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VAST AIRE | DETROIT GRAND PUBAHS | BOUROULLEC | TO ROCOCO ROT | PÖNKRÖCK REVISITED | ALTER EGO | 354 REVIEWS

MAI 2004. EUR 2.80 / Schweiz: SFR 5,50 MUSIK MEDIEN KULTUR SELBSTBEHERRSCHUNG

10 ALTER EGO

Die Frankfurter Elder Statesmen des Techno entdecken dank frisch eingerissener Genregrenzen den Spaß an ihrer Musik wieder. Rocksplitter? New Wave-Funk? Alter Ego so jung wie nie.

29 CARHARTT

Carhartt ist seit jeher die erste Wahl für alle, die gut gekleidet, aber keine Fashion-Victims sein wollen. Sowas passiert nicht von alleine. Unser Report aus der Firmenzentrale in Düsseldorf.

FOTO: NOSHE

Carl Craig ist ihr größter Fan. "Throbbing Gristle", Ende der 70er Begründer der Industrial-Musik, sind ein unbezweifelbarer Fixstern am Techno-Referenzhimmel. Jetzt gibt's den Beweis im Remix.

MONATSZEITUNG FÜR ELEKTRONISCHE LEBENSASPEKTE

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11 THROBBING GRISTLE

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PUBS, CLUBS & SCHNAPS THE STREETS “Original Pirate Material” war 2002 das Album, das völlig unerwartet vom Himmel fiel. Mit dem Nachfolger “A Grand Don’t Come For Free” findet Mike Skinner aka The Streets aber noch eine Menge mehr Stories und Beat-Styles aus der Bordstein-Perspektive des britischen Alltags. Seite #13

25

WUNSCH NACH SICHERHEIT / Krieg um die Anonymität Datenschutz ist heute ähnlich unfunky wie Müsli aus esoterischem Landbau. Zwar bekommt die neueste Abhörstatistik noch ein paar Meldungen auf Seite 6 in der Tagespresse und der Leser grummelt pflichtschuldig: "So eine Sauerei." Aber die Verwendung der persönlichen Daten gilt inzwischen gemeinhin als unkontrollierbar. Dabei geht der große Datenbuhei gerade erst richtig los, von der knorke digitalen Geschäftsidee bis zum ersten Quartalsgewinn vergehen ja auch ein paar Jährchen. Schuld an dieser Misere sind auch die doofen Datenschützer selbst, denn die können sich in der Regel weder klar artikulieren und

schon gar nicht identitätsstiftend einkleiden. Aber auch die gemeinen Datensammler und Großen-Brüder-Böslinge legen ihre Allmachtsphantasie-Projekte so an, dass sie schwer zu durchschauen und zu vermitteln sind. Das typische Datenschutzproblem kommt daher en Detail schrecklich kompliziert, im Ergebnis verwirrend nichtssagend und in der Konsequenz für das Individuum auch schon egal daher. Genauso verhält es sich auch in der Affäre um die gesammelten Daten europäischer Flugreisender, die die USA im Fall einer US-Einreise verlangen. Ab Seite 25 wird die Machete im Gestrüpp aus Paranoia, Hinterzimmerabsprachen und EU-Dummheit zum Einsatz gebracht.

14 GRIME

06 STREET ART DIGITAL

24 RJD2

MUSIK

KULTUR

MEDIEN

ERLEND ØYE …..……............................................................................<SEITE#03>

MUSIKCLIPS: N.E.R.D. & THE STREETS.......................................<SEITE#04>

BILDERKRITIKEN............................................................................<SEITE#04>

SMASH TV............................................................................................<SEITE#08> MOUSE ON MARS AUSTELLUNG............................................... <SEITE#05>

GADGETS: MP3 AM ARM UND PLATTEN IM KANISTER...............<SEITE#12>

DJ BAILEY.............................................................................................<SEITE#14>

MODE: LESEN MACHT SCHÖN...................................................<SEITE#30>

MUSIKTECHNIK: FINAL SCRATCH / TRACKTION....................<SEITE#23>

PETE ROCK..........................................................................................<SEITE#16>

KUNST: SUSE WEBER..................................................................... <SEITE#32>

KINO: MICHEL GONDRYS “ETERNAL SUNSHINE”..................<SEITE#34>

RICHARD BARTZ……….…....................................................................<SEITE#22>

GAMESDESIGN: ERNEST ADAMS............................................... <SEITE#35>

GAMES: HARVEST MOON............................................................<SEITE#34>

London hat eine neue Szene, Dizzee Rascal ist ihr erster Majorstar. Trupps von minderjährigen MCs und Produzenten stehen in der Ghetto-Gosse bereit, ihm hinterherzueifern. Mit Debug mittenrein.

Die französischen Designer 123klan haben die Sprühdose mit dem Rechner vertauscht. Taggen kann man schließlich ebensogut mit Flash wie an der Wand. Digitales Design aus dem Geiste von Graffiti.

Der Super-Sympathisant aus dem Definitive-JuxCamp hat sein zweites Album fertig gestellt und sich dabei im Formulierten gefunden. Mittels schlauer Sample-Musik schraubt RJD2 den Rock auf Pop.


ARBEIT, JAWOHL

JESUS GOT A MOTORWAY

IMPRESSUM DEBUG Verlags GmbH Brunnenstr. 196, 10119 Berlin Email Redaktion: debug@de-bug.de Anzeigenleitung: marketing@de-bug.de Abo: abo@debugOS.de Fon: 030.28384458, Fax: 030 2838 4459 Herausgeber: Alexander Baumgardt, Mercedes Bunz, Jörg Clasen, Jan Rikus Hillmann, Sascha Kösch, Fee Magdanz, Riley Reinhold, Anton Waldt, Benjamin Weiss Redaktion: Mercedes Bunz (mrs.bunz@de-bug.de), Thaddeus Herrmann (thaddi@de-bug.de), Jan Joswig (janj@de-bug.de), Karen Khurana (karen@debug.de), Sascha Kösch (bleed@de-bug.de), Sven von Thülen (sven.vt@debugOS.de), Clara Völker (caynd@de-bug.de) Redaktionspraktikanten: Arne Linde, Natascha Kutusow Reviewredaktion: Sascha Kösch (bleed@de-bug.de), Jan Ole Jöhnk (janole@debug-digital.de) Bildredaktion: Ole Brömme (ole@de-bug.de), Viviana Tapia (viviana@de-bug.de) Redaktion Wien: Anton Waldt (waldt@debug-digital.de) Redaktion Lüneburg: Heiko H. Gogolin (heiko@pingipung.de), Nils Dittbrenner (nils@pingipung.de) Texte: Anton Waldt, Pat Kalt, Stefan Heidenreich, Verena Dauerer, Annett Jaensch, Karen Khurana, Sven von Thülen, Sascha Kösch, Nils Dittbrenner, Thaddeus Herrmann, Patrick Bauer, Heiko Gogolin, Jan Simon, Eric Mandel, Ekrem Aydin, Multipara, Ulrich Gutmair, Sami Khatib, Felix Denk, Martin Sachwitz, Jutta Voorhoeve, Robert Glashüttner, Viviana Tapia, Orson, Uh-Young Kim, Jan Simon, Jan Freitag, Ran Huber, Johanna Grabsch, Christian Fussenegger, Heike Lüken, Mercedes Bunz, Clara Völker, Manuel Falkenberg, Arne Linde, Benjamin Weiss, Mario Sixtus, Christian Fussenegger Fotos: Kai von Rabenau, Noshe, Oliver Kilig, Anna Lamprecht, Amy Pierce, Thaddeus Herrmann, Sibylle Fendt, Miro Zagnoli/Vitra, Grzegorz Korczak

A BETTER TOMORROW / Für ein besseres Morgen TEXT

BILD

ANTON WALDT | WALDT@QUINTESSENZ.AT

Wenn die Orakel auf einen Klönschnack vorbeikommen und dabei zufällig auch in die Gedärme von Nachbars Katze gucken, dann sagen sie wahrscheinlich, dass viele Menschen dieser Tage reicher und dicker, aber nicht zufriedener werden. Danach wollen sie natürlich wissen, wo man dieses nichtsaftelnde Pizzarädchen her hat und ob man den schicken Schafswollpulli bügeln kann und dann ignorieren sie beharrlich die Frage, ob die Nippel von Schaufensterpuppen wirklich größer werden und das alles schon Teil der ultraneuen Oberflächlichkeit ist oder aber nur eine Projektion des von der ultraneuen Oberflächlichkeit nachhaltig irritierten Gastgebergehirns. Nach so einer Enttäuschung lädt man die Orakel bestimmt lange nicht mehr ein. Schließlich machen andere den Job auch schlecht. Zum Beispiel die Frankfurter Tante, die doch glatt auf die obligatorische, Reiselust und Appetit anregende Frühlingsromanze verzichtet und behauptet, Pop wäre jetzt eine Rentneraffaire. Wir haben es schon mal gesagt, wir

haben es beharrlich wiederholt und wir scheuen uns nicht, es noch mal zu sagen, bis sich endlich was tut: Die Kinder sind schuld, weil sie nicht in Ordnung sind. Sich einfach vom Internet, der gottverdammten Zufriedenheit, Handyklingeltönen, der falschen Verwendung des Wortes "Kult" und Alco-Pops lähmen zu lassen, ist nämlich definitiv nicht in Ordnung. Womit wir es schon wieder gesagt und wenigstens unsere Rollenschuldigkeit als alte Säcke bravourös absolviert haben. Ganz im Vertrauen und auf jeden Fall nicht zum Weitertratschen: Große Hoffnungen lasten ja auf der ganzen Stereoid-Szene, die wirklich niemand in der Redaktion, auf dem Klo oder den anderen hippen Treffpunkten von Dreißigirgendwassern kapiert. Die kennt man nicht mal richtig und vielleicht machen die ja längst zwischen zwei intramuskulären Spritzen auch ihren eigenen Sound, den wir dann endlich mal nicht kapieren. Das wäre super und wir könnten uns schlussendlich doch noch beruhigt auf das Dasein als Vierzigirgendwasser vorbe-

WWW.TEEN-HUMOR.COM

reiten und uns Dingen zuwenden, die richtig nahe liegen: Am durchschnittlichen Büroarbeitsplatz nisten beispielsweise laut klugen Wissenschaftlern mehr Krankheitserreger als am Klo. Der endgültige Rückzug von letzterem Ort und die endgültige Festschreibung am ersten ist also in Wirklichkeit ein Risikozuwachs, wenn man davon ausgeht, dass an Tastatur, Maus und Telefon bis zu 400 mal mehr Mikroben zu finden sind als auf dem Toilettensitz. Am schlimmsten soll es übrigens um die Telefone bestellt sein, was wiederum eine fröhliche Gedankenverlorenheit begünstigt, denn in der Pubertät haben wir ja gelernt, dass wir alle von vertriebenen Telefondesinfizierern abstammen und dass die Vertreibung ein fataler Fehler war. Für ein besseres Morgen: die Gedärme von Nachbars Katze vor den Orakeln verstecken, trotzdem nicht in den Tierpark schiffen, mal wieder Boogiearsch statt Boogiebauch checken und beim Oralsex bloß nicht an die Krebsgefahr denken.

ZURÜCKBLEIBEN, BITTE!

Reviews: Nils Dittbrenner as bob, Clara Völker as caynd, Heiko H. Gogolin as bub, Jan Joswig as jeep, Mercedes Bunz as mercedes, Patrick Bauer as bauer, Paul Paulun as pp, Sascha Kösch as bleed, Nikolaj Belzer as Giant Steps, René Josquin as m.path.iq, Sven von Thülen as sven.vt, Thaddeus Herrmann as thaddi, Mathias Mertens as mwm, Arne Linde as Arne Linde, Anne Pascale as miu, Janko Röttgers as janko, Eric Mandel as em, Jan Simon as jan, Carsten Görig as ryd, Florian Brauer as budjonny, Hendrik Kröz as ö, Ludwig Coenen as ludwig Ultra Beauty Operator: Jan Rikus Hillmann (aeonflux@de-bug.de) AD, Alex Seeberg-Elverfeldt (alex@de-bug.de), Viviana Tapia (viviana@de-bug.de) Vertrieb: ASV Vertriebs GmbH, Süderstraße 77, 20097 Hamburg Fon: 040/347 24042, Fax: 040/347 23549 Druck: Gerhard Druck, www.gerhard-druck.de Eigenvertrieb (Plattenläden): Fon: 030 2838 4458 Abobot eures Vertrauens: Sven von Thülen, Clara Völker Fon. 030.2838 4458 / email: abo@de-bug.de Debugtermine: dates@de-bug.de Stichtag Maiausgabe: 10.05.2004 de-bug online: http://www.de-bug.de Geschäftsführer: Sascha Kösch Marketing und Anzeigenleitung: Email: marketing@de-bug.de Mari Lippok, Alice von Schröder Fon: 030/2838 4457 - 030/2838 8891 Es gilt die Anzeigenpreisliste Januar 2004 V.i.S.d.P.: die Redaktion

UNSER MONAT / De Zuch kütt! TEXT

JAN JOSWIG | JANJ@DE-BUG.DE

Wer nicht für Regina ist, ist gegen Debug! Unsere Huckepack-Bürogemeinschaft zieht geschlossen aufs Areal von Camp Music und danach, so Gott will, in ein neues Chateau hier in Mitte. Wenn euer Papa ImmoMakler ist, gebt ihm unsere Nummer. Aber zunächst zieht es uns auf die Musikmessen dieser Welt. Camp Music zum Beipiel. Apropos: Ihr, ihr zukunftsfreudigen Souterrain-Labelmacher/innen, habt noch nichts an Demos geschickt zu unseren wohlgemuten Ohren. Eh, wir hören hier echt alles, wissen auch, wie eine FlyingV aussieht, also nur Mut. Ihr erinnert euch?: http://www.de-bug.de/news/2450.html, ums kurz und

knackig zu halten. Aber zurück in die etablierte World of Music. Da ist uns ein Schnitzer unterlaufen, die Schamesröte hat sich festgebissen in unseren Gesichtern. Hier der Korrektur-Bug: "Karstadt ist sogar so radikal, bis Juni alle WOM-Filialen zu schließen, um nur noch in den eigenen Kaufhäusern Charts-CDs zu verkaufen." Mit dieser Behauptung im Artikel zur EFA-Insolvenz in der April-Debug haben wir uns etwas weit aus dem Fenster gelehnt ... WOM, als eigenständige Gruppe im Karstadt-Quelle-Konzern, wird es - allen Gerüchten im Musik-Business zum Trotz - weiterhin geben. Unter-

stützt durch das WOM Magazin und flankiert durch wom.musicload.de als Download-Plattform sollen 15 eigenständige Filialen und 150 Multimedia-Abteilungen in Karstadt-Häusern unter dem Logo WOM weiterhin zum Kauf inspirieren. Allerdings werden die kleinen Labels und Vertriebe in großem Umfang gestrichen und im Moment verramscht. Man möchte sich mehr auf DVDs und Chart-kompatible Musik konzentrieren. Wir schlagen daher die Umbenennung von WOM (World of Music) in WOC (World of Charts) vor!


POP <03> - DE:BUG.82 - 05.2004

INFO Erlend Øye, DJ Kicks, ist auf K7 / Rough Trade erschienen www.studio-k7.com www.erlendoye.com

ken. Auf Konzerten kehre ich dagegen dem Publikum oft den Rücken zu ...

DER SCHÜCHTERNE ONE-NIGHT-STAND ERLEND ØYE TEXT

SAMI KHATIB | SAMIKHATIB@GMX.DE

Früher war er bekannt als der Sänger der “Kings of Convenience”, dem norwegischen Traum jedes Pferdeposter-Halters. Längst ist Erlend Øyes strubbliger Insektenkopf aber auch zur Fata Morgana jedes schlaflosen Afterhour-Ravers geworden. Mit Highfish als “The Whitest Boy Alive” oder mit Phonique durchstöbert er die Welten elektronischer Clubmusik. Jetzt wird er auch noch zum singenden DJ. Es gibt Brillen von Charme und Scham mit Brillen. Und es gibt Erlend Øye. Der norwegische Wahlberliner hat derlei Dialektik gekonnt ausgetrickst und spielt diesmal mit bekannter Ausnahmestimme und neu erworbenem DJ-Handwerk zur integrierten Einmann-Show auf. Musste er für sein letztes Album “Unrest” noch sämtliche Producer von Morgan Geist bis Schneider TM selbst abklappern, reichen diesmal Studio, Mikro und zwei Turntables, um die begehrte DJ-Eignungsprüfung abzulegen. Auf seinem neuen Mix-Album für die “DJ-Kicks”-Reihe von K7 lässt der “Kings of Convenience”-Sänger die Images eindeutiger Zuschreibungen

zwischen Indiepop und Housetrack genüsslich zerschmelzen: Eigens für diesen Zweck produzierte ACappella-Stücke treffen auf Ricardo Villalobos Monumentaltrack “Dexter”, Röyksopps “Poor Leno” oder Justus Köhnckes “2 After 909”. DEBUG: Wie ist das Gefühl, als Sänger und DJ im Club aufzutreten? Ist dir die klassische Konzertsituation Singer-Songwriter / Publikum irgendwann zu statisch geworden? ERLEND: Ich schätze die Clubsituation, vor allem wenn mein Gesang so funktioniert, dass die Leute nicht mir, sondern ihrem Tanzen die meiste Aufmerksamkeit schen-

DEBUG: ... was manchmal missverstanden wird. Ein roter Faden deiner Presserezeption ist tatsächlich deine vermeintliche Schüchternheit. Spielst du nicht auch ein bisschen mit der Vorstellung vom süßen Emo-IndieBoy? ERLEND: Wer? Ich! Wo steht das? DEBUG: In einigen Artikeln wird das Bild vom introvertierten Scandinavian Folk-Singer kolportiert. Womöglich liegt es auch an deiner Brille … ERLEND: … in erster Linie wohl an meiner melodischen, Song-orientierten Musik. Die Tatsache, dass ich diese Brille trage, ist doch Beweis genug, dass ich gar nicht schüchtern bin. Mit dieser Brille wirke ich auf die Leute vielleicht eindringlicher. Früher hatte ich noch eine andere mit schmalerem Rahmen, etwa wie deine. Ich verlor sie, als ich in Manchester mit ein paar Kids zusammentraf, in deren Augen ich allzu “anders” aussah. Das Ergebnis war eine gebrochene Nase nebst demoliertem Brillengestell. Fuck you, dachte ich, jetzt erst recht, dann trage ich halt diese Brille. DEBUG: Zu Recht, sie bietet ja auch einen guten 200° Panoramablick, fast wie bei teuren Kontaktlinsen … ERLEND: ... sind die immer noch so teuer? DEBUG: Wenn sich dein Album ordentlich verkauft, müsstest du dir auf jeden Fall welche leisten können. ERLEND: Hah, du glaubst gar nicht, wie teuer das Album für mich war. Mit den Studiozeiten, Neuaufnahmen, Neuequipment etc. habe ich schon mehr ausgegeben, als ich als Vorschuss bekommen habe. Aber um auf meine Schüchternheit zurückzukommen: Wo stand das? Bestimmt in einem deutschen Artikel, oder? DEBUG: Ja, in Debug aber nicht, Ehrenwort. ERLEND: Wahrscheinlich ein Magazin, das mich eher in

einen Indiekontext einordnet. Für die sind alle Musiker schüchtern. Es ist sehr leicht, einen solchen Eindruck zu bekommen. Mit Kings of Convenience haben wir dieses Image zwar nicht offensiv befördert, aber auch nichts dagegen unternommen. DEBUG: Dein Publikum, solo oder mit Kings, ist verglichen mit Technopublikum sehr feminin. ERLEND: Ja, sogar der männliche Teil des Publikums. Ich habe ja auch diese weiche, romantische Seite. Wenn ich ausgehe, bin ich sicherlich ein anderer Mensch, als wenn ich zu Hause bin. Das Publikum erwartet ja tatsächlich so etwas wie den schüchternen Nerd-Boy, was für mich auch Probleme mit sich bringt. Wie bei vielen anderen Männern gibt es Zeiten und Situationen, in denen du mit einer Frau nach Hause gehen möchtest, ohne ihren Namen oder Telefonnummer zu kennen. Die Frauen denken aber, ich wäre zu sensibel. Eine blonde Frau mit großen Brüsten

Die Tatsache, dass ich diese Brille trage, ist doch Beweis genug, dass ich gar nicht schüchtern bin. hat vielleicht das gegenteilige Problem, wenn sie sich wirklich in jemanden verliebt. Die Frage ist immer, woran ist der andere interessiert, was sind seine Erwartungen an dich? Images und Erwartungen wirken und führen meist ein garstig Eigenleben, nicht nur bei Brillenträgern. Mit “DJ-Kicks” dürfte es dem Szenegrenzgänger gelungen sein, olle Bipolaritäten wie Intro-/Extrovertiert, Zuhause/Club oder maskulin/feminin dahin zu packen, wo sie hingehören: aufs Mischpult.


