, Oktober 2023 / Israeli defence (Iron Dome) against Hamas rockets, October 2023 © Tsafrir Abayov / AP / picturedesk.com 286 Hieronimus Bosch, „Der Garten der Lüste“ (Ausschnitt) / Hieronimus Bosch, “The Garden of Earthly Delights” (cropped) © akg-images / picturedesk.com 287 Joana Tischkau, „Yo Bro“ (Ausschnitt / cropped) © Maya Röttger

310

288 „L’Ange Blanc“, Französischer Wrestler, Paris, Jänner 1959 “L’Ange Blanc”, French wrestler, Paris, January 1959 © Bernard Lipnitzki / Roger Viollet / picturedesk.com

297 Demonstrant:innen unter Schirmen, Victoria Park, Hong Kong, 2019 / Protestors beneath umbrellas, Victoria Park, Hong Kong, 2019 © Philip Fong / AFP / picturedesk.com

290 Kleiner Eiffelturm auf 298 „Ruheplatz Domplatz“, einer Verkehrsinsel in der Stadtporträt St. Pölten Haubtmannsbergergasse in / “Resting Place Domplatz”, Viehofen city portrait St. Pölten / Small Eiffel Tower on a © Elisabeth Groihofer traffic island in Viehofen © Alfred Tatschl via 299 Proteste gegen die Dakota Topothek St. Pölten Access Pipeline in Standing Rock, 2016 291 Die Kopie des oberöster/ Protests against the Dareichischen Hallstatt in kota Acces Pipeline in China ist ein HochzeitsStanding Rock, 2016 Mekka © Russell Contreras / AP / / The copy of the Upper picturedesk.com Austrian town Hallstatt in China has become a Mecca 300 Teresa Distelberger, „about for weddings home“, 2023 © Tyrone Siu / Reuters / © Julia Wesely picturedesk.com 301 Erntedankumzug, Ratzers292 Ex-Bundeskanzler dorf, 1950 Sebastian Kurz / Thanksgiving Parade, / former chancellor Ratzersdorf, 1950 Sebastian Kurz © Unbekannt / Holzer © Daniel Biskup / laif / Johann via Topothek picturedesk.com St. Pölten 294 Black Lives Matter © Alex Brandon / AP / picturedesk.com 296 Geplante Ukraine Brief­ marke, ein Motiv zeigt eine Szene aus dem Film „Titanic“ auf der zerstörten Krim-Brücke, 2023 / Planned Ukraine stamp, one motif shows a scene from the movie “Titanic” on the destroyed Krim bridge © NurPhoto / IMAGO

302 Saeborg, „Super Farm“ © Taisuke Tsurui 304 Greta Thunberg auf der Fridays-for-Future-Demo in Bonn, 2023 / Greta Thunberg at the Fridays for Future rally in Bonn, 2023 © Wolfgang Rattay / Reuters / picturedesk.com


306 Michael Jackson (Imitator) © A3817 Tobias Hase / dpa / picturedesk.com 307 Wohnhaus des 2019 von Neonazi Stephan Ernst ermordeten Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke / Home of Stephan Lübcke, president of Kassel’s government, who was murdered in 2019 by neo-Nazi Stephan Ernst © brennweiteffm / IMAGO 308 X González, March for Our Lives, Washington, 2018 © Alex Brandon / AP / picturedesk.com

311


Die sanfte Asphalt sprengerin Solmaz Khorsand über Boriana Karapanteva-Strasser

Boriana Karapanteva-Strasser weiß um diese Erwartungshaltung an ihren Beruf. Sie behagt ihr nicht. Lehrer:innen, die Schüler:innen wie einen Klumpen Lehm zu zivilisierten und empathischen Citoyens formen? „Das ist eine Illusion“, sagt sie, „die Schule kann nicht das ausgleichen, was rundherum alles falsch läuft.“ Die Kunstpädagogin hat nicht den Anspruch, aufrechte Demokrat:innen und Idealist:innen in die Welt zu schicken, die immunisiert sind gegen jedweden Fanatismus und Größenwahn. Sie legt die Latte tiefer. Kritisches Denken, Re­ flexion, Kompromissbereitschaft und ein konstruktives Mitein­ ander, in dem Konflikte angesprochen werden, ohne zu eska­ lieren, lassen sich Kindern und Jugendlichen nicht manifestartig einbläuen. Das alles muss erleb- und erfahrbar werden. In kleinen Dosen, sachte und kreativ. Ohne Vorschlaghammer. 312

Foto: Katie-Aileen Dempsey

Steht eine Gesellschaft vor Herausforderungen, dann gibt es eine Institution, bei der die Lösung aller Probleme oftmals verortet wird: die Schule. Hier steht die nächste Generation in den Start­ löchern, die alles anders machen wird. Die alles bes­ ser machen wird. Die das verstanden hat, was alle vor ihr vergeigt haben – das mit der Demokratie, den Menschenrechten, dem Klima, der Diversität, dem Umgang mit der Angst vor all dem Ungewissen. Ihr zur Seite steht ein engagiertes Lehrpersonal. Eines, das sie zu jenem Menschenschlag formt, der nicht länger auf der Zivilisationsdecke herumtrampelt, sondern sie Schicht um Schicht verstärkt.


Seit elf Jahren versucht Karapanteva-Strasser das auf ihre Art. Die 50-Jährige zählt zu den Später-Berufenen ihres Standes. Nach ihrem Kunststudium an der Wiener Angewandten arbeitete die dreifache Mutter viele Jahre in der Firma ihres Ehemannes, einem Fachhandel für Büround Werbeartikel, bevor sie sich 2012 zum ersten Mal vor eine Klasse stellte. Zuerst waren es nur sechs Stunden die Woche. Sie wollte ausprobieren, ob ihr das lag, dieses Lehrerin-Sein. Und das tat es. Heute sind es jede Woche 18 Stunden mit 15 Klassen. Wer sie nach ihrem Zugang fragt, bekommt von der studierten Künstlerin ein Bild beschrieben. Man kenne doch diese Pflanzen im Asphalt, die in den Rissen blühen, sich einen eigenen Weg bahnen und zuweilen auch schon mal den harten Stein sprengen können. Genau dieses Bild versucht sie, auch ihren Schüler:innen zu vermitteln. Begreifbar zu machen, dass es trotz aller Hindernisse immer irgendwo den einen Riss gibt, der das vermeintlich Unmögliche möglich macht. Diese Risse bietet Boriana Karapanteva-Strasser ihren Schüler:innen. Das ist auch das, was in ihren Augen Schule überhaupt schaffen kann: Räume und Rahmenbedingungen, die einen Erkenntnisgewinn ermöglichen können, wann es sinnvoll ist, selbstbe­stimmt mitzumachen, und wann, sich zu distanzieren – in der Hoffnung, dass die Jugend­lichen eines Tages verstehen, dass sie sich Freiheit nehmen müssen und nicht darauf warten, dass ihnen eine höhere Instanz diese gibt. „Kinder können extrem kooperativ sein. Wenn sie dich mögen, besteht die Gefahr, dass sie entsprechen wollen und selbst nicht denken“, erklärt Kara­ panteva-Strasser. Das versuche sie zu vermeiden. Man solle ihr nicht nach dem Mund reden, sondern Fragen stellen. Wenn sie in ihrem Kunstunterricht etwa sagt, dass keine Getränke im Atelier erlaubt sind, sollen die Schüler:innen fragen: Warum? Und wenn diese es nicht tun, stellt sie für sie stellvertretend 313


die Frage, um zu signalisieren, wie wichtig dieses Warum ist. Wie wichtig es immer und überall ist. „Gute Lehrer:innen arbeiten daran und hoffen, dass die Schüler:innen Lust darauf bekommen, frei zu sein“, wird Karapanteva-Strasser im Essayband „Denken. Kunst. Frieden.“ zitiert. Das Buch hat sie als Geschenk zum Ge­ spräch an diesem Freitagvormittag kurz nach 9 Uhr im Café des Cinema Paradiso am St. Pöltner Rathausplatz mitgebracht. Karapanteva-Strasser mag die Cinema Bar. Sie ist heimeliger als andere Cafés am Platz und gut, um sich in Ruhe kurz zu besprechen, bevor sie in der Praxis zeigt, wie sie ihren Schützlingen Lust auf dieses „FreiSein“ macht. Den Blick schärfen Um 11:30 Uhr beginnt ihr Unterricht im Schulzentrum Eybnerstraße. Auf dem Weg dorthin macht sie Halt bei einigen Stationen ihres „Friedenswegs“ für St. Pölten, einem der Projekte, die sie konzipiert hat, um ihren Schüler:innen im Kunstunterricht das Thema „aktiver Frieden“ näherzubringen. Nach dem Vor­ bild des EU-Projekts „Discover Peace“ wollte sie den Jugendlichen ihre eigene Stadt durch eine andere Linse zeigen. Etwa am Frauenplatz, welche Pionierinnen in dieser Stadt gelebt haben, in der Synagoge, welche Gemeinschaften hier vernich­ tet wurden, auf den großen Plätzen und in den kleinen Gassen, welche Denkmäler und Plaketten auf deren Biografien hinweisen – und welche mit aller Deutlichkeit in St. Pölten fehlen. Das genaue Hinsehen will gelernt sein. Genauso das Graben nach vergessenen oder vergessen gemachten Geschichten. Boriana Karapanteva-Strasser selbst musste das lernen. „Ich war eine sehr angepasste Schülerin“, erzählt sie. Geboren und aufgewachsen in Sofia, im einst sozialistischen Bulgarien, hatte man sie indoktriniert, den Westen zu verteufeln. Als sie mit 18 Jahren zum Deutschlernen nach Österreich kam und anschließend die Aufnahme an der Angewandten schaffte, sollte sich das Bild von den „Bösen“ im Westen ändern. „Ich habe erst hier in Österreich begriffen, was das eigentlich für ein Schwachsinn war, den ich damals im Geschichtsunterricht gelernt habe, all diese na314


tionalistischen Haltungen“, erzählt sie. Diese Erkenntnis habe sie nie wieder losgelassen. Dass es besser sei, tiefer zu graben, nachzufragen – besser einmal zu viel, als im „Schwachsinn“ gefangen zu sein. Das versucht sie auch ihren Schüler:innen mitzugeben. Seit sechs Jahren arbeitet Karapanteva-Strasser im Schul­zentrum Eybnerstraße, einer berufsbildenden Schule. In fünf Minuten beginnt ihre Das genaue Hinsehen will gelernt Stunde „Kunst und kommunikative Praxis“. Die Glocke hat gerade sein. Genauso das Graben nach vergessenen oder vergessen ge- zur Pause geklingelt, die Jugendmachten Geschichten. Boriana lichen strömen aus den Klassen. Karapanteva-Strasser selbst Es ist eine Zeitreise in die 1990ermusste das lernen. Jahre. Tanktops, Baggy Pants und weite T-Shirts, falsche Wimpern und spitze Gelnägel mit Strasssteinchen drauf. Karapanteva-Strasser zeigt auf dem Weg in ihre Klasse auf die Wände, auf denen ihre dreijährige „Odyssee des Friedens“ dokumentiert wurde. Dabei handelt es sich um ein Projekt mit Partnerschulen in Bonn und Sofia, bei dem die Jugendlichen vor Ort Begriffe wie Pazifismus, ziviles Engagement und soziale Gerechtigkeit erforschen sollten. Dann läutet die Glocke noch einmal. Und Karapanteva-Strasser demonstriert vor der Klasse ihre Methode. Ohne Vorschlaghammer. 19 Mädchen sitzen vor ihr. Sie sind zwischen 15 und 18 Jahre alt und schauen konzentriert auf ihre ­Lehrerin. „Wir machen heute ein kleines Spiel“, fängt Karapanteva-Strasser an. Sie verteilt laminierte Bildkarten an die Mädchen, die sich diese gegenseitig nicht zeigen dürfen. Sie sollen beschreiben, was sie sehen, so präzise wie möglich. Am Ende er­geben die Bilder eine Geschichte, die sie neben­ einander aufreihen müssen. Die Schülerinnen folgen den Anweisungen, stellen einander Fragen, hören 315


zu. Sie beginnen nach und nach zu erkennen, dass die Bildgeschichte aus Kreuzfahrtschiff, Kindern und Bauern­ hof in Wahrheit aus einem Bild besteht, das durch Hineinzoomen in seine Einzelteile zerlegt wurde. Und mit einem Schlag begreift man als Zuschauer:in, wie sich sachte die Grundlagen demokratischer Prozesse ­etablieren. Wie das funktionieren kann, mit dem Miteinander, mit dem geschärften Blick, mit dem Perspektiven­ wechsel. Dass das, was man sieht, nicht notwendigerweise dasselbe ist, was das Gegenüber sieht. Dass man sich verständlich machen muss. Dass man bereit sein muss, zuzuhören. Und gegebenenfalls seine Vorstellungen über den Haufen zu werfen. „Es ging nicht nur um ‚ich, ich, ich‘“, sagt eine Schülerin in der Nachbesprechung. „Wir haben einander ausreden ­lassen“, eine andere. Sie wirken beschwingt, dass ihnen die Aufgabe ge­ lungen ist. Gemeinsam. Oft würde Kara­panteva-Strasser solche Übungen mit ihnen machen, erzählen die Mädchen nach der Stunde. Sie sei anders als die meisten Leh­ rer:innen. „Ich habe noch nie so einen Menschen kennengelernt“, sagt eine. „Ein Freigeist“, meint eine andere, „unkonventionell, eine etwas chaotische Kunst-Trulle, in der ich mich selbst wiederfinde.“ Was die Mädchen anfangs am meisten überrascht habe, sei Karapanteva-Strassers Zugang im Unterricht gewesen, dass sie nie sagen würde, etwas sei richtig oder falsch, sondern Fragen stelle. Warum findest du das Bild hässlich? Warum glaubst du, dass das falsch ist? Immer dieses ­Warum. Das irritiert die Mädchen. Und plötzlich erinnert man sich wieder an das Bild, von dem Boriana KarapantevaStrasser am Vormittag gesprochen hat: die Pflanze im Asphalt, die sich mit jedem Warum ihren Weg bahnt. Trotz allem. 316


The Gentle Asphalt Demolisher When a society faces challenges, there is one institution where the solution to all problems is often located: the school. Here, the next generation is waiting in the wings to do everything differently, to do everything better, a generation that has understood what everyone before it has failed to understand – democracy, human rights, the climate, diversity, dealing with the fear of all that is uncertain. It has a dedicated teaching staff at its side, one that shapes it into the kind of persons who no longer trample on the blanket of civilisation, but reinforces it layer by layer. Boriana Karapanteva-Strasser is aware of the expectations with which her profession is met. She does not like it. Teachers who mould students like a lump of clay into civilised and empathetic citoyens? “That’s an illusion,” she says, “school can’t make up for what’s wrong all around us.” The art teacher does not claim to send upright democrats and idealists out into the world who are immune to any kind of fanaticism and megalomania. She sets the bar lower. Critical thinking, reflection, willingness to compromise and constructive cooperation, in which conflicts are addressed without escalating, cannot be drilled into children and young people like a manifesto. All of this has to be experienced, in small doses, gently and creatively. Without a sledgehammer. Karapanteva-Strasser has been trying to do this in her own way for eleven years. The 50-year-old is a latecomer to her profession. After studying at the Vienna University of Applied Arts, the mother of three worked for many years in her husband’s company, a specialist retailer in office and promotional products, before she stood in front of a class for the first time in 2012. At first it was only six hours a week. She wanted to try out whether being a teacher suited her. And it did. Today it’s 18 hours a week with 15 classes. If you ask her about her approach, the trained artist describes an image. You know those plants in the asphalt that blossom in the cracks, make their own way and can sometimes even burst the hard stone. This is exactly the idea she tries to convey to her students. To make them understand that, despite all obstacles, there is always a crack somewhere that makes the sup­ posedly impossible possible. Boriana Karapanteva-Strasser offers these cracks to her students. In her eyes, this is also what school can achieve in the end: providing spaces and

317


frameworks that make it possible to recognise when it makes sense to participate in a selfdetermined way and when it is better to distance oneself – in the hope that the young people will one day understand that they have to take freedom and not wait for a higher authority to give it to them. “Children can be extremely co­ operative. If they like you, there is a danger that they will want to comply and not think for themselves,” Karapanteva-Strasser explains. She tries to avoid that. They should not tell her what she wants to hear, but ask questions. For example, if she says in her art class that no drinks or cans are allowed in the studio, the students should ask: Why? And if they don’t, she asks the question on their behalf to signal how important this “why” is, always and everywhere. “Good teachers work on this and hope that the students will start to enjoy feeling free,” Karapanteva-Strasser is quoted as saying in the essay collection “Denken. Kunst. Frieden.” (thought. art. peace.) She brought the book as a gift for the conversation on this Friday morning shortly after 9 o’clock in the café of the Cinema Paradiso on St. Pölten’s Rathausplatz. Karapanteva-Strasser likes the Cinema Bar. It is cosier than other cafés on the square and good for a brief discussion in peace and quiet before she demonstrates in practice how she makes her protégés want to “be free”.

women who lived in this city; in the synagogue, the communities that were destroyed here; on the large squares and in the small alleys, the people represented by monuments and plaques and their biographies – and those who are conspicuously missing from St. Pölten.

Taking a close look has to be lear­ ned. Just like digging for forgotten stories or those that have been pushed into oblivion. Boriana Karapanteva-Strasser herself had to learn this. “I was a very welladjusted student,” she says. Born and raised in Sofia, in once socialist Bulgaria, she had been indoctrinated to demonise the West. When she came to Austria at the age of 18 to learn German and then managed to get into the University of Applied Arts, the image of the “bad guys” in the West changed in her mind. “It was only here in Austria that I realised what a load of rubbish I had actually learned in history lessons back then, all those nationalistic attitudes,” she says. This realisation never let her go; that it is better to dig deeper, to ask questions – better once too often than to be trapped in “nonsense”.

She also tries to pass this on to her ­students. Karapanteva-Strasser has been working at the Eybnerstraße school Her lessons begin at 11:30 at the Eybcentre, a vocational school, for six years. nerstraße school centre. On the way In five minutes, her lesson “Art and there, she stops at some of the stations Communicative Practice” will begin. The of her “Peace Trail” for St. Pölten, one of bell has just rung for the break and the the projects she conceived to introduce young people are streaming out of the her pupils to the topic of “Active Peace” classes. It is a journey back in time to in art lessons. Following the example the 1990s; tank tops, baggy pants and of the EU project “Discover Peace”, she loose T-shirts, false eyelashes and point­ wanted to show the young people their ed gel nails with rhinestones on them. own city through a different lens: for ex- On the way to her class, Karapantevaample, on Frauenplatz, the pioneering Strasser points to the walls on which her Sharpening the view

318


Taking a close look has to be learned. Just like digging for forgotten stories or those that have been pushed into oblivion. Boriana Karapanteva-Strasser herself had to learn this. three-year “Odyssey of Peace” is documented. This was a project with partner schools in Bonn and Sofia, in which young people were asked to explore concepts such as pacifism, civil commitment and social justice on site. Then the bell rings once more. And Karapanteva-Strasser demonstrates her method in front of the class.

see is not necessarily the same as what the other person sees; that you have to make yourself understood; that you have to be prepared to listen and, if necessary, to throw your ideas overboard. “It wasn’t just about ‘me, me, me’,” says one student in the debriefing. “We let each other finish speaking,” another. They seem elated, happy that they succeeded in the task. Together. Karapanteva-Strasser would often do such exercises with them, the girls say after the lesson. She is different from most teachers. “I’ve never met anyone like her,” says one of them. “A free spirit,” says another, “unconventional, a somewhat chaotic art biddy in which I find myself.”

What surprised them most at first, they say, was Karapanteva-Strasser’s approach to teaching, that she would never say something was right or wrong, but ask questions. Why do you think Without a sledgehammer. that picture is ugly? Why do you think it’s wrong? 19 girls sit in front of her. They are Always this “why”. That irritates the girls. And suddenly you remember the image Boriana Kara­ between 15 and 18 years old and look intently at their teacher. “We’re panteva-Strasser spoke of in the morning: going to play a little game today,” the plant in the asphalt that makes its way with every “why”. Despite everything. Karapanteva-Strasser begins. She hands out laminated picture cards to the girls, which they are not allowed to show to each other. They are to describe what they see as precisely as possible. In the end, the pictures make up a story, which they have to line up next to each other. The pupils follow the instructions, ask each other questions, listen. They gradually begin to realise that the pictorial story about a cruise ship, children and a farm is actually based on a picture that has been broken down into its individual parts by zooming in. And all of a sudden, the viewer understands how the foundations of democrat­ ic processes are gradually being established here. How this can work – with co­ operation, with a sharpened gaze, with a change of perspective; that what you

319


320


321


Dialog / Partizipation / Spiel

Teresa Distelberger about home

TangenteStadtprojekt

Ein Gesellschaftsspiel

Wir alle werden irgendwo geboren, wachsen irgendwo auf. Möglicherweise stark verwurzelt an diesem Ort, anderswo oder nirgendwo. Wodurch fühlt man sich an einem bestimmten Platz „daheim“? Wie geht das, sich wo (wieder) zu beheimaten? Können wir auch viele Heimaten gleichzeitig haben? Um diese und andere Fragen geht es im Gesellschaftsspiel „about home“. Alle sind eingeladen mitzuspielen. „about home“ ist eine diskursive Intervention und ein dialogisches Kunststück, das nur gemeinsam gelingt. Eine Einladung zum Zuhören und zum Erweitern der eigenen Bilder über Heimat(en). In der ersten Runde hat man die Gelegenheit, ein Duo aus dem künstlerischen Team von „about home“ für eine Spielsession zu sich nach Hause, in den eigenen Verein oder Freund:innenkreis, in die Firma oder Nachbar:innenschaft einzuladen. Nach mehreren Runden trifft man sich dann an den Spieltischen der zwei finalen Wirtshaussalons und der Abschlussgala wieder, wo auch neue Mitspielende willkommen sind. Dort werden neben den Spielbrettern auch kulinarische Schmankerl sowie ausgewählte, künstlerisch zubereitete Geschichten übers Daheimsein serviert. Einfaches Kennenlernen oder tieferes Eintauchen sind auch laufend bei monatlichen Stammtischen, beim Schmökern in der wachsenden Online-Geschichtensammlung oder beim Reinhören in den Podcast möglich. Alle Infos zur Anmeldung und zum Podcast finden sich auf abouthome.world.

322


We are all born somewhere, grow up somewhere. Maybe strongly rooted in this place, elsewhere or nowhere. What makes you feel “at home” in a particular place? How can one feel at home somewhere (again)? Can we have many homes at the same time? These and other questions are the subject of the parlour game “about home”. And everyone is invited to join in. “about home” is a discursive intervention and a dialogical feat that can only be achieved together – and an invitation to listen and to expand one’s own images about home(s). In the first round, you have the opportunity to invite a duo from the artistic team of “about home” to Private Spielsessions a game session at your home, your own club or circle auf Deutsch, Türkisch, of friends, your company or neighbourhood. After sev­ Arabisch, Kantonesisch oder Englisch eral rounds the audience takes seat at the tables of the two final tavern salons and the closing gala, where new Zeitraum Dezember 2023 – März 2024 players will also be welcome. There, in addition to the game boards, selected culinary delicacies and artistiWirtshaus-Salons cally prepared stories about being at home will be served. Datum/Uhrzeit It is also possible to simply get to know each 12.9.2024 20.9.2024 other or to delve deeper at monthly meetings for regu18:00 Uhr lars, by browsing through the growing online story collection or by listening to the podcast. Ort Gasthäuser in St. Pölten

All infos about the registration and the podcast are available at abouthome.world.

Abschluss-Gala Datum/Uhrzeit 28.9.2024 18:00 Uhr Ort Saal der Begegnung Preis Eintritt frei Künstlerische Leitung Teresa Distelberger Produktionsleitung Katrin Pröll Künstlerisches Team Hamed Abboud, Agnes Distelberger, He Shao Hui, Emel Heinreich, Regina Picker, Philip Unterreiner Projektbegleitung Angela Chikuru, Marietta Schneider, Karoline Wibmer

323

about home

September 2024


Theater · Weltpremiere

TangenteKoproduktion

Friedrich Schiller / Amir Reza Koohestani / Mahin Sadri Maria Stuart In Friedrich Schillers Drama „Maria Stuart“ geht es nicht um den Iran und seine politische Krise. Der Theatermacher Amir Reza Koohestani und seine Co-Autorin Mahin Sadri haben jedoch eine auffällige Parallele zwischen Schillers klassischem Stück und der aktuellen politischen Situation in ihrem Land gefunden. Schillers Stück erzählt die Geschichte von Maria Stuart, der katholischen Königin von Schottland, die bei ihrer Cousine Elisabeth in England Asyl sucht, aber wegen ihres Anspruchs auf die Krone gefangen genommen und inhaftiert wird. Koohestani und Sadri stellen Bezüge zur Notlage von Frauen im Iran her, die inhaftiert werden, nur weil sie nach mehr Macht verlangen. Wie Maria Stuart werden diese Frauen als Bedrohung für die Mächtigen angesehen und ohne Grund inhaftiert. In ihrer mehrsprachigen Version von „Maria Stuart“ erforschen Koohestani und Schauspieler:innen sowohl vom Landestheater Niederösterreich als auch aus dem Iran die Mechanismen von Macht und politischer Verantwortung. In einer Welt, in der Rechtspopulist:innen versuchen, die Demokratie durch Desinformation und Fremdenfeindlichkeit zu unterminieren, wirft Koohestanis Arbeit wichtige Fragen über die Rolle von Kunst und Demokratie bei der Bekämpfung von Totalitarismus auf. Das Stück unterstreicht, wie wichtig es ist, Kunst zu nutzen, um Ungerechtigkeiten aufzudecken und repressive politische Strukturen infrage zu stellen. Als einer der profiliertesten Theatermacher:innen des Iran gibt Amir Reza Koohestani mit „Maria Stuart“ sein Österreich-Debüt.

324

Tangente × Landestheater Niederösterreich


Datum / Uhrzeit 13.9.2024 19:30 Uhr Weitere Termine auf der Website

Friedrich Schiller’s drama “Mary Stuart” is not about Iran and its political crisis. However, theatre maker Amir Reza Koohestani and his co-author Mahin Sadri have found a striking parallel between Schiller’s classic play and the current political situation in their country. Schiller‘s play tells the story of Mary Stuart, Catholic Queen of Scotland, who seeks asylum in England with her cousin Elizabeth, only to be captured and imprisoned due to her claim to the crown. Koohestani and Sadri draw connections to the plight of women in Iran who are imprisoned simply for asking for more power. Like Mary Stuart, these women are seen as a threat to the powerful and imprisoned without cause. Through their multilingual version of “Mary Stuart”, Koohestani and actors both from Austria’s Landestheater Niederösterreich and from Iran explore the mechanisms of power and political responsibility. In a world where right-wing populists seek to undermine democracy through misinformation and xenophobia, Koohestani’s work raises important questions about the role of art and democracy in fighting totalitarianism. The play highlights the importance of using art to shed light on injustices and challenge oppressive political structures. As one of Iran’s most prolific theatre makers, Amir Reza Koohestani marks his Austrian debut with “Mary Stuart”.

Ort Landestheater Niederösterreich Großes Haus Preis EUR 51 , 45 , 39 , 26 -50 % für alle unter 26 Autor Friedrich Schiller Bearbeitung Amir Reza Koohestani, Mahin Sadri Inszenierung Amir Reza Koohestani Bühne Mitra Nadjmabadi Kostüme Negar Nemati Video Phillip Hohenwarter Musik Matthias Peyker Eine Produktion von Landestheater Niederösterreich in Koproduktion mit Tangente St. Pölten – Festival für Gegenwartskultur.

325

Maria Stuart

September 2024


Partizipation / Dialog / Jugend

Listen Now!

TangenteStadtprojekt

Eine Jugendkundgebung

Wie fühlt es sich an, im Jahr 2024 Teenager zu sein? In Zeiten von Covid, Klimakrise, Kriegsnachrichten in die Schule zu gehen, auf Social Media zu performen, an die Zukunft zu denken und dabei noch psychisch und körperlich ­irgendwie zu funktionieren – wie soll das gelingen? In den letzten Jahren gingen Jugendliche wieder verstärkt auf die Straße: für Fridays for Future, die Letzte Generation oder Black Lives Matter. Sie verschafften sich Gehör und diskutierten auch darüber, wie eine breite Jugendbeteiligung in Politik, Kunst und Kultur sowie ­Gesellschaft möglich sein kann. Denn in vielen Lebens­ bereichen haben Jugendliche aus soziokulturellen und ökonomischen Gründen nicht die gleichen Voraussetzungen wie ihre Peers, geschweige denn ältere Genera­ tionen. Wenn die demokratische Gesellschaft der Zukunft von den Jugendlichen gestaltet werden soll, müssen diese schon heute mitwirken können. Auch jene 6.300 St. Pöltener:innen zwischen 15 und 24 Jahren, die mit verschiedenen Hintergründen, Herkünften und Sprachen leben, träumen und um ihre Zukunft kämpfen. Die Tangente versammelt Initiativen, Bündnisse, Gruppierungen, in denen sich Jugendliche treffen, ihre Ideen austauschen, ihre Kreativität ausleben und auch einfach mal loslassen und Spaß haben können, zu einer großen Kundgebung in St. Pölten. Vor den Nationalratswahlen starten Schüler:innen und junge Erwachsene einen offenen Prozess mit Kunstworkshops, Austausch und Get-togethers. Sie vernetzen sich, äußern ihre Bedürfnisse und entwickeln die In­ halte und Formate der Kundgebung. Während der Kundgebung gehört die Stadt ihnen und die Erwachsenen müssen zuhören.

326


How does it feel to be a teenager in 2024? Going to school in times of covid, climate crisis, news of war, while performing on social media, thinking about the future and still somehow functioning psychologically and physically – how is that supposed to work? In recent years, young people have increasingly taken to the streets again: for Fridays for Future, Letzte Generation (last generation) or Black Lives Matter. They have made their voices heard and are discussing how wide-spread participation of youth in politics, art, culture and society can be realized. In many areas of life, because of socio-cultural and economic givens, some young people have fewer opportunities than their peers – let alone older generations. If the future of democratic society is to be shaped by young people, they must be allowed to participate today. Including the 6.300 residents of St. Pölten between the ages of 15 and 24, stemming from different backgrounds, origins and languages, who live and dream and fight for their future. Tangente gathers initiatives, alliances and groups, where young people can meet, exchange their ideas, live out their creativity and also just let go and have fun, for a big rally in St. Pölten. Before the national elections, students and young adults start an open process with art workshops, ­exchange and get-togethers. They network, express their needs and develop the content and format of the rally. During the rally, the city belongs to them and the adults have to listen.

Datum 14.9.2024 Ort öffentlicher Raum Mit BJV – Die Österreichische Bundesjugendvertretung, Demokratie, was geht?, AKS Nieder­ österreich, STARTStipendium, Jugenzentrum Steppenwolf u. a.

327

Listen Now!

September 2024


Performance / Wrestling · Österreichische Erstaufführung

Julian Warner / Veronika Maurer Kampf um die Stadt

TangenteKoproduktion

Eine Wrestlingshow

Im „Kampf um die Stadt“ wird aus Kulturkampf wieder Klassenkampf. Egal ob in München, Paris, Wien, Tokio oder New York: Die Mieten sind zu hoch! Auf dem Immobilienmarkt dominiert das Recht des Stärkeren, könnte Michael ­Buffer rausbrüllen. Globale Konzerne kaufen ganze Viertel auf, Mieter:innen werden vor die Tür gesetzt und aus ihren Quartieren verdrängt. Denn Wohnraum ist kein Recht, sondern Ware. Doch wer adressiert die sozialen Fragen unserer Zeit? Wer trägt Schuld an der alltäglichen Misere? Raffgierige Vermieter:innen oder kaufkräftige Hipster? Un­tätige Regierungen oder Dragqueens? Im „Kampf um die Stadt“ wird es ernst. Seid dabei, wenn die kleinen Leute sich aus den Fängen rechter ­Demagog:innen befreien und die Ideologie des Marktes in den Schwitzkasten nehmen. Beim „Kampf um die Stadt“ treten sechs professionelle Wrestler:innen einzeln und in Tag-Teams gegeneinander an. Wrestling ist Kampfsport, Choreografie und Spektakel. Mit herumwirbelnden Körpern, Musik, Schauspiel- und Slapstick-­ Einlagen geriert sich Wrestling im Rahmen von „Kampf um die Stadt“ als lustvolle Form eines dialektischen Theaters, das die Widersprüche unserer spätkapitalis­ tischen Gegenwart zur Aufführung bringt. Julian Warner alias Fehler Kuti und Veronika Maurer, die u. a. noch bis 2025 das Brechtfestival in Augsburg verantworten, überschreiten seit Jahren spielerisch die Grenzen zwischen dekolonialer Kritik, avancierten Bühnen­projekten sowie Sport als Inszenierung und Massenphänomen.

328


In “Kampf um die Stadt” (battle for the city), cultural struggle is turning into class struggle again. Whether in Munich, Paris, Vienna, Tokyo or New York: the rents are too high! The real estate market is dominated by the law of the strongest, Michael Buffer could shout out. Global corporations are buying up entire neighbourhoods, tenants are being thrown out and driven from their homes. Housing is no longer a right, but a commodity. But who faces the social issues of our times? Who is to blame for the day to day misery? Greedy landlords or rich hipsters? Idle govern­ments or drag queens? Things get serious in “Kampf um die Stadt”. Be there when the ordinary people free themselves from Datum / Uhrzeit the clutches of the right-wing demagogues and put 14.9. und 15.9.2024 the ideology of the market into a headlock! In “Kampf jeweils 19:30 Uhr um die Stadt”, six professional wrestlers compete ­individually and in tag teams. Wrestling is martial arts, Ort Jahnturnhalle choreography and spectacle. With whirling bodies, music, acting and slapstick interludes, wrestling in Preis “Kampf um die Stadt” is a lustful form of dialectical EUR 20 -50 % für alle unter 26 theatre that exposes the contradictions of our late-­ capitalist present. Julian Warner alias Fehler Kuti and Veronika Mit Alpha Female, Maurer, responsible, among other projects, for the BreJessy Jay, Zelina Power, Miles Ley, Boris Pain, chtfestival Augsburg until 2025, have for years been Ricky Sky, Hanna Binder, playfully crossing the boundaries between decolonial Tim Sigler critique, avant-garde stage productions and sport as Künstlerische Leitung Julian Warner und spectacle and mass phenomenon. Veronika Maurer Ausstattung Mai ­Gogishvili Musik Manuela Rzytki Schlagzeug Zoro Babel Video Ikenna Okegwo, Amon Ritz Video Liveregie Ikenna Okegwo Szenische Einrichtung Robert Gerloff Künstlerische Produktionsleitung Sabine Klötzer

Eine Produktion von Julian Warner, gefördert durch die Landeshauptstadt München, in Kooperation mit HochX – Theater und Live Art. Koproduziert von SPIELART Theaterfestival und Tangente St. Pölten – Festival für Gegenwartskultur.

329

Kampf um die Stadt

September 2024


Musik / Theater · Österreichische Erstaufführung

TangenteKoproduktion

Lola Arias Jail Rock (Arbeitstitel) Die Zahl der Frauen in den Gefängnissen von Buenos Aires hat sich in den letzten fünf Jahren verdoppelt. Die meisten sind wegen Verstoßes gegen das Gesetz 23.737 inhaftiert, das sich auf Drogenhandel bezieht. Viele von ihnen sind Drogenkuriere, die ihren Körper für den Transport von Drogen benutzen. Yoseli, eine der Protagonistinnen, wurde auf dem Flughafen von Ezeiza auf dem Weg nach Europa festgehalten. Eine Modelagentur hatte ihr einen Job in Barcelona versprochen, und ohne es zu wissen, hatte sie zwei Kilogramm Kokain in ihrem Koffer. Nach der Durchführung von Theaterworkshops im Gefängnis von Ezeiza in Buenos Aires beschloss Lola Arias, einen Film und ein Theaterstück über Frauen und trans Menschen zu drehen, die jahrelang in argentinischen Gefängnissen verbrachten und jetzt frei sind. Der Film rekonstruiert ihre Erfahrungen im Gefängnis, das Theaterstück konzentriert sich auf die Zeit nach dem Gefängnis. „Jail Rock“ (Arbeitstitel) ist ein Musiktheaterstück, das auf dem Leben der Darsteller:innen basiert. Ziel des Stücks ist nicht, einen bloßen Bericht über deren Erfahrungen zu verfassen, sondern das Musktheater-Genre in dokumentarischer Form neu zu erfinden, indem Szenen und Geschichten aus ihrem wirklichen Leben mit Musik und Choreografie neu kombiniert werden. Die Argentinierin Lola Arias ist Schriftstellerin, Theater- und Filmregisseurin. Als multi- und inter­ diszipli­näre Künstlerin bringt sie in ihrer Arbeit Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund (Kriegsveteran:innen, ehemalige Kommunist:innen, Kinder von Migrant:innen usw.) in Theater-, Film-, Literatur-, Musikund Kunst­projekten zusammen. Lola Arias‘ Werke spielen dabei mit der Überschneidung von Realität und Fiktion.

330

Tangente × Landestheater Niederösterreich


The number of women in Buenos Aires prisons has doubled in the last five years. Most of them are imprisoned for vio­lating Law No. 23.737, which refers to drug trafficking. Many of them are drug mules who use their bodies to transport drugs. Yoseli, one of the main protagonists, was held up at Ezeiza airport on her way to Europe. A modelling agency had promised her a job in Barcelona. Unbeknownst to her, she had two kilograms of ­cocaine in her suitcase. After conducting theater workshops in the Datum / Uhrzeit Ezeiza prison in Buenos Aires, Lola Arias decided to 19.9. und 20.9.2024 make a film and a play featuring women and trans jeweils 19:30 Uhr people who spent years in Argentinian prisons and Ort are now free. The film reconstructs their experiences Landestheater in prison, the play focuses on the time after prison. Niederösterreich “Jail Rock” (working title) is a musical theatre Großes Haus piece based on the lives of the performers. The aim Preis of the play is not to give a mere account of their exEUR 51, 46, 39, 26 periences but to reinvent the musical genre in docu-50 % für alle unter 26 mentary form by mixing scenes and stories from Text und Regie Lola Arias their real lives with music and choreography. Mit Yoseli Marlene Arias, Argentinian Lola Arias is a writer, theatre and Ignacio Amador Rodriguez, film director. As a multi- and interdisciplinary artist, Estefanía del Lujan her work brings together people from different backHardcastle, Noelia Luciana Perez, Paulita grounds (war veterans, former communists, ­children Verónica Asturayme, of migrants, etc.) in theatre, film, literature, music Carla Romina Canteros and art projects. Lola Arias’ works play with the interDramaturgie Bibiana Mendes sections of reality and fiction. Dramaturgische Beratung Alan Pauls Musikalische Komposition und Vocal Coaching Ulises Conti, Mailen Pankomin Choreographie Andrea Servera Szenografie Mariana Tirantte Kostüm Andy Piffer Video Martin Borini Technische Leitung und Lichtdesign David Seldes

Eine Produktion der Lola Arias Company in Koproduktion mit Complejo Teatral de Buenos Aires, Festival d’Automne Paris, Théâtre de la Ville Paris, Théâtre National Wallonie Bruxelles, u. a. sowie Tangente St Pölten – Festival für Gegenwartskultur.