BILDERKRITIKEN

BILDERKRITIKEN 01

TEXT

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STEFAN HEIDENREICH | STEFAN@DE-BUG.DE

01| SABINE SCHRÜNDER: PAPA DIT QU´IL PEUT VIVRE AVEC SA DÉPRESSION ... IN: PURPLE JOURNAL, NUMÉRO ZÉRO, PRINTEMPS 2004 Papa sagt, er kann mit seiner Depression leben. Zwei Fotos zeigt Sabine Schründer in der Nullnummer des neuen Journal von Purple, das eigentlich kein Journal ist, sondern ein Saisonal, vierteljährlich ab Sommer 2004, schwarz-weiß, Fotos fast ohne Text. Auf dem anderen Bild sieht man ein Surfbrett einem moorigen Tümpel am Rand einer Wiese. Eine Erinnerung an die vergangene Zeit und zugleich ein Bild des kommenden Jahrzehntes im Trübsal eines mitteleuropäischen Kernlandes. Papa schaut rüber zum Nachbarn. Am Bildrand zeigt sich das

Dach des nächsten Einfamilienhauses. Sein Garten wird ihn und seine Depression gut überleben. Die Wirtschaftskrise der 20er Jahre nannte man die große Depression. Ökonomisch und politisch induzierte KollektivPsychosen, von denen Papa in seinem Garten nichts weiß und nichts wissen will. Der Garten könnte ein Ort des Rückzugs sein, aber die Parzellen sind so klein, dass der Giebel des Nachbarhauses immer zwischen den Bäumen durchschimmert. Seit Altkanzler Kohl die Landschaft als politisches Bild gesetzt hat, schlägt sie zurück. Depressive Landschaft, eine eigenwillige Spielart düsterer Romantik. Man wendet sich ab und verdeckt sein Gesicht, aber der Blick zeigt gerade keine Rückenansicht. Kein ro-

mantischer Blick über die Schulter der Helden. SH•••• 02 | PAUL KRANZLER, RE:CREATION-AWARD-WINNER, IN: DAZED & CONFUSED, APRIL 2004 Ein Gewinner-Foto, nominiert von einer gut besetzten Jury für den Re:Creation Award 2004. Nicht konzeptuelle Kunst, sondern Reportage-Stoffe galten im diesjährigen Wettbewerb als Favoriten. Die Jury hat ein Anti-Bild ausgewählt. Kein Merkmal konventioneller Foto-Ästhetik zeichnet es aus. Es ist weder Schnappschuss noch inszeniert. Ein alter Mann aus Linz spielt das Objekt der preisgekrönten Reportage. Ein Objekt mit Zukunft, denn

Zukunft heißt Alter. Die Herausforderungen seiner Zukunft liegen nicht in technoiden Visionen und einem geglückten Leben, sondern viel schlichter im Versagen der alten Medien und des Schließmuskels. Der Alte bemüht sich, eine Bildstörung zu beheben. Es riecht nach Bierdosen, nach eingetrockneter Wandfarbe, nach Pisse und ungewaschenen Hemden. Neben der Tür, durch die fahles Tageslicht fällt, hängt ein alter Kalender. Man hat sich solche Mühen um die Zukunft gegeben, solche Hoffnung in sie gesteckt, und nun besteht sie aus nichts anderem als der Tatsache, dass Mensch und Technik sich ihrem Verfallsdatum annähern. SH••••

CLIPS

MUCKE AUF DIE AUGEN 01

TEXT

02

VERENA DAUERER, TOBIAS VETHAKE | VERENA@DE-BUG.DE, BLANKRECORDS@GMX.DE

N.E.R.D.: SHE WANTS TO MOVE REGIE: DAVID MEYERS (2004) Ob Standardisiertes für Pink und Britney Spears, Prolliges für Kid Rock oder Vielfältiges für Missy Elliott: Die Clipwelt von David Meyers sieht in ihrer extremen Ausführung aus wie die Hyperrealität im letztjährigen “What About Us” für Brandy. Ein Air-Brush-Entwurf, irgendwie echt, aber doch nicht ganz und so vereinfacht wie die 3DAusstattung in einem Game. Meyers ist kein detailverliebter Schöngeist und wenn es bei ihm ein demonstratives Zitatengedönse sein muss, dann gleich soviel, dass man es nicht mehr ernst nehmen kann. Wie am Anfang vom Clip für N.E.R.D.s Anti-Klammersong “She Wants To Move” der Verweis auf De La Soul, wo die in rot getauchten Köpfe der drei Nupsis vor schwarzem Hintergrund wuppen. Der Rest ist das gesungene Wort plus Jaule-Gitarre und Geatme, sehr direkt und kompromisslos umge-

setzt. Und wenn die Lyrics dämlich sind, wird's auch lustig: Der flippy Pharell und die Floppies Chad and Shay werden in ein futuristisches Raumschiff-Set hineingesetzt. Das wirkt zwar unheilvoll wie bei Gigers “Alien”, aber es passt gut zur Erscheinung der offensichtlichen Enterprise-Fans. Nur ist ihr Raumschiff ein überdimensionierter Hintern zum Text “Her Ass Is A Spaceship I Want To Ride”. Und es kommt für die drei ziemlich billig, sie vor eine Glibberwand-Bluebox zu stellen wie in einem 80er BKlasse Sci-Fi fürs Fernsehen. Zum Titel wird schließlich eine Frau zum wild gewordenen Tier, das, von der Leine gelassen, den Pharell umrennt. Wenigstens schlabbert sie ihn nicht ab. Dabei wollte sie nur mal kurz tanzen. Das tut dann auch ein noch wilderes Go-Go auf einem Drehpodest und die drei rocken drum herum. Diese Jungs wieder, aber ist doch so. [VERENA]

THE STREETS/YOU'RE FIT, REGIE: DOUGAL WILSON Noch mehr Jungsleben: The Streets alias Mike Skinner bleibt seinen Roots treu und verwurzelt sich auch bei seinem neuen Video thematisch im britischen Arbeiter-Milieu. Zur Handlung: Mike Skinner holt sich in einem billigen Fotoladen (sowas wie bei uns “Schlecker”) seine Urlaubsfotos ab und schlendert daraufhin durch die Straßen Londons. Währenddessen schaut er sich die Bilder an, auf denen die Menschen sich wie auf einem Fernseh-Bildschirm bewegen, die gleichzeitig die Anekdote seiner rezitierten Urlaubsbekanntschaft illustrieren. Die Pointe ist, dass ein bestimmtes Mädchen auf jedem Foto scheinbar zufällig zu sehen ist. Mal steht sie mit dem Rücken zur Kamera, mal ist sie fast abgeschnitten am Rand zu sehen. Ansonsten werden Situationen dargestellt, die sich wohl nicht grundlegend von deutschen Urlaubserlebnissen auf Mallorca unterscheiden: Wie ich und mein Kumpel mal

richtig besoffen waren, wie wir beide mal volltrunken aus einer Disko geschmissen wurden, etc. Das eigentlich Spannende an der Sache - neben dem visuellen Charme der “beweglichen Fotos” - ist die subtile Anspielung auf einen berühmten Musik-Video-Klassiker. Und zwar auf das Video zu “Subterranean Homesick Blues” von Bob Dylan, eines der ersten Musikvideos überhaupt, also viel zitiert. Bei Dylan hält der Protagonist nicht Fotos, sondern einen Stapel Zettel auf dem Arm. Auf diese Zettel wurde immer ein Fragment des Textes geschrieben und passend zur Musik und zum Gesang lässt Dylan den jeweiligen Zettel fallen. Bei The Streets wurde dieses Prinzip in unsere Zeit gemorpht und digitalisiert. Bilder statt Worte. Wo Dylan das Leid eines unterdrückten Arbeiters anprangert, zeigt uns Skinner, was das Leben der heutigen englischen Unterschicht ausmacht. Bier, Schlägereien und Girls. [TV]


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20.04.2015

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KUNST <05> - DE:BUG.82 - 05.2004

INFO

UNDEUTLICH, ABER GUT / Mouse On Mars künsteln TEXT

MANUEL FALKENBERG | FALKENBERG@WORTSPORT.DE

Der Remix gehört zur elektronischen Musik wie das Skalpell zu Tatjana Gsell. Immer nur alten Soundwein in neue Trackschläuche zu gießen, scheint manchen aber nicht mehr gut genug. In der Düsseldorfer Kunsthalle und im Gestalten Verlag soll “doku/fiction. Mouse on Mars reviewed & remixed” den Remix-Begriff erweitern. Remixen oder nicht remixen? Diese Frage stellt in der elektronischen Musik kaum jemand, zu selbstverständlich scheint die genreübliche Bearbeitung eines fertigen Stückes. Nicht so das Köln-Düsseldorfer Elektronik-Duo Mouse on Mars aka Andi Toma und Jan St. Werner: Seit jeher musikalische Grenzgänger und -verletzer, haben sie die herkömmliche Praxis des Remixes als veraltet identifiziert, einen neuen Ansatz in die (Kunst-)Welt geworfen und die Ergebnisse in Buchbzw. Ausstellungsform gebracht. RUHE, BITTE Für “doku/fiction. Mouse on Mars reviewed & remixed” luden Toma und Werner über 40 Künstler, Musiker und Autoren ein – wie Heike Baranowsky, Armin Boehm und Katja Davar, Laetitia Sadier, F.X.Randomiz und Jo “Schlammpeitziger” Zimmermann, Siegfried Zielinski, Mark Sikora und Olaf Karnik. Die Hausaufgabe: Sich mit der Musik oder der “Idee” Mouse on Mars auseinander zu setzen und Remixe zu verfertigen – allerdings mit einer für Remixe völlig unüblichen Bedingung: nicht zu klingen. Kein Ton. Kein Track. Musik transfor-

miert in stille Exponate, die alles mögliche andere (wie Super-8-Filmbuchstaben, Teer, Filzstiftzeichnungen, Fotografien, Batteriekabel) in Montagen, Skulpturen und Installationen zusammenspielen lassen. Also der Remix als künstlerische Antwort auf eine künstlerische Aussage, als Anschlusskommunikation oder als “Spiel auf verschiedenen Ebenen, als Überlagerung von Wahrnehmung”, wie Waseem Khan in seinem Beitrag zu “doku/fiction” ihn benennt. Ursprünglich als reines Buchprojekt geplant, folgte die Entscheidung auszustellen erst später – und darauf wiederum der Zirkel(be)schluss von Mouse on Mars, die neuen Eindrücke in Geräuschform zu bringen und dem Buch beizulegen: die CD zum Buch zur Ausstellung zur Band. Während der Aufbauphase drehten Toma und Werner dann noch eine jetzt im Eingangsbereich zu sehende Videodokumentation, in der sie die Ausstellenden ihre Remixe wortreich remixen lassen.

unter zur Denksportaufgabe und die Auseinandersetzung mit dem Buch nahezu unerlässlich machen. Viele Beiträge, vor allem textlastige, werden nicht oder stark verändert ausgestellt, viel Ausgestelltes wird erst im Buch verständlich – wenn überhaupt. Manche Exponate nämlich wirken selbst nach Erklärungen oder Kontextualisierungen noch etwas zusammenhangslos, einige sind völlig unabhängig vom Projekt entstanden und erst nachträglich “passend gemacht” worden. Alles in allem aber ist das Ergebnis oft spannend und dürfte gerade durch die Leerstellen und Fragezeichen, die es hinterlässt, der “Idee” Mouse on Mars nahe kommen: das Spiel mit Erwartungshaltungen und deren Brechung, Komplexität und Verspieltheit, Work in Progress auf Freundschaftsbasis. Einer aus dem engeren Bekanntenkreis ist es dann auch, der “doku/fiction” möglicherweise den Höhepunkt beschert: F.X.Randomiz stellt im Buch mit einer minimalst typografischen Arbeit die Frage “mom remix’n?” und liefert auf der nächsten Seite eine quasi geniale Antwort: “omm”.

“doku/fiction. Mouse on Mars reviewed & remixed”, 160 Seiten, 25 €, Die Gestalten Verlag, Berlin. Ausstellung in der Kunsthalle Düsseldorf bis zum 27.06.2004. www.kunsthalle-duesseldorf.de www.mouseonmars.com LEBEN IN DER SCHWEBE Omm sweet mom: Ihre Musik klingt voll und steckt voller Überraschungen, ist experimentell und expressiv; sie produziert fortlaufend Irritationen, die ihr natürlich auch wieder Konsistenz verleihen. Mouse on Mars wollen verstören und verwirren, verstimmen und verlocken, entzücken und rocken. Dabei oszillieren sie zwischen Ernsthaftigkeit und Ironie, wirken zuweilen auch schon mal etwas bemüht in ihrem Streben, Grenzen zu überschreiten und Konventionen zu verletzen – sollen sie doch, solange ihr Output auf allen Ebenen so wirksam wie letztlich auch charmant bleibt. Und überhaupt: Wer, außer manch manischem Musikheftchen, verlangt schon präzise Einordnungen? Möge den Mäusen ein langes Leben im Schwebezustand der “guten Undeutlichkeit” (Dietmar Dath in seinem wirklich nur ein ganz kleines bisschen verschwurbelten Buchbeitrag) beschert sein!

WAS NICHT PASST Jede Menge Referenz-Schleifen und semiotische Herausforderungen, die einen Besuch der Ausstellung mit-

11th Barcelona International Festival of Advanced Music and Multimedia Art www.sonar.es

17.18.19 June

lives: sketch show + ryuichi sakamoto = human audio sponge, massive attack, madlib, matthew dear, gang starr, beans, buck 65, so solid crew, richie hawtin vs. ricardo villalobos (turntables, efx, & machines), balago, dani siciliano, pan sonic, carsten nicolai (alva noto), carl michael von hasswolff, dedo, durán vázquez, einar örn, françois k. presents deep space with special guest mutabaruka, la excepción, roty 340, sesam-o, .tape., concierto esmuc: barbara held + david berhman, the drama, thomas köner, tim wright, tote king, tremendo, zuell... djs: 2 many djs, jeff mills, agoria, carl cox, dave clarke, dj 2d2, dj hell, dj patife,, kid koala, matthew herbert, richard x, adam freeland... showcases: shitkatapult: das bierbeben, apparat, phon.o; lex: prince po, boom bip; botánica del jíbaro & rice and beans: an initiative of

in collaboration with

manuvers feat v8, stres & soarse spoken, manuvers, boom & birds, force.fed & la mano fria, megadebt - la mano fria, v8 & force.fed; broklyn beats: drop the lime, criterion, doily; ghostly: dabrye, geoff white/aeroc; rune grammofon: susanna & the magical orchestra, deathprod, maja ratkje; numero records: the gift, dj expander, micro audio waves; eletronika brazil: instituto, dj marlboro, nego moçambique; jenka music: sofus forsberg, dj niz & dj ilz, je m'appelle mads; spa.rk: fibla, dj tench, rec overflow, expa.rk djs; domino / eat your own ears: juana molina, to rococo rot, four tet, max tundra; komplott: hans appelqvist, son of clay; gomma: headman, whomadewho, munk-leroy hanghofer; accidental: max de wardener, mara carlyle, mugison; eastern developments: nobody, prefuse 73; ideal recor-

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dings: henrik rylander, the idealist... sonarlabs: arkasha (deejedies/ nuclear losb) plays pornojazz rec, banyek plays red star budapest, christian von borries & martin hossbach play masse und macht, die elektrischen plays dielectric records, ino & grobas + steven garcía play house café music/funky soul rebels, joan vich & sebastián rosselló play primeros pasitos, k.i.m., joakim & charles play tigersushi, non sound plays (k-raa-k)3, paul nazca plays scandium, rob da bank plays blue room /bbc radio 1, carlos amorales & silverio play nuevos ricos... L’Auditori 17th June: symphonic orchestra of barcelona and national from catalonia + ryuichi sakamoto, pan sonic, fennesz. The general pass and the Sonar accreditation do not grant access to this concert.

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INFO

DIGITALES GRAFFITI / 123 Klan TEXT

www.123klan.com www.insertsilence.com www.joshuadavis.com www.tomato.co.uk

Ganz gross: Auf Bigsexyland gibts die komplette Toca Me Dokumentation der Vorträge als Movie : www.bigsexyland.de/see_bildarch06.html

VIVIANA TAPIA, PAT KALT | VIVIANA@DE-BUG.DE, PAT@CHATEAUISM.DE

Die französischen 123 Klan verknüpfen schon seit über zehn Jahren Vektorgrafik und Graffiti-Stil auf verschiedenen Untergründen. Zwischen Magic Markers und Maus verlegen sie sich seit längerem aufs legale Arbeiten (etwa für MTV, Nike oder verschiedene HipHop-Künstler) und bringen ihren Kindern zeitig das Graffiti-Lesen bei. Debug traf das Gründerpaar Scien und Klor in München auf der “Toca me”-Konferenz, wo sie neben Tomato, Joshua Davis und Insert Silence ihre Grafiken an die Wand warfen und die Details heranzoomten. Ab und zu bekommt man auf Konferenzen noch Inspirationen. Auf der “Toca me” zum Beispiel. Ende März fand in München zum ersten Mal diese Designkonferenz statt. Den üblichen Erwartungen an langweilige, aufgeblasene und sich selbst zu wichtig nehmende Design-Panels zum Trotz stellten die drei jungen Veranstalter ein äußerst vielseitiges, inspirierendes und spannendes Programm zusammen - darunter 123klan. Es gab vier Präsentationen von 16 bis 23 Uhr mit anschließender Lounge und gemeinsamen Biertrinken. Pointiert, witzig und ja: innovativ. Die Bandbreite der Vortragenden reichte dabei von eingespielten Designvor-

tragenden bis hin zu interessanten neuen Köpfen. Im kurzen Überblick: Konzept, Grundlagen, Tipps und Tricks beim Entwerfen mit Variablen und Zufallsparametern zeigte Flash- und Internet-Guru Joshua Davis aus New York anhand seiner Maruto-Website. Das Londoner Design-Kollektiv Tomato sandte mit Joel Baumann und Tom Roope ein erfahrenes Interactive-Team und wartete mit einem beeindruckenden Panorama an Projekten weltweit auf. Amit Pitaru aus Montreal und James Paterson aus New York stellten ihr jüngstes gemeinsames Projekt “Insert Silence” vor, eine wegweisende Zusammenarbeit, die traditionelle Künste wie

Zeichnung und Musik im Hinblick auf die technischen Möglichkeiten des Internet und seiner Applikationen neu vermisst und erforscht. Scien und Klor von 123klan aus dem französischen Lille berichteten von der Verschmelzung von Graffiti und digitalen Entwurfsmethoden. Das interessierte uns besonders. VON DER WAND ZUM MONITOR Das 1992 von Scien und Klor gegründete Graffiti-Kollektiv 123klan begann seine Karriere standardgemäß mit Zügen, Hauswänden und Fassaden, farbigen Spraydosen ,Magic Markers und den Bullen im Nacken. Ein

Jahr später entdeckte man das Universum der digitalen Entwurfsmöglichkeiten an einem Mac-Rechner mit Illustrator-Software. Das Interesse an Grafikdesign war geweckt, Neville Brody und Konsorten wurden entdeckt. So entstanden die ersten 123klan-Vektor-Graffitis. Die Crew ist nach wie vor begeistert von den schier unendlichen Möglichkeiten des digitalen Malens und Schreibens: “Eine Computermaus ist wie eine Spraydose. Du drückst drauf und hopp schon kommt es “Innerhalb kürzester Zeit transferierten sie ihr Graffiti-Universum auf den Rechner. Anders als auf der Straße und an der Hauswand muss vor dem Rechner kaum auf Le-

galität, Materialkosten oder Fehler geachtet werden, denn der Computer verzeiht letzteres mit einem simplen Knopfdruck. Die Crew legte eine Style-Bank nach der anderen an. Im Rückgriff auf diese Style-Banks entstehen so die detaillierten und vielschichtigen GraffitiSzenarien.