331

Jail Rock (Arbeitstitel)

September 2024


Diskurs / Bildende Kunst

KinderKunstLabor Nur Kinder verändern die Welt Welche Bedeutung hat Kunst für die Gesellschaft? Inwieweit knüpft zeitgenössische Kunst heute an die komplexe Lebensrealität der Generationen von morgen an? „Ich finde es sehr wichtig, Kindern schon früh zu zeigen, wie man damit umgeht und Teil von etwas Großem sein kann“, erklärt Emilia Bosch, 13 Jahre. Ihrer Ansicht nach können Kinder so ein Gefühl dafür entwickeln, wie Kunst für den öffent­ lichen Raum entsteht. Tatsächlich kommen von Kindern ganz frische Ideen. Auf die Frage, ob Kinder generell mitentscheiden sollen, ergänzt Mudasar Alikhel, zwölf Jahre: „Die Kinder sind ja die Zukunft für euch.“ Neben über hundert weiteren Kindern und Jugendlichen gestalten Emilia und Mudasar das künstlerische Programm des KinderKunstLabor mit. „Nur Kinder verändern die Welt“, verdeutlicht der Autor Jean Birnbaum diese Macht der Partizipation. Jede neu geborene Person trage eine eigene Welt in sich. Hannah Arendt wiederum beschreibt in „Vita activa oder Vom tätigen Leben“, wie insbesondere Diktaturen diese grundsätzliche Freiheit des Geborenseins erkennen – und bekämpfen. Vielfalt, Mehrdeutigkeit und Singularität – Nukleus der Kunst – sind dabei gleichzeitig Grundlagen eines kritischen Denkens und der Demokratie. Nach einem Rundgang durch die Ausstellung von Rivane Neuenschwander, der ersten österreichischen Einzelausstellung dieser international renommierten Künstlerin aus São Paulo, werden in Kooperation mit der Tangente St. Pölten Zusammenhänge von Demokratie und Kunst erkundet. Zum Thema „Neue Wege für die Demokratie“ diskutieren dazu anlässlich des Weltkinder­ tages Gäste aus den Perspektiven der Kunst, der Psychologie und der Philosophie.

332

Tangente × KinderKunstLabor


What is the significance of art for society? To what extent does contemporary art today tie in with the complex reality of life for the generations of tomorrow? “I think it’s very important to show children at an early age how to deal with this and be part of something big,” explains Emilia Bosch, aged 13. In her opinion, children can thus develop a feeling for how art for public space is created. In fact, children come up with very novel ideas. When asked whether children in general should have a say, Mudasar Alikhel, twelve, adds: “The children are, after all, the future for you.” Along with more than a hundred other children and young people, Emilia and Mudasar helped shape the artistic programme of the KinderKunstLabor. Author Jean Birnbaum clarifies the power of this participation: “Only children change the world”. Every newborn person carries a world of their own within them. Hannah Arendt, in turn, describes in “The Human Condition” how particularly dictatorships recognise – and fight against – the fundamental freedom of being born. Diversity, ambiguity and singularity – the nu­cleus of art – are at the same time the foundations of critical thinking and democracy. After a tour of the exhibition by Rivane Neuenschwander, the first Austrian solo exhibition of this ­internationally renowned artist from São Paulo, connections between democracy and art will be explored in cooperation with Tangente St. Pölten. On the occasion of World Children’s Day, guests from the fields of art, psychology and philosophy will discuss the topic “New Paths for Democracy”.

Datum/Uhrzeit 20.9.2024 16:00 Uhr Preis Eintritt frei Ort KinderKunstLabor Siehe auch Kooperation auf S. 374

333

Nur Kinder verändern die Welt

September 2024


Musik / Diskurs

Working Class Festival Musik der Arbeiter:innenkultur

Wer erinnert sich noch an die Arbeiter:innenklasse? St. Pölten hat, wie auch viele andere europäische Städte, einen Trans­formationsprozess von der klassischen Arbeiter:innenstadt hin zur Bildungs- und Kulturstadt vollzogen. Die ge­samte Stadtentwicklung ist eng mit Betrieben wie Glanzstoff, Voith, der ÖBB Hauptwerkstätte St. Pölten oder Harlander Coats verknüpft. Die Anwerbung von Gastarbeiter:innen – vor allem aus der Türkei, dem ehemaligen ­Jugoslawien und Tunesien – ab Mitte der 1960er-Jahre hatte prägende Auswirkungen auf die Stadtstruktur und -kultur. Was ist von diesen Traditionen in der Gegenwart noch relevant und welche neuen Formen lassen sich entdecken und erleben? Stolze Geschichte und unbestimmte Zukunft finden ihren Ausdruck im „Working Class Festival“. An zwei Tagen versammelt die Tangente dabei an verschiedenen Orten in St. Pölten Vorträge, Ausstellungen, Performances sowie Konzerte unterschiedlicher Genres zu den Themen Arbeitswelt, Arbeiter:innen­ bewegung und Gastarbeit. Beginnend in der Arbeiterkammer und im Freiraum St. Pölten, zieht das „Working Class Festival“ am zweiten Tag in den öffentlichen Raum der ­Innenstadt und endet im Rahmen des alljährlichen Höfefests in und um das Festivalzentrum in der Linzer Straße. Esra Özmen ist eine österreichische Künstlerin und Rapperin aus Wien Ottakring. In ihren Raps bezeichnet sie sich selbst als Enkelin der Gastarbeiter:innen. Thomas Kern ist ein in St. Pölten geborener Musiker, DJ, Veranstalter und Kulturarbeiter. „Ohne die Arbeit des Einzelnen ist die Wirtschaft ein Nichts“, lautet eines seiner Lieblingszitate.

334

Tangente × Freiraum × Höfefest


Datum / Uhrzeit 20.9.2024 21.9.2024

Who still remembers the working class? St. Pölten, like many other European cities, has undergone a transformation ­ process from a classic working class city to a city of education and culture. The entire development of the city is closely linked to companies such as Glanzstoff, Voith, the main workshop of ÖBB railway or Harlander Coats. The recruitment of guest workers, especially from Turkey, the former Yugoslavia and Tunisia, from the mid-1960s onwards, has shaped the structure and culture of the city. What of these traditions is still relevant today and which new forms can be discovered and experienced? Proud history and an uncertain future are represented in the “Working Class Festival”. For two days, the Tangente will bring together lectures, exhibitions, performances and concerts of different genres on the topics of the world of work, the workers’ movement and guest workers at various locations in St. Pölten. Starting at the Arbeiterkammer, at the Freiraum, the “Working Class Festival” moves into the public space of the city centre on the second day and ends at the annual “Höfefest” (courtyards festival) in and around the ­festival centre in Linzer Straße. Esra Özmen is an Austrian artist and rapper from Vienna-Ottakring. In her rap she describes herself as the granddaughter of guest workers. Thomas Kern is a musician, DJ, organiser and cultural worker born in St. Pölten. One of his favourite quotes is: “Without the work of the individual, the economy is nothing.”

Ort Freiraum Arbeiterkammer Festivalzentrum Preis 20.9.2024 EUR 15 -50 % für alle unter 26 Kuratiert von Esra Özmen und Thomas Kern Eine Produktion von Tangente St. Pölten – Festival für Gegenwartskultur in Kooperation mit dem Höfefest und der Arbeiterkammer Niederösterreich.

335

Working Class Festival

September 2024


Tanz · Österreichische Erstaufführung

Kyle Abraham Cassette „Ich hinterfrage und bemerke meine wachsende Sensibilität für die Welt und die Umweltveränderungen um mich herum. Wo wird diese Welt in fünf Jahren stehen?“, so Kyle Abraham. Als einer der gefragtesten Choreograf:innen und Tänzer:innen unserer Zeit hat Abraham einen einzigartigen und ausdrucksstarken Tanzstil etabliert, der sich mit Fragen der Identität, Geschichte und Geografie ausei­ nandersetzt. Immer wieder hat Kyle Abraham sich in seiner ­Arbeit mit ikonischen Beispielen afroamerikanischer kultureller Selbstbestimmung beschäftigt. Seien es die legendäre New Yorker Schwulendisco Paradise Garage, Musiker:innen wie Nina Simone, Sam Cooke, D’Angelo oder Max Roachs politisches Konzeptalbum „We Insist! Freedom Now Suite“ aus dem Jahr 1960. Zugleich verbindet er Rap-, Hip-Hop- und Breakdance-Kultur mit klassischer Musik und Tanztradition. Seine Choreografien sind dabei immer explosiv begeisternd und persönlich berührend zugleich. Oder, wie es die New York Times in einem Text über sein Stück „Pavement“, in dem Abraham auf den urbanen Lifestyle und eine Kultur der Polizeigewalt und Diskriminierung in den traditionell Schwarzen Stadtteilen seiner Geburtsstadt Pittsburgh verweist, ausgedrückt hat: „Der Asphalt ist eine harte, unnachgiebige Sache, aber für manche Menschen ist er auch ein Zuhause.“

336

Tangente × Festspielhaus St. Pölten


“I question and notice my growing sensitivity to the world and environmental changes around me. Where will this world be in five years?”, asks Kyle Abraham. One of the most sought-after choreographers and dancers of our time, Abraham has established a unique and expressive dance style that deals with issues of identity, history and geography. Again and again, Kyle Abraham has explored iconic examples of African American cultural self-determination in his work. Be it the legendary New York gay disco Paradise Garage, musicians such as Nina Simone, Sam Cooke, D’Angelo or Max Roach’s political concept album “We Insist! Freedom Now Suite” from 1960. At the same time, he combines rap, hip-hop and breakdance culture with classical music and dance tradition. His choreographies are always ex­ plosively inspiring and personally touching at the same time. Or, as the New York Times wrote in a text about his play “Pavement”, in which Abraham refers to the urban lifestyle and a culture of police violence and discrimination in the traditionally Black neighbourhoods of his native Pittsburgh: “The asphalt is a hard, unyielding thing, but for some people it’s also a home.”

Datum / Uhrzeit 21.9.2024 19:30 Uhr Ort Festspielhaus St. Pölten Großer Saal Preis EUR 49, 45, 40, 28, 12 -50 % für alle unter 26 Choreografie Kyle Abraham Tangente St. Pölten – Festival für Gegenwartskultur in Kooperation mit dem Festspielhaus St. Pölten.

337

Cassette

September 2024


Performance / Kinder · Österreichische Erstaufführung

Saeborg Super Farm Willkommen in der Saeborg-Welt! Hier leben niedliche knallbunte Gummitiere auf einer Farm zusammen. Eine riesige Sau bringt süße Ferkel zur Welt, einem Hund passieren ­witzige Missgeschicke und Mistkäfer tummeln sich in einer gigantischen Kackburg. In Saeborgs spektakulär bunter Utopie leben auch die Nutztiere am unteren Ende der Nahrungskette fröhlich miteinander. Ein befreiender Spaß für die ganze Familie. Alle Besucher:innen, egal welchen Alters, auch und insbesondere die Allerkleinsten, sind herzlich eingeladen, diese einzigartige Tierwelt zu entdecken und sich mit den liebenswerten Bewohner:innen in ihrer eigenen Sprache anzufreunden. „Seid gegrüßt. Ich bin Saeborg – ein unvollkommener Cyborg, halb Mensch und halb Spielzeug. Ich kreiere ­Latex-Bodysuits als Erweiterungen meiner eigenen Haut und setze sie in Performances ein. Ich interessiere mich dafür, Welten und Emotionen in unseren Köpfen zum Leben zu erwecken, die in der realen Welt selten Gestalt annehmen, und sie zu dreidimensionalen Objekten aufzublasen.“ Zu Saeborgs jüngsten Werken gehören „Cycle of L“ (2020) für das Museum of Art in Kochi und „House of L“ (2019) für die Aichi Triennale. 2019 war sie zum tasmanischen Dark Mofo Festival und 2018 zur 6. Athen Biennale „ANTI“ eingeladen. Mit „Super Farm“ hat Saeborg eine einzigartige Arbeit für die ganze Familie entworfen.

338


Welcome to the world of Saeborg! Here, cute, brightly coloured rubber animals live together on a farm. A giant sow gives birth to cute piglets, funny misadventures happen to a dog and dung beetles romp around in a gigantic poop castle. In Saeborg’s spectacularly colourful utopia, even the farm animals at the bottom of the food chain live happily together. Liberating fun for the whole family! All visitors, regardless of age, but especially the youngest, are invited to discover this unique animal world and make friends with the lovable inhabitants in their own language. “Greetings. I am Saeborg – an imperfect cyborg, half human and half toy. I create latex bodysuits as extensions of my own skin and deploy them in performances. I’m interested in breathing life into worlds and emotions in our minds that rarely take shape in the real world to inflate them into threedimen­sional objects.” Saeborg’s recent works include “Cycle of L” (2020) for the Museum of Art in Kochi and “House of L” (2019) for the Aichi Triennale. In 2019, she was in­ vited to the Tasmanian Dark Mofo Festival and in 2018 to the 6th Athens Biennale “ANTI”. With “Super Farm”, Saeborg has created a unique work for the whole family. Datum / Uhrzeit 28.9.2024 10:00 und 16:00 Uhr 29.9.2024 10:00 und 16:00 Uhr 30.9.2024 10:00 Uhr Ort Jahnturnhalle Preis EUR 20 -50 % für alle unter 26 Kinder EUR 8 Konzept, Regie und Gestaltung Saeborg Für Kinder ab 2 Jahren und Erwachsene Eine Produktion von Saeborg und Theater der Welt 2023.

339

Super Farm

September 2024


Theater · Österreichische Erstaufführung

TangenteKoproduktion

Philippe Quesne / Vivarium Studio Der Garten der Lüste Philippe Quesne und seiner Kompanie geht es immer ums Ganze. Gegenstand seiner künstlerischen Beschäftigung waren stets die drängenden Fragen unserer Zeit. In seiner in Avignon, Paris, Athen, bei der Ruhrtriennale und andernorts gefeierten neuen Inszenierung – einer großangelegten Retrospektive seiner mehr als 20-jährigen Zusammenarbeit mit dem Vivarium Studio – versammelt der Künstler die wich­tigsten Protagonist:innen und Motive seiner bisherigen Arbeiten und verwebt sie zu einem großen theatralen Panorama. Dieses zeichnet die Entwicklung der Menschheitsgeschichte nach, ihre Höhenflüge und Abstürze, ihre Träume, den Motor menschlichen Strebens, ihren Willen zur Macht und ihr Scheitern. Quesne fragt nach den Regeln der Gemeinschaftsbildung und nach dem Umgang mit der Umwelt. Auf hochpoetische, spielerische Weise lässt er wissenschaftliche und ästhetische Fragestellungen ineinandergreifen. Dabei versteht er seine Arbeit als künstlerische Forschung an der Schnittstelle von Kunst, Philosophie, Politik, Ökologie und kindlichem Spiel. Die Theaterproduktio­nen des Vivarium Studios sind humorvolle, luzide Feste der Imaginationskraft – als Antwort auf die Ängste un­serer Zeit. Der Titel seines Jubiläumsstücks verweist auf das 500 Jahre alte, am Übergang von Mittelalter zu Renaissance entstandene Gemälde „Der Garten der Lüste“ von Hieronymus Bosch. Quesne befragt im Dialog mit diesem Schlüsselwerk der westlichen Kunstgeschichte den Kern des menschlichen Selbstverständ­nisses und die utopischen Visionen des Menschen ebenso wie sein gebrochenes Verhältnis zur Wirklichkeit der dystopischen Albträume der Gegenwart.

340

Tangente × Festspielhaus St. Pölten


Philippe Quesne and his company are always concerned with the big picture. The pressing questions of our time have Datum / Uhrzeit always been the subject of his artistic preoccupation. 27.9.2024 In his new production, celebrated in Avignon, Ath28.9.2024 ens, Paris and at the Ruhrtriennale among other places jeweils 19:30 Uhr – a large-scale retrospective of his more than 20 years Ort of collaboration with the Viva­r­ium Studio – the artist Festspielhaus St. Pölten brings together the most im­portant protagonists and motifs of his previous works and weaves them into a Preis EUR 49, 45, 40, 28, 12 large theatrical panorama. This shows the develop-50 % für alle unter 26 ment of human history, its flights of fancy and crashes, its dreams, the motor of human striving, its will to Sprache Französisch mit deutschen power and its failure. und englischen Übertiteln Quesne questions the rules of community building and how we deal with the environment. In a Von und mit highly poetic, playful way, he allows scientific and Jean-Charles Dumay, Léo Gobin, Sébastien Jacobs, aesthetic questions to intertwine. He sees his work as Elina Löwensohn, Nuno artistic research at the interface of art, philosophy, Lucas, Isabelle Prim, politics, ecology and childlike play. The theatre producThierry Raynaud tions of the Vivarium Studio are humorous, lucid cel­e­ Konzeption, Inszenierung brations of the power of imagination as an answer to und Szenografie the fears of our time. The title of his anniversary play Philippe Quesne ­refers to the painting “The Garden of Earthly Delights” Original Texte Laura Vazquez by Hieronymus Bosch, which was created more than Kostüme, Skulpturen 500 years ago, at the transition from the Middle Karine Marques Ferreira Ages to the Renaissance. In dialogue with this key Mitgestaltung Szeno­ grafie Élodie Dauguet work of Western art history, Quesne questions the core Dramaturgie Éric Vautrin of human self-understanding, man’s utopian visions, Produktion as well as his fractured relationship to the reality of the Vivarium Studio, dystopian nightmares of the present. Théâtre Vidy-Lausanne Eine Koproduktion von Festival d’Avignon, Ruhrtriennale, Athens Epidaurus Festival, Berliner Festspiele, Théâtre du Nord, Centre Dramatique National Lille Tourcoing Hauts-de-France, Maison de la Culture d’Amiens, Pôle européen de création et de production, Les 2 Scènes, Scène nationale de Besançon, Centro dramatico nacional, MC93, Maison de la culture de Seine-SaintDenis Bobigny, Le Maillon – Théâtre de Strasbourg, Kampnagel, Festival NEXT, Carré-Colonnes Bordeaux-Métropole, National Theater and Concert Hall Taipei und Tangente St. Pölten – Festival für Gegenwartskultur.

341

Der Garten der Lüste

September 2024


Intervention / Performance · Weltpremiere

Tania Bruguera Many Ones

TangenteNeuproduktion

A Chorus Across the City

Während Tania Bruguera 2015 in ihrer Heimatstadt Havanna unter politisch motiviertem Hausarrest stand, führte sie in ihrem Wohnzimmer zusammen mit 50 anderen eine 100-stündige Lesung aus Hannah Arendts „Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft“ durch. Die Lesung wurde über Lautsprecher auf die Straße übertragen und endete damit, dass Bruguera von den Behörden verhaftet und stundenlang festgehalten wurde. Die ­Performance trug den Titel „Where Your Ideas Become Civic Actions“. Bei der Tangente St. Pölten wird Tania Bruguera ein neues Werk mit dem Titel „Many Ones“ präsentieren. Im September 2024, kurz vor den österreichischen Nationalratswahlen, wird ein Chor von Bürger:innen auf verschiedene Orte der Stadt verteilt zur gleichen Zeit auftreten. Das können Zuwander:innen oder Auswander:innen sein, Menschen, die ihre Heimat verlassen mussten und nach St. Pölten kamen oder die St. Pölten verlassen haben, um anderswo eine Heimat zu finden. Menschen, die bei ­demokratischen Wahlen keine Stimme haben, und Menschen, deren Stimmen im ganzen Land allgegenwärtig sind. Viele werden zusammenkommen, um eine Wahrheit auszusprechen, die nicht zur Debatte stehen sollte. Ein Aufruf zum Handeln, eine Bewegung. Nicht zu überhören. Nützlich und schön. Tania Bruguera begreift Kunst als Mittel für sozialen Wandel. Ihre Performances und Installationen untersuchen politische Machtstrukturen und deren Auswirkungen auf die Schwächsten der Gesellschaft. Ihre Arbeiten wurden weltweit ausgestellt, unter anderem im Rahmen der Tate Modern’s Turbine Hall Commission und der ­Documenta Kassel. Ihre Werke finden sich u. a. in den Sammlungen des Guggenheim Museums New York, des MoMA, des Van Abbemuseums, der Tate Modern und des Museo Nacional de Bellas Artes de La Habana. 342


In 2015, while Tania Bruguera was under politically motivated house arrest in her hometown of Havana, she and 50 others conducted a 100-hour reading of Hannah Arendt’s “The Origins of Totalitarianism” in her living room. The reading was broadcast over loudspeakers into the streets. It ended with Bruguera being ar­rested by the authorities and detained for several hours. The performance was titled “Where Your Ideas Become Civic Actions”. At Tangente St. Pölten, Tania Bruguera will present a new work entitled “Many Ones”. In September 2024, shortly before the Austrian parliamentary elections, a choir of citizens will perform at different places in the city at the same time. They may be immigrants or emigrants, people who had to leave their home country and came to St. Pölten or who left St. Pölten to find a home elsewhere. People who have no voice in democratic elections and people whose voices are omnipresent throughout the country. Many will come together to speak a truth that should not be up for debate. A call to action, a movement. Not to be ignored. Useful and beautiful. Tania Bruguera understands art as a means for social change. Her performances and installations ­explore political power structures and their impact on society’s most vulnerable. Her work has been exhib­ ited worldwide, including at Tate Modern’s Turbine Hall Commission and Documenta Kassel. Her art can be found in the collections of the Guggenheim Museum New York, MoMA, Van Abbemuseum, Tate Modern and Museo Nacional de Bellas Artes de La Habana, among others.

Datum September 2024 Ort öffentlicher Raum Eintritt frei Von Tania Bruguera

343

Many Ones

September 2024


Literatur

Blätterwirbel Spezial „Blätterwirbel: Literatur vom Feinsten in St. Pölten“, schreibt die Tageszeitung Kurier über das beliebte Festival. Der „Blätterwirbel“ ist eine Initiative des Landestheaters Niederösterreich mit Partner:innen und Unterstützung aus dem Land Niederösterreich und der Landeshauptstadt St. Pölten. 2006 von einer Runde Literatur- und Theaterbegeisterter initiiert, ist er mittlerweile eine feste Größe in der Kulturlandschaft Niederösterreichs und bietet jeweils im Oktober ein umfassendes Programm rund um das Thema Literatur in all seinen Facetten. Die Veranstaltungen finden im Landestheater, im Stadtmuseum, im Cine­ma Paradiso und mittlerweile an vielen weiteren ­Orten in St. Pölten statt. Auf Initiative der Tangente wird es 2024 erstmals drei „Blätterwirbel Spezial“-Veranstaltungen geben, die inhaltlich an die Themenfelder des Festivals anknüpfen werden. Kuratorin der drei Abende ist Renate Kienzl, Miterfinderin und seit Beginn Mitorganisatorin der Reihe. „Blätterwirbel Spezial“ lotet aus, was Literatur zu den Tangente-Schwerpunkten Ökologie, Erinnerung und Demokratie zu sagen hat. Der dritte Abend wird dann gleichzeitig auch die Eröffnung des „Blätterwirbel 2024“ sein. Alle drei Abende werden im Festivalzent­rum der Tangente stattfinden. Somit beginnt für den „Blätterwirbel Spezial“ eine spannende Reise ins Reich der Literatur mit internationalen und heimischen Schriftsteller:innen, die allesamt die Themen bearbeiten, die uns im Moment beschäftigen.

344

Tangente × Blätterwirbel


“Blätterwirbel: Literature at its best in St. Pölten,” writes the Austrian newspaper Kurier about the well-loved festival. “Blätterwirbel” is an initiative of the Landestheater Niederösterreich with partners and support from Lower Austria and its capital St. Pölten. Initiated in 2006 by a group of literature and theatre enthusiasts, it has become a permanent fixture in Lower Austria’s cultural landscape and offers a comprehensive programme on all facets of literature every October. The events take place in the Landestheater, Stadtmuseum, Cinema Paradiso and many other places in St. Pölten. On the initiative of Tangente, there will be three “Blätterwirbel Spezial” events for the first time in 2024, which will tie in with the festival’s thematic fields in terms of content. The three events will be curated by Renate Kienzl, co-initiator and co-organisator of the series. “Blätterwirbel Spezial” will explore literature’s take on Tangente’s focuses on ecology, memory and democracy. The third evening will also be the opening of “Blätterwirbel 2024”. All three evenings will take place at the Tangente ­Festival Centre. Thus, “Blätterwirbel Spezial” will begin an exciting journey into the realm of literature with international and local writers, all of whom will be dealing with currently prevalent themes. Datum/Uhrzeit 8.5.2024 19.00 Uhr 26.6.2024 19.00 Uhr 2.10.2024 Eröffnung Blätterwirbel 2024 19.00 Uhr Ort Festivalzentrum Preis EUR 15 -50 % für alle unter 26 Kuratiert von Renate Kienzl Eine Produktion von Tangente St. Pölten – Festival für Gegenwartskultur in Kooperation mit Blätterwirbel Lesefest – Literaturwoche

345

Blätterwirbel Spezial

ab Mai 2024


Musik · Uraufführung

Elisabeth Schimana / Ludwig Lusser / Andrii Pavlov / Black Page Orchestra Virus #3.6 – Twilight Zones

TangenteNeuproduktion

Orgel Experimentell #3

Die „Virus“-Serie von Elisabeth Schimana ist eine Forschungsreise in die akustische Wahrnehmung, ein Ausloten von Reaktionen unserer Hir­ne im Millisekundenbereich, ein Plädoyer für den akusti­schen Augenblick in höchster Präzision. Die Musik dieser Serie beruht auf Kompositionen, die einen live generierten elektronischen Klangkörper als audiovisuelle Partitur für akustische Instrumente nutzen. Die im Raum verteilten Musiker:innen werden aufgefordert, die elektronischen Klänge auf ihren jeweiligen Ins­ trumenten zeitgleich und so präzise wie möglich zu interpretieren bzw. zu imitieren. Im Auftragswerk „Twilight Zones – Zonen der Dämmerung“ arbeitet die mit ihrem Institut für Medien­ archäologie in St. Pölten ansässige und weltweit tätige Komponistin Elisabeth Schimana erstmals mit dem Instrument Orgel und lotet gemeinsam mit Domorganist Ludwig Lusser die Möglichkeiten dieses Instruments im St. Pöltner Dom aus. „Virus #3.6“ beschäftigt sich mit der Frage: Wo befinden wir uns jetzt gerade? In Zonen der Dämmerung, des Wandels, des Zwielichts – bewegen wir uns in die Nacht oder in den Morgen? Werden die Autokrat:innen bestehende Demokratien zerstören, oder erfinden wir uns neu und brechen auf in eine Zukunft mit einem anderen Wirtschaftssystem, einer gerechteren globalen Verteilung, und einer Überwindung autokratischer Systeme? Wir spüren die Zonen der Dämmerung. Abseits von Liturgie und Repertoire arbeiten sich drei markante ­Persönlichkeiten unterschiedlichster musikalischer Provenienz in der neu aufgelegten Serie „Orgel Experimentell“ an der Königin der Instrumente ab und stellen dem barocken Interieur des St. Pöltner Doms Gegenwarts­kultur zur Seite. (Siehe auch S. 176 und S. 268.)

346

Tangente × Diözese St. Pölten


Elisabeth Schimana’s “Virus” series is an expedition into acoustic perception, a sounding out of the responses of our brains in the span of milliseconds, a plea for the precise acoustic moment. The music in this series is based on compositions that use a live-generated electronic body of sound as an audio score for acoustic instruments. Scattered around the room, the musicians are asked to interpret or imitate the electronic sounds on their instruments simultaneously and as precisely as possible. In the commissioned work “Twilight Zones – Zonen der Dämmerung”, the composer Elisabeth Schimana, whose Institute for Media Archaeology is based in St. Pölten and who works worldwide, will for the first time be utilising the organ and, together with cathedral organist Ludwig Lusser, explores the possibilities of this instrument in St. Pölten Cathedral. Datum / Uhrzeit “Virus #3.6” deals with the question: Where 3.10.2024 are we now? In zones of dawn, of change, of twilight 21:00 Uhr – are we moving into the night or into the morning? Ort Will the autocrats destroy existing democracies, or Dom zu St. Pölten are we reinventing ourselves and moving into a future with a different economic system, a fairer global Preis EUR 20 distribution and an overcoming of autocratic sys-50 % für alle unter 26 tems? We sense the zones of dawn. Virus #3.6 Twilight Zones – Zonen der Dämmerung (2024) Für Schlagwerk, Tuba, Fagott, Bassklarinette, Violoncello, Violine, Violine solo, Orgel und Elektronik

Apart from ­liturgy and repertoire, three remarkable personalities of the most diverse musical provenance work on the queen of instruments in the upcoming series “Orgel Experimentell” (organ exper­imental) and jux­tapose the baroque interior of the St. Pölten Cathedral with contemporary culture. (See also p. 176 and p. 268.)

Black Page Orchestra Schlagwerk Igor Gross Tuba Anna Guggenberger Fagott Aleksa Marinković Bassklarinette Florian Fennes Violoncello Irene Frank Violine Fanni Vovoni Violine solo Andrii Pavlov Orgel Ludwig Lusser Live-Elektronik Elisabeth Schimana

347

Virus #3.6 – Twilight Zones

Oktober 2024


Performance · Österreichische Erstaufführung

TangenteKoproduktion

Joana Tischkau Yo Bro Über Generationen hat wenig unser Bild von Familie so geprägt wie das Fernsehen. „Aber wer ist dieses ‚Wir‘“, fragt Joana Tischkau, „an das sich ‚Eine schrecklich nette Familie‘ wendet? Wer erkennt sich in wem in ‚Alf‘ wieder?“ Die Choreografin und Performerin inszeniert zusammen mit ihrem Zwillingsbruder Aljoscha, der sonst als Sozialpädagoge arbeitet, eine ganz besondere Revue über Fernsehen und Familie. In „Yo Bro“ turnen sich Joana und Aljoscha Tischkau, unterstützt von einer gecasteten Verwandtschaft wildfremder Leute, einmal durch all die Repräsentationen, mit denen massenmedial Familie performt wird. Und Körper ziehen sich Kostüme an, um die Rollen durchzuspielen, die nicht-weißen, aber auch queeren Personen gemeinhin nicht zugeschrieben werden. Lebende Bilder widersprüchlicher, unklarer Zuschreibungen. Die Kelly Family singt „We are the world“. Ein Tanz durchs Archiv kollektiver Erinnerungen an Fernsehabende der 1980er- und 1990er-Jahre, an dessen Ende sich das Bild von Familie neu zusammensetzt. Mit den Jacksons. „Wetten, dass..?“ Joana Tischkau, geboren in Göttingen, ist Cho­reo­ grafin und Performerin. Am Institut für Angewandte ­Theaterwissenschaft in Gießen erforschte sie, wie sich popkulturelle, Schwarz konnotierte, dem sozialen Raum zugeschriebene Tanzpraktiken mit intersektionalen, ­feministischen, postkolonialen Theorien in eine künstlerische Praxis verweben lassen. Zudem ist sie Mitbegrün­ derin des Österreichischen Museums für Schwarze Unterhaltung und Black Music.

348

Tangente × Festspielhaus St. Pölten


For Generations hardly anything has shaped our image of family as much as television. “But who is this ‘we’,” asks Joana Tischkau, “to whom ‘Married with Children’ is addressed? Who recognises themselves in ‘Alf’?” Together with her twin brother Aljoscha, a social pedagogue, the choreographer and performer celebrates a very special revue about television and family. In “Yo Bro”, Joana and Aljoscha Tischkau, supported by complete strangers cast as their relatives, artfully work their way through all the repDatum / Uhrzeit 4.10. und 5.10.2024 resentations of family in mass media. Bodies put on jeweils 19:30 Uhr costumes to act out the roles that are not commonly ascribed to non-white or queer people. Living images Ort Festspielhaus St. Pölten of contradiction and ambiguity. The Kelly Family singing “We are the world”. A dance through the arPreis chive of collective memories of television evenings of EUR 20 the 1980s and 1990s, at the end of which the image of -50 % für alle unter 26 the family is reassembled. With the Jacksons. “Wanna Regie Joana Tischkau Bet?” Performance Joana und Joana Tischkau, born in Göttingen, is a chore­ Aljoscha Tischkau und Familienmitglieder ographer and performer. At the Institute for Applied Bühne Carlo Siegfried Theatre Studies in Giessen, she researched how popKostüme Nadine Bakota cultural dance practices with Black connotations in Sounddesign ­social spaces can be interwoven with intersectional, Frieder Blume Künstlerische Mitarbeit feminist and postcolonial theories to form an artistic Elisabeth Hampe, practice. She is also co-founder of the Austrian Museum Nuray Demir for Black Entertainment and Black Music. Video und 3D-Animation Sondi Lichtdesign und technische Leitung Hendrik Borowski Produktionsleitung und Gastspielmanagement Lisa Gehring Eine Produktion von J. Tischkau, Künstler*innenhaus Mousonturm und Schauspiel Frankfurt. Gefördert vom Fonds Darstellende Künste, vom Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst sowie vom Kulturamt der Stadt Frankfurt am Main. In Koproduktion mit HAU Berlin, tanzhaus nrw, Kampnagel Hamburg, Schlachthaus Bern, Gessnerallee Zürich, Festival Politik im Freien Theater, Festspielhaus St. Pölten und Tangente St. Pölten – Festival für Gegenwarts­kultur.

349

Yo Bro

Oktober 2024


Performance · Weltpremiere

God’s Entertainment Zusammen oder getrennt?

TangenteNeuproduktion

Eine Wahlkampf-Performance

Ob alt oder jung, reich oder arm, klein oder groß, betrunken oder nüchtern, mutig oder misstrauisch – letztendlich balancieren in unserer durch das angloamerikanische und europäische Rechtssystem geprägten Gesellschaft alle Menschen auf dem schmalen Grat, den wir noch immer ­Demokratie nennen. Dabei sind wir alle Zeug:innen einer Gegenwart, die von zunehmender Skepsis gegenüber ­einem Demokratiebegriff geprägt ist, der kontinuierlich von Staaten ausgehöhlt, von wirtschaftlichen Interessen überrollt oder von populistischen Schüben verzerrt wird – und nebenbei ganze Bevölkerungsgruppen gar nicht mitdenkt. Das Herz der Demokratie schlägt somit abseits der Vielen und es findet sich auch in keiner Nationalratswahl (in Österreich geplant für Herbst 2024, Stand: Redaktionsschluss) wieder. Aus diesem Anlass starten God’s Entertainment ihren eigenen Wahlkampf für die Wahl. Es wird das Herz der Demokratie gewählt. Es ist ein umstrittenes, abstraktes, aber sehr umworbenes Motiv, längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Ein turbu­ lenter Wahlkampf wird das, Schlammschlachten inklusive. Es wird sich etwas verändern, so viel scheint festzu­ stehen, aber die Richtung für das Gesamtkunstwerk ist noch nicht entschieden. God’s Entertainment sind ein Kollektiv, das experimentell in den Bereichen Performance, Happening, Visual Art und Sound arbeitet. Ihre Inszenierungen gehen auf Konfrontationskurs mit der politischen und kulturellen Identität Österreichs. Als Spielfeld für Performances nützt das Kollektiv nicht nur die Theaterbühne: Aktionen finden regelmäßig in der Öffentlichkeit statt. Als wichtigster Punkt kann das Einbeziehen des Publikums gesehen werden, das die meisten ihrer Arbeiten prägt. 350


Whether old or young, rich or poor, small or large, drunk or sober, courageous or distrustful: ultimately, all people in our society shaped by the Anglo-American and European legal systems balance on the fine line we still call ­democracy. At the same time, we are all witnesses to a present that is marked by increasing scepticism ­towards a concept of democracy that is repeatedly undermined by states, overrun by economic interests or distorted by populist currents, and which, incidentally, leaves out entire population groups completely. So the heart of democracy beats apart from the many and is not reflected in a National Council election (the next one in Austria will take place in autumn 2024, status: editorial deadline). On this occasion, God’s Entertainment is launching its own election campaign. It’s about voting for the heart of democracy. It is a controversial, abstract, but hotly courted motif that has long since reached the centre of society. It will be a turbulent election campaign, mudslinging included. Something will change, that much seems ­certain, but the direction for the total work of art has not yet been decided. God’s Entertainment is a collective that works experimentally in the fields of performance, happening, visual art and sound. Their productions confront the political and cultural identity of Austria. As a playground for performances the collective does not only use the theatre stage: there are also ongoing actions in public. The most important point is the involvement of the audience, which characterises most of its works.

Datum / Uhrzeit 5.10. und 6.10.2024 Ort öffentlicher Raum Von God’s Entertainment

351

Zusammen oder getrennt?

Oktober 2024


Neben den wechselnden Veranstaltungen der T ­ angente finden auch laufende Projekte statt.

Foto: Giulia Mazzorin / Biennale Urbana

Das Tangente Festivalzentrum von Biennale Urbana (BUrb) Das Festivalzentrum von Biennale Urbana, lokalen und internationalen Partnern, ist die Anlaufstelle und das Herz der Tangente.

Für nähere Informationen siehe Seite 76

352


Datum


354


Kultur St. Pölten 2024 Culture St. Pölten 2024

355


Koope rationen Zeitgenössisch, vielfältig und kulturell aktiv präsentiert die Stadt St. Pölten sich und ihr Umfeld im kommenden Jahr. Kultur St. Pölten 2024 bringt zahlreiche Aktivitäten und Kooperationen entlang hochaktueller, zeitgenössischer Themen auf den Weg. Diese strahlen nachhaltig und lang­ fristig in die gesamte Region aus und positionieren die Landeshauptstadt als lebenswerten Kulturschauplatz im Herzen Niederösterreichs. Die vielfältigen Vorhaben von Kultur St. Pölten 2024 reichen von der Tangente St. Pölten – Festival für Gegen­ wartskultur, über die Eröffnung des neuen KinderKunst­ Labors, der Restaurierung der Ehemaligen Syngoge, den neuen Grillparzer Musik- und Kunstschulcampus und die neue Stadtbibliothek bis hin zu einer gemeinsamen Museums­card und zahlreichen Sonderausstellungen sowie kulturellen Programmhighlights. Die freie Szene ist hier ebenso eingebunden wie Kunst- und Kulturinstitu­ tionen, langjährig etablierte Häuser sowie neu entstan­ dene Projekte. Die Besucher:innen aus der Region sowie über­regionale und internationale Gäste sind eingeladen, überraschende Seiten der Stadt zu entdecken. Für Kultur St. Pölten 2024 haben das Land Niederöster­ reich und die Stadt St. Pölten erstmals eine gemeinsame Initiative gestartet. Ein Beispiel für die gute Zusammen­ arbeit ist der Domplatz, der größte Platz der Stadt, der neu gestaltet und bereits eröffnet wurde. Weitere Maß­ 356


nahmen sind die Überdachung des Karmeliterhofs sowie die Neugestaltung von Alumnatsgarten, Europaplatz und Promenade. Damit werden nachhaltige Impulse für eine tragfähige kul­t­urelle The city of St. Pölten will present itself and its sur­ Entwicklung der roundings in the coming year as contemporary, di­ gesamten Region verse and culturally active. Kultur St. Pölten 2024 will gesetzt. launch numerous activities and cooperations along highly topical, contemporary themes. Over the long term, these will sustainably affect the entire region and position the capital of Lower Austria as a cultural centre in the heart of the region well worth living in.