DEBUG: Sprüht ihr noch illegal? 123KLAN: Nein, heute haben wir legale Plätze zum Sprühen. Dass etwas illegal ist, ist ja auch nicht das wichtigste. Die Intention bei Graffiti ist ja prinzipiell nicht, Sachen zu verschandeln oder zu zerstören, sondern Dinge zu entwickeln.

SCHREIBEN, MALEN, ENTWERFEN Bei 123klan fasziniert die Narrativität der Szenarien. Im Mix aus Alltagskultur, Populärkultur und Subkultur und im Spiel mit dem Makro- und Mikrokosmos der Komposition liegt durchaus auch die eine oder andere Subversion des Details verborgen. Glücklich zoomen die beiden bei ihrer Präsentation auf 2000fache Vergrößerung und zeigen auch die allerkleinsten Sprüche: “Graffiti can’t be stopped.” Der Aufstand der Zeichen kann mitunter aber auch in simplen Entwerfen des eigenen Traumhauses liegen, wie uns Klor spitzbübisch erklärt. Das Verschmelzen von Schreiben, Malen und digitalem Entwerfen im Cut-Copy-Paste-Modus findet seine logische Fortführung bei 123klan schließlich auch in der Animation mit Flash & Co und in der Dreidimensionalität. Hier endlich findet Graffiti eine gemeinsame Plattform mit Musik, Sound und dem Körper im Raum was eine neue Richtung für zukünftige Gestaltungsprozesse öffnet. 123klan bleiben bei ihrer Arbeit aber nicht am Rechner kleben:Bewaffnet mit den Produkten des digitalen “Graffiting” (Aufkleber, Sticker, Poster) ziehen sie wieder zurück in die Straßenschluchten und bepflastern Häuser, Wände sowie Laternen. Und Graffiti ist wieder da, wo es herkommt. Im Anschluss an die Toca-Me-Vorträge standen uns Scien und Klor Rede und Antwort.

DEBUG: Verdient ihr Geld mit euren Graffiti-Arbeiten? 123KLAN: Ja, aber wir arbeiten nur für coole Leute. Wir wollen keinen Shit für den Ausverkauf produzieren. Kennt ihr diese Fake-Graffitis auf Kinderkleidung beispielsweise? Das ist schlimm. Wir machen viele Logos, Erscheinungsbilder, aber auch Seiten für Kataloge, Plakate, Aufkleber und T-Shirts. Für Nike haben wir mal verschiedene Characters für eine ganze Kampagne gebaut, die wurden dann auch für einen MTV-Trailer genutzt. Aber wir sind und bleiben eng mit der HipHop-Kultur verwurzelt und arbeiten deshalb auch gern mit Musikern und Plattenfirmen zusammen.

DEBUG: Auffällig an euren Arbeiten ist, dass ihr am Rechner viel sensibler mit Farben umgeht als beim Sprühen... 123KLAN: Die Arbeit am Rechner bietet ganz andere Möglichkeiten. Da überlegt man sich den Einsatz der Farbe erst viel später, außerdem sind die Farben am Computer sehr direkt. Man kann auch ganz anders Dinge punktuieren, die Breite der Werkzeuge variieren und viel kleinteiliger arbeiten als auf der Straße. Eine Sprühdose hat einfach ihre Grenzen! Für uns ist es mittlerweile deshalb fast schon ein Ziel, Graffiti in andere Medien zu transportieren. 1993 begannen wir, uns für Grafik Design zu interessieren, kauften unsere ersten Macs und entdeckten unsere Liebe zu dem Programm Adobe Illustrator. Als Klor mit unseren Zwillingen schwanger war, war die Arbeit am Rechner eine prima Alternative zum doch sehr ungesunden Sprayen ...

DEBUG: Ihr habt selbst zwei Kinder – wachsen die mit Graffiti auf? 123KLAN: Natürlich wissen die, was wir tun und sie ma-

Eine Computermaus ist wie eine Spraydose. Du drückst drauf und hopp – schon kommt es.

len auch, einfach zum Spaß. Sie können zwar noch nicht lesen, aber erkennen mit ihren vier Jahren bereits unsere Tags und die Schablonen ihrer Eltern. DEBUG: Klor, bist du die einzige Frau in der Crew? Warum? 123KLAN: Tja. 1992 gab es in Frankreich nur etwa fünf Frauen, die gesprüht haben, ich bin eine davon. Es war und ist einfach eine Männerdomain. Da gibt es noch zu tun.


TECHNO

ELEKTRONIKA

<08> - DE:BUG.82 - 05.2004 TEXT

PATRICK BAUER | PATRICK@DE-BUG.DE

JULES VERNE IN DER BPITCH-SAUSE SMASH TV Zu jeder Situation gibt es die passende Musik. Sagt Holger Zilske und löffelt Zucker in seinen Espresso. Und wahrscheinlich würde dieser Berliner Frühlingsabend in der Smash TV-Umsetzung so klingen: vorwärts drängende Beats, die mit Techno am Lenker den Weg vom knarzigen Stadtrand in die poppige Mitte zurücklegen. Blecherne Cuts, die von der abklingenden Grippe wabern. Fluffige Collagen, die freundliche Sonne begrüßend. Und Vocals. Mal entstellte, mal kristallklare Stimmen, die davon erzählen, wie Holger sich morgens um vier Uhr nachmittags Milch über sein krachendes Samplemüsli gießt. “Bits for Breakfast” heißt das neue Album von Smash TV und entstand im peripheren WG-Reihenhaus, in dem das über Jahre zusammengestellte Studio Platz hat. Hier verdrehte Zilske seinen Schlafrhythmus bis zur Unkenntlichkeit und bastelte am Nachfolger des beatverspielten Debüts “Electrified”. Alleine. Denn aus dem Zwei-Mann-Projekt ist ein Mr. Smash TV geworden, seitdem Kollege Michael Schmidt entschied, dass er sich voll und ganz auf das Informatiker-Sein konzentrieren müsse. Ein schwieriger und eventuell hörbarer Schnitt, nun als Einzelgänger Sound zu machen? Immerhin hatten die beiden 1989 gemeinsam das Konfirmationsgeld in Synthies investiert, mit Acid-House-Tapes und Jean-Michel Jarre im Ohr den Amiga zum Kreischen gebracht und mit dem Zwischenschritt Sounddesign 1999 in die Familie Ellen Allien eingeheiratet. “Schon beim ersten Album war mein Anteil der deutlich größere, eigentlich hat sich also nix geändert, nur für die Leute, denn jetzt stehe ich eben alleine auf der Bühne!” Und schließlich kann der Ex-Mitfrickler jederzeit im volltechnisierten Hobbykeller vorbeischauen. Synthesizer programmieren oder so. Synthesizer, elementar. Als der junge Zilske an einer Jugendzimmer-Wand das Bild eines Keyboards samt Joystick erblickte, war er fasziniert von der Idee, spielerisch technisierte Klänge zu erzeugen. Die Faszination hält an, ist auf “Bits for Breakfast” dermaßen präsent, dass man Angst bekommt, die kullernden Effekte könnten die kostbaren SoundStrukturen beim Pongspielen zerbrechen. Eben noch unterstrichen die fetzigen, retro-orientierten Vocals Raz Oharas in “Queen of Man” den Willen, Song zu sein, am besten ein clashiger – schon befindet man sich in der betäubenden Monotonie epischer Bassläufe, pumpender Chords. “Hier Song, da Track, eben Kitsch-Spaß, jetzt Frickelnote!”, beschreibt Zilske passend und weist darauf hin, dass es auf seinem Album eben nicht um starre Konzepte oder Festlegungen geht. Mal BWL-Studium, mal BPitch-Sause. Eine verdammt ernst zu nehmende Forscherreise mit einem lustigen Entdecker auf der Suche nach Roboter-Trash und Clickdisko. “In den fünf Jahren beim Label habe ich einiges erlebt, viel Input bekommen und bin gereift!” Rein handwerklich konnte man Zilske nicht mehr viel beibringen, bevor er zwei berlinette Alben der großen Dame produzierte. Doch danach war er um einen wichtigen Skill reicher: Feeling. “Stylefragen! Sounds interessant machen!” Er hat das Hausmittel gefunden. “Bits for Breakfast” zeichnet Kontraste, zieht beim Ravestammtisch die Nickelbrille an und hat nebst selbst aufgenommenen Vocals auch mal Gitarrenakkorde in jedem Hemdsärmel. Unvermeidlich steht man also an vielen Stellen mitten im Hit, hört plötzlich, dass “Sad” emotional viel größer ist, als Schlaffis wie Air je sein wollten, dass ansonsten die Arme gen Himmel zeigen und dass man seinen Fernseher prompt in den Hof schmeißen sollte. Holger Zilske hat sich entschieden. “Voller Elan” ist er gewillt, hauptberuflich Smash TV zu sein. Längst sitzt er wieder im Auto, um sein Refugium zu erreichen, wo er ohne Nachbarterror seine Bitflakes lecker verfrühstücken kann. Bpitch hat wieder total spaßige Gimmicks in jede Packung gesteckt.

INFO Smash TV, Bits for Breakfast, ist auf BPitchcontrol / Neuton erschienen. www.bpitchcontrol.de

HOTEL MORGEN TO ROCOCO ROT

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HEIKO GOGOLIN | HEIKO@PINGIPUNG.DE

Das mit der Kopfkino-Musik hat so eh nie gestimmt. Und nach dem Einchecken ins Hotel der Zukunft bewegt sich bei To Rococo Rot eher die tanzwillige Hüfte als der Schaukelstuhl zum upliftenden Contenance-Opus. Die Suite auf dem Tanzboden ist gebucht, die Liftsboys kriegen Zucker - warum brauchen sie da noch Disco-Consulting? Welcome to the “Hotel Morgen”, heißt es dieser Tage. Ein neuer Morgen = neues Glück ist es für die Gebrüder Lippok und Stefan Schneider auf jeden Fall, denn nach einer kleinen Besinnungspause startet man mit der aktuell nicht nur durch Franz Ferdinand viel rezipierten Labeladresse Domino im Rücken frisch ausgeruht durch. Immerhin drei Mal umkreiste unsere Erde die Sonne, seit das Vorgängermodell “Music Is A Hungry Ghost” aus den Lautsprechern der Republik schallte. Dazwischen gab es noch die Lockerungsübung “Kölner Brett”, das trotz vergleichsweise dominantem Elektronikeinsatz natürlich kein ebensolches war, sondern die konzeptionell leicht strenge, aber für die Band deshalb umso befreiendere Vertonung eines Architekturprojekts aus der Domstadt. REZEPTION Zum Anfang meines Gesprächs mit den beiden Lippoks mache ich Sepp mir selber den diskursiven Einstieg kaputt, indem ich unumwunden meine Begeisterung über ihr aktuelles Opus herausposaune. Eigentlich wollte ich doch zunächst mit der Frage kitzeln, ob sie nach über fünf Alben überhaupt noch etwas Neues zu erzählen hätten. Oder was sie nach so vielen Jahren immer wieder motiviere, unter dem Banner To Rococo Rot zusammenzukommen. Sie sagen es trotzdem: “Ein englischer Kollege von dir sagte letztens ’All of a sudden you are veterans’. Unsere Inspirationsquelle liegt darin, dass wir abseits des alltäglichen Rock’n'Roll-Geschäfts aus Al-

tenance gepachtet und musizieren angenehm unprätentiös, laidback und ohne große Gesten. Ihre Exkurse agieren auf der Höhe der Zeit, prozessieren Trends und Einflüsse aber eher auf der Mikroebene, als schelmisch auf den Beschleunigungseffekt saisonaler Wellen zu schielen. LIFT Ein beliebtes Prinzip, um ein neues Werk beim Schlafittchen zu packen, liegt im Festmachen von Differenzen zum Vorgänger: Durch die Mitarbeit von I-Sound klang “Music Is A Hungry Ghost” in der Gesamtheit nicht so eingängig, teilweise sogar rough und harsch. Statt des eher spröden Ansatzes wird nun, Dialektik galore, wieder “yep!” zum Popentwurf gesagt. Die prächtigen Hooklines, oft durch Schneiders WarenzeichenBassläufe getragen, erklingen mit einer Konzentration und Präzision, von der sich viele andere gerne mal eine Scheibe abschneiden könnten. Eine gewisse Einfachheit scheint schon Thema, aber weniger im Sinne von Simplizität als im Verzicht auf Ornamente. “Wir hatten ursprünglich mal die Idee, die Platte mit dem Pyrolator Kurt Dahlke in Afrika aufzunehmen, weil der Verbindungen an die Elfenbeinküste hat. Doch dann brach der Bürgerkrieg aus und wir endeten in einem Neubau in Pankow, wo die ersten Skizzen, aber auch schon fertige Sachen, die genau so aufs Album gekommen sind, entstanden. Anschließend ging’s ins Studio von Tobias Levin unter dem Westwerk in Hamburg. Der hat nach der letzten To-

Wir hatten ursprünglich mal die Idee, die Platte mit Pyrolator Kurt Dahlke in Afrika aufzunehmen, weil der Verbindungen an die Elfenbeinküste hat. Doch dann brach der Bürgerkrieg aus und wir endeten in einem Neubau in Pankow. bum und Tourneen noch so verschiedene Sachen wie eben das Kölner Brett machen oder Musik für Klanginstallationen. Von unseren anderen Bands / Projekten mal abgesehen.” Und: Natürlich haben sie noch frische Styles im Gepäck, denn “Hotel Morgen” ist neben “The Amateur View” ihre vielleicht bestechendste und vielseitigste Platte. Was wurden nicht schon für mögliche Schubladen ins Rennen geschickt, um die Klänge der drei auf einen griffigen Nenner zu bringen: Krautrock, Electronica, Post-Rock oder Post-Techno ... Der fehlende Schubladenkonsens – an sich schon mal prima – mag daran liegen, dass einen die genuinen Qualitäten des Trios nicht gerade anspringen. To Rococo Rot haben die Con-

cotronic-Produktion sein Studio ausgebaut und viele Klangerzeuger zum Experimentieren herumstehen.” Neuzugänge im Instrumentenpark sind z.B. Wurlitzer und Vibraphon, was manche der Stücke fast schon schwelgerisch wirken lässt. “So etwas hatten unsere Sachen schon immer, nur dass es hintergründig und subliminal passiert, um nicht in selbstverliebten Kitsch auszuarten. Auch wenn unsere Tracks schon eine gewisse Emotionalität ausstrahlen.” Das Schwelgerische unterscheidet sich dann auch signifikant von der melancholischen Innerlichkeitselectronica der aktuellen Schule und wird z.B. neben Störimpulsen allein schon durch die knappe Dauer der Exkurse gebrochen. Ähnlich wie in CreativeWriting-Kursen, wo man lernt, einfach den ersten Ab-

NOSHE

satz eines Textes zu cutten, damit die Chose pointierter und kickender ins Rollen gerät, beginnen die meisten Tracks in medias res. Nach relativ kurzer Zeit ist dann schon wieder Schicht im Schacht, denn selten wird auch nur an der Vier-Minuten-Marke gekratzt. LOBBY Gerade wo der spannende, weil so unklischeehafte Dub-Entwurf Mapstation immer mehr Vocals einsetzt, Robert Lippok bei seinem Komeit-Remix verträumt ebensolchen Gesang prozessiert und Tarwater eh einen festen Mann am Mic hat, kann ich mir die Frage nach dem Einsatz von Stimme auch für das Mutterschiff nicht verkneifen. “Da haben wir schon oft drüber nachgedacht. Bei der letzten Platte haben wir es dann nicht gemacht, weil Vocals bei elektronischen Projekten zu der Zeit fast schon inflationär wurden, um da eine gewisse Emotionalität reinzubringen. Aber es ist nicht so, dass wir Gesang aus rein strategischen Gründen ausschließen. Wir sind eigentlich bereit dafür, warten aber noch auf die richtige Stimme.” “Hotel Morgen” gelingt der Spagat, zugleich ihre ruhigste wie auf den Tanzflur schielendste Platte bisher zu sein. Eine gewisse Heterogenität ist dabei durchaus willkommen. Woher kommt die neue Lust aufs Tanzbein-Schwingen? “TRR hatte schon immer einen Clubbezug. Wir beide haben 1988 im Osten ja schon Acid gemacht, daher ist das bei uns schon immanent. Das Körperliche spielt in der Musik durchaus eine große Rolle. Sie ist kein reines Kopfkino – oder was auch immer gerne mit unseren Stücken in Verbindung gebracht wird. Aufgrund der funktionalen Limitierungen, die richtige DanceTracks dann doch besitzen müssen, haben wir bisher davon abgesehen, aber nun steht die Idee im Raum, im Anschluss an das Album mal eine reine Clubmaxi zu machen. Da holen wir uns aber noch ein wenig Disco-Consulting ein.”

INFO To Rococo Rot, Hotel Morgen, ist auf Domino / Rough Trade erschienen. www.dominorecordco.com www.torococorot.com SUITE Wenn ihr mich fragt, reiße ich mir auch ohne Frequenzberatung bei einem Hotstepper wie “Basic” vom neuen Album schon die Kleider vom Leib, aber mich Videogame-Stubenhocker fragt ja keiner. However, “Hotel Morgen” klingt wie die destillierte Essenz der gesamten Bandgeschichte. Man könnte gar das Wort “Altmeister” in den Mund nehmen, wofür mich die Band jetzt vermutlich steinigt. Gelassenheit, gepaart mit Erfahrung, ohne Stock im Arsch und mit dem Herz am rechten Fleck. To Rococo Rot eben. Guten Morgen!


TECHNO <10> - DE:BUG.82 - 05.2004

INFO Alter Ego, Transphormer, erscheint auf Klang Elektronik/Neuton.

ALTER EGO / Neuer Beat TEXT

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SVEN VON THÜLEN | SVEN@DE-BUG.DE

Soundwelten krachen aufeinander und vermischen sich. Der Kampf ist vorbei. Der neuen Ausgeh-Generation ist es egal, ob sie House oder Techno hören, Hauptsache es wummert und knistert schön. Alter Ego haben erkannt, dass sich der Beat verändert hat und knallen auf den klassischen Rave 'ne saftige Brise Rock. Das kickt! Acht Jahre ist es her, dass sich Roman Flügel und Jörn Elling-Wuttke, die Frankfurter Elder Statesmen des Techno, als Alter Ego dem Albumformat gewidmet haben. Acht Jahre, in denen sie mit ihren unbarmherzig klöppelnden und sägenden Livesets eben so viele Raverherzen wie -hirne von Ibiza bis Frankfurt/Oder zum Schmelzen gebracht haben. Mit “Transphormer”, ihrem dritten Album, schlagen sie jetzt eine neue Richtung ein. Noch immer auf Rave-Tuchfühlung, haben die beiden den klassischen Technobausatz aus dem Studiofenster geworfen. Roman Flügel und Jörn Elling-Wuttke über die neue Offenheit, frische Begeisterung und den späten Segen von Electroclash. DEBUG: Euer neues Album knarzt und rockt und der Groove ist so kantig, dass man es eher in einem Set

JÖRN ELLING-WUTTKE: Es stoßen wieder Welten aufeinander, die sich lange Zeit nichts zu sagen hatten. ROMAN FLÜGEL: Für jemanden, der das Ganze schon etwas länger verfolgt, kommt zur Zeit sozusagen Freude auf, weil alles wieder viel offener gestaltet wird. Auch, was du abends im Club musikalisch für Möglichkeiten hast.