The diverse projects of Kultur St. Pölten 2024 range from Tangente St. Pölten – Festival for Contemporary Culture to the opening of the new KinderKunstLabor or the restoration of the former synagogue, from the new Grillparzer music and art school campus and the city library to a joint museum card and numerous special exhibitions and cultural programme highlights. The independent scene is equally involved as art and cul­ tural institutions, long-established organisations as well as newly created projects. Visitors from the re­ gion as well as national and international guests are invited to discover surprising aspects of the city. For Kultur St. Pölten 2024, the federal state of Lower Austria and the city of St. Pölten have for the first time launched a joint initiative. One example of the good cooperation is the Domplatz, the city’s largest square, which has been redesigned and already opened. Other measures include building a roof over the Karmeliterhof and the redesign of the Alumnats­ garten, Europaplatz and Promenade. All of these will provide sustainable impulses for a viable cultural development of the entire region.

357


Ausstellung / Landesgeschichte

Haus der Geschichte im Museum Niederösterreich Zimmer frei! Urlaub auf dem Land

Das Museum Niederösterreich mit seinen beiden Bereichen Haus der Geschichte und Haus für Natur ist ein moderner, multi­medialer Erlebnisraum. Neben den bestehenden Dauerausstellungen organisiert das Museum Niederöster­ reich jährlich Sonderausstellungen in den Bereichen Ge­ schichte und Natur, die, wenn möglich, thematisch ver­ netzt sind. So beleuchtet die Sonderausstellung „Zimmer frei! Urlaub auf dem Land“ im Haus der Geschichte in sechs thematischen Kapiteln die Kulturgeschichte des Urlaubs am Land am Beispiel niederösterreichischer Ferien­ regionen von 1945 bis heute. Dabei wird nicht nur die Perspektive der Gäste, sondern auch der Gastgeber:in­ nen erzählt. Nach dem Zweiten Weltkrieg wird es erstmals für große Teile der Bevölkerung möglich, Urlaub zu machen. Das verändert den Fremdenverkehr grundlegend. Die Sonderausstellung beleuchtet das Urlauben mit seinen Phasen und Ritualen. Diese reichen von Planung und Aufbruch über die Wahl des Transportmittels, Ankunft und Aufenthalt bis hin zur Speicherung der Erinnerungen in Form von Bildern und Souvenirs. Dabei stellen sich Fragen wie: Welche Lebensumstände entscheiden, wer auf welche Art Urlaub macht? Wer kann möglicherweise kaum oder gar nicht verreisen? Auch Fragen nach der Zukunft des Sommerurlaubs werden aufgegriffen: Kann man von einem Trend hin zu ­klimaschonendem Nahurlaub sprechen? Steht uns eine Wiederentdeckung der Sommerfrische bevor?

358


Laufzeit 23.9.2023–2.2.2025

The Museum Niederösterreich with its two sections, the Haus der Geschichte and the Haus für Natur, is a modern, multimedial experience. In addition to the existing per­manent exhibitions, the Museum Niederösterreich organises ­annual special exhibitions in the fields of history and nature, which are thematically linked wher­ ever possible. For example, the special exhibition “Zimmer frei! Urlaub auf dem Land“ (rooms available! vacation in the countryside) in the Haus der Geschichte illuminates the cultural history of vacationing in the countryside in six thematic chapters using the example of Lower Austrian holiday regions from 1945 to the present. Not only the guests’ perspective is told, but also that of the hosts. After the Second World War, large parts of the population could go on holiday for the first time. This fundamentally changed tourism. The special exhibition sheds light on vacationing with its phases and rituals. These range from planning and departure to the choice of means of transportation, arrival and stay, to the stor­ age of memories in the form of photos and souvenirs. Questions are raised such as: What life circumstanc­ es ­determine who goes on holiday and in what way? Who may rarely be able to travel? Who not at all? Questions about the future of summer holidays are also addressed: Can we see a trend towards ­climate-friendly local vacations? Are we facing a re­ discovery of the summer retreat?

Ort Haus der Geschichte im Museum Niederösterreich Kuratiert von Christian Rapp, Johanna Resl, Maren Sacherer, Benedikt Vogl Museumscard Mit der stp Museumscard für EUR 18 innerhalb eines Jahres in alle teilnehmenden Museen in St. Pölten. Die Ausstellung entstand in Zusammenarbeit mit dem Institut für Europäische Ethnologie der Universität Wien unter der Lei­ tung von Brigitta Schmidt-Lauber.

359

Zimmer frei!

ab September 2023


Ausstellung / Erinnerungskultur

Haus der Geschichte im Museum Niederösterreich Auf der Flucht Objekte erzählen von Krieg und Vertreibung

Das Haus der Geschichte im Museum Niederösterreich steht für 40.000 Jahre Menschheitsgeschichte mit einem Schwerpunkt ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Der Fokus der Sonderausstellungen liegt darauf, Bezug zwischen aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen und Problemen, die Menschen schon seit Jahrhunderten ­beschäftigen, herzustellen. Auf Basis des Forschungsprojektes „Mobile Din­ ge, Menschen und Ideen – eine bewegte Geschichte ­Nieder­österreichs“ zeigt das Haus der Geschichte 2024 eine Sonderausstellung mit Objekten, die in kritischen ­Situationen mitgenommen worden sind oder in diesen eine besondere Transformation erfahren haben. Die Gegenstände haben oft nicht nur den Ort gewechselt, sondern auch ihre Bedeutung: Ein kleiner Schlüssel mit rosa Anhänger etwa, den eine Jugend­ liche bei ihrer Flucht aus Jugoslawien mitgenommen hat; eine Kutsche, mit der eine Familie im Herbst 1944 aus Siebenbürgen nach Österreich ge­flüchtet ist und die hier Erinnerungsfunktion erhielt; Kleidungsstücke einer jungen syrischen Frau, die diese 2015 auf ihrer Flucht erworben hat und die so eine besondere Bedeutung für sie bekommen haben. Es geht speziell um Dinge, die für einzelne Perso­ nen oder Gruppen identitäts- oder gemeinschaftsstif­ tend wurden. Der Schwerpunkt liegt auf dem 20. und 21. Jahrhundert, die Ausstellung umfasst aber auch ­ältere Epochen.

360


The Haus der Geschichte at the Museum Niederösterreich represents 40,000 years of human history, with a focus on the period from the second half of the 19th century on­ wards. The main emphasis of the special exhibitions is on current social developments, which already preoc­ cupied people centuries ago. Based on the research project „Mobile Dinge, Menschen und Ideen – eine bewegte Geschichte ­Nieder­österreichs“ (mobile things, people and ideas – a moving history of Lower Austria), the Haus der Geschichte will present a special exhi­bition in 2024 with objects that people took with them in critical situa­ tions or that underwent a special trans­formation in such situations The objects have often not only changed their location, but also their meaning: a small key with a pink pendant, for example, which a young woman took with her when she fled Yugoslavia; a carriage in which a family fled from Transylvania to Austria in the autumn of 1944 and which took on a commemorative func­ tion here; items of clothing belonging to a young Syrian woman who acquired them in 2015 during her flight and which therefore have special meaning for her. It is specifically about things that became iden­ tity- or community-forming for individuals or groups. The focus will be on the 20th and 21st centuries, but the exhibition will also include earlier epochs.

Laufzeit 2.3.2024–2.2.2025 Ort Haus der Geschichte im Museum Niederösterreich Kuratiert von Christian Rapp, Benedikt Vogl, Maren Sacherer Museumscard Mit der stp Museumscard für EUR 18 innerhalb eines Jahres in alle teilnehmenden Museen in St. Pölten.

361

Auf der Flucht

ab März 2024


Ausstellung / Natur

Haus für Natur im Museum Niederösterreich Tiere auf Wanderschaft Sonderausstellung 2024

In eindrucksvollem Ambiente vereint das Museum Niederöster­ reich im Kulturbezirk von St. Pölten mit dem Haus für Natur und dem Haus der Geschichte zwei Orte der Begegnung mit Wissenschaft und Forschung. So werden im Haus für Natur wie an keinem anderen Ort Flora und Fauna auf beeindruckende Weise dargestellt. Von den Fischen im „Donaubecken“, über eine Höhle, Wiesen und Mittelge­ birge bis hin zu echtem Gletschereis gewährt das Haus Einblicke in die faszinierenden Naturwelten Niederöster­ reichs. Einzigartig ist das Haus für Natur, weil es Muse­ um und Zoo kombiniert. In den Aquarien und Terrarien tummeln sich über 40 heimische Tierarten. Sonderausstellung 2024: „Tiere auf Wanderschaft“ Mit 100.000 Stundenkilometern rast die Erde durchs All. Ihre einjährige Reise um die Sonne verändert ständig die Lebensbedingungen auf ihrer Oberfläche. Und setzt dadurch gewaltige Tierwanderungen in Gang. Durch Wasser, Luft und an Land ziehen jedes Jahr riesige Grup­ pen, Herden, Schwärme über die Erdoberfläche. ­Dabei geht es u. a. um die Sicherung von Nahrungsgrundlagen, das Meiden widriger Wetterbedingungen, das ­Aufsuchen von Laichgründen bzw. Sexualpartner:innen oder die Erschließung neuer Lebensräume und Nahrungsquel­ len. Die körperlichen Leistungen dabei sind erstaun­ lich, die Navigationskünste beeindruckend. ­Welche Tiere wandern wohin? Wie schaffen sie das? Was treibt sie an? Die neue Ausstellung „Tiere auf Wanderschaft“ widmet sich den vielfältigen Aspekten kleinerer und grö­ ßerer Tierwanderungen. 362


In an impressive ambience, the Museum Niederösterreich in the cultural district of St. Pölten combines two places to engage with science and research: the Haus für Natur and the Haus der Geschichte. In the Haus für Natur, fauna and flora are presented like nowhere else. From fish from the “Donaubecken” (Danube basin) to a cave, meadows and foothills to real glacier ice, the museum provides insights into the fascinating natu­ ral worlds of Lower Austria. The Haus für Natur is also unique ­because of its combination of museum and zoo. More than 40 native animal species cavort in the aquariums and terrariums. Special exhibition 2024: “Tiere auf Wanderschaft” (animals on the move) The Earth races through space at 100,000 kilo­ metres per hour. Its year-long journey around the sun constantly changes the living conditions on its surface, setting in motion enormous animal migra­ tions. In the water, in the air and on land, huge groups, herds and swarms move across the Earth’s surface every year in order to secure food resources, avoid adverse weather conditions, seek spawning grounds or sexual partners, or open up new habitats and food sources, among other things. The physical feats the animals perform are amazing, their navigational skills impressive. Who migrates where? How do they do it? What drives them? The new exhibition “Tiere auf Wanderschaft” is dedicated to the diverse aspects of smaller and larger animal migrations.

Laufzeit 23.3.2024–9.2.2025 Ort Haus für Natur im Museum Niederösterreich Kuratiert von Ronald Lintner, Norbert Ruckenbauer Museumscard Mit der stp Museumscard für EUR 18 innerhalb eines Jahres in alle teilnehmenden Museen in St. Pölten.

363

Tiere auf Wanderschaft

ab März 2024


Ausstellung / Stadtgeschichte

Stadtmuseum Von Steinen und Beinen / Zeitreise am Domplatz Forscher:innen aus der ganzen Welt kennen St. Pölten. Zur Tangente zeigt das Stadtmuseum in allen Facetten warum. „Von Steinen und Beinen: Die wechselvolle Geschichte eines Platzes, der keiner war“ Zehn Jahre archäologische Grabungen haben sensationelle Ergebnisse am Domplatz St. Pölten zutage ­gebracht: Über einem bisher völlig unbekannten römi­ schen Verwaltungspalast aus dem 4. Jahrhundert u. Z. entstand ein mittelalterliches Kirchenensemble inklu­sive Friedhof, das diesen Ort jahrhundertelang prägte und heute nur noch in Teilen erhalten ist. Die Ausstellung präsentiert nicht nur Originalfunde vom Domplatz, sondern gibt auch erstmals tiefe Einblicke in die damaligen Lebens­bedingungen. Da gibt es nicht nur viel zu sehen und zu staunen, sondern auch vielfältige Mitmachange­ bote für Menschen jeden Alters. „Zeitreise am Domplatz“ Beim Mixed-Reality-Erlebnis am Domplatz ist es Besucher:innen erstmals möglich, einen realen Spazier­ gang im Freien mit einer virtuellen Tour durch die Ge­ schichte zu kombinieren. Dabei werden beim Spazieren über den Platz mittels neuester VR-Brillentechno­logie his­ torische Gebäude kombiniert mit der realen Umgebung angezeigt. Aus der mittelalterlichen Bauphase sind zu ent­ decken: das romanische Domportal, die Andreaskapelle und die Leutkirche. Besonderes Augenmerk liegt auf de­ tailgetreuen Rekon­struktionen der Gebäude und auf der technisch hochkomplexen naht- und grenzenlosen Ein­ bettung der historischen Landschaft in die reale Umge­ bung. Ein spektakuläres ­interaktives Erlebnis, das die Grenzen zwischen realer und künstlicher Welt aufhebt. 364


Researchers from all over the world know St. Pölten. During Tangente, the City Museum shows in all its facets why. “Von Steinen und Beinen: Die wechselvolle Ge­ schichte eines Platzes, der keiner war” (of stones and legs: the eventful history of a place that was no place at all) Ten years of archaeological excavations have brought sensational results to light at the Domplatz St. Pölten: above a hitherto completely unknown Roman administrative palace from the 4th century CE, a medieval church ensemble including a cemetery was built, which shaped this place for centuries and is only partially preserved today. The exhibition not only presents original discoveries from the cathedral square, but also for the first time gives a deep insight into the living conditions back then. There is not only a lot to see and marvel at, but also a variety of handson activities for people of all ages.

Laufzeit 3.5.2024 bis Sommer 2025

“Zeitreise am Domplatz” (time travel on the Domplatz) For the first time, visitors can combine a real walk in the open air with a virtual tour through history in the mixed reality experience on the Domplatz. While walking through the square, the latest VR glasses technology is used to display historical buildings com­ bined with the real surroundings. The following can be discovered from the medieval building era: the Ro­ manesque cathedral portal, the St. Andrew’s Chapel and the Leutkirche. Special attention is paid to a de­ tailed reconstruction of the buildings and to the tech­ nically highly complex seamless embedding of the historical landscape into the real environment. A spec­ tacular interactive experience that makes the bound­ aries between the real and artificial world disappear.

Ort Stadtmuseum Domplatz Kuratiert von Ronald Risy Museumscard Mit der stp Museumscard für EUR 18 innerhalb eines Jahres in alle teilnehmenden Museen in St. Pölten.

365

Von Steinen und Beinen / Zeitreise am …

ab Mai 2024


Ausstellung / Stadtgeschichte

Museum am Dom Reopening Museumssammlung / Schädelkult & Stiftstumult Programm 2024

Das Museum am Dom ist das älteste diözesane Museum ­Österreichs. Zeitgemäße Vermittlung von sakralen Inhalten ist Kernaufgabe dieser Kultureinrichtung, die sich im Her­ zen der Stadt – direkt am Domplatz – befindet. Die Samm­ lung des Museums, zu der auch zahlreiche mittelalterli­ che Kunstwerke gehören, wird 2024 nach umfang­reicher Neukonzeption wieder zugänglich sein. Jährlich wech­ selnde Sonderausstellungen thematisieren verschie­ denste Aspekte kirchlicher Kunst aller Epochen und deren gesellschaftliche Auswirkungen. „Schädelkult & Stiftstumult: 1.000 Jahre Hippolytkloster“ Bereits um das Jahr 800 wurde am Areal des heutigen St. Pöltner Domplatzes ein Kloster gegründet und mit den Reliquien des römischen Märtyrers Hippolyt ausgestattet. Das Kloster entwickelte sich rasch zu einem geistigen und wirtschaftlichen Zentrum, sodass ringsum eine Stadt entstand; die engen Bezüge zwischen Stadt und Stift sind auch heute noch im Namen St. Pöltens ­erkennbar, der auf den Heiligen Hippolyt zurückgeht. Die Ausstellung beleuchtet die rund tausendjährige Geschichte des ältesten Klosters auf niederösterreichi­ schem Boden, das 1784 von Kaiser Joseph II. aufgelöst und schließlich zum heutigen Bischofssitz wurde. „Wir sind Gefangene des Augenblickes: Der Luftschutz­ keller der Diözese St. Pölten“ Die Ausstellung im Luftschutzkeller des Bistums­ gebäudes macht die noch original erhaltenen Räumlich­ keiten öffentlich zugänglich und bietet damit ein in St. Pölten einzigartiges, direktes Zeitfenster in die schick­ salshaften Wochen des Frühjahres 1945. 366


The Museum am Dom is the oldest diocesan museum in Austria. Providing up-to-date, contemporary mediation of sacral content is the core task of this cultural insti­ tution, which is located in the heart of the city – directly on the Domplatz. The museum’s collection, which also includes numerous medieval works of art, will be accessible again in 2024 after an extensive redesign. Annually changing special exhibitions focus on the most diverse aspects of ecclesiastical art of all epochs and their social impact. “Schädelkult & Stiftstumult: 1.000 Jahre Hippoly­t­ kloster” (skull cult & monastery tumult. 1,000 years of the Hippolytus Monastery) Around the year 800 CE, a monastery was founded on the site of today’s St. Pölten Cathedral Square and endowed with the relics of the Roman martyr Hippolytus. The monastery quickly developed into an intellectual and economic centre, giving rise to a town around it; the close links between the town and the monastery can still be seen today in the name of St. Pölten, which goes back to Saint Hippolytus. The exhibition illuminates the roughly thousand-­ year history of the oldest monastery on Lower Aus­trian soil, which was dissolved by Emperor Joseph II in 1784 and eventually became the present-day episco­ pal seat. “Wir sind Gefangene des Augenblickes: Der Luft­ schutzkeller der Diözese St. Pölten” (we are prison­ ers of the moment: the air-raid shelter of the diocese of St. Pölten) The exhibition in the air-raid shelter of the dio­ cese building makes the originally preserved rooms accessible to the public and thus offers a direct window of time into the fateful weeks of spring 1945 that is unique for St. Pölten.

Laufzeit 9.5.–15.11.2024 Ort Museum am Dom Kuratiert von Manuela Rechberger Museumscard Mit der stp Museumscard für EUR 18 innerhalb eines Jahres in alle teilnehmenden Museen in St. Pölten.

367

Reopening Museumssammlung / Schädelkult & …

ab Mai 2024


Ausstellung / Erinnerungskultur

Ehemalige Synagoge St. Pölten Dinge bewegen Gegenstände und ihre jüdischen Geschichten

In den vergangenen Jahrzehnten war der Besuch der Ehemaligen Synagoge nur eingeschränkt möglich. Ab dem Frühjahr 2024 wird das Jugendstil-Juwel für Ausstellungen, Kulturveran­ staltungen und Geschichtsvermittlung neu erstrahlen und auf allen Ebenen barrierefrei zugänglich sein. Der Synagogenraum beeindruckt mit seiner Kuppel, der Frauenempore, dem Thoraschrein und vor ­allem den farbenprächtigen Wandornamenten. Andere ritu­elle Bau­ bestandteile und die bunten Fenster wurden allerdings unwiederbringlich zerstört. Diese Leerstellen – aber auch die Geschichte der Gemeinde und das Gedenken an ihre Mit­ glieder – wird eine Dauerpräsentation erschließen. „Dinge bewegen. Gegenstände und ihre jüdischen Geschichten“ Menschen sind freiwillig oder gezwungen unterwegs. Sie nehmen Dinge mit und lassen Dinge zurück, mit denen sie Heimat, Familie und Kultur verbinden. Sie bewegen Din­ ge von einem Ort zum anderen. Aber nicht nur das: Diese Dinge, vor allem die zurückgelassenen, bewegen auch emotional – aus Gebrauchsgegenständen werden Sym­ bole des Verlusts und Objekte der Erinnerung. Die erste Wechselausstellung auf der oberen Frauen­ empore stellt dies anhand einiger Gegenstände dar. Deren jüdische Besitzer:innen wurden von den Nationalsozia­ list:innen verfolgt und vertrieben. Diese Dinge sind also Zeugen einer Gewaltgeschichte oder sogar selbst von Gewalt betroffen. So ergibt sich eine weitere Bewegung: Ihre Verwendung und Bedeutung ändert sich, wenn z. B. ein Ritualgegenstand zum Museumsstück wird. Zuletzt nimmt die Ausstellung die materielle Veränderung von Din­ gen, das Upcycling, in den Fokus: Ein aus einer Fahrrad­ kette hergestellter Chanukkaleuchter steht dabei für Nach­ haltigkeit und Verantwortung für die Heilung der Welt. 368


In the past decades, visiting the Ehemalige Synagoge (former synagogue) was only possible to a limited extent. Beginning in the spring of 2024, the Art Nouveau jewel will shine in new splendour as a modern centre for exhibitions, cul­tural events and historical education and will be barrier-free accessible on all levels. The synagogue room impresses with its dome, the women’s gallery, the Torah shrine and, above all, the colourful wall ornaments. Other ritual building com­ ponents and the colourful windows, however, were ­irretrievably destroyed. A permanent presentation will fill these gaps, but also trace the history of the com­ munity and keep alive the memory of its members. “Dinge bewegen. Gegenstände und ihre jüdi­schen Geschichten” (moving things. objects and their Jew­ ish stories) People are on the move, whether voluntarily or by force. They take things with them and leave things behind which they associate with home, family and ­culture. They move things from one place to another, but these things, especially those left behind, also move emotionally – everyday objects become sym­ bols of loss and objects of remembrance. The first temporary exhibition in the upper wom­ en’s gallery of the Ehemalige Synagoge St. Pölten ­illustrates this by means of a number of objects. Their Jewish owners were persecuted and expelled by the National Socialists. These things are thus witnesses to a history of violence or even affected by violence themselves and entail another movement: their use and meaning changes when, for example, a ritual object becomes a museum piece. Finally, the exhibition focuses on material change in things, on upcycling: a Hanukkah Menorah made from a bicycle chain stands for sustainability and responsibility for healing the world.

Laufzeit 16.5.–10.11.2024 Ort Ehemalige Synagoge St. Pölten Kuratiert von Martha Keil Gestaltung Renate Stockreiter Museumscard Mit der stp Museumscard für EUR 18 innerhalb eines Jahres in alle teilnehmenden Museen in St. Pölten.

369

Dinge bewegen

ab Mai 2024


Diskurs / Musik / Workshop

Ehemalige Synagoge St. Pölten Jewish Weekends Festival für jüdische Kultur

Die Ehemalige Synagoge St. Pölten geht ab April 2024 nach ei­ ner umfassenden Renovierung und Adaptierung als modernes und barrierefreies Kultur- und Ausstellungszentrum in Betrieb. Herzstück des Kulturprogramms wird ein von Johann Kneihs kuratiertes Festival für jüdische Kultur sein. An zwei Wochenenden im Juni wird die Ehemalige Synagoge zum Mittelpunkt einer Feier des jüdischen Le­ bens: Musik erzählt jüdische Geschichte und Geschich­ ten, begleitet von Lesungen, Gesprächen und Möglich­ keiten zum Austausch. Von jüdischer Renaissance und Barockmusik bis zu Singer-Songwriter:innen der Gegen­ wart reicht die Bandbreite. Österreichische Erstauffüh­ rungen internationaler Ensembles treffen auf Program­ me, die heimische Künstler:innen für das Festival entwickelt haben. „Jewish Weekends“ präsentiert die große Vielfalt jüdischer Kultur und Lebensentwürfe. Die Kantorin Sveta Kundish, eine der ersten Frauen in dieser traditionellen Männerberufung, wird im Rahmen des Festivals zu erle­ ben sein. Zu den Highlights zählt die Österreich-Premie­ re von „Ghetto Songs“. Der Abend führt nach Venedig in das erste jüdische Ghetto als Ausgangspunkt für eine musikalische Reise von mittelalterlicher Poesie bis hin zu aktuellen politischen Songs und Ghetto-Musik – konzi­ piert und realisiert von Frank London, dem Komponisten und Trompeter der legendären New Yorker Band The Klezmatics, mit exquisiter internationaler Besetzung. Einige Veranstaltungen der Jewish Weekends wer­ den in der Bühne im Hof und im Festspielhaus St. Pölten stattfinden. Zentraler Austragungsort des Festivals ist die Ehemalige Synagoge. Siehe auch: „Die Stadt ohne Juden“ (S. 252).

370


Following extensive renovation and adaptation, the former syn­ agogue in St. Pölten will open as a modern and barrier-free cultural and exhibition centre from April 2024. The cen­ trepiece of the cultural programme will be a festival for Jewish culture curated by Johann Kneihs. On two week­ ends in June, the Former Synagogue will become the centre of a celebration of Jewish life: music tells Jewish history and stories, accompanied by readings, talks and opportunities for exchange. The programme ranges from Jewish Renaissance and Baroque music to con­ temporary singer-songwriters. Austrian premieres by in­ ternational ensembles meet programmes developed by local artists for the festival. “Jewish Weekends” presents the great diversity of Jewish culture and lifestyles. Cantor Sveta Kundish, one of the first women in this traditionally male vocation, will be performing as part of the festival. One of the Jewish Weekends highlights will be the Austrian premiere of “Ghetto Zeitraum Songs”. The evening will take us to Venice, to the first 7.–9. und 14.–16.6.2024 Jewish ghetto, as the starting point for a musical jour­ ney from medieval poetry to contemporary political Ghetto Songs songs and ghetto music - conceived and realised by Datum/Uhrzeit Frank London, the composer and trumpeter of the leg­ 8.6.2024 endary New York band The Klezmatics, with an exquisite 19:30 international cast. Ort Some of the Jewish Weekends events will take Bühne im Hof place at the Bühne im Hof and the Festspielhaus St. Pölten. The festival’s central venue is the Ehemalige Eine Kooperation von Synagoge. Bühne im Hof und Jewish Weekends.

Die Stadt ohne Juden

See also: “Die Stadt ohne Juden” (p. 252).

Datum / Uhrzeit 14.6.2024 19:30 Uhr Ort Festspielhaus St. Pölten Großer Saal Eine Veranstaltung der Tangente St. Pölten – Festival für Gegen­ wartskultur in Kooperation mit Festspielhaus St. Pölten und den Jewish Weekends – Festival für jüdische Kultur. Programmdetails ab Frühjahr 2024 unter ehemalige-synagoge.at

371

Jewish Weekends

Juni 2024


Kunst / Musik / Workshop

Solektiv Parque del Sol 2024 Gemeinschaften / Kollektive

Anlässlich der Tangente wird sich das interdisziplinäre Kunst­ symposion „Parque del Sol 2024“ mit einer Sonderausgabe dem Thema „Gemeinschaften/Kollektive“ widmen. Der Sonnenpark im Süden von St. Pölten ist seit über 20 Jahren ein Paradeprojekt der gemeinnützigen Kulturarbeit. Der kooperative Ansatz und das DIY-Prin­ zip haben schon viel Besonderes in diesem einzigarti­ gen Kreativ-Biotop entstehen lassen. Sei es im Bereich des Handwerks, der Musik oder der bildenden und dar­ stellenden Künste. Im Idealfall sind „open spaces“ wie der Sonnenpark Zukunftslabore für neue Denk- und Handlungsweisen. Im Tangente-Jahr wird dort solch ein Freiraum eröffnet, um zentralen Fragen unserer Gegenwart nach­ zugehen: Wie sehen die Gemeinschaften von morgen aus? Welchen Stellenwert erhält die Natur in unserem planetaren Zusammensein? Wo liegen ungenutzte Ressourcen verborgen, die das künstlerische und politi­ sche Engagement stärken? Das seit vielen Jahren von LAMES fest im Kulturkalender St. Pöltens verankerte „Parque del Sol“ wird die Voraussetzungen und Potenziale des solidarischen Miteinanders erkunden. Entlang der drei Tangente-Schwerpunkte Ökologie, Erinnerung und Demokratie laden Künstler:innen, Wissen­ schaftler:innen, Expert:innen und Kreative dazu ein, die selbstverwaltete Stadtoase am Spratzerner Kirchenweg neu zu entdecken. Partizipativ angelegte Workshops und Lectures, Skill Sharing, Ausstellungen, Konzerte, Per­ formances und Clubformate sollen Visionen eines inklu­ siven Zusammenseins erfahrbar machen. Zahlreiche Protagonist:innen aus Österreich und ganz Europa lassen das „Parque del Sol“ zu einem Fest für alle Neugierigen und Staunenden werden, die Lust am Mitdenken und Mitgestalten haben. 372


Laufzeit 29.7.–4.8.2024

On the occasion of the Tangente Festival, the interdisciplinary art symposium “Parque del Sol” will dedicate a special ­edition 2024 to the theme “Gemeinschaften/Kollektive” (communities/collectives). The Sonnenpark in the south of St. Pölten has been a showcase project of non-profit cultural work for over 20 years. The cooperative approach and the DIY principle have already given rise to many special things in this unique creative biotope. Be it in the field of crafts, music or the visual and ­performing arts. Ide­ ally, open spaces like the Sonnenpark are laboratories for the future, experimenting with new ways of think­ ing and acting. Throughout the year of Tangente, an open space will be established there to explore current cen­ tral issues. What will communities of tomorrow look like? Which place does nature have in our planetary ­togetherness? Where are hidden untapped resources that strengthen artistic and political engagement? The “Parque del Sol”, which has been firmly anchored in St. Pölten’s cultural calendar for many years by LAMES, will ­explore the preconditions and potentials of common solidarity. Within the three Tangente focal points ecolo­ gy, memory and democracy, artists, scientists, ex­ perts and creative people will invite you to rediscover the self-governing urban oasis on Spratzerner Kirch­enweg. Participatory workshops and lectures, skill sharing, exhibitions, concerts, per­ formances and club formats will make visions of in­ clusive togetherness tangible. Numerous protagonists from Austria and all over Europe will turn the “Parque del Sol” into a festival for all who are curious, ready to be amazed and find joy in thinking and creating together.

Künstlerischer Prozess und Workshops 29.7.–2.8.2024 Public Showing/Party 2.8./3.8.2024 Soundpicknick 4.8.2024 Ort Sonnenpark St. Pölten Von Solektiv, Verein für Kunst, Kultur und Natur Weitere Informationen solektiv.at

373

Parque del Sol 2024

ab Juli 2024


Bildende Kunst / Kinder

KinderKunstLabor In Zeiten radikaler Umbrüche verändern sich die Anliegen und Bedürfnisse der jungen Generation. Das KinderKunstLabor öffnet dafür als neue Kul­ turinstitution Kindern bis 14 Jahre einen künstlerischen Raum, den es in seiner spezifischen Ausprägung sonst nicht gibt. Im Altoonapark in St. Pölten entsteht ein archi­ tektonisch innovativer Ort der Begegnung von internati­ onaler zeitgenössischer Kunst, Kindern und Künstler:in­ nen. Bei den jährlich zwei ­geplanten Ausstellungen und einem sich thematisch verzahnenden Workshop- und Projektangebot stehen ­Kinder im Fokus. Sie besuchen das neue Ausstellungshaus nicht nur, sie gestalten es mit. Experimentell, intergene­rationell, institutionsübergrei­ fend. Die Kinderperspektive ist die Grundlage und das Werkzeug der Vermittlung. Dabei entstehen neue Ge­ meinschaften – global, regional und lokal. Rivane Neuenschwander, die Künstlerin der Eröff­ nungsausstellung im September 2024, ist schon lange im Austausch mit den Kindern der Kinderbeiratsgruppen und der Kunstideenwerkstatt. In ihrem „Dream.Lab“ spricht sie mit ihnen über die Bedeutung des Träumens für die Menschheit, über das Zeitempfinden im Traum oder den Unterschied zwischen Träumen und Tagträumen. Wie können wir mit und aus der Sicht der ­Natur träu­ men? Was bedeutet es, dass der Traum ein Orakel für in­ digene Völker ist? Kann das Träumen die poli­tische Vor­ stellungskraft erweitern? In Zusammenarbeit mit der Tangente St. Pölten werden in einem weiteren Themenstrang die Zusammen­ hänge von Demokratie und Kunst hinterfragt: Welche Bedeutung hat Kunst für die Gesellschaft?

374


In times of upheaval, the concerns and needs of the young generation change. As a new cultural institution, the KinderKunst­ Labor opens up an artistic space for children up to 14 years of age, which does not exist anywhere else in this specific form. In the Altoonapark in St. Pölten, an architecturally innovative meeting place between international contemporary art, children and artists is being created. Children are the focus of the two yearly planned exhibitions and a thematically in­ter­locking range of workshops and projects. They will not only visit the new exhibition centre, they will help to shape it. Experimental, intergenerational, cross-institutional. The children’s perspective is the basis and the tool of mediation. In the process, new communities are creat­ ed – globally, regionally and locally. The artist of the opening exhibition in September 2024, Rivane Neuenschwander, has been working for some time with the children of the Kinderbeirats­ gruppen (children’s advisory groups) and the Kunst­ ideen­werkstatt (art ideas workshop). In her “Dream. Lab”, she talks to them about the importance of dreaming for humanity, about the perception of time in dreams or the difference between dreams and day­ dreams. How can we dream with and from the perspec­ tive of nature? What does it mean that the dream is an ­oracle for indigenous peoples? Can we dream of expanding the political imagination? In cooperation with Tangente St. Pölten, another thread questions the connections between demo­ cracy and art: what is the significance of art for society?

Hauseröffnung Räume für Träume 28.6.2024 Ausstellungseröffnung Rivane Neuenschwander 13.9.2024 Weitere Informationen kinderkunstlabor.at Museumscard Mit der stp Museumscard für EUR 18 innerhalb eines Jahres in alle teilnehmenden Museen in St. Pölten.

375

KinderKunstLabor

ab Juni 2024


Literatur / Dialog / Partizipation

Stadtbücherei

Ein gelebter Ort der Demokratie

Die Stadtbücherei wird im kommenden Frühjahr nach der Über­siedelung am Domplatz in neuem Glanz erstrahlen. Aber bereits jetzt wird sie auf eine zentrale Rolle bei der Tangente ausgerichtet. Die multifunktionale Bibliothek stellt eine Interven­ tion im öffentlichen Außen- und Innenraum dar, indem sie Information, Wissen und digitale Infrastruktur lang­ fristig, niederschwellig, kostenfrei und zum kollektiven Nutzen teilt. Das Konzept der Stadtbücherei ist dabei auf Dauer gedacht. Das bedeutet einerseits, ein Programm zur Verfügung zu stellen – von Expert:innengesprächen über Lesungen mit Autor:innen, Workshops und Schulungen bis hin zu Diskussionsrunden. Andererseits aber auch die Schärfung des Blicks auf drängende, zeitgemäße Themen wie Umwelt- und Ressourcenschutz, Nachhaltigkeit und Erneuerbarkeit. Ein Thema, dem sich die Bücherei immer wieder annimmt, ist Erinnerungskultur im Kon­text aktu­ eller gesellschaftlicher Entwicklungen. Veran­staltungen fungieren hier als Brücke zwischen Vergangen­heit und Gegenwart, um die gesellschaftliche Reflexion und die Orientierung für die Zukunft zu fördern. Dies alles trägt zur sozialen Partizipation, zur Stärkung der Medien- und Diskurskompetenzen und zur Förderung der Dialogkultur vor Ort bei. Die Stadtbücherei ist ein Ort gelebter Demokratie, lebhaften Dialogs und lebendiger Vielfalt und sieht sich für das Rad der Zeit als wegweisender und stabilisie­ render Schienenstrang, gleichsam als Konstante und – ­ent­sprechend geometrisch gedacht – als Tangente, die jeden tangieren soll und sich jederzeit beim Wort nehmen lässt.

376


The Stadtbücherei (municipal library) will shine in new splen­ dour after its relocation to the Domplatz next spring. But it is already well positioned to take on a central role during Tangente. The multifunctional library sees itself as an inter­ vention in the public outdoor and indoor space by providing information, knowledge and digital infrastruc­ ture on a long-term, low-threshold and free basis, shar­ ing it for the collective benefit. The concept of the public library is geared to­ wards permanence. On one hand, by providing a pro­ gramme – from expert talks to readings with authors to workshops and training courses to discussion rounds. But on the other hand, it also means sharpen­ ing the focus on urgent, contemporary issues such as environmental protection and resource conservation, sustainability and renewability. One topic that the li­ brary takes up again and again is to place remem­ brance culture in the context of current social developments. Events on that topic act as a bridge between the past and the present to promote reflection on social processes and offer orientation for the fu­ ture. All this contributes to encouraging social partici­ pation, strengthening media and discourse skills and promoting the culture of dialogue. The public library is a place of vibrant democ­ racy, vivid dialogue and lively diversity, and sees itself as a pioneering and stabilising track for the wheel of time, as it were, a constant and – imagined geometri­ cally – a tangent touching everyone which can al­ ways be taken by its word.

Eröffnung Mai 2024 Ort Stadtbücherei Domplatz Leitung Theresia Radl

377

Stadtbücherei

ab Mai 2024


Foto: Anna Netouschek

Neben den wechselnden Veranstaltungen der T ­ angente finden auch laufende Projekte statt.