WEISSER FUNK DEBUG: Auch bei euch scheint jetzt Rock wieder ein willkommener Wegweiser zum Rave zu sein. ROMAN FLÜGEL: Rock geht als Bezugspunkt deswegen wieder, weil, wie gesagt, der Beat sich verändert hat. Die Leute haben wieder das Gefühl, dass sie angespornt werden, sich zu bewegen. Vorher hatte sich das über Jahre auf so ein Funkgefüge eingependelt. Jetzt plötzlich wird es

SIBYLLE FENDT

alles verändert. Zwischen den ersten beiden Alben und jetzt ist natürlich eine Menge Zeit vergangen und mittlerweile ist der Name zum Programm geworden - es hat einfach nichts mehr miteinander zu tun. DEBUG: Habt ihr so lange gewartet, bis die Offenheit, auch bei euch selber, wieder da war, etwas ganz Neues, Aufregendes zu machen? Alter Ego neu erfinden? ROMAN FLÜGEL: Uns ist auf jeden Fall erst in den letzten ein, zwei Jahren bewusst geworden, dass wir dazu in der Lage sein könnten, das wieder mal zu machen. Hinzu kommt natürlich die Erfahrung mit den Remixen. Denn das waren eigentlich für Alter Ego in den letzten drei, vier Jahren die entscheidenderen Platten. Wir haben ja in den letzten sieben Jahren nur drei Maxis rausgebracht. Und die Remixe haben dann viel klarer werden lassen, wo Alter Ego hingehen kann. Das waren immer Möglichkeiten, Sachen auszuprobieren, die man sich normalerweise nicht für sich vorstellen kann. Man bekommt Sounds geliefert, teilweise Vocals, und über diese fremden Sounds kommt man ganz woanders hin, als wenn man an eigenem Material arbeitet. Uns hat diese Erfahrung extrem geholfen.

Unsere Remixe waren eigentlich für Alter Ego in den letzten drei, vier Jahren die entscheidenderen Platten.

zwischen Tiefschwarz und Black Strobe einordnen würde als, sagen wir, einem klassischen Techno-Set. Erst zum Ende des Albums hin nähert ihr euch dem bekannten Alter-Ego-Sound an. ROMAN FLÜGEL: Uns war irgendwann klar, dass wir kein klassisches Rave-Album machen wollen. Auch kein Technoalbum, das sich irgendwie noch in den neunziger Jahren befindet, sowohl bei der Soundauswahl als auch bei den verwendeten Maschinen. Gleichzeitig konnten wir diese Entwicklung, die sich in den letzten zwei Jahren vollzogen hat, weg von den klaren Genretrennungen, hin zu mehr Offenheit, zum Beispiel im Robert Johnson miterleben. Der Beat hat sich einfach verändert.

leicht nu wavig oder fast schon steif. Weißer Funk. Viele versuchen zur Zeit von dieser Adaption, die ja immer aus Amerika kam, wegzukommen. Und jetzt sind wir wieder bei Joy Division angelangt (lacht). JÖRN ELLING-WUTTKE: Bei unserem letzten Sensorama-Album hatte es schon so komisch angefangen zu rocken. Zwar noch so Krautrock-mäßig und vor allem über Störgeräusche, aber das Thema war da schon da. Jetzt ist das viel klarer geworden. DEBUG: Euer letztes Alter-Ego-Album ist mittlerweile auch schon sieben oder acht Jahre alt. ROMAN FLÜGEL: Dementsprechend hat sich aber auch

JÖRN ELLING-WUTTKE: Wir haben für das Album dann auch bizarre alte Industrial-Platten zum Sampeln rausgekramt. Aber auch Stör- und Dubgeräusche. Diese Sounds als Ausgangspunkte haben uns dann gleich in andere Richtungen denken lassen. Da mussten wir unsere übrigen Sounds ganz anders zurechtbiegen, damit das alles zusammenpasst. Es ging weniger um einzelne Sequenzen oder Loops, auf die man sich konzentriert und aufbaut, sondern ganze Soundwelten, von denen wir uns haben inspirieren lassen. Es wird bald auch einen Alter-EgoRemix von Psychic Warriors of Gaya, einem alten Technoklassiker, geben, der soundmäßig viel mit unserem neuen Album zu tun hat …

ROMAN FLÜGEL: … und dann gibt es schon die nächste Stufe, das ist ein Remix von Black Strobe, der weit über das Album hinausgeht. Da hatten wir schon wieder den Eindruck, dass das eine Sache ist, an der wir uns festbeißen müssen. Diese Remixe sind einfach teilweise super entscheidend.

LOSSCHRANZEN ÜBER GRÄBEN HINWEG DEBUG: Was ist jetzt anders, als noch vor ein paar Jahren? ROMAN FLÜGEL: Es gibt zur Zeit eine neue Energie, einen neuen Schub. Vielleicht auch deshalb, weil der Grabenkampf zwischen House und Techno zu den Akten gelegt wurde. Leute, die heute ausgehen und teilweise ja entscheidend jünger sind als wir, interessiert es nicht, ob das, was sie hören, jetzt Techno oder House ist. Und das ist wunderbar. Da wurde die letzten Jahre noch mal so richtig losgeschranzt … JÖRN ELLING-WUTTKE: Oder der Glaubenskrieg zwischen Berlin und Frankfurt ... ROMAN FLÜGEL: Genau. Das ist vorbei. Es gibt wieder eine neue Generation, die findet es spannend auszugehen, und wir alten Säcke finden das natürlich auch wieder toll. Auch als DJ ist es eben viel eher möglich, Sachen zu spielen, mit denen keiner gerechnet hat. Und da war dieses Rockding der Schleusenöffner. Dieser andere Beat. Man kann ja davon halten, was man will, aber die Verstörung, die durch den Electroclash-Hype in die Szene kam, hatte auch ihre guten Seiten. Natürlich gab es eine Menge Scheißtracks, aber trotzdem hat es schön verstört. Und das war und ist gut so. Als das losging, habe ich erst mal zwei oder drei Monate gebraucht, bis ich das kapiert habe. Am Anfang habe ich mich auch mit Grauen abgewendet. DEBUG: Macht ihr eigentlich ein Video zu “Rocker”, dem Album-Opener und wohl unbestrittenen Hit? ROMAN FLÜGEL: Wird es geben. Wir machen das wieder mit Michel Klöfkorn und Oliver Husain, die für Sensorama die drei Videos gemacht haben. Und da ja eigentlich jetzt die letzte Plattform, auf der man ein Video von uns sehen könnte, weggebrochen ist, haben wir auch da gesagt, volle Freiheit. Macht was ihr wollt, und lasst es ordentlich eskalieren. Wir werden das dann wahrscheinlich auf einer CD unterbringen oder auf die Webseite stellen. Das ist eigentlich eine sehr angenehme …, es ist ein Umbruch. Man muss sich über manche Dinge keine Gedanken mehr machen, die eh nur so pseudoindustriell waren. Vor ein paar Jahren gab es immer wen, der einem zuflüsterte, hier und da müssten noch Vocals mit drauf und von diesem oder jenen Track müsste man unbedingt ein Video machen. Das ist mittlerweile alles Schall und Rauch. Das finde ich ganz angenehm. Es reduziert sich aufs Wesentliche gerade.


LEGENDEN <11> - DE:BUG.82 - 05.2004

INFO

JAZZ FUNK CLASSICS / Throbbing Gristle TEXT

Throbbing Gristle, Mutant TG, ist auf Novamute erschienen www.mute.com/tg www.throbbing-gristle.com

ULRICH GUTMAIR | ULRICH.GUTMAIR@NETZEITUNG.DE

Carl Craig, 2 Lone Swordsmen und Basement Jaxx haben sie gerade remixt - und dazu mussten sie nicht gezwungen werden. Die englischen Industrial-Begründer Throbbing Gristle sind seit ihrem 79er Album "20 Jazz Funk Greats" eine fixe Bezugsgröße in Techno. Jetzt finden sie sich zu einem einmaligen Konzert mit jungen Freunden zusammen. Gründungsmitglied Cosey Fanni Tutti klärt die Lage. Es gibt wenige Werke in der Geschichte der populären Musik, die so prägend sind, dass man ihren Einfluss gar nicht mehr wahrnimmt - weil sie völlig neue Standards gesetzt haben und den Rahmen bestimmen, in dem sich Musik heute bewegt. Eines dieser Werke ist Throbbing Gristles “20 Jazz Funk Greats” von 1979. Auf dem Cover sind vier junge Leute im Grünen zu sehen, die bar jeder Extravaganz im “domestic style” der Zeit bekleidet sind. Dass sich diese Idylle vor einer berühmten Selbstmörderklippe abspielt, ist eine Tatsache, die der Betrachter erst noch herausfinden muss, und so verhält sich dieses Cover ebenso hinterhältig zu seinem Sujet wie der Titel zur tatsächlichen Musik: Von “Jazz Funk” kann keine Rede sein, und auch wenn die Synthesizer manchmal von ferne an Disco-Eskapismus erinnern, werden hier doch auch ganz andere Töne angeschlagen, die manchmal weh tun. Throbbing Gristles Musik handelte von Langeweile, Verblödung, Massenmord, sensorischer Deprivation, Selbstbestimmung, Sex, Medien und anderen existentiellen Fragen. Auf der Bühne brachten sie riesige Stroboskope in Anschlag, um ihr Publikum zu blenden, “Entertainment thru Pain” war einer ihrer Slogans. Throbbing Gristle ließen es nicht bei der Erkenntnis bewenden, dass Rock'n'Roll Musik ist, die die jugendliche Libido perfekt ansteuert, sie experimentierten auf fast wissenschaftliche Weise mit Frequenz und Rhythmus. Als eine der ersten Pop-Bands nutzten TG Loops und Samples, bauten sich elektronische Klanggeneratoren zusammen und begriffen Sound als Werkzeug, mit dem man Organismen manipulieren kann. Dabei spielten TG ganz bewusst mit dem Format der Pop-Band. TG waren kurz gesagt eine subversive Künstlergruppe, die auf dem Feld medialer Manipulation arbeitete, und dabei Musik produzierte, die eigentlich erst von der nächsten Generation voll verstanden wurde: Ohne Throbbing Gristle hätten die Neunziger anders ausgesehen, vielleicht wären sie auch ganz ausgefallen. Insofern ist es nur recht und billig, wenn ihre Klassiker jetzt remixt werden. Vom 14.-16. Mai werden Throbbing Gristle im Rahmen des Festivals RE~TG sich außerdem zu einem einmaligen Konzert zusammenfinden, nachdem die Mitglieder nach der Auflösung in verschiedenen Projekten weitergearbeitet hatten: Cosey Fanni

Tutti und Chris Carter wurden Chris & Cosey, Genesis P-Orridge gründete mit Peter Christopherson Psychic TV. Christopherson wiederum tat sich 1983 mit dem TGFan John Balance zusammen, um Coil zu gründen. Cosey Fanni Tutti beantwortete stellvertretend für die Band einige Fragen. DEBUG: Wie kam es zu dieser einmaligen Wiedervereinigung von TG, knapp 25 Jahre nach Ende des Projekts? COSEY FANNI TUTTI: Wir vereinigen uns nicht wieder, wir gruppieren uns nur neu, und das ist ein wesentlicher Unterschied. Wir hatten bereits miteinander Kontakt aufgenommen, um das TG24 Box Set herauszugeben. Nach der TG24-Ausstellung im Dezember 2002 wurde uns aber klar, dass es in keiner Weise negativ war, wieder zusammen zu arbeiten. Wir trafen außerdem viele Leute, die uns erzählten, dass TG sie stark beeinflusst habe. So kamen wir zum Schluss, einen Event zu organisieren, um einerseits die Existenz von Throbbing Gristle, andererseits aber auch die Arbeit zeitgenössischer Künstler und Musiker zu feiern. RE~TG soll keine Hommage an TG werden, daher ist das Line-Up auch nicht von Industrial-Projekten dominiert. DEBUG: Wenn man sich euer erstes Album, “2nd Annual Report” heute anhört, stellt sich sofort und immer noch das Gefühl ein, dass man hier etwas hört, was damals ohne Beispiel war: Elektronischer Krach, akustischer Terror, Samples von gesprochener Sprache und musikalischen Klimaxen. Was war damals das stärkste Motiv, solche Musik zu machen? COSEY FANNI TUTTI: Eines der stärksten Motive war Frustration und Zorn über die unterwürfige Haltung, die Kulturschaffende einnahmen. Es spielte natürlich auch eine Rolle, dass das Klima in Großbritannien in den Siebzigern extrem politisch aufgeladen war. Es gab ständig Krawalle, Streiks und Unruhe im Land. Wir hatten das Gefühl, dass unsere Arbeit auch politisch war: Wir wollten die Vorstellungen darüber, was Musik ist, niederreißen. Wir präsentierten den Soundscape unserer Zeit, womit sich die Leute auf einem ganz alltäglichen Level in Beziehung setzen konnten. Wir lieferten den Leuten das Leben in seiner ganzen Rohheit, um es als solches aufzunehmen, so gut sie konnten - oder eben auch nicht. Wir hatten damals das Gefühl, dass es an der Zeit sei, sich den Dingen zu stellen, anstatt vor ihnen wegzulaufen.

DE:BUG: Einmal abgesehen von dem Lärm, den TG generierten - gab es nicht auch gewisse Gemeinsamkeiten mit Leuten wie Giorgio Moroder? COSEY FANNI TUTTI: Keine außer Elektronik. Man spielte seine Platten in den Pubs, in den ich in den Siebzigern strippte. DE:BUG: Die übrig gebliebenen globalen Pop-Konzerne kämpfen heute ums Überleben, unter anderem weil PCs und das Internet die Produktion und Distribution von Musik demokratisiert haben. Ist damit das Ziel, Pop zu demystifizieren, das TG von Anfang an erklärtermaßen verfolgt haben, erreicht? COSEY FANNI TUTTI: In vieler Hinsicht ja. Die Technologie ist weiter fortgeschritten und ich hoffe, dass wir die Leute dazu motiviert haben, sie für bessere Zwecke einzu-

Charakteren mag, und ihre sehr unterschiedlichen emotionalen Reaktionen auf den Tod. Es ist in vieler Hinsicht eine clevere Serie, das gilt nicht nur für das Script, sondern auch für die Regie. Es sieht ohnehin so aus, als würden im Fernsehen in der letzten Zeit ganz ordentliche Programme laufen. Der Erfolg, den intelligente Programme haben, spricht für sich: Sie nähern sich solchen Themen so wie wir alle es tun, nicht wie man glaubt, sich ihnen nähern zu müssen ... politische Korrektheit ist eine Farce. DE:BUG: “Für mich ist die wahre Politik, den Leuten sich selbst und ihren Stolz zurückzugeben”, hat Genesis P-Orridge in einem Interview 1987 erklärt. TG haben aus diesem Grund herrschende kulturelle Normen, Stereotypen und Verbote auf manchmal gewalttätige Weise angegriffen. Nach 1968, Punk und Techno,

Wir wollten die Vorstellungen darüber, was Musik ist, niederreißen. setzen als fürs reine Konsumieren. Dennoch steht es mit der Konsumenten/Aktivisten-Ratio derzeit nicht gerade zum Besten. Davon abgesehen hat diese Entwicklung aber auch andere negative Konsequenzen: Alle “neuen” Herangehensweisen und Alternativen werden noch schneller in Warenform gebracht und damit neutralisiert. Man muss sich nur anhören, was heute als Soundtrack für Werbespots benutzt wird. Der Blitz, das Logo von TG, wurde von einem Modehaus verwendet. So wird alles zum “Accessoir”. Ich kann in gewisser Weise die subliminalen Effekte gut finden, die sich aus solchen Aneignungen durch Kommerzialisierung ergeben. Generell aber betrachte ich diese Beschleunigung als Krankheit, die viele wertvolle Ideen zerstört, noch bevor sie sich entwickeln und ihr volles Potential erreichen können. Dieser Punkt, an dem etwas zur Ware wird, war einer der Gründe, warum wir das Projekt TG 1981 beendet haben. DE:BUG: Der mit TG befreundete Journalist Jon Savage sprach in eben diesem Jahr von einer “Wahrheit”, die die populäre Kultur wiederum ganz besonders gern ignoriert: die Tatsache, dass wir alle früher oder später sterben. Was hältst du von “6 Feet Under”, der amerikanischen Serie über einen Leichenbestattungs-Familienbetrieb, die sich programmatisch in jedem Teil um den Tod eines Menschen dreht? COSEY FANNI TUTTI: Ich schaue mir “6 Feet Under” an, sooft es geht, weil ich das Zusammenspiel zwischen den

und unter der neoliberalen Hegemonie scheint inzwischen aber alles erlaubt. Es gibt kaum negative Zuschreibungen von Devianz oder Perversion mehr, die nicht in vermarktbare, positive Identitäten verwandelt worden wären. Haben sich die von TG entwickelten subversiven Strategien damit selbst überholt? COSEY FANNI TUTTI: Das Problem ist, dass Information und Kommentar heute oft nicht so ausgeklügelt präsentiert werden wie damals von TG. Ich glaube nicht, dass wir jemals Schocktaktiken angewandt haben. Wenn du jemand mit Hammer auf den Kopf schlägst, dann verschließt derjenige sich, anstatt sich zu öffnen. TG operierte subtiler. Wir präsentierten Informationen und öffneten sie für Diskussionen - auf einer persönlichen, aber auch einer kollektiven Ebene. Aber wir taten es nicht für die Medien, es ging immer darum, ehrlich von einem Menschen zum anderen zu kommunizieren. Das ist der Unterschied und vielleicht der Grund, warum es damals funktionierte, heute aber nicht mehr. Der Schmerz einzelner Leute ist zu einer Form der Unterhaltung geworden, er wird lächerlich gemacht, gleiches gilt für abweichendes Verhalten. Wirkliche Abweichung und Subversion haben ihre Gründe, deren Effekt sie wiederum sind. Mir scheint, es gibt einen Trend, der dieses Verhältnis umkehrt, so dass “subversives Verhalten” jetzt im Vordergrund steht, und keiner weiß, warum die Leute das eigentlich machen. Subversion wird somit leer und ineffektiv.

LEGENDE REMIXT LEGENDE / Carl Craig über TG “Zum ersten Mal bin ich auf Throbbing Gristle gestoßen, als ich Ende der 1980er-Jahre in London war und die super Gelegenheit hatte, im Lagerraum von Mute rumzustöbern. Ich habe mir ein paar Sachen von Depeche Mode und Yazoo mitgenommen und bin dann an den merkwürdigen Covern von TG hängen geblieben – die sahen ja aus wie eine Folkband aus den 1960ern! Auch der Blitz erinnerte an Grateful Dead. In Amerika habe ich mir die Sachen dann mal genauer angehört und bin ausgeflippt. Ich stand damals ziemlich auf Industrial und habe neben Techno und House auch Ministry und Wax-Trax-Sachen aus Chicago gehört. Das ist schon lustig: Da sitzt man in Detroit und geht zu dieser Musik von englischen Kunst-

hochschul-Typen ab! Meine erste EP auf Planet E habe ich dann “4 Jazz Funk Classics” genannt– eine Referenz an TG. Den Remix von “Hot On The Heels of Love” hatte ich schon vor einiger Zeit gemacht. Die Version von Still Walking war aus der Zeit als ich auch Basic Reshape produziert hatte, ist also schon zehn Jahre alt. Irgendwie hatten TG davon gehört und mich dann gefragt, ob sie die Bearbeitungen für das Album haben könnten. Einen weiteren Mix von “Convincing People” haben sie nicht genommen. Es gab wohl einiges an Diskussion bei TG, wie viel ich überhaupt an den Stücken geändert hätte. Ich glaube sie haben sich das nicht so genau angehört oder sie erinnern

sich nicht mehr so richtig, wie sie das selbst gemacht haben. “Hot…” ist ein Re-edit. Erst am Ende füge ich etwas dazu – ansonsten ist der wesentliche Unterschied die dickere Kickdrum und die Länge des Stücks. Das erinnert vielleicht an Patrick Cowley’s Version von Moroders “I Feel Love”. Ich habe eh den Eindruck, dass TG sich ziemlich bei “I Feel Love” bedient haben – hör dir nur mal die Stimme an. Mir ging es jedenfalls darum, das Stück für den Dancefloor aufzubereiten. Manche Leute denken aber, man müsste bei einem Remix das Original total zerstören und etwas komplett Neues machen.” aufgezeichnet von Felix Denk


GO, GO GADGETO LIFESTYLE <12> - DE:BUG.82 - 05.2004

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PLATTENTASCHE AUS BENZINKANISTER

Es gibt sie doch noch, diese Momente, bei denen man sich denkt, Zeitsprünge existieren wirklich. Tanith, Tekkkno, Tarnmützen, Bundeswehrhosen. Ein Blick auf den Plattenkoffer von Yeah-no.de und Fuel fängt wieder Feuer. Klaus Langer aus Frankfurt (ihr erinnert euch an den Kampf zwischen FFM und Berlin: Wer ist härter? Die Krone geht an FFM), holt aus zum ultimativen DJ-Koffer für alle, für die Bretter aus Vinyl bestehen und sonst nix. Vergesst die dummen dämlichen Acidrevivalpartys, holt Belgian Resistance raus und all eure Hithouse-Platten, denn was sonst gehört in diesen Koffer als ein Orginal-Raveset aus dem Jahr 1992? 30 Platten passen in den umgebauten Benzinkanister bester kämpferischer Technookkupations-Tradition und ach, wir wissen es doch alle, Aphex durfte auch nur auf der Mayday spielen, weil er einen Panzer hat. Einen Freischein für den Bodyshop gibt's leider nicht dazu, denn wer mit diesen Dingern (zwei solcher Plattenkoffer braucht es schon zum Auflegen) hinter die Plattenteller will, der sollte schon eher die Statur der griechischen Götter haben, mit deren Hilfe Kultursendungen im überforderten Deutschland damals auf Techno als Erklärungsversuch des elefantösen Geräuschs reagierten, das die Kids plötzlich anhimmelten. 139 Euro, ohne Rohöl, dafür aber gepolstert. One for the massive. [BLEED] www.yeah-no.de

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04| DISNEY ELECTRONICS

Der Welt zuckersüßester CD-Spieler ist gelandet! Und was ihn zu einem wahren Schatz macht, ist seine für heranwachsende Minnie-Mäuschen und ausgewachsene Kitschfetischisten unverzichtbare Zusatzfunktion: Er ist zugleich eine Schmuckschatulle inklusive Spiegel und Geheimschublade! Die Erwachsenen aus dem Hause “Frog Design”, die ansonsten für so unaufregende Firmen wie Apple, Louis Vuitton und Lufthansa arbeiten, haben all ihre infantilen Kompetenzen zusammengerafft, und für Disney die neue Consumer-Electronics-Linie gestaltet. In den Farben Mickey-Rot-Gelb-Schwarz und “Princess” (Rosa-Lila-Weiß) verniedlichen außer dem CD-Schmuck-Ufo ein portables Radio, ein DVD-Player, ein Radiowecker und eine “Boombox” die jeweiligen Hifi-Racks, Nachttische und Wohnzimmerschränke, alles schön kantenfrei, wie wir es von frog kennen und es sich für kleine Kinder empfiehlt: “Wir verbinden unser Wissen über Kinder und unser Know-how als ‘Geschichtenerzähler’ mit innovativem Produktdesign”, sagt die Presseerklärung. Wir sagen: So hätten wir das nicht formuliert, aber dank grundsolider Technik und Verarbeitung werden auch wir demnächst nochmal bei Papa anrufen und betteln: “Bitte bitte bitte, das MUSS ich haben, es passt sooo gut zu meinem neuen Schalensessel ...” [ARNE]

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03| NIKE / PHILIPS MP3 PLAYER

Ein bisschen sieht er aus wie eine Stoppuhr in abgeflachter Eierform, dieser MP3-Spieler der PSA (Portable Sport Audio)-Linie von Nike und Philips. Das ovale und orange leuchtenden Display wirkt wahlweise wie ein Bullauge oder ein Spiegelei. Aus aufmerksamer Beobachtung weiß man ja, dass z.B. Jogger nicht nur gerne fettfreie Süßigkeiten essen, sondern bei ihren Ausdauerläufen auch gerne Musik hören. Was, das möchte man eigentlich nicht unbedingt wissen, daher klebt hier auch ein Sticker mit dem Titel “Ibiza Mix” zur Schonung auf dem Display. Mit 256 MB gibt es ausreichend Platz, das USB-Kabel ist recht komfortabel und das Design an sich sehr gelungen, nur vielleicht etwas zu klobig realisiert Aber der PSA-Play gehört ja auch nicht in die Hosentasche, sondern in einen Gurt mit eigens dafür vorgesehener Plastikhalterung. In diese wird er mehr reingequetscht als reingelegt und um den Oberarm oder mithilfe eines weiteren Gurtes um die Taille geschnallt. So eingeschnürt, lauscht man seinen Sport-Sounds dann vollkommen safe und Bounce-resistent mittels eines zwar leichten, aber eher unbequemen Kopfhörers, der auf dem Hinterkopf getragen wird. Ein optimaler Player für all diejenigen, die Trainingshosen primär zu Laufen tragen und bisher sitzfeste Musik vermisst haben. Nicht gerade ein Monster in Sachen Style, wohl aber ein praktisches und robustes Sportlertool. www.nike-philips.com [CAYND]

TEUFEL CONCEPT E MAGNUM: SURROUND SOUND 5.1-KOMPAKTSET

Unter unserer kleinen Grafik-Bürogemeinschaft haust im Erdgeschoss ein gar fürchterlich wilder Kerl: Dieser Typ, kurzhaariger Neo-Eso-Hippie und selbst ernannter Frauenversteher, veranstaltet Tag aus, Tag ein unter kryptischem Kürzel so etwas wie soundgestützte Urschrei-Therapien. Dabei brüllen meist ca. 20 weibliche Mitbürgerinnen ihren Frust in seine Bude. Und damit auch alles rauskommt, wird das Ganze vom Barbaren mit massig Trance-Bassgebrumme rausgedrückt (grenzdebiles Delphingefiepe und Ethnogeklapper gibt es zeitweilig auch). Das klingt lustig, ist es auch, aber eben nicht jeden Tag. Soviel freischwebendes Leid erträgt niemand. Da dem Problem durch Beschwerde nicht beizukommen war, hieß unsere konkrete Gegenmaßnahme “Teufel Concept E Magnum Surround Sound (Lautsprecher-) System”. Es ist Testsieger in verschiedenen Nerdo-Audio-Video-Magazinen in seiner Klasse und gibt uns jetzt einen sehr ordentlichen Wumms in die Bude. Seit der Lieferung unserer Konkurrenzveranstaltung gehen wir massiv in uns und reflektieren mit eingebautem Verstärker im Subwoofer sowie vier Satellitenlautsprechern und einem Centerspeaker nach unten. Wir haben das Schätzchen an einen Battle-Mixer und Decks angeschlossen, was uns zwar nicht in DEN Surround Sound hüllt, aber unsere 110 qm Raum auch linear sehr korrekt mit Rambo-Zambo füllt. Wer entsprechende Geräte besitzt, die Dolby 5.1 unterstützen (Rechner mit Soundkarte, Surround Sound Receiver, ordentlicher DVD Player), darf dann den Hi-Class Surround Sound erleben, der allerdings auch nicht besonders zum socializen mit den Nachbarn geeignet ist. Nach wie vor freuen wir uns diebisch über unseren EQ-Shooter, und gerade weil es eben nur 199 Euros (statt 379) gekostet hat. Alle Infos, Tests und Bestellung unter www.teufel.de. Rave on and hate your neighbours. [RIKUS]

DESIGNMAI INTERNATIONALES DESIGNFESTIVAL BERLIN 06.-16. MAI 2004 WWW.DESIGNMAI.DE


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FINDER GRIME

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BAILEY

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OFFSHORE RECORDINGS

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VAST AIRE

2Steps next Step aus London Waffen zur Marktkontrolle Neue Drum-and-Bass-Allianzen aus New York Cannibal-Ox-Mann jetzt mit erstem Solo-Album

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PETE RCOK

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DETROIT GRAND PUBAHS

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PÖNKRÖCK-SPECIAL

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PÖNKRÖCK-SPECIAL

HipHop-Legende als Überlebenskämpfer Funk Is Back Is Booty Is Sexy I: Das Bierbeben, Stella II: Rocket/Freudental, MG Telekommander

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FIREWIRE

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TIM WRIGHT

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SKALPEL

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RICHARD BARTZ

DIN-ST & Carl Crack Die Schwalbe macht den Sommer ... Polens Cinematic Orchestra Wirklich, ehrlich, also echt!

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MUSIKTECHNIK: TRACKTION

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MUSIKTECHNIK: FINAL SCRATCH

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RJD2

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GEWINNEN

Komplette DAW für 80 Dollar? Die Schwalbe macht den Sommer ... Progrock wird das nächste große Ding Ihr seid am Zug, unsere Goodies im Anflug

BY THE RIVERS OF BIRMINGHAM

THE STREETS

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SVEN VON THÜLEN | SVEN@DE-BUG.DE

BILD

NOSHE

Mike Skinner ist der Charlie Dickens des 21 Jhdts. Das stand in der Sun, nachdem die gehört hatten, dass Skinner als "The Streets" über eine Million Alben verkauft hat. Wir schließen uns diesem Groburteil an, wenn auch aus anderen Motiven. Zum Beispiel, weil er genau wie Dickens nie XXL-Pyjamas tragen würde. "Nice Trainers! Das ist ja die Originalfarbkombi, die Nike damals rausgebracht haben", bemerkt Mike Skinner so beiläufig wie anerkennend, als er die Air Max unseres Fotografen entdeckt. Für ein Schwätzchen über Turnschuhe ist er immer zu haben. Er selbst bekommt mittlerweile seine Sneaker von Nike gestellt, wie er nicht ohne eine gewisse stolze Zufriedenheit erzählt. An Adidas ist er auch dran. Seine noch ziemlich makelosen Nikes begutachtend, murmelt er etwas von einem neuen Paar, das er bald braucht, und dass er seine Schuhe eben gerne frisch aus dem Karton trägt. Dass Mike Skinner zu großen Teilen mit dem Geezer, über den er als The Streets im schweren Akzent reimt, identisch ist, wird durch seine recht unverblümte und sympathisch offene Art noch unterstrichen, in der er sowohl über die Auswirkungen des Extasy-geschwängerten "Summer of Love" auf die englische Hooliganszene, seine Vorliebe für feinen britischen Zwirn à la Burberrys sowie über die neuesten Entwicklungen der Londoner Garage-Szene, die sich vor einiger Zeit in neue Substile wie Grime oder 8 Bar aufgesplittet hat, referiert. "Ich mache das nicht absichtlich. Es ist, was ich kenne. Eigentlich würde ich gerne ein bisschen davon wegkommen, aber die einzige Sache, über die ich wirklich reden kann, ist das Leben in England. Englische Kultur. Eben auch mit allen Klischees", sagt er und kritzelt auf seinem Notizblock herum. Als "Original Pirate Material", das Debütalbum von The Streets, vor zwei Jahren herauskam und sich so ziemlich alle auf Mike Skinners tagebuchgleiche, typisch englische Geschichten von Pills, Thrills und Bellyaches über quäkenden, von UK-Garage inspirierten LoFi-Beats einigen konnten, war das die Überraschung der Sommers 2002. Zwei Jahre und knapp eine Millionen verkaufter Alben später hat sich musikalisch nicht viel verändert. Bessere PlugIns habe er jetzt und einen neuen Rechner.

Das war es aber auch schon. Seine Vorliebe für eine sehr sparsame, lediglich aus Beats, elastischen Basslines und herzergreifenden Streicher- und Klavierthemen bestehende Instrumentierung, die seine ausdrucksstarke Stimme noch hervorhebt, ist geblieben. Lediglich der Garage-Einfluss, der auf seinem Debüt noch eindeutiger zu hören war, ist fast gänzlich einem balladesken Midtempo-Vibe gewichen, der Garage und natürlich auch HipHop nur noch als ästhetischen Ausgangspunkt nimmt, um in einem ganz eigenen Sounduniversum mit hohem Wiedererkennungswert anzukommen. Vielleicht könnte man sagen, dass The Streets für UK-Garage das ist, was Outkast für HipHop sind. Er selbst verfolgt die Entwicklungen der Garage-Szene sehr genau, ohne wirklich Teil von ihr zu sein."Hardcore-Kids, und ich meine damit Kids, deren Leben Hardcore ist, hören nicht The Streets." Zu poppig? "Nein, ich glaube, die Kids könnten mit Pop umgehen, solange das Setting und die Themen stimmen würden. Guck dir Dizzee Rascal an, er ist Hardcore und ist seit letztem Jahr auch ein Popstar. Ich rappe aber nicht über Gewalt, Aggression und Knarren, das ist der Unterschied. Garage ist in England zum britischen Äquivalent von Gangsta-HipHop geworden. Allein deswegen wurde ich, bei allem Erfolg, auch nie als ein Star der GarageSzene gesehen. Zumindest nicht von der Szene selbst." Das auch die englische HipHop-Szene ihn erst akzeptierte, als er in Amerika Erfolg hatte, hat für ihn vor allem mit der ungebrochenen Fixierung der englischen Szene auf das HipHop-Mutterland zu tun. Die Definitionsmacht, was die neuesten Styles und Sounds sind, kommt immer noch von der anderen Seite des Atlantiks. "Sie wollen mit dem englischen Alltag nichts zu tun haben und schauen nur nach Amerika, was dort passiert. Ich nicht, ich nehme ihn als Ausgangspunkt für meine Texte. Für die amerikanische HipHop-Szene war ich ein interessantes Kuriosum. Ich war dieser Typ, der plötzlich wie Marry Poppins auftauchte und zu viel trank, Drogen nahm und jedes an-

INFO

The Streets, A Grand doesn't come for Free, erscheint auf WEA. www.the-streets.co.uk

dere denkbare britische Klischee erfüllte. Vielleicht sollte ich mir jetzt ein paar XXL-Pyjamas kaufen wie Dr.Dre und Snoop." ZU VIELE WORTE FÜR POP Dass Mike Skinner ein begnadeter Storyteller ist, bedurfte nach "Original Pirate Material" keiner weiteren Bestätigung, so amüsant und mitreißend hatte er die alltäglichen Erlebnisse und Beobachtungen seines Ich-Erzählers in Kurzgeschichten, die auch für Hörer jenseits der Insel einiges an Wiedererkennungswert hatten, übersetzt. Mit "A Grand Doesn't Come For Free" hat er jetzt ein Hörspiel produziert, in dem jeder Song die Ge-

Film, der nichts erzählt, ist totale scheiße." Dass Mike Skinner irgendwann die Geschichten ausgehen mögen oder die selbe Geschichte vom englischen Lad irgendwann ihren kapriziösen Reiz verloren hat, scheint zwar keine konkrete Gefahr am Ende seines Textbuches zu sein, aber trotzdem hat er schon ein Feld auserkoren, auf dem er seine Skills in nächster Zeit schärfen möchte: "Mein Ziel ist es, mich als Produzent zu etablieren. Von der produktionstechnischen Seite gesehen, gibt es für das, was ich als The Streets mache, keine Limits. Ich könnte alles aufnehmen, immer neue, frische Sounds bekommen oder selber machen. Aber das Konzept, dass ich

Wenn ich keine Geschichten erzählen würde, würden mich alle Fragen, warum ich so viel heiße Luft absondere.

schichte einer unglücklichen Liebe, eines kaputten Fernsehers, hintergangener Freundschaft und einem Batzen verlorenes Geld (1000 Pfund, ein Grand eben) bis zum verkappten, demütigen (Happy-)End weitererzählt. "Die Geschichte hat sich langsam entwickelt. Ich mag es, Songs zu schreiben, die eine Geschichte erzählen. Aber das die Songs miteinander sprechen, sich aufeinander beziehen, das hat sich im Studio langsam entwickelt", erklärt Skinner, und fügt gleich an:"Für die Art von Musik, die ich mache, muss ich viele Worte verwenden. Popsongs brauchen das nicht, weil es nicht um den Text geht. Sie können es sich leisten, nichts zu sagen. Aber wenn ich keine Geschichte erzählen würde, dann würden mich alle Fragen, warum ich so viel heiße Luft absondere. Das Resultat ist, dass ich Wörter mit Dingen auffülle und mich dabei von Filmen inspirieren lasse. Filme müssen eine Story haben. Ein

über meine Beats Geschichten erzähle, mag limitiert sein. Ich habe nur ein Leben und nur eine Stimme. Wenn mir irgendwann nichts mehr einfällt, dann werde ich einfach als Produzent weitermachen." Mit seinen Arbeiten für Cassius und Black Twang gibt es bisher zwei Kostproben der Remixkunst von The Streets, wobei vor allem der Mix für die zum Eklektizismus konvertierten französischen Edel-Houser Cassius mit den grollenden Mentasm-Sounds und Mikes schnoddrigen Vocals, die sich mit den Originalraps von Wu-Tangs Ghostface Killah aufs Schönste anlegen, auf einige großartig bösartig rumpelnde Remixe in der Zukunft hoffen lässt. Dichter an Grime, dem bösen Dancehall- und UK-Garage-Bastard, der momentan die Pirate-Radios der Insel beherscht, war The Streets auf jeden Fall noch nie.

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NACH GARAGE KOMMT GRIME BRITISCHE BÄSSE TEXT

BILD

CHRISTIAN FUSSENEGGER | LENTO.XL@WEB.DE

Dizzee Rascal ist ihr erster Majorstar: Die Londoner Grime-Szene vermischt den 2Step-Sound mit HipHop, verführt Neunjährige zum MCen und sorgt endlich wieder für frische Aufregung in den Keller-Pubs und Ghetto-Studios. Christian Fussenegger hat sich vor Ort ins Gedränge geschoben und den Vibe eingesogen, und ihr seid nicht um die Kunde betrogen. Es ist wieder soweit. In der Beton- und Ziegelwüste der Londoner Vororte braut sich was zusammen. Ganz unbemerkt. Geht man auf die Suche, findet man vielleicht eine Handvoll Plattenläden. Mit etwas Glück den ein oder anderen Piratensender im Äther. Vorbeifahrende Autos, deren Subwoofer-Basslines ein flaues Gefühl im Magen verursachen. Ganz sicher findet man aber in jedem Londoner Estate Horden von Kids, die 16, 32 oder mehr Takte Reime parat haben. ”Can you spray? Can you spit?” – diese Frage wird als rhetorisch belächelt, denn hier ist jeder MC. Fragt man weiter, wie sich ihre Musik nennt, bekommt man meist ein Schulterzucken. “I don’t know. It doesn’t have a name yet.“ – “It’s like HipHop, but British. It our own ting, innit!” – “Some call it grime. It’s grimey, like the streets." JUNG UND BRITISCH Soho, Freitagmorgen. Im winzigen Keller von Uptown Records steht eine Gruppe Schulschwänzer. Die meisten sind 15 oder 16, einige nicht älter als 12. Mit großen Augen begutachten sie die Wand hinterm Tresen. Eine Wand voller Whitelabels, 50 bis 60 Releases, Producer und Tracknamen mit schneller Hand auf die weißen Hüllen gekritzelt. Unterteilt in Kategorien wie Sublow, Eski-Beats, MC-Tunes, Riddims, 4/4, Dubstep oder Old-School. Die Musik ist ohrenbetäubend, 135-140 bpm, wüste Basslines und extrem krispe Beats. Und langsame Halftime-Tunes, die Timbaland zu denken geben sollten. Was hier im Keller verkauft wird, ist frisch aus dem Presswerk und entzieht sich einfacher Kategorisierung. In Sachen Tempo ist UK-Garage rauszuhören, produziert wird mit dem gesamten Wissen von Drum and Bass, aber erst im unteren Frequenzbereich entsteht der Vibe. Dancehall liegt in der etwas stickigen Luft, und vielleicht die Zukunft von R’n’B. Hinterm Tresen steht Cameo. Der 23-Jährige verkauft hier seit 2 Jahren die Tracks, die gestern erst im Kinderzimmer gebastelt wurden. An Wochenenden ist er als DJ unterwegs, “up and down the country“. Als der Begriff UK Garage zu eng wurde für das, was ihm täglich in den Laden geliefert wurde, begann er "Sublow" drüberzu-

schreiben. Dann kam Wiley mit seinen "Eski-Beats". Und inzwischen gibt es Grime-Riddims wie den PumPum-Riddim, auf den Dutzende MC’s gepackt werden. Cameo ist stolz auf das, was hier entstanden ist. Innovate not imitate. "Was hier in den letzten Jahren entstanden ist, ist unser HipHop. Hier kommen zum Teil Neunjährige rein, die alle Tracks und jeden MC kennen. Diese Musik ist extrem jung, in der Szene gibt’s keinen über 25.“ Heute Morgen sind neue Tracks von Terror Danjah, DJ Wonder, Tubby und Wiley reingekommen. Und morgen schon wieder ausverkauft. Die Kids stopfen zwei, drei Platten in ihre Nylon-Turnbeutel und veschwinden. CREW Stratford, Samstagnachmittag. D Double E zieht noch mal tief. Gleich muss er bei seiner Mutter vorbei, das bedeutet: Rauchen verboten. D Double E ist im Moment einer der heißesten MC’s in London. Sein neuester Track "War wid" ist bei den Piratensendern quasi auf Heavy Rotation, jedes Kind im Viertel kennt sein Trademark-Intro-Geräusch, ein langgezogen-kehliges "Uhh-oh“. Mit im Auto hockt sein bester Kumpel, MC Monkee. Sie unterhalten sich leise über den Rave in Northhampton, bei dem D Double heute Nacht auftritt. Vor drei, vier Jahren waren beide noch "one hundred percent drum’n’bass“, versichern die AnfangZwanzigjährigen. D Double E ist inzwischen solo, das bedeutet, dass er nicht mehr als Teil der 15-köpfigen N.A.S.T.Y.-Crew auftritt. Seit sein Kumpel Dizzee Rascal letztes Jahr die nationalen Charts mit dem Sound der kaputten Wohn-Ghettos konfrontierte, ist alles anders. "Das Leben in einer Crew ist anstrengend. Da gibt es Typen, die nehmen dich in eine Crew, weil sie wissen, dass du gut bist - that u are a deep spitter. Aber in echt hassen sie dich. Es gibt viel Neid. Inzwischen haben die Majors von dieser Musik gehört, und von den Verkaufszahlen im Underground. Wenn sie dann anrufen, dann landen sie aber erst mal bei der Nasty-Crew. Das bringt mir gar nichts.“Grime-MC’s wie D Double, Wiley, Kano, Durrty Doogz oder Crazy Titch sind genau genommen keine MCs mehr, sie selbst bezeichnen sich als "artists". Also mit echten Lyrics