Tangente Stadtprojekte Seit 2022 verbindet sich die Tangente aktiv mit der St. Pöltner Bevölkerung im Rahmen der Stadtprojekte. Auch während des Festi­ vals gibt es die Möglichkeit sich an einer Vielzahl an Projekten zu beteiligen und schon im Vorfeld kann das Festival über Open Calls mitgestaltet werden. Für nähere Informationen siehe Seite 98

378


379

Projekt

Datum


Tickets Der schnellste Weg zu Ihrem Ticket Der Kartenverkauf für die Tangente St. Pölten – Festival für Gegenwarts­ kultur startet bereits am 1. Dezember 2023. Die Einzelpreise finden Sie auf den jeweiligen Seiten der Veranstaltung. Laufend werden weitere Veranstaltun­ gen in Verkauf gegeben und Informatio­ nen zu den Künstler:innen ergänzt. Um immer auf dem neuesten Stand zu sein, abonnieren Sie unseren Newsletter auf tangente-st-poelten.at und folgen Sie uns auf Facebook und Instagram. Online Kaufen Sie Einzeltickets und TangenteFestivalpässe im Online-Ticketshop unter tangente-st-poelten.at und erhal­ ten Sie diese per e-Ticket Service sofort: Print@Home Drucken Sie Ihr Ticket bequem zu Hause aus. Handyticket Zeigen Sie Ihr Ticket di­ gital auf Ihrem mobilen Endgerät vor. Die Bezahlung im Webshop ist mit Kreditkarte (American Express, Diners Club, MasterCard oder Visa) und PayPal möglich. Telefonisch, per E-Mail oder im Kartenbüro* Kartenbüro St. Pölten Rathausplatz 13 3100 St. Pölten E: karten@noeku.at T: +43 2742 90 80 80 600 Mo–Fr jeweils 09:00–17:00 Uhr

380

Kartenbüro Festivalzentrum Linzer Straße 16 und 18 3100 St. Pölten E: tickets@tangente-st-poelten.at geöffnet ab Festivalbeginn tangente-st-poelten.at Kartenbüro Wien Herrengasse 10 1010 Wien Di–Fr jeweils 09:00–17:30 Uhr * sowie in den weiteren NÖKU-TicketsKartenbüros in Baden, Grafenegg, Krems, Melk und Reichenau

Tangente-Festivalpass Tangente30 Kauf von mind. 3 Veranstaltungen 30 % Preisnachlass Tangente50 Kauf von mind. 5 Veranstaltungen 50 % Preisnachlass Ermäßigungen 50 % Ermäßigung alle unter 26 Jahren Menschen mit Behinderungen 20 % Ermäßigung Freunde der Kultur St. Pölten 10 % Ermäßigung Senior:innen Partner:innen und Unterstützer:innen


Hunger auf Kunst und Kultur Kulturpass-Inhaber:innen erhalten je nach Verfügbarkeit freien Eintritt. Nähere Informationen unter hungeraufkunstundkultur.at. Keine Online-Buchung möglich, be­ grenztes Kontingent. Bitte bestellen Sie im Kartenbüro St. Pölten unter +43 2742 90 80 80 600 oder per E-Mail an tickets@tangente-st-poelten.at. Abholung eine halbe Stunde vor Veranstaltungsbeginn.

Tangente-Festivalgutscheine Gutscheine für Veranstaltungen der Tan­ gente sind im Kartenbüro Festivalzent­ rum, bei allen Kooperationspartner:innen sowie online erhältlich. Informationen Auf tangente-st-poelten.at finden Sie Details zu allen Veranstaltungen, zur Barrierefreiheit, zu den Öffnungszei­ ten der Abendkassen, Restkarten, den allgemeinen Geschäftsbedingungen und vielem mehr.

Menschen mit Behinderungen Die im Ausweis eingetragene Begleit­ person erhält eine Freikarte. Folgen Sie uns auch auf Keine Online-Buchung möglich. Bitte Facebook bestellen Sie im Kartenbüro St. Pölten Instagram unter +43 2742 908080 600 oder per E-Mail an tickets@tangente-st-poelten.at. Datenschutz Wir verarbeiten Ihre Daten in der Unter­ Schulklassen nehmensgruppe der NÖ Kulturwirtschaft Schüler:innen im Klassenverband zah­ GesmbH und verwenden diese auch zur len pro Ticket 8 Euro, nach Verfügbar­ Zusendung von Informationen (siehe keit. Reservierung erforderlich unter tangente-st-poelten.at/datenschutz). tickets@tangente-st-poelten.at. Wenn Sie dies nicht wünschen, dann teilen Sie uns das bitte per E-Mail an datenverwaltung@tangente-st-poelten.at Bitte geben Sie Ihre Ermäßigung be­ oder auf andere Art und Weise mit reits bei der Buchung bekannt, eine (Widerspruchsrecht). Wir senden Ihnen Berücksichtigung nach Ticketkauf daraufhin keine Informationen mehr zu. kann nicht mehr erfolgen. Keine weite­ Weitere Informationen finden Sie in unse­ ren Ermäßigungen auf bereits in An­ rer Datenschutzerklärung, die wir Ihnen spruch genommene Rabatte unserer auch gerne zusenden. Kooperationspartner:innen.

381

Tickets


Tickets The fastest way to your ticket Ticket sales for Tangente St. Pölten – Festival for Contemporary Culture will start on 1 December 2023. The individ­ ual prices can be found on the respec­ tive pages of the event. Further events will go on sale on an ongoing basis and information about the artists will be added. To stay up to date, subscribe to our newsletter on tangente-st-poelten.at and follow us on Facebook and Instagram. Online Buy single tickets and Tangente festival passes in our online ticket shop at tangente-st-poelten.at and receive your tickets per e-Ticket Service immediately:

Ticket Office Festival Centre Linzer Straße 16 und 18 3100 St. Pölten E: tickets@tangente-st-poelten.at open from the start of the festival tangente-st-poelten.at Ticket Office Vienna Herrengasse 10 1010 Vienna Tue–Fri 09:00–17:30 * as well as in the other NÖKU ticket offices in Baden, Grafenegg, Krems, Melk and Reichenau

Tangente festival pass Tangente30 Purchase of at least 3 events 30 % discount

Print@Home Conveniently print your ticket at home. Tangente50 Purchase of at least 5 events Mobile ticket Show your ticket digi­ 50 % discount tally on your mobile device. Payment in the webshop is possible by credit card (American Express, Diners Club, MasterCard or Visa) and PayPal. By phone, e-mail or at the ticket office* Ticket Office St. Pölten Rathausplatz 13 3100 St. Pölten E: karten@noeku.at T: +43 2742 90 80 80 600 Mon–Fri 09:00–17:00

382

Discounts 50 % discount everyone under the age of 26 people with disabilities 20 % discount Freunde der Kultur St. Pölten 10 % discount seniors partners and supporters


Hunger auf Kunst und Kultur Kulturpass holders receive free admis­ sion, depending on availability. Further info at hungeraufkunstundkultur.at. Booking online not possible, limited availability. Please order from our sales team at the Ticket Office St. Pölten on +43 2742 90 80 80 600 or by e-mail to tickets@tangente-st-poelten.at. Collection half an hour before the start of the event. People with disabilities The accompanying person listed on the ID card receives a free ticket. Booking online not possible. Please order from the Ticket Office St. Pölten on +43 2742 908080 600 or by e-mail to tickets@tangente-st-poelten.at. School classes Pupils in a class group pay 8 euros per ticket, subject to availability. Booking required via tickets@tangente-st-poelten.at. Please inform us of your discount at the time of booking, it cannot be applied after the ticket has been purchased. No further discounts on discounts already utilised via our cooperation partners.

383

Tickets

Tangente festival vouchers Vouchers for Tangente events are available at the Ticket Office Festival Centre, from all cooperation partners and online. Further information At tangente-st-poelten.at you will find details on all events, accessibility, box office opening hours, remaining tickets. the general terms and conditions and much more. You can also follow us on Facebook Instagram Data protection We process your data within the NÖ Kulturwirtschaft GesmbH corporate group and use it to send you informa­ tion (see tangente-st-poelten.at/daten­ schutz). If you do not wish to receive this information, please send an e-mail to datenverwaltung@tangente-st-poelten. at or by other means (right to object). We will then no longer send you any in­ formation. Further information can be found in our privacy policy, which we will also be happy to send you.


Anreise / Arrival Öffentliche Anreise Im Sinne der Nachhaltigkeit empfehlen wir unseren Besucher:innen wenn mög­ lich eine Anreise mit öffentlichen Ver­ kehrsmitteln und bitten, auf eine Anreise mit dem eigenen PKW zu verzichten. Die Landeshauptstadt St. Pölten liegt zwischen Wien und Linz an der West­ bahn und ist öffentlich mehrmals in der Stunde erreichbar. Mit der Mariazeller­ bahn ist eine stündliche Anbindung über das Pielachtal nach St. Pölten gegeben. Vom internationalen Flughafen WienSchwechat gibt es eine direkte Zugver­ bindung nach St. Pölten (Fahrzeit ca. eine Stunde). Der Bahnhof St. Pölten ist damit hervorragend an das nationale und internationale Schienennetz ange­ bunden. Alle unsere Spielorte sind entweder mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder mit bereitgestellten Shuttles zu erreichen (Infos dazu zu Festivalbeginn auf unse­ rer Homepage). Planen Sie Ihre öffentliche Anreise mit dem VOR-Routenplaner: anachb.vor.at

Informationen zu Tickets und Preisen des öffentlichen Fern- und Nahverkehrs, insbesondere des günstigen Freizeit­ tickets, finden Sie auf: vor.at/tickets/ticketuebersicht

Die Eintrittstickets der Tangente St. Pölten gelten am Tag der Veranstal­ tung in allen Bussen des Stadtverkehrs der Stadt St. Pölten (LUP) als Fahrkarte: st-poelten.at/lup

384

In der Landeshauptstadt mit dem Fahrrad mobil Erreichen Sie die Festivalspielorte vom Hauptbahnhof St. Pölten ausgehend be­ quem mit einem nextbike-Leihrad. Mit einer VOR-Jahreskarte oder einem VORKlimaticket ist die erste Stunde kosten­ los – App downloaden und losradeln: nextbike.at/de/niederoesterreich

Für ausgewählte Veranstaltungen kön­ nen Sie ein nextbike direkt in unserem Onlineshop mitbuchen: tangente-st-poelten.at

Anreise mit dem Auto St. Pölten ist von Wien oder Linz kom­ mend über die Westautobahn A1, Abfahrt St. Pölten Süd und von Krems/ Waldviertel kommend über die S33, Abfahrt St. Pölten Ost erreichbar. Von Mariazell kommend führt Sie die B20 direkt nach St. Pölten.


Travelling by public transport

Mobile by bike in the capital

In the interest of sustainability, we re­ commend our visitors to travel using pu­ blic transportation if possible and kindly ask them to refrain from using private cars.

Reach the festival venues conveniently from St. Pölten main station with a next­ bike rental bike. The first hour is free with a VOR annual pass or a VOR clima­ te ticket – download the app and start cycling:

The provincial capital St. Pölten is situa­ ted between Vienna and Linz on the Westbahn rail line, with frequent public transportation connections throughout the day. St. Pölten is also accessible via the Mariazell Railway, providing an hour­ ly connection through the Pielachtal val­ ley. A direct train connection from Vienna-Schwechat International Airport to St. Pölten is available, with a travel time of approximately 1 hour. The St. Pölten train station is excellently con­ nected to both national and internatio­ nal rail networks. All our venues are accessible either by public transportation or through provi­ ded shuttles (information available on our website at the beginning of the festi­ val). Plan your public journey with the VOR route planner: anachb.vor.at

Information on tickets and prices for long-distance and local public transport, in particular the inexpensive Freizeit­ ticket, can be found at: vor.at/en/tickets/ticket-overview

Tangente St. Pölten admission tickets are valid on the day of the event on all St. Pölten city transport buses (LUP) as public transport tickets: st-poelten.at/lup

385

Anreise / Arrival

nextbike.at/en/niederoesterreich

For selected events, you can also book a nextbike directly in our online shop: tangente-st-poelten.at

Travelling by car St. Pölten can be reached from Vienna or Linz via the A1 Westautobahn, exit St. Pölten Süd, and from Krems/Wald­ viertel via the S33, exit St. Pölten Ost. Coming from Mariazell, the B20 federal highway will take you directly to St. Pölten.


St. Pölten Hauptstadtregion St. Pölten

Nicht zu groß und nicht zu klein

Fast 40 Jahre nach der Wahl zur Landeshauptstadt hat St. Pölten sein Profil geschärft: Eine lebendige Kunstund Lokalszene, spannende Geschäfte in der Altstadt und eine aufblühende Gastronomie erwarten die Gäste. Kilometerlange Radwege, grüne Oasen und einladende Einkehrmöglichkeiten sorgen für Erholung mitten in der Stadt. Und all das eingebettet in Barock-, Jugendstil- und moderne Architektur sowie in eine lebendige Kunst- und Kulturszene. St. Pölten präsentiert sich somit als attrak­ tives städtisches Reiseziel, umgeben vom vielseitigen Mostviertel und nahe der Wachau.

Alle Infos über St. Pölten unter stpoeltentourismus.at

386

Foto: Rupert Pessl

St. Pölten vibriert, ist mal ganz frech laut, kann aber auch leise. Vor allem aber hat sich St. Pölten entwickelt – zu einer offenen und kulturell breit aufgestellten soge­ nannten Mittelstadt, die nicht zu groß und nicht zu klein ist. Eine Stadt, die über das Jahr gesehen ganz schön was aufführt: zum Beispiel Premieren, Tanz oder Theater. Und auch Livekonzerte in allen denkbaren Formationen und Größen sowie Festivals feiert die Stadt, wie es sich gehört.


Foto: Rupert Pessl

St. Pölten: not too big and not too small Almost 40 years after being elected federal state ca­ pital, St. Pölten has sharpened its profile: a lively art scene and nightlife, exciting shops in the old town and a flourishing gastronomy await its guests. Kilometres of cycle paths, green oases and inviting places to stop for refreshments ensure relaxation in the heart of the city. And all of this is embedded in baroque, art nou­ veau and modern architecture as well as in a lively art and cultural scene. St. Pölten thus presents itself as an attractive urban destination, surrounded by the diverse Mostviertel region and close to the Wachau. St. Pölten vibrates, is sometimes cheekily loud, but can also be quiet. Above all, however, St. Pölten has deve­ loped into an open and culturally diverse mediumsized city that is neither too big nor too small. A city that puts on quite a show throughout the year: For example premieres, dance or theatre. The city also celebrates live concerts in every conceivable format and size, as well as festivals, just as it should be. All information about St. Pölten at stpoeltentourismus.at/en

387

St. Pölten


Die Hauptstadtregion St. Pölten Hauptstadtregion St. Pölten

Mit dem Festival für Gegenwartskultur Tangente St. Pölten erfährt die Landeshauptstadt eine signi­ fikante kulturelle Stärkung. Somit werden kulturtou­ ristische Vernetzungen und Kooperationen möglich, die bis weit in die Region rund um St. Pölten reichen – in die Hauptstadtregion. Diese umfasst Städte, Gemeinden The St. Pölten capital region und Gebiete rund um St. Pölten, die sich aktiv und mit einem With the Tangente St. Pölten, the federal qualitativ hochwertigen Kultur­ state capital is experiencing a signifi­ programm am kulturtouristischen cant cultural boost. This will enable cul­ Angebot beteiligen. In erster Linie tural tourism networks and cooperations sind das das Pielachtal und das that reach far into the region around St. Pölten – into the so-called capital Weinland Traisental. Aber bei­ spielsweise auch die Schallaburg region. im Melker Alpenvorland, das Stift It encompasses cities, municipalities Lilienfeld im Traisen-Gölsental and districts around St. Pölten that ac­ oder Stift Göttweig am Rande der tively participate in cultural tourism with Wachau zählen dazu. a high-quality cultural programme. hauptstadtregion.at

These are primarily the Pielachtal and the wine region Traisental. But they also include Schallaburg castle in the Melk Alpenvorland, Lilienfeld abbey in the Traisen-Gölsental and Göttweig abbey on the edge of the Wachau. hauptstadtregion.at

388


Foto: Marcus Wiesner

389

Die Hauptstadtregion St. Pölten


Kulinarik & Unterkünfte Hauptstadtregion St. Pölten

Feste für Feinschmecker:innen

Unterkünfte

Genießer:innen werden in St. Pölten und der Hauptstadtregion auf der Suche nach kulinarischen Wow-Erlebnissen garantiert fündig. Ob Dorfgasthaus oder Haubenlokal – großer Wert wird auf au­ thentischen regionalen Genuss gelegt.

Auch die Übernachtungsmöglichkeiten sind vielfältig: Vom idyllischen Bauern­ hof bis hin zum erstklassigen Hotel fin­ den alle Urlaubsgäste in St. Pölten und der Hauptstadtregion die passende Un­ terkunft zum Ankommen, Wohlfühlen und Genießen.

In St. Pölten finden sich unterschied­ liche Geschmacksrichtungen auf den Tellern der zahlreichen Restaurants, Kaffeehäuser und Gaststätten wieder.

Erholsame Nächte in St. Pölten:

stpoeltentourismus.at/ essentrinken

Die Dirndln sind in der regionalen Gastronomie des Pielachtals ein wichtiger Bestandteil, der den Gerichten eine besondere Note verleiht. pielachtal.info/ pielachtaler-wirte

Ein Dach über dem Kopf im Traisental: traisental.at/ alle-unterkuenfte-3

Im Weinland Traisental laden neben Heurigenbetrieben etwa das Hauben­ lokal Gasthaus Nährer und viele andere Wirtshauskulturbetriebe zu köstlichen Speisen mit hervorragender Weinbe­ gleitung. traisental.at/ weinstrasse-gastro

stpoeltentourismus.at/ unterkuenfte

Übernachten im Pielachtal: pielachtal.info/ alle-unterkuenfte-2

Regionale Küche für Entdecker:innen Das kulinarische Angebot in und rund um St. Pölten ist so groß, dass die Auswahl schwerfällt. Hilfreich ist das Prädikat „Nieder­ österreichische Wirtshauskultur“: Diese Wirtshäuser gelten als innovative Vorreiter in der Gastronomie, hier wird Traditionelles gepflegt und mutig neu interpretiert. wirtshauskultur.at

390


Foto: Carletto Photography

Feasts for gourmets

Accommodation

Gourmets in search of culinary wow ex­ periences are guaranteed to find what they are looking for in St. Pölten and the capital region. Whether village inn or award-winning restaurant – great em­ phasis is placed on authentic regional flavours.

The accommodation options are also varied: from idyllic farms to first-class hotels, all holiday guests in St. Pölten and the surrounding region will find the right accommodation to settle in, unwind and indulge.