FLEX FLEXMATIC

statt leeren Hype-Phrasen. Und dabei doppelt so schnell wie gängige HipHop-MC’s. PERSPEKTIVE Leytonstone, Samstagabend. Über eine schmale, steile Treppe gelangt man in ein kleines Kellergewölbe. "The Basement" wird das winzige Studio in der Szene genannt. Aufrecht zu stehen ist unmöglich, die wenigen Sitze belegen Kids "from the ends", aus dem Viertel. Ratty quetscht sich also ins Gewölbe. Er ist hier, um neue Tracks von den Producern Jammer und Biggaman zu testen. Ratty ist 22 und produziert seit einem Jahr unter dem Titel "Lord of the Decks" eine CD- und DVDCompilation. Einige Tausend hat er schon verkauft, ganz ohne Vetrieb. Früher war er in einem anderen Bu-

It's grimey, like The Streets. siness, aber darüber will er nicht reden. “Die Regierung hat schwarzen Jugendlichen wie mir keine Perspektiven zu bieten. Und dann macht man Sachen, die man eigentlich nicht machen möchte, you get me, blood? Lord of the Decks, das ist mein eigener Job, ich bin dafür verantwortlich - and white man’s not giving me a job. Ich will diese Musik riesig machen, in Amerika, auf der ganzen Welt!“ Jammer nickt zustimmend und murmelt was von Supermarkt und Regale auffüllen. Im Hintergrund läuft ein BlaxploitationBassline-Monster auf 140bpm, die anwesenden MC’s murmeln geistesabwesend Texte, alle anderen nicken stoned zur Musik. Ratty muss los. Heute Abend will er seine Kamera in einen großen Rave schmuggeln – die 5000 Karten zu je 25 Pfund sind fast ausverkauft. Einige historische MC-Battles stehen auf dem Plan, und natürlich Ladies. Das Business schläft nicht. DER MC UND DIE PARTY Central London, Sonntagnacht. Die Straßen der City sind tot, hierher kommt man nur zum Arbeiten. Auf der Suche nach Earl’s Winebar sind Security Guards sehr hilfsbereit. "It’s a coloured people’s place, innit? I know it, it’s over there.” Earl’s ist tagsüber eine Weinbar für CityBanker, nachts ein Club, in dem sich ganz East-London trifft. Terror Danjah und seine Kumpels von der East Connection wollen auch rein. Sie kommen direkt aus dem Studio von Deja Vu FM, einem bekannten Piratensender im Osten der Stadt. Ihr Plan ist, bei der Party der

Mo’Fire Crew das Mikro zu kidnappen, eine Art Überfall auf Freunde. In der völlig überfüllten Bar gestaltet sich das unmöglich. Der DJ wechselt, statt Dancehall kommt nun Grime aus den Boxen. Sofort schnappen sich die Zuschauer das Mikro und der Raum explodiert. Um das Mikro gruppieren sich 10 bis 15 MCs, die Zuschauer brüllen einzelne ihrer Textpassagen lauthals mit. Das Mikro wechselt schnell den Besitzer, wird förmlich aus der Hand gerissen. Nach 20 Minuten hat Terror Danjah genug. Seine Jungs waren nicht am Mic und nur noch wenige Mädchen tanzen. Terror Danjah arbeitet als Producer jeden Tag mit MCs zusammen. Aber er ist er einer der wenigen in der Szene, die auch Sängerinnen ins Studio lassen. "Viele der Tracks sind für MC’s gemacht, sehr minimal und dark. Aber wer will stundenlang MC’s hören? Zu Hause höre ich Zeug wie Musiq Soulchild. Ich mache Tracks, die die Party am laufen halten, ich mache Lieder. Wir müssen zeigen, was man mit dieser Musik alles machen kann.“ Vor der Tür warten die Jungs im Wagen, sie müssen gleich bei einer Party in Bow sein. Der verblichene R’n’B Star Shola Ama hat dort eine P.A. – sie versucht ein Comeback zu starten, mit einem Track von Terror Danjah. Die Chancen stehen gut, denn besser hat sie sich nie angehört.

INFO Cameos wöchentliche Show auf 1xtra: pirate session www.bbc.co.uk/1xtra/tracklistings/ piratesessions/piratetracks.shtml www.virussyndicate.moonfruit.com www.terrorhythm.co.uk www.djmarkone.net Wiley veröffentlicht im Mai ein Album auf XL Recordings. Er dürfte der bekannteste MC/Producer sein. Gutes Interview unter: www.hyperdub.com/softwar/wiley.cfm

DRUM AND BASS

WO IST DER BAILEY? / DJ Bailey TEXT

SASCHA KÖSCH | BLEED@DE-BUG.DE

Seit Jahren Teil von Goldies MetalheadzCrew ist Bailey einer der wenigen D&BDJs, der ohne eigene Produktionen zu einer der Integrationsfiguren im Business geworden ist. Seiner Show auf BBC's 1Xtra und seinem kompromisslosen Anything-Goes-Style sei Dank. Jetzt hat er mit Dylan sein eigenes Label gegründet. Drum and Bass ist irgendwie in schwierigen Zeiten. Nicht, dass das etwas Neues wäre. Drum and Bass war immer schon eine verdammte Rangelei und daran wird sich auch nichts ändern. Stilkämpfe, DJs, Dubplates, als Releasepläne getarnte leere Versprechungen, die stranger sind als die Regierungserklärungen aller westlichen Demokratien zusammen, und natürlich ständige Verwirrung, was Vertriebe und andere Gangster betrifft. Wenn jemand da mittendrin steht, ohne große Rückschläge, dann kann das eigentlich nur ein DJ sein. Ein Wunder, dass es neben Bailey eigentlich kaum einen DJ gibt, der nicht über seine Producer-Karriere,

sondern einfach als DJ zu den festen Größen gehört. Baileys einzige Produktion (für Full Cycle) war eigentlich eher ein Missverständnis. Er wollte nur einen Track zum Spielen haben und bekam aufgrund von bekiffter Verwirrung, wie wir vermuten, die Samples zum Remixen. Schon sehr früh Teil der Metalheadz-Crew, ist Bailey einer der ganz wenigen DJs, die nie Starallüren angenommen haben, das liegt ihm einfach nicht, Bailey ist dafür einfach zu freundlich. Im Moment steht, nach Jahren zurück im Untergrund und einer übermächtigen Welle von rotzigen Ravetracks, eigentlich die Entscheidung an, ob sich Drum and Bass doch noch wieder in zwei Lager aufteilt, das melodiöse und das brachiale. Einfache Unterscheidungen werden bei Drum and Bass gerne groß geschrieben. Aber das hatten wir schon oft und immer ist es einigen wenigen Leuten zu verdanken, dass eben genau das nicht passiert, weil sie die Fäden zusammenhalten. Bailey ist im Moment einer von ihnen. Nicht nur weil sein neugegründetes und nach seiner ersten Crew benanntes Label Intasound (eine Bailey/Dylan Coproduktion, mit Dylan als Officer und Bailey als Kopf) Tracks releast, die, weil sie die Breaks wieder ins Zentrum setzen, den Fokus von diesem dichotomen Schwachsinn umlenken, sondern auch, weil er

mit seiner Radiosendung auf 1xtra, dem digitalen Black Music Sender der BBC, überall abräumt (Show des Jahres im Knowledge Mag) und das eben genau deshalb, weil seine Sets auch hier keine Scheuklappen kennen. Wer sonst würde es wagen, Twisted Individual und Influx UK oder Calibre und Shy FX nebeneinander zu spielen. Sowas gilt im eher strengen Umfeld als Verbrechen. Und genau deshalb wenden sich all die Producer an ihn, die melodiöse und harte Tracks zugleich machen, die Diversity und Deepness über alles stellen, und um nicht in den Sog von Verstrickungen zu geraten, releast Bailey auf Intasound dann vor allem neue Acts. Und stellt damit eine neue Generation vor, denen Breaks wieder über alles gehen, die Beats cutten wie die Weltmeister und damit die Gegensätze zwischen Melodie-über-Alles und technoidem Bassbrummen aushebeln. Southstar & Miracle, Menacer, Trust, Dstar, alles Vorboten einer Generation, die ihre Lektionen von Source Direct und anderen Beatmastern gelernt haben und wie von selbst entsteht dann plötzlich eine dritte Kraft, die alles zusammenhält, weil sie alles auseinander reißt. Und mittendrin Bailey, grinsend, mit seinen meterlangen Dreads, dem man genau das eigentlich gar nicht zutrauen würde.

INFO http://www.intasound.net http://www.bbc.co.uk/1xtra/djs/bailey.shtml


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DRUM AND BASS

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www.offshore-recordings.com www.djclever.com www.ohmresitance.com/Pseries.html

DER FUNK DER PERIPHERIE

chen interessiert, die die Grenzen von Drum and Bass sprengen. Wir versuchen ständig, die Dinge in alle möglichen Richtungen voranzutreiben. Ich habe Spaß an vielen verschiedenen Styles, und ich will nicht nur eine Art von Sound veröffentlichen. Deep Blues Sachen sind z.B. total anders als das, was Paradox macht, es hat nicht diesen ’breaky’ Aspekt,

OFFSHORE RECORDINGS

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ORSON | ORSON@DEBUG-DIGITAL.DE

um die bestehenden Strukturen zu umgehen. Ganz im Sinne des Netzwerk-Gedankens - zwei kleine Labels schließen sich zusammen, um gemeinsam ein größeres Publikum zu erreichen - teilen sich Ohm-ResistanceArtists mit Offshore-Künstlern wie Fanu und Fracture + Neptune eine von sechs 10“es für die Offshore/Ohm

Offshore operiert igendwo an der Peripherie. Ich bin an Sachen interessiert, die die Grenzen von Drum and Bass sprengen.

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AMY PIERCE

Wie immer ist das Spannendste das, was noch kommt. Bei Offshore Recordings kommt es jetzt gewaltig, denn dank munterem Kollaborieren mit den Kollegen von Ohm Resistance schickt Brett Clever eine Platte nach der nächsten auf die Straße zum Erfolg. Und die ist bekanntlich umso kürzer, je mehr Artists sie gemeinsam beschreiten. Ein glücklicher Zufall und sohlenschonend, dass Peripherie und Metropole hier so dicht beieinander liegen: Offshore lives New York ... Brett Clever aka DJ Clever hat in New York mit Offshore Recordings eine der aktuellen Schnittstellen geschaffen, die an die besten Momente von Reinforced, Metalheadz und Moving Shadow erinnert, die Grenzen des Genres hinterfragt und mit jeder Veröffentlichung neue Richtungen aufweist. Brett arbeitet nebenbei noch Full Time bei "Breakbeat Science“, dem größten amerikanischen Drum-and-Bass-Label, -Shop und -Mailorder in New York. Offshore wurde anfangs zusammen mit Brian Anemone gegründet. Die erste 12“

Sileni/ASC - Twitchy Droid Leg/Drum Track 2 (OSR008) ist bereits erschienen. Nucleus + Paradox - Soul Message/Think About It (OSR009) erscheint im April. Eine Mix-CD der Ohm Resistance/Offshore 10“ Split Serie von Clever erscheint im Juni “Troubled Waters“ Mix-CD von Clever erscheint im Juli auf Single Cell Music.

wurde von den beiden als Anemone und Clever produziert, danach löste sich Brian von Offshore, und Brett übernahm die gesamte Labelarbeit mit ermutigender Unterstützung von ASC, Paradox und Deep Blue. Brett hat es geschafft, an allen Schwierigkeiten vorbei, die letzten zwei Jahre konsequent eine Platte nach der anderen in die Shops zu bringen und sich nicht an Hypes abzuarbeiten, sondern immer wieder eigenständige Statements zu produzieren. "Offshore operiert igendwo an der Peripherie. Ich bin an Sa-

sondern hauptsächlich 808‘s, Drumkits und so einen etwas schrägen Electro-Flair. Oft vertraue ich einfach den Künstlern. Paradox, Deep Blue und Seba hab ich gesagt, sie sollen Tunes produzieren, bei denen sie denken, dass sie passen, und das haben sie gemacht. Ich kann mich sehr glücklich schätzen, so tolles Material bekommen zu haben. Die B-Seite für die Deep Blue EP ’Coral’ hatte ich schon lange, bevor er seine Maxi auf 31 Records veröffentlicht hat, auf CD. Er hat ihn zur gleichen Zeit wie ’Immersion’ und ’Momentum’, den Tracks der 31 EP, gemacht. Sie haben auch alle den gleichen Vibe. Ich war damals total beeindruckt von ’Immersion’, und als wir dann anfingen, über das Offshore-Projekt zu sprechen, stellte sich heraus, dass ’Coral’ nie veröffentlicht wurde. Und so haben wir entschieden, es auf die B-Seite zu tun. Deep Blue ist unglaublich. Es gibt so viele großartige Sachen von ihm, die noch kommen.

CLEVER KOLLABORIERT Dass es für Labels wie Offshore nicht einfach ist, mit ihrem Anspruch große Stückzahlen innerhalb der Drum-and-Bass-Szene zu verkaufen, zumal die Unterstützung der Vertriebe fehlt und auch der größte Teil der Szene träge auf dem letzten Hit rumkaut, ist klar. "Es wird mit jedem Release besser, aber trotzdem ist es hart, die Leute darauf aufmerksam zu machen. Um ehrlich zu sein, es ist verdammt schwer.“ Anstatt sich zu beklagen, wird nach Alternativen und neuen Ansätzen gesucht,

Resistance Split Serie. "Kurt von Ohm Resistance und ich haben gedacht, dass es cool wäre, zusammenzuarbeiten und eine Split-Serie zu machen. Es ist ein effektiver Weg, um Stücke rauszubringen, für die wir noch nicht den richtigen Platz in unseren Release-Plänen gefunden haben. Aufgrund der wachsenden Schwierigkeiten mit dem Vertrieb für ’leftfield’-Drum-and-Bass kamen wir aufs Abonnement-Prinzip über das Internet, um diejenigen direkt zu erreichen, die interessiert sind. Mit dem seltenen 10“-Format und einem Augenmerk aufs Artwork wollten wir dem ganzen Projekt einen besonderen Ausdruck verleihen.“ Mittlerweile featured das Label legendäre Produzenten wie Deep Blue, Justice, Pieter K, Seba, Paradox, Alpha Omega, Nucleus, und ASC - alle schon lange dabei und teilweise auch mit eigenen Labels - sowie Newcomer wie Fracture + Neptune, Graphic, Fanu, Echo, Slide und Sileni. "Es passiert eine Menge, Offshore 008 ist draußen und 009 kommt im April. Im Frühjahr gibt es eine Commercial Suicide vs. Offshore 12“, auf der Klute Fanus ’Defunct Drums Depression Decade’ remixt und Fanu ’Perceptron’ von Klute. Wir denken, dass das ein überraschender, frischer Ansatz ist. Ich bin sehr froh über das Ergebnis. Offshore 010 wird eine Zusammenarbeit zwischen Beans vom Anti Pop Consortium mit Graphic und Deep Blue sein, ich bin sehr gespannt, was dabei herauskommt."

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HIPHOP

HIPHOP

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FREIHÄNDIG RAPPEN TEXT

EKREM AYDIN | E.AYDIN@WU-TAL.DE

ÜBERLEBENSKÄMPFER

VAST AIRE

PETE ROCK In der HipHop-Welt ist sein Name legendär, keine Alltime Favorite Top Ten ist ohne eine von ihm produzierte Nummer komplett. Die Rede ist vom Soulbrother #1: Pete Rock. Einst unterwegs mit seinem Partner in Rhyme C.L. Smooth, trennte er sich vor einigen Jahren von selbigem und begründete dies damals mit: “Wir hatten einfach verschiedene Visionen“. Als Remixer hatte er zu dieser Zeit bereits Originale von Künstlern wie Public Enemy, Jeru The Damaja, Mary J. Blige und anderen zu ewigen Clubclassics veredelt, doch der zu seinen Duettzeiten beinahe völlig im Hintergrund agierende Pete Rock drängte immer häufiger selbst an das Mikrofon, wurde von seinen Fans dafür geliebt und von vielen Kollegen verspottet, da sie ihm neben dem Produzieren von Beats wohl nicht noch ein Talent zuschreiben mochten. Und trotzdem, als Pete Rock Ende der Neunziger rief, kamen alle. Es ging darum einen weiteren Traum zu verwirklichen: Soul Survivor. Ein Konzeptalbum, bei dem Pete Rock die exorbitante Musik wie immer ausschließlich mit den Produktionsmitteln seiner Wahl, der MPC und der SP1200 zauberte und deren eingeschränkte Möglichkeiten seiner Meinung nach bis heute das Geheimnis eines jeden guten Beats sind. Das Album wurde schon im Vorfeld der Veröffentlichung zu einem Klassiker stilisiert und Gerüchte um eine Wiedervereinigung mit seinem ehemaligen Partner C.L. Smooth wurden durch ein Stück auf der LP noch geschürt. Überhaupt hielt sich dieses Gerücht, das wohl stets mehr Wunschdenken der Fans war, über all die Jahre hartnäckig. Selbst die objektivsten Schreiberlinge mutierten zu hysterischen 15-Jährigen, wenn es um die Zusammenarbeit der beiden ging. 2004 scheint das Jahr der Vereinigung zu sein. In diesem Monat erscheint Soul Survivor II und darauf gleich zwei neue Nummern der beiden, doch vornehmlich bleibt es ein Pete-Rock-Produzentenalbum und das bedeutet, dass neben ihm selbst erneut so illustre Gäste wie Talib Kweli, Pharoahe Monch, Dead Prez, RZA vom Wu-Tang Clan und weitere zum Mikrofon greifen. Auf die Frage, ob er in Zeiten, in denen synthetische bzw. elektronische Klänge verstärkt Einzug in Hip Hop halten, noch eine wirkliche Chance für seine klassisch an Soul-, Jazz- und Funksamples orientierte Musik sieht, antwortet er: “Wenn ihr euch meine erste Singleauskopplung 'Warzone' mit Dead Prez von Soul Survivor II anhört, werdet Ihr merken, dass ich auf jeden Fall am Puls der Zeit geblieben bin.“ Genau an diesem Track wird auch die ganze Crux deutlich: Die Frage ist, ob Pete Rock es schaffen wird, die Freunde seiner Musik mit neuen Stilen nicht nur zu überzeugen, sondern auch begeistern zu können. Auf diese Frage entgegnet er: “Oh sorry, der nächste Interviewer ruft durch. Muss leider aufhören. Danke.“ Er überlässt es also uns, darüber zu befinden, ob z.B. ein von ihm bereits vor einem Jahr für Prozack Turners “Wonderful Life“ verwendeter Beat noch mal auf “Just Do It“ mit Pharoahe Monch auftauchen darf und ob unser Hunger nach Neuem damit gestillt ist. Anhören bleibt eben doch Pflicht.

INFO Pete Rock, Soul Survivor II, ist auf BBE / Rapster erschienen. www.peterock.net, www.bbemusic.com, www.rapsterrecords.com

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JAN SIMON | JANSENSIMON@GMX.DE

Verschrobener denn je klingt Vast Aire von Cannibal Ox auf seiner ersten Soloplatte. Inzwischen von DefJux zu Chocolate Industries gewechselt, hat er sich mit Madlib, RJD2 und Co zusammengetan, um eins der charismatischsten Alben des Jahres aufzunehmen. Als wir Anfang März in Brooklyn/Sunset Park mit einem MC in Richtung eines Basketballcourts für ein Photoshooting unterwegs sind, werden wir von einer Frau mittleren Alters lateinamerikanischer Abstammung angesprochen. Sicher sei er ja ein berühmter Rapper, wie er denn heiße, dann könne sie ihrer Tochter davon erzählen. “Only semi-famous. Tell her you met Vast Aire“, meint der MC kurz und grinst. Die Frage, weshalb wir über einen halb-berühmten MC berichten sollten,

... zahllose Kollegen baten ihn zum Feature. Selbstverständlich sagte er beispielweise zu, als ihn DJ Ese (tagsüber Labelmanager bei DefJux) darum bat, für dessen Label Embedded einzurappen. Da Vast mit seinen geschätzten 140 Kilo Lebendgewicht eher von der gemütlichen Sorte ist, setzte er sich dafür in Ermangelung einer echten Aufnahmekabine kurzerhand ins Bad. Ergebnis war der Track “Tippin' Dominos“, dessen Originalversion mit dem Beat von DJ Hipsta einer der

Ich habe mittlerweile auf 60 Beats von El-P gerappt und es war einfach an der Zeit, mal abzubiegen. von denen es in New York so viele gibt wie Müllmänner, ist leicht geklärt: Was während der 90er beispielsweise für Q-Tip, Biggie Smalls oder Mos Def galt, gilt im neuen Jahrtausend für Vast Aire. Diese Typen sind mit Stimmen gesegnet, die das Potential haben, auch Leute zu faszinieren, die sich nicht schon ohnehin den ganzen Tag mit dem Klang irgendwelcher Snares oder “Flows“ beschäftigen. Stimmen, die so charismatisch sind, dass sie selbst promovierte Beatanalysten einen Song wieder als Ganzes wahrnehmen lassen. Der Siegeszug Vast Aires begann 2001: Damals releasten er und Vordul Megaloh als Cannibal Ox ein Album mit dem Titel “The Cold Vein“, das für die Beteiligten einschließlich Produzent El-P ein durchschlagender Erfolg wurde. Nach Vasts Aussagen hat die Scheibe bis dato weltweit rund 90.000 Kopien verkauft und damit den Grundstein für das heute wohl erfolgreichste HipHop-Independent-Label DefJux gelegt. Es folgten ausgedehnte Touren, die CanOx auch nach Europa führten, wo sie an der Seite El-Ps u.a. mit der französischen Band Alliance Ethnique unterwegs waren. Auf Platte war Vast Aire fortan hauptsächlich solo zu hören

Klassiker der vergangenen Jahre schlechthin wurde. Nicht weniger bemerkenswert das Feature auf dem Diverse-Album “One A.M.“. FIKTIVE TRENNUNG Während es Vast also bestens ging, hörte man von Vordul immer weniger und um Cannibal Ox als Band mehrten sich die Trennungsgerüchte, bis das Ende der Formation vor wenigen Monaten offiziell ausgerufen schien. Plötzlich tauchte dann mit dem Titel “Cosmos“, der Rob Swift an den Plattenspielern featured, auf dem Table-Turns-Album “State Of The World“ wieder ein Release von CanOx auf. Auch auf dem jetzt erscheinenden ersten Solo-Album von Vast Aire “Look Mom … No Hands“ geben sich die Jungs erneut die Klinke in die Hand, was einigen Klärungsbedarf auslöste: “Es handelt sich um ein Gerücht, das von Jean Grae in die Welt gesetzt wurde. Wir sollten eigentlich mit ihr auf Tour gehen und wurden hinsichtlich der zu erwartenden Einnahmen belogen. Vier Tage bevor es losgehen sollte, haben wir die wirklichen Zahlen gesehen und unser Engagement zurückgezogen. Wir hatten den Eindruck, dass wir manipuliert wurden. Weil wir in letzter Minute abgesagt haben, musste die ganze

OLIVER KILLIG

Tour gecancelt werden, und infolgedessen haben die sich dann entschlossen, uns die Schuld in die Schuhe zu schieben. Jean Grae hat eine Entschuldigung für ihre Fans verfasst, in der sie verkündete, dass sich CanOx offiziell getrennt hätten. Das war sozusagen ihre Revanche“, erläutert Vast. Außerdem arbeite man gerade an einer EP, die den Titel “Cypher Unknown“ haben soll und auch das zweite Album sei ernsthaft ins Auge gefasst.

OHNE EL-P IST ALLES OK All dem geht nun jedoch noch Vasts Album “Look Mom … No Hands“ auf Chocolate Industries voraus – die Wahl des Labels erklärt der Meister unbefangen: “Für Chocolate habe ich mich letztlich wegen des Geldes und des Timings entschieden.“ Auch für die Abwesenheit jeglicher El-P-Produktion hat er eine simple Erklärung: “Ich

INFO Vast Aire, Look Mom ... No Hands, ist auf Chocolate Industries/Rough Trade erschienen. www.chocolateindustries.com habe mittlerweile auf 60 Beats von El gerappt und es war einfach an der Zeit, mal abzubiegen.“ Anstelle des DefJux-Masterminds durften dafür Produzentenlegenden wie RJD2, die Beatminerz oder Madlib an den Samples schleifen. Über das Verhältnis zu letzterem erzählt Vast: “Ich habe mehrere Shows in Cali gespielt, darunter auch eine am UCLA-College auf einer dieser 'All Tomorrow's Parties'. Dort haben wir uns das erste Mal gesehen und uns sofort entschlossen, etwas zusammen zu machen - etwa ein Jahr später war es dann soweit. Allerdings habe ich nicht bei ihm zu Hause aufgenommen. Er schickte mir die Beats rüber, und ich habe dann hier in Brooklyn eingerappt.“

Vast Aire fällt in vielerlei Hinsicht aus dem Rahmen. Völlig überrascht wird man jedoch, wenn man schließlich hören muss, dass er zweimal die Woche Aikido trainiert. Wenn Vast dann begeistert demonstriert, dass es bei dieser Sportart in erster Linie um das Umleiten von Kräften und nicht ums Austeilen geht, kann es schon mal schmerzhaft werden.


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BOOTY ELECTRO <17> - DE:BUG.82 - 05.2004

JE MEHR PFEFFER, DESTO DEFFER DETROIT GRAND PUBAHS

INFO. Detroit Grand Pubahs, Galactic Ass Creatures From Uranos, TEXT

PAT KALT | PAT@CHATEAUSM.DE

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KAI VON RABENAU

He, Männer mit angeklebten Vollbärten stehen nun mal auf Frauen mit beuligen Ärschen, was ist falsch daran? Paris the Black Fu aka Detroit Grand Pubahs kann da genauso wenig ein Problem sehen wie bei der Kombination aus Entertainer, Electro und dem falschen Witz im richtigen Moment. Das hat bei "Sandwiches", dem Hit von 2000, bestens funktioniert - und wird es auch jetzt mit dem neuen Album "Galactic Ass Creatures from Uranos". Wer, bitte, wusste damals etwa nicht, dass die es tun wollten? Und wollten wir es denn nicht auch alle tun? Die als Brot, wir als Butter? Und fertig waren die Sandwiches ... Mittlerweile ist es schon ein paar Jahre her, seit dieser Song der Combo Detroit Grand Pubahs 2000 einen weltweiten Siegeszug durch sämtliche Clubs feierte. Lange Zeit war es still um die multiplen Persönlichkeiten des Frontmannes Paris the Black Fu, der mit seinen durch einen Vocoder hoch gepitchten Vocals, immer neuen Maskeraden, Verkleidungen und Striptease-Einlagen während seiner Bühnenshows für ein neues Level an Live-Perfomance sorgte. In der Zwischenzeit trennte sich Paris von seinem Partner Andy Toth, wechselte das Label, heiratete und zog von Detroit nach Genf. Jetzt meldet er sich eindrucksvoll mit seinem Album ”Galactic Ass Creatures from Uranos” zurück, das er im April mit mehreren Live-Shows präsentierte. In Berlin spielte der selbst ernannte Liebhaber der ”Lower Half Of Women” im Maria und schaffte es immerhin in der zweiten Hälfte seines Sets, ein wenig Stimmung und Groove aus dem notorisch müden und unerotischen Club zu kitzeln. ”Funk is back is booty is sexy”, kann man da nur sagen. DEBUG: Ein Blick auf das Cover und den Titel deines neuen Albums ”Galactic Ass Creatures from Uranos” wirft einige Fragen auf, oder nicht? PARIS THE BLACK FU: Die ursprüngliche Idee der Covergestaltung stammt von mir. Ich war schon immer sehr inspiriert von diesen lustigen B-Movies mit Außerirdischen und Monstern, so Zeug wie “Mars Attacks”. In “Uranos” steckt ja auch diese Anspielung auf “your anus”. Das finde ich ganz lustig, denn ich stelle mir den Unterleib einer Frau

oft auch als Monster vor (lacht). Viele Leute kritisieren mich ja dafür, weil ich den weiblichen Unterleib immer wieder in meinen Songs thematisiere. Sollen sie doch – ich singe gerne von meiner Liebe zu Frauenhintern ... DEBUG: Das neue Album präsentiert mit seinen 16 Tracks ein wahres Spektrum an Funk, Electro, Downbeat und Techno. All das kräftig gewürzt mit Witz und Sex. Wie kam es zu dieser Auswahl? PARIS THE BLACK FU: Das Album ist vergleichbar mit einer Filmmusik, sozusagen die Filmmusik meines verrückten Kopfes. Ich finde, die Musik auf einem Album sollte eine Geschichte erzählen wie die Musik im Kino und nicht einen bestimmten Sound oder Style von Anfang bis Ende. Ich möchte mit meiner Musik nicht in eine bestimmte Schublade gesteckt werden, sondern vielseitig bleiben. DEBUG: Wie schwierig ist es, nach einem weltweiten Clubhit wie “Sandwiches” neue Dancefloortracks zu schreiben? Wie präsent ist dieser Hit noch im Hintergrund, beispielweise bei der neuen Single “Big Onion”, die ja ebenfalls mit dieser unverkennbar hoch gepitchten Stimme arbeitet? PARIS THE BLACK FU: “Big Onion” entstand ja schon vor Jahren kurz nach “Sandwiches”. Aus Labelgründen wurde dieser Song leider nicht früher veröffentlicht, obwohl wir das damals ganz lustig fanden, direkt im Anschluss etwas Ähnliches zu veröffentlichen. Aber für mich sind meine Songs wie eigene Kinder und die vergleiche ich ja auch nicht einfach so. Man sollte nicht immer so viele Erwartungen an die Songs haben – lass die Musik für sich alleine sprechen ... Ich wurde ja irgendwann auch total müde von diesem “Sandwiches”-Kind, das ich immer und immer wieder

ist auf Pokerflat / Word and Sound erschienen. www.pokerflat-recordings.com

hören musste. Da habe ich eines Tages gesagt: “Geh auf dein Zimmer und bleib dort!” Mittlerweile kann ich es schon wieder hören, und es gefällt mir immer noch. DEBUG: Seit dem ersten Album “Funk All Y’All”, das 2001 bei Jive erschienen ist, sind über drei Jahre vergangen. Ein Jahr später hat dich das Label gedroppt. Warum? PARIS THE BLACK FU: Oh Mann, wenn du wüsstest, wieviel Politik da im stillen Kämmerlein betrieben wird ... Und ich wusste damals auch nicht Bescheid. Da unterschreibst du ein Stück Papier, und das Stück Papier bindet dich dann an dieses Label. Und die Typen dort können nun entscheiden, was rauskommt und was nicht. Die Musik, die damals unter Vertrag bei Jive enstand, konnte ich nicht veröffentlichen. Ich konnte die Sachen ja nicht einmal jemand anders schicken, da ich unter Vertrag stand. Das Label war einfach

troit nach Genf gezogen. Welchen Einfluss haben diese Veränderungen in deinem Leben auf deinen musikalischen Output? PARIS THE BLACK FU: Riesige Veränderungen, auf jeden Fall ... Ich würde sagen, da ist ein so riesiges Feld in Detroit, das dich beeinflusst und prägt, trotzt der Härte und der Depression, die diese Stadt in sich trägt. In Genf herrscht natürlich ein ganz anderes Feld, so dass ich mich im Augenblick musikalisch schon etwas entwurzelt fühle. Ich kann zurzeit auch nicht schreiben. Ich bin glücklich und traurig zugleich. Frisch verheiratet und dann aber getrennt von meiner Familie. Es ist schwierig, in so einer Phase sein kreatives Output beim Produzieren hoch zu halten ... Performen und live spielen hingegen fällt mir nicht so schwer. DEBUG: Deine Art und Weise der Performance ist ja ein wichtiger Faktor bei einem Detroit-Grand-Pubahs-

Ich versteh DJs und Live-Acts nicht, die ihre Musik nur einfach so präsentieren, ohne zu tanzen, ohne zu arbeiten, ohne zu leiden, ohne Schweiß und Freude. zu groß für mich und zu wenig elektronisch. Die verstehen einfach nichts von Underground-Music. Irgendwie war das alles nur ein Traum, der dann zum Alptraum wurde. Auch wenn ich viel daraus gelernt habe, heute würde ich das definitiv anders machen.

NEUE HEIMAT DEBUG: Wie kam es zum Wechsel zu Pokerflat? PARIS THE BLACK FU: Ich habe eine Remix-Anfrage für das Märtini-Brös-Stück “Hot” bekommen, und als ich den Remix zurückschickte, habe ich neue, eigene Songs beigelegt. Das hat denen wohl ganz gut gefallen. Die Leute von Pokerflat sind cool. Die lassen mich das tun, was ich tun möchte, was in meinem Kopf ist. DEBUG: Du bist seit kurzem verheiratet und von De-

Auftritt, die sich deutlich von den üblichen ElectroTechno-Live-Acts unterscheidet ... PARIS THE BLACK FU: Danke, dass du das auch so siehst. Es gibt ja Leute, die das überhaupt nicht verstehen und auf die Bühne brüllen: “Halt’s Maul. Wir wollen mehr Musik!” Da kann ich nur sagen: “Kommt gleich, Jackass! Geh zur Bar und hol mir einen Whisky. Und hol dir gleich auch einen!” Schau, ich steh so oft vor so vielen Leuten und bekomme ihre Stimmung mit, und dann sage ich mir: “Die Leute müssen sich an dich erinnern, egal ob im Positiven oder im Negativen ...” Ich versteh DJs und Live-Acts nicht, die ihre Musik nur einfach so präsentieren, ohne zu tanzen, ohne zu arbeiten, ohne zu leiden, ohne Schweiß und Freude. Mann, wenn ich fertig bin mit meinem Auftritt, will ich das Gefühl haben, mein Geld auch wirklich verdient zu haben.


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START HERE!

NEW CONCEPTIONS OF 2004 >> FRESH AND BRANDNEW AT YOUR LOCAL RECORDSHOP!

BUGGE WESSELTOFT >> FILM'ING

PÖNKRÖCK

Näher als bis T.Raumschmiere wollten wir an den ollen Zossen Punkrock eigentlich nicht mehr ran müssen in diesem Leben. Aber ständig springen Leute in unseren Lieblingsclubs auf die Bühne, die von Electroclash noch nie was gehört haben (hören wollten), aber trotzdem Rotzgitarren, Rotzlyrics und Rotzen von der Bühne für die hitzigste Provokation halten. Und plötzlich ist eh alles Punkrock. Das irritiert uns. Gewaltig. So’n Rotz! Zumal immer unklarer wird, wer reinen Herzens, aber verkommenster Musik ist, oder andersrum. Fünf Bands erklären uns, an welchem Ende des Punk-Universums sie wie und warum ihre Flagge gehisst haben. Wir beginnen unsere Reise durch die hochpolierten Schimmelkeller der Republik im Brennpunkt Hamburg bei den vorgeschickten blonden Platzhaltern für die Jungs von Tocotronic, ach Quatsch! Bierbeben. Dort wohnen auch Stella, die ihre Spuren vor dem BND mit Perücken verwischen und deren Elena Lange wir ja gerne hätten auf Rhythm King & Her Friends clashen lassen. Bleiben die Mediengruppe Telekommander und Rocket/Freudental, zwei Projekte, die schon mit ihren Namen ganz eindeutig dem Kanalterror huldigen.

PÖNKRÖCK

Von der Spex über Groove bis Rolling Stone hochgelobt, ist er der bekannteste Vertreter des digitalen Jazz aus Norwegen. Nach seinem Erfolgsalbum „OUT HERE, IN THERE“ mit Sidsel Endresen ist er nun wieder mit Keyboard, Beats und Band am Start! WATCH THIS GUY!

“Bugge puts Oslo on the european dance-map!” -JOCKEY SLUT

EIVIND AARSET >> CONNECTED Eivind Aarset spielt Gitarre, aber nie ohne sein mit Plug-ins vollgestopftes Powerbook . Electro-Fusion with Beats wird man eine neue Stilkategorie benennen, wenn sein Album „CONNECTED“ erschienen ist. FOR DA HEADZ!

“…technisch hochgetunte Geflechte phantasievoll ausstaffierter atmosphärischer Wirkungen!“ - INTRO

TORUN ERIKSEN >> GLITTERCARD Der etwas andere Jazzland Sound 2004: Akustisch/ Singer-Songwriter/ Motown-Ästhetik! Eine dunkle, samtige Stimme, intoniert meisterhaft Eigenkompositionen in Jazz, Soul und R&B. ,,Stimme des Jahres'' wäre ein passendes Superlativ für die junge Schönheit Torun Eriksen. Ihre Band sieht das genauso! AMAZING GRACE!

ILLUMINATION >> THIS IS CHILLUMINATI Nach Beiträgen für die „CAFE DEL MAR“-Reihe und einer weltweiten DJ-Tour hatten Chilluminati ihren großen Erfolg in der Welt der Clubs mit Remixen für z.B. Bugge Wesseltoft und NilsPetter Molvaer. Ergänzt durch ihre Arbeiten für Lamb, Mari Boine und Gleichgesinnten entstand dj-like gemixt ein Gesamtkunstwerk für Ohren und Sofagarnitur. FEEL THE ILLUMINATION OF CHILLUMINATI!