In St. Pölten, different flavours can be found on the plates of the numerous restaurants, cafés and taverns. stpoeltentourismus.at/en/ food-drinks

A roof over your head in the Traisental:

Spend the night in the idyllic Pielachtal: pielachtal.info/ alle-unterkuenfte-2

Regional cuisine for explorers

Dirndln are an important part of the regional gastronomy of the Pielachtal, giving the dishes a special flavour. pielachtal.info/ pielachtaler-wirte

stpoeltentourismus.at/en/ accommodations-in-st-poelten

traisental.at/ alle-unterkuenfte-3

In the Traisental wine region, in addition to Heurige (wine taverns), the award-winning Gasthaus Nährer and many other restaurants offer delicious food with excellent wine pairing. traisental.at/ weinstrasse-gastro

Restful nights in St. Pölten:

The culinary offerings in and around St. Pölten are so extensive that it is difficult to choose. The „Niederösterreichische Wirts­ hauskultur“ (Lower Austrian tavern culture) label is helpful: these restaurants are regard­ ed as innovative pioneers in the gastronomy sector, where the traditional is cultivated and boldly reinterpreted. wirtshauskultur.at

391

Kulinarik & Unterkünfte


Das Weinland Traisental Hauptstadtregion St. Pölten

Ganz nah an Kultur und Wein

Nur wenige Minuten vom St. Pöltner Stadtzentrum liegt das Weinland Trais­ ental. Es bietet eine einzigartige Kombi­ nation aus hochwertigen Weinen, einer lebendigen Kulturszene und einer schö­ nen Landschaft.

tals findet sich eine lebendige Kunstund Kulturszene. Die kulturelle Vielfalt der Region mit Galerien, Museen und dem Stift Herzogenburg bietet Besuch­ er:innen die Möglichkeit, Neues kennen­ zulernen. Die hochkarätig besetzten Kulturveranstaltungen wie die Konzerte Verantwortlich für den Wein sind auf­ in Schloss Walpersdorf und Schloss strebende Winzer:innen, die authen­ Thalheim, der Kultursommer Traismauer, tische, hochprämierte Weine erzeugen. die Sommerspiele Schloss Sitzenberg Die Böden im Traisental sind sehr unter­ oder die Kleinkunstbühne Zwentendorf schiedlich, was zu einer großen Vielfalt sind weithin bekannt. führt: Von leichten Weißweinen über kräftige Rotweine bis hin zu Süßweinen Dass die Winzer:innen am Puls der Zeit ist alles dabei. Kellergassenfeste, Sturm­ sind, zeigt sich in spannenden Koopera­ tage, Winzerkirtage, der Wölblinger tionen wie den Mostviertler Feldver­ Weinblick und der Weinfrühling im suchen sowie bei zahlreichen innovaWeinland Traisental sind beliebte tiven Events wie dem Fusion Heurigen. Veranstaltungen, bei denen man die traisental.at Winzer:innen persönlich treffen und ihre Weingüter kennenlernen kann. Bei vielen von ihnen gilt mehrmals jährlich „Ausg’steckt is’“ – der Heurige ist offen. Zwischen den Weinrieden, sanften Hügeln und kleinen Dörfern des Traisen­

392


Foto: Marcus Wiesner

The wine region Traisental: close to culture and wine

Nestled between the vineyards, rolling hills and small villages of the Traisental you will find a lively art and culture Just a few minutes from the city center scene. The cultural diversity of the re­ of St. Pölten lies the wine region of gion with galleries, museums and Her­ Traisental. It offers a unique combination zogenburg abbey offers visitors the of high-quality wines, a lively cultural opportunity to discover new experienc­ scene and a beautiful landscape. es. The top-class cultural events such as the concerts in Walpersdorf castle Responsible for the wines are up-andand Thalheim castle, the Traismauer coming winemakers who produce au­ Summer of Culture, the Sitzenberg cas­ thentic, award-winning wines. The soils tle Summer Festival or the Kleinkunst­ in the Traisental are very diverse, result­ bühne Zwentendorf cabaret theatre are ing in a great variety: From light white widely known. wines to strong red wines to sweet wines, everything is on offer. Cellar lane The fact that the winegrowers have their festivals, Sturmtage, Winzerkirtage, the finger on the pulse of the times is Wölblinger Weinblick and the spring demonstrated by exciting cooperations event Weinfrühling are popular events such as the Mostviertler Feldversuche where you can meet the winegrowers in and numerous innovative events such person and get to know their wineries. as the Fusion Heurigen. For many of them the call “Ausg’steckt is’” sounds several times a year – mean­ traisental.at/english ing the Heurige is open.

393

Das Weinland Traisental


Das Pielachtal Hauptstadtregion St. Pölten

Foto: Lisa Thoma

Malerische Kulturlandschaft im Mostviertel

Eine Abwechslung zum Alltag bietet das Pielachtal, das nur einen Sprung von St. Pölten entfernt ist. Dieser Ort ist ein echtes Juwel für alle, die Natur und Out­ door-Aktivitäten lieben, und perfekt für Wanderungen oder vielseitige Ausflüge. Das Pielachtal ist vor allem für die Dirndln bekannt. Damit sind nicht die Trachten gemeint, sondern die einzigar­ tigen Kornelkirschen. Die leuchtend roten Wildfrüchte sind hier nicht nur ein Symbol für eine facettenreich gestaltete Kulturlandschaft, sondern prägen auch Events: Neben Dirndlernte-Wanderun­ gen im September bieten Wanderungen mit den Pielachtaler Naturvermittler:in­ nen während der Dirndlblüte interes­ sante Einblicke in die Vielfalt des „Dirndltals“, wie die Region oftmals liebevoll genannt wird. Der Pielachtaler

394

Dirndlkirtag und die Dirndltaler Erlebnis­ wochen vermitteln einen authentischen Einblick in die die facettenreiche Welt der Dirndl sowie die lokale Handwerks­ kunst und Kultur. Eine weitere Attraktion im Pielachtal ist Österreichs längste Schmalspurbahn: Seit über 125 Jahren fährt die Maria­ zellerbahn durch das Tal. Sie sorgt für eine komfortable und umweltschonende Reise von St. Pölten bis Mariazell, einen der bedeutendsten Wallfahrtsorte Ös­ terreichs, und zurück. Dank der zahl­ reichen Haltestellen im Pielachtal sind auch die verschiedenen Veranstaltun­ gen der Kulturregion Pielachtal bequem mit der Bahn erreichbar. pielachtal.info


The Pielachtal: a picturesque cultural landscape in the Mostviertel region

The Pielachtal is known above all for the Dirndln. This is not referring to the tradi­ tional clothing, but the unique cornelian cherries. The bright red wild fruits are not only a symbol of the multifaceted cultural landscape here, but also play a key role in events: In addition to Dirndl harvest hikes in September, guided walks with the Pielachtal nature media­ tors throughout the Dirndl blossom sea­ son offer interesting insights into the diversity of the “Dirndl Valley”, as the re­ gion is often affectionately called. The Pielachtal Dirndlkirtag and the “Dirndl Valley Experience Weeks” provide an authentic insight into the multifaceted world of the Dirndl as well as local craftsmanship and culture. Another attraction in the Pielachtal is Austria’s longest narrow-gauge railway: the Mariazellerbahn has been running through the valley for over 125 years. It provides a comfortable and environ­ mentally friendly journey from St. Pölten to Mariazell, one of Austria’s most im­ portant places of pilgrimage, and back. Thanks to the numerous stops in the Pielachtal, the various events of the Pie­ lachtal cultural region are also easily ac­ cessible by train. mostviertel.at/en/ pielachtal-pielachtal-valley

395

Das Pielachtal

Foto: Lisa Thoma

The Pielachtal, which is just a stone’s throw from St. Pölten, offers a change from everyday life. This place is a real gem for anyone who loves nature and outdoor activities, perfect for hikes or a variety of day trips.


Alle Ausstellungen auf einer Karte:

Gültigkeit: 2024 (1.1.– 31.12.)*

Ehemalige Synagoge KinderKunstLabor Museum am Dom Museum Niederösterreich Stadtmuseum St. Pölten 396

€18,-



STUDIERE AN DER NEW DESIGN UNIVERSITY BACHELOR STUDIENGÄNGE ■ Management by Design ■ Event Engineering ■ Design, Handwerk & materielle Kultur ■ Grafik- & Informationsdesign ■ Innenarchitektur & 3D Gestaltung

walk & tnadu.alck.at in fo @

MASTER STUDIENGÄNGE ■ Innenarchitektur & visuelle Kommunikation ■ Management by Innovation

MEHR INFOS UNTER NDU. AT

Die New Design University ist die Privatuniversität der Wirtschaftskammer NÖ und ihres WIFI


Energie. Wasser. Leben.

Kunst & Kultur Wir fördern Kunst und Kultur aus Niederösterreich für Niederösterreich. Mehr auf evn.at.


Wir stehen auf Kultur.

Kultur ist systemrelevant. Darum fördert die Wiener Städtische künstlerische Vielfalt und den kulturellen Dialog mit Künstler:innen, Kund:innen und Unternehmen.

#einesorgeweniger Wir unterstützen das.


Tickets ab sofort auf festwochen.at

Halle E im MuseumsQuar tier


Vienna International Dance Festival

11. Juli –11. August 2024

Mit Performances und Installationen von William Forsythe, Anne Teresa De Keersmaeker / Rosas, William Kentridge, Dada Masilo und vielen mehr



DEZ 23 BIS SEPT 24 PREMIEREN

Der Menschenfeind

von Molière Inszenierung Dominic Oley Bis Sa 13.01.24

Kasimir und Karoline von Ödön von Horváth Inszenierung Moritz Franz Beichl Bis Do 18.01.24 Uraufführung

Die größere Hoffnung

von Ilse Aichinger Inszenierung Sara Ostertag Bis Sa 02.03.24

Tschick

von Wolfgang Herrndorf Inszenierung Mira Stadler Premiere Do 11.01.24

Der Prozess

von Franz Kafka Inszenierung Jonathan Heidorn Premiere Sa 20.01.24

Orpheus oder Die Sprache der Liebe

nach Ovid, Monteverdi, Shakespeare und anderen Inszenierung Sebastian Schimböck Premiere Fr 23.02.24

Die Troerinnen

von Euripides Inszenierung Sláva Daubnerová Premiere Fr 01.03.24

Die Physiker

von Friedrich Dürrenmatt Inszenierung Kriszta Székely Premiere Sa 20.04.24

Alfa Romeo und die elektrische Giulietta

von Wunderbaum Inszenierung Wunderbaum Premiere Sa 11.05.24 In Kooperation mit Tangente St. Pölten Uraufführung

Maria Stuart

Nach Friedrich Schiller In einer Bearbeitung von Amir Reza Koohestani und Mahin Sadri Inszenierung Amir Reza Koohestani Premiere Fr 13.09.24 In Kooperation mit Tangente St. Pölten GASTSPIELE

Österreich-Premiere

Das Weinen (Das Wähnen) nach Texten von Dieter Roth Inszenierung Christoph Marthaler Gastspiel Schauspielhaus Zürich / Weiterspielen Productions Fr 26.01. & Sa 27.01.24

Österreich-Premiere

Darwin’s Smile

von und mit Isabella Rossellini Inszenierung Murielle Mayette-Holtz Gastspiel einer Produktion von Théâtre National de Nice – CDN Nice Côte d’Azur Fr 02.02. & Sa 03.02.24 Österreich-Premiere

Einer flog über das Kuckucksnest

Inszenierung Leander Haußmann Gastspiel RambaZamba Theater Do 07.03. & Fr 08.03.24 Österreich-Premiere

Mothers: A Song for Wartime

von Marta Górnicka Inszenierung Marta Górnicka Gastspiel The Chorus of Women Foundation Mi 05.06. & Do 06.06.24 In Kooperation mit Tangente St. Pölten Österreich-Premiere

Jail Rock

Inszenierung Lola Arias Gastspiel Lola Arias Company Do 19.09. und Fr 20.09.24 In Kooperation mit Tangente St. Pölten Reservieren Sie Ihre Karten und Abos unter: www.landestheater.net


AILEY II: Alvin Ailey . Francesca Harper . Robert Battle © Nir Arieli

„Dieser Tanz gehört der Welt und die Welt gehört allen.“ UNBEKANNT


kultur tangiert uns! Sa, 04. Mai, 22.00 Alien Disko von & mit The Notwist

Foto ©

Atelie

r S chu

lte

Fr, 07. Juni, 17.30 & 20.30 Sisters United. Gegen Gewalt an Frauen*

Linzer Straße 18 | 3100 St. Pölten |

Zum ganzen Programm der Bühne im Hof


Eröffnung KinderKunstLabor Mit dem KinderKunstLabor eröffnet ein einzigartiges Ausstellungshaus für zeitgenössische Kunst in St. Pölten, das sich an ein junges Publikum richtet und in Zusammenarbeit mit diesem gestaltet wird.

kinderkunstlabor.at

KINDER KUNST LABOR


steirischerherbst’24 steirischerherbst’24 steirischerherbst’24 steirischerherbst’24 steirischerherbst’24 steirischerherbst’24 steirischerherbst’24 steirischerherbst’24 steirischerherbst’24 steirischerherbst’24 steirischerherbst’24 19.9.–13.10.24 www.steirischerherbst.at


Kre m s Au s t r i a

April 19–21 & 26–28 2 0 2 4

do n au festi va l .a t


Fördergeber:innen / Public Sponsors

Sponsor:innen / Sponsors

Mobilitätspartner:innen / Mobility Partners

Medienpartner:innen / Media Partners

410


Kooperationen / Cooperations

Vienna International Dance Festival

411

Dank Partner:innen


Team Leitungsteam / Executive Team Tarun Kade Kuratorische Leitung / Curatorial Director Angelika Schopper Operative Geschäftsführung / Managing Director Stefan Mitterer Kaufmännische Geschäftsführung / Financial Director Ines Müller Assistenz der Geschäftsführung / Assistant to the Managment Kurator:innen-Team / Curatorial Team Stadtprojekte Muhammet Ali Baş Kurator und Vermittler Stadtprojekte / Curator and Community Outreach Stadtprojekte Magdalena Chowaniec Kuratorin und Vermittlerin Stadt­ projekte / Curator and Community Outreach Stadtprojekte Andreas Fränzl Kurator Stadtprojekte / Curator Stadtprojekte Bildende Kunst / Fine Arts Joanna Warsza Kuratorin Bildende Kunst / Curator Fine Arts

412

Lorena Moreno Vera Associate Curator Fine Arts Constanze Eiselt, Andreas Fränzl, Angelika Schopper Musik / Music Thomas Trabitsch Vermittlung / Community Outreach Produktion / Production Verena Schäffer Gesamtleitung Produktion / Head of Production Ala Glasner Produktionsleitung Bildende Kunst / Production Management Fine Arts Claire Granier-Blaschke Produktionsleitung Darstellende Kunst / Production Management Performing Arts Anna Sonntag Produktionsleitung Stadtprojekte / Production Management Stadt­ projekte Marlies Eder Projektkoordination Stadtprojekte / Project Coordination Stadtprojekte Franziska Winkler Produktionsleitung Ausstellung „Blick in den Schatten“ / Production Management Exhibition “Blick in den Schatten” Michael Lahner Produktion Musik, Bildende Kunst / Production Music, Fine Arts


Katharina Stocker Produktionsassistenz / Production Assistant Kommunikation / Communication Erwin Klinglhuber Leitung Marketing & Kommunika­ tion / Head of Marketing & Commu­ nication Cornelia Ritzer Leitung Presse & Öffentlichkeits­ arbeit / Head of Press and PR Agatha Szostak Stellvertretende Leitung Marke­ ting / Associate Head of Marketing Andreea Dósa Online Marketing / Online Marketing Julia Feldmann Online Marketing / Online Marketing Christoph Hausner Online Marketing / Online Marketing Benedikt Wolfsberger Online Marketing / Online Marketing Vanja Savic Marketing

Mine Bayazit Assistenz der kuratorischen Leitung / Assistance to Curatorial Director Sonja Wieser-Zippe Office Management / Office Management Technik / Technical Department Reinhard Hagen Technische Beratung / Technical Consultant Philipp Sedlacek Technische Koordination / Technical Coordination Harald Godula Godula Ges.m.b.H. Norbert Chmel LDE Vienna GmbH. Künstlerischer Beirat / Artistic Advisory Board Constanze Eiselt Festspielhaus St. Pölten Bettina Masuch Festspielhaus St. Pölten

Angelika Starkl Marketing Susanne Haider Art Phalanx - Kultur und Urbanität

413

Organisation / Organisation

Team

Marie Rötzer Landestheater Niederösterreich


Spiel- und Ausstellungsorte / Venues Festivalzentrum Tangente St. Pölten Linzer Straße 16 und 18 3100 St. Pölten T: +43 2742 90 80 80 600 E: office@tangente-st-poelten.at tangente-st-poelten.at

Freiraum St. Pölten Herzogenburger Straße 12 3100 St. Pölten T: +43 2742 90 80 80 600 E: tickets@tangente-st-poelten.at freiraum.at

Bühne im Hof Linzer Straße 18 3100 St. Pölten T: +43 2742 90 80 50 580 E: office@buehneimhof.at buehneimhof.at

Jahnturnhalle Jahnstraße 15 3100 St. Pölten T: +43 2742 90 80 80 600 E: tickets@tangente-st-poelten.at tangente-st-poelten.at

Cinema Paradiso Rathausplatz 14 3100 St. Pölten T: +43 2742 21400 E: office@cinema-paradiso.at cinema-paradiso.at

KinderKunstLabor Altoona Park, Schulring 24 3100 St. Pölten T: +43 2742 41 701 E: willkommen@kinderkunstlabor.at kinderkunstlabor.at

Domplatz und Dom zu St. Pölten Domplatz 1 3100 St. Pölten T: +43 2742 90 80 80 600 E: tickets@tangente-st-poelten.at dsp.at

Landestheater Niederösterreich Rathausplatz 11 3100 St. Pölten T: +43 2742 90 80 60 665 E: karten@landestheater.net landestheater.net

Ehemalige Synagoge St. Pölten Dr.-Karl-Renner-Promenade 22 3100 St. Pölten T: +43 2742 77 171 E: info@ehemalige-synagoge.at ehemalige-synagoge.at

Museum am Dom Domplatz 1 3100 St. Pölten T: +43 2742 324 335 E: museum@dsp.at museumamdom.at

Festspielhaus St. Pölten Kulturbezirk 2 3100 St. Pölten T: +43 2742 90 80 80 600 E: karten@festspielhaus.at festspielhaus.at

Museum Niederösterreich Haus der Geschichte / Haus für Natur Kulturbezirk 5 3100 St. Pölten T: +43 2742 90 80 90 E: info@museumnoe.at museumnoe.at

414


Saal der Begegnung Gewerkschaftsplatz 2 3100 St. Pölten T: +43 2742 90 80 80 600 E: tickets@tangente-st-poelten.at tangente-st-poelten.at Sonnenpark Solektiv – Verein für Kunst, Kultur und Natur Spratzerner Kirchenweg 81–83 3100 St. Pölten T: +43 2742 90 80 80 600 E: tickets@tangente-st-poelten.at solektiv.at Stadtmuseum St. Pölten Prandtauerstraße 2 3100 Sankt Pölten T: +43 2742 333 2640 E: office@stadtmuseum-stpoelten.at stadtmuseum-stpoelten.at Ehemalige Spinnerei, Turbinenhalle und Villa am Glanzstoff-Gelände Herzogenburger Straße 69 3100 St. Pölten T: +43 2742 90 80 80 600 E: tickets@tangente-st-poelten.at glanzstoff-events.at Und viele mehr …

415

Spiel- und Ausstellungsorte


Impressum Medieninhaber (Verleger) NÖ Kulturlandeshauptstadt St. Pölten GmbH Ludwig Stöhr-Straße 7 3100 St. Pölten, Österreich Für den Inhalt verantwortlich Tarun Kade, Stefan Mitterer, Angelika Schopper Autor:innen Solmaz Khorsand, Markus Müller Redaktion Tarun Kade, Markus Müller Cornelia Ritzer, Verena Schäffer, Angelika Schopper Projektleitung Comrades GmbH / Bernhard Frena Lektorat und Übersetzung Comrades GmbH Grafik DOUBLE STANDARDS / Quang Ngyuen, Chris Rehberger, Stefanie Schwarzwimmer Coverfotos Arch McLeish (vo.), Taisuke Tsurui (hi.) Fotos siehe Bildcredits Bildredaktion Comrades GmbH / Doris Klimek Redaktionsschluss November 2023 Terminänderungen bleiben vorbehalten. Für Druckund Satzfehler wird keine Haftung übernommen. Hersteller, Herstellungs- und Erscheinungsort Ferdinand Berger & Söhne Ges.m.b.H. Wienerstraße 80, 3580 Horn

202223021

Unbenannt-1 1

416

Das Österreichische Umweltzeichen für Druckerzeugnisse, UZ 24, UW 686 Ferdinand Berger & Söhne GmbH.

07.07.2009 13:28:58



Festival für Gegenwartskultur 30.4.–6.10.2024


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.