TRINKHALLE OSTWEST DAS BIERBEBEN

INFO Das Bierbeben, No Future No Past, erscheint auf Shitkatapult / Kompakt

Die Jungs vom Bierbeben schicken ihre Schwestern vor ... TEXT

“Deutschlands Mauern fallen”, nicht nur am 1. Mai in Kreuzberg. Eine Hamburg-Berlin-Kollaboration aus einschlägigen Kreisen lehrt derzeit meine Punk-sozialisierten Politfreunde, zu Schaffeltechno das Tanzbein zu schwingen. Aber Verwirrung: Bundesadler, Technopunk und im Feuilleton der Aufstand der Wohlfühl-Deutschen. Alfred Bierlek und Wolf Dosenbiermann von der Gruppe “Das Bierbeben” stehen Rede und Antwort. DEBUG: Meine Herren, warum brauchen wir gerade heute wieder eine minimale Stumpf-Ästhetik? Wollen sie einen Gegenentwurf zur Deutschpunkfraktion, die mittlerweile durch notorische Hippiepunks und 80ies Revival auf Mia- und H&M-Niveau angekommen ist? HERR BIERLEK: Die Deutschpunkfraktion wären wir, wenn es denn eine solche gäbe und wenn uns nicht ein Schauder überkommen würde beim Erklingen der Silbe “deutsch“. Das unliebsame, marginale Kind der Musikhistorie namens “Deutschpunk” liegt uns merkwürdigerweise jedoch am Herzen. Cotzbrocken, Beton Combo, KFC, Honkas, ChaosZ etc. waren in unserer Teenagerzeit viel wichtiger als jene zum heiligen Gral erhobenen TonSteineScherben. Und stumpf und minimal – immer. Das ist unser Geschmack. DEBUG: Trotzdem machen sie nicht nur bierselig ravenden Alkipop. Sollen ihre exponierten Frauen-Vocals das Publikum beruhigen? DOSENBIERMANN: Zum ersten Mal kontrastierten wir

die Stimmen von “Der Westen“ und “Der Osten“ mit stumpfsinniger Punkmusik auf der Sieben-Zoll-Schallplatte “Die Birne ist reif” (Rock-o-Tronic, 2001), die dumpf wummernde Interpretationen rumpeliger Deutschpunklieder der Achtziger-Ära enthielt. Das Konzept entstand mehr oder weniger zufällig, es wurde trotz starker Paradigmenwechsel im musikalischen Bereich einfach aufrechterhalten. DEBUG: Warum dieser Gruppenname? Die Albumtracks klingen eigentlich nicht mehr so roh nach Bierpunk. BIERLEK: Selbstredend. Der Name soll unsere Bürde sein; er ist eine Prüfung. Kann man geliebt werden trotz eines unangenehmen Namens? In etwa so als wenn man als Kind Agnes oder Ludger heißt. DEBUG: Meine Herren, der gute alte Betroffenheitspunk oder Politpop funktioniert seit einigen Jahren nicht mehr so richtig. Spielen sie bewusst mit politi-

+++ SIDSEL ENDRESEN + NEW ALBUM “MERRIWINKLE”+++

Stella kennt man, liebt man - oder hasst man. Niemand hat aus New Wave so die aggressiv penetrante Präsentation destilliert wie die Hamburger Band um Elena Lange. Mit ihrem neuen Album sind sie richtig smart geworden. Der falsche Rock bringt es halt mit den richtigen Mitteln: Gitarren-Bass und Perücke, zum Beispiel.

03/05/04 04/05/04 05/05/04 06/05/04 07/05/04 08/05/04 09/05/04 10/05/04

Köln feat Matthew Herbert Big Band Heidelberg Aachen Aschaffenburg Hannover Berlin Erlangen Hamburg

>> EIVIND AARSET auf Tour 2004: 11/05/04 12/05/04 14/05/04 16/05/04

Hamburg Berlin Mannheim München

>> Bestelle die kostenlose

JAZZLAND-SNIPPET CD mit Musik von Bugge, Eivind, Torun, Sidsel & Chilluminati unter feedback@jazzecho.de oder schicke eine SMS mit dem Keyword "JL", gefolgt von einem Leerzeichen und Deiner postalischen Anschrift, an 72447.

www.jazzecho.de · www.jazzlandrec.com

DEBUG: Angesichts besonders gewitzter Fashion- und Politclowns, die mit ihren Bundesadler-Hemdchen à la Eva Gronbach Straßen und Feuilletons bevölkern, will “Das Bierbeben” der unzweideutige Tritt vors deutschtümelnde Schienbein sein? DOSENBIERMANN: Diese Hemdchen sind in ihrer ganzen Widerwärtigkeit genauso eindeutig wie es ein notwendigerweise durchgestrichener Bundesadler ist. DEBUG: Eine letzte Frage: Was bedeutet ihnen eigentlich Bier, dieses demokratischste, weil billigste Säftchen aller Dancefloorfüller? BIERLEK: Einige von uns lieben den Gerstensaft als quasi universales Hilfsmittel zur Autodekonstruktion. Andere hingegen verabscheuen schon den Geruch des Gebräus.

NEW POWER GENERATION / Stella TEXT

>> BUGGE WESSELTOFT auf Tour 2004:

schen Symbolen, um hüben wie drüben Verwirrung zu stiften, oder braucht es bei manchen Fragen ganz oldschool-mäßig ein politisches “1 zu 1 Statement”? Ich denke dabei vor allem an ihr Logo, den durchgestrichenen Bundesadler. BIERLEK: Es ist durchaus so, dass wir eines Nachts - angewidert in einer Diskothek – dachten, den ganzen Leuten hier sollte man ihren Kopf einmal mit ein wenig Inhalt füllen. Dieser müsste möglichst einfach formuliert sein, so glaubten wir. Es liegt der ganzen Idee somit eine gewisse Wut, verbunden mit semipädagogischer Besserwisserei (=Idee Deutschpunk), zugrunde.

PÖNKRÖCK

+++AUDUN KLEIVE + NEW ALBUM “UHMAGODDABLE”!+++

K U LT U R N E W S P R Ä S E N T I E R T :

www.shitkatapult.com

SAMI KHATIB | SAMIKHATIB@GMX.DE

JOHANNA GRABSCH | JOHANNA@DE-BUG.DE

Stella haben ein neues Album gemacht - und erklären ”retour à la nature”-mäßig den Rock zu ihren Wurzeln und mir im Gespräch die "idealistisch romantischen" Grundlagen der Banddynamik. Aus promo-zeittechnischen Gründen treffe ich nur die Hälfte der Band, Thies Mynther und Mense Reents. DEBUG: Warum habt ihr euch zu diesem Zeitpunkt entschieden, ein neues Album zu machen? THIES: Wir waren vor anderthalb Jahren fast fertig, dann hatte Mense einen Hörsturz und wir konnten erstmal nichts machen. Und unsere Solo-Produktionen waren halt auch sehr zeitintensiv.

ICH BIN MEHRERE ÖLTANKS Stella-Musiker pflegen mehrere Identitäten. Mense ackert neben seinem Alleingang bei den Goldenen Zitronen und Egoexpress, Hendrik Weber ist auch Panther du Prince plus Nebenprojekte, und Elena Lange spielt neben Theater und Studium noch in Ihrer White-Funk Girlsband TGV. Thies, Hälfte von Phantom/Ghost, umtriebiger Produzent (Miss Kittin, Chicks on Speed) und Superpunk-Attaché, trägt zum Interview eine Perücke - wie auf dem Albumcover - die Band hat ihm, und er sich, für Stella eine andere Identität verpasst: "Woman with a beard". Stella zeigen sich neu gewandet - das Cover spielt mit 70er Glam-Anleihen und 20er-Jahre Dekadenz, aber die Darsteller der Szenerie fügen sich nicht perfekt ins Bild.

DIE DEFINITION VON ROCK "Better Days Sounds Great" erscheint erst wie eine Rockplatte. Doch das meiste, was hier nach verzerrter Gitarre riecht, sind übersteuerte elektronische Bässe, das gekonnte Basspiel entpuppt sich als gekonntes Synthprogramming. Und den absoluten Rock'n'Roll-Hit der Platte "Never going back to school" hat Mense an seiner MPC aus Versatzstücken der schon vorhandenen Stücke zusammengesampelt. Stella zitieren gerne, lassen sich aber trotzdem nie so richtig einordnen. Fleetwood-Mac-Cover, Punkrock, Glam, Electropunk, Minimal House oder Destiny's-Child-Attitüde - spielt die Produktionsmethode für die Kategorisierung einer Musikrichtung eine Rolle? Der ewige Popdiskurs rückt in den Hintergrund, Stellas neues Album fragt, in Menses Worten: ”Was ist Rock“, erklärt die eigene Haltung als antirockistisch und stellt so auch die Definition von elektronischer Musik in Frage, ”Goodbye Popkids“. Trotzdem ist die Arbeitsweise der Band ein durchdachter Produktionsprozess in fast konservativen Bandstrukturen. BASISDEMOKRATISCHE ARBEITSMETHODEN MENSE: Wir haben mehr mit dem Bandkorpus gearbeitet, tatsächlich im selben Raum simultan Instrumente bedient. Nachdem wir das Grundmaterial hatten, haben wir uns in drei Räume aufgeteilt - und jeder hat seine Lieblingssongs ausproduziert. Dann gab es alle drei, vier Stunden eine Art Plenum, wo man geguckt hat, was die

anderen AGs machen. Das war sehr produktiv. DEBUG: Dafür ist das Endprodukt erstaunlich homogen. THIES: Durch das simultane Bedienen von Instrumenten räumt man Differenzen aus, über die man dann nicht mehr stolpern kann. Man weiß mittlerweile auch, womit man bei den anderen nicht durchkommt. Es gab wesentlich weniger stilistische Diskussionen.

Stella scheinen eine gemeinsame Identität gefunden zu haben. Das Album klingt extrem stimmig, auch Elenas dominierende Stimme fügt sich perfekt ins Bild. THIES: Elena singt mittlerweile einfach extrem gut, sie war schon immer sehr gut darin, Gesangsgesten zu imitieren, jetzt tut sie das so nonchalant, dass sie selber dabei zu sehen ist. Vor Jahren ging das Gerücht in Hamburg, Elena spiele für eine Re-Edition von Prince' New Power Generation Gitarre vor - vielleicht würde sie mittlerweile mit der ganzen Band auftauchen.

INFO Stella, Better Days Sounds Great, ist auf L’Age D’Or / Lado erschienen


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PÖNKRÖCK

Mediengruppe Telekommander, Die ganze Kraft einer Kultur, erscheint am 24.5. auf Mute/EMI www.mute.com

DISSIDENZ DISSEN MEDIENGRUPPE TELEKOMMANDER TEXT

JAN FREITAG | JANFREITAG@GMX.NET

Was für ein Pech, original im Jugendzimmer fernab jeglicher Profis entstanden zu sein, aber dann sofort von Viva vereinnahmt zu werden. Oder ist gerade das punkige Subversion? Vielleicht wird man's besser verstehen, wenn man die Parolen der "Mediengruppe Telekommander" durchs Megaphon mitgröhlt.

Dissidenz ist ganz schön schwierig. Anders sein, abweichen, ausscheren – alles gar nicht so leicht. Früher oder später wird noch jede Normverweigerung von erbarmungsloser Normübersteigerung geklont, Mainstream ist der Tabubruch von gestern und die Sex Pistols waren vielleicht die erste erfolgreich gecastete Boygroup der Popgeschichte, von den Monkeys mal abgesehen. Trotzdem versuchen immer wieder einzelne Bands das tapfere Riff gegen die Windmühlen der Verwertungslogik – und landen dann doch wieder in der Heavy Rotation einschlägiger Musiksender. Und so läuft also auch das äußerst charmante LowBudget-Video "Kommanda“ bei Viva-Achselschweißikone Charlotte Roche rauf und runter und die dafür verantwortliche Mediengruppe Telekommander einem Trend voraus, den das Duo doch eigentlich hardgitarrig zerstampfen wollte. "Gib mir ein T-Shirt mit Andreas Baader drauf“, grölen sie disharmonisch zum Auftakt ihres ersten Longplayers "Die ganze Kraft einer Kultur“, und mahnen darin zur "Vorsicht. Ein Trend geht um“. Zwei ziemlich normale Jungs aus der Südmitte Europas, die auf der Bühne im Stakkato zucken und ihre kurzgeschorenen Matten schütteln, bis auch der letzte im wogenden Publikum gemerkt hat: Das ist ja ... also ... irgendwie ... Punk! "Hip-Punk-Electro oder Punkhop“, schlägt dagegen Bassist Gerald Mandl als Ettikettierung der Gitarrenteppiche mit Plugins, Sequenzern, PPG2, Pulsar-Minimax und anderem digitalen Hilfswerk vor. Dafür bürgen nicht zuletzt Producer Moses Schneider, der auch die Neogaragenpunks Beatsteaks abgemischt hat, und der Hamburger Elektrofrickler

Christian Harder aka Kandisquer. Es ist relativ einfach, sich dem perpetuum-mobilen Regelwerk der Popkultur zu widersetzen. Auf GuevaraPullis schimpfen, RAF-Logos abtrennen, nicht mal Premium-Cola trinken und keine Schnauzbärte tragen – das geht schon mit etwas gutem Willen. Sich dabei behaupten, nicht aufgesogen werden, unten bleiben – das ist allerdings schon bedeutend komplizierter. Eine brennende Fernbedienung ziert das Cover von CD (Mute) und Vinyl (Enduro). Doch ehe Gerald und Gitarrist Florian Zwietnig noch dreimal ”fickt euch!” gerufen haben dürften, könnten auch schon die ersten Tropfen Latte Macchiato und Sushisoße darauf gelandet sein. Dabei hätten sie genau das nun wirklich nicht verdient. Denn ihre Platte, Nachfolger und Surrogat einer guten und einer gigantisch guten EP auf dem Hamburger Indie-Label Enduro, ist so gelungen, dass man ihr ein verschwiegenes Nischendasein wünscht. Adelung durch Nichtbeachtung quasi. "Ich will nicht, dass ihr meine Lieder singt“, würde ein genau daran gescheiterter Polit-HipHopper von der Elbe da näseln. Aber hören dürft ihr sie gern. Und kaufen. Noch so ein Widerspruch wie in "Trend“. Oder kann man "Im Peace-Outfit auch mal pro Amerika sein“? Kann man. Man kann ja auch die Goldenen Zitronen im Straßencafé hören, ohne verhaftet zu werden, und die Goldenen Zitronen scheiße finden, ohne angepasst zu sein. Man kann also auch Mediengruppe Telekommander mögen, sie beim Freizeitplattenauflegen in der Eckkneipe spielen, ihre T-Shirts tragen. Ja, und ihre Lieder singen. Am besten mit Megaphon.

PÖNKRÖCK

WEISHEIT AUF BÄUMEN / Rocket/Freudental TEXT

RAN HUBER | AMSTART1@AG-PARKA.DE

Nach sieben Jahren "Auf-die-Musikindustrie-Scheißen" kommt nun die erste Platte von der Zwei-PersonenPunkkombo Rocket/Freudental. Ihr Power-Brei aus HipHop, Jodeln, Volksmusik, Schüttelreimen, Scheißjobs nebenbei, Homerecording und Dixi-Klo-Pinkeln ist es genau das, was Bob und Pete so symphatisch und besonders macht. In Stuttgart gibt es seit 98 eine seltsame Punkband, die 2 Personen klein ist (Andre Möhl & Robert Steng an Selbstbauschlagzeug, E-Gitarre, Stimme und Sampler). Ihre Musik ist so trocken gespielt wie Doo Rag, so minimalistisch arrangiert wie Terry Riley, ihre Texte arbeitsverherrlichend. Ihr Name: rocket / freudental. Keine Allegorie auf Penis/Vagina, er entstand aus ihren Pseudonymen Bob Rocket und Pete Freudental. SWAMPBLUES-SAMPLEPUNKT ROBERT: Wir hatten anfangs eine ähnliche Blueszerstümmelungstaktik wie Doo Rag, wer aber unsere neue CD hört, wird merken, dass sie nur noch wenig damit zu tun hat. Hip Hop, Jodeln, Country ..., und der große Herrmann Halb half uns dabei, alles in einem Power-Brei zu vereinen. Halb, ex-Lassie Singer, trug viel dazu bei, der Platte den rotzigen, direkten Sound zu geben.

DENGLISH GOES ARBEITERVOLKSMUSIK ANDRE: Als wir mit r/f anfingen, hab' ich englische Texte geklaut und was dazugedichtet. Manchmal hab ich Deutsch und Englisch gemischt. (...) irgendwann entdeckte ich Volksmusik und Schüttelreime. Ich mochte auch immer The Fall. Ich fand gut, wie viel Mark E.Smith zu erzählen hatte. Dann sind erste deutsche Texte wie "wir pinkeln in ein dixi-klo" entstanden. Die Texte sind poetisch und nur scheinbar banal. Ein Schwerpunkt: die Arbeit. Die Möhlsche und Stengsche ökonomische Formel: ohne Wohnung keine Arbeit und andersrum, ohne Label keine Aufmerksamkeit und andersrum. Deshalb jobben sie seit der Schulzeit als Gärtner, aufm Bau, Staplerfahrer, am Fließband, etc. ROBERT: Wir machen schon lange Musik (vor r/f bei Midget, Metabolismus, Heliozentr) und wollten keinen anderen Beruf, da kommt man bald in die Verlegenheit , miese Jobs anzunehmen. Das inspiriert Andre zu seinen Texten und das ist das Positive dran, denn so sind wir in der Lage, gesellschaftliche Statements zu machen. ANDRE: ... in manchen Lebensphasen wird man ja so stark von einem bestimmten Umstand geprägt, dass einem ständig ähnliche Dinge durch den Kopf spuken, z.B. du hast nen blöden Job - singste über Arbeitskacke ... Auf r/f´s neuen Platte "Die Weisheit wächst auf Bäumen" haben sie sich stilistisch in alle Richtungen bewegt und die Texte sind vielschichtiger geworden Kummer, Blumen, “Scheiße bauen” oder Deutschland: "Ausländerhetze und Potsdamer Plätze und Einwanderungsgesetze und Nazigoldschätze" (aus: Ich will mich nicht beschweren).

PUNK UND MUSIKBUSINESS Als neue Einflüsse nennen sie Classic Rock, die Produktionsweise bleibt aber weiterhin dem Punk verschrieben: Homerecording, karg instrumentiert (oft nur ein Sample und Text), roher Sound. Punk, - nicht als Mode und nicht als Epigonentum. Sie sind bescheiden, denn nach einer Dekade Musikmachen gehen einem die Gesetze der Musikindustrie am Arsch vorbei ... ROBERT: ... Demos schicken ist ein Mythos. Nicht mal Indieklitschen hören sich das an. Alles funktioniert über Beziehungen und Besitzstandswahrung. ANDRE: Die Musikindustrie ist ignorant, eitel und dumm die Großen wie die Kleinen. Fahrt zur Hölle, ihr Blindgänger! DIE WEISHEIT WÄCHST AUF BÄUMEN Doch wenn man lange genug auf das Business scheißt, wächst irgendwann mal ein Pflänzchen: Im 7. Bandjahr kommt die erste Platte mit Label, Vertrieb und Verlag. Sie gibt einen Überblick über das bisherige Schaffen und erscheint untypischerweise bei dem bisher auf (Slampoetry)Autoren spezialisierten Lautsprecherverlag und dem Label Pavlek. ROBERT: Wie wir dort gelandet sind, weiß ich nicht. Zufall, passt aber zu Andres Texten. Leuten wie rocket/freudental ist die Diskussion um den Niedergang der Musikindustrie relativ egal, da sie bis dato fast niemand kannte und sie kein Geld mit Musik verdienen. Es kann nur besser werden. Sie sind eben

INFO www.rocket-freudental.de www.pavlek-records.com Diskographie rocket/freudental: “Die Weisheit wächst auf Bäumen” LP/CD “24 Stunden im Leben eines Kunden” LP/CD “Wir Arbeiten Durch” CD 7inch “Bei Jon Meng”

nicht optimal vermarktbar. Ihre Musik ist viel zu rocket/freudental-orientiert.

PÖNKRÖCK

FEMMES FATALES / Rhythm King & Her Friends TEXT

ARNE LINDE | ARNE@DE-BUG.DE

Das ist keine schicke Berlin-Musik. Hier werden keine girligen, niedlichen Blümchensongs gespielt. Hier gehts um Punkgeschichte mit hohem Anteil an Fraueninitiative. Rhythm King & Her Friends nehmen ihren Punk nun mehr denn je mit elektronischen Instrumenten in Angriff. Die Platte ist zwar nur ein bisschen böse. Trotzdem funkt feminine Rotzigkeit zwischen den elektronischen Beats hervor, als wäre sie eine Erfindung des 21. Jahrhunderts. Manchmal klingt es nach digitalisierter RiotErbschaft, manchmal nach Lullaby für Zombie-Babies und immer regiert der bewusste, aber nicht allzu radikale Dilettantismus. Das Debütalbum stellt Fragen: Ist es Punk? Ist es Riot? Ist es Berlin-Style? Pauline Boudry und Linda Wölfel von rk&hf geben die nötigen Antworten. PAULINE: Punk ist eine Attitude, man kann mit Instrumenten spielen, die man nicht gelernt hat, sie sich aber

spielerisch aneignen. Und das ist es auch, was wir gemacht haben. Keine von uns hat vorher mit so vielen elektronischen Instrumenten gearbeitet. LINDA: Ich selber kann das Punkige in unserer Musik immer nicht so ganz entdecken, denn unsere Musik ist elektronisch, mit poppigen und vielleicht trashigen Anleihen und was die Herangehensweise angeht, kann ich auch nur bedingt zustimmen. Ich habe z.B. durchaus den Anspruch, eine gute Gitarristin zu sein! PAULINE: In den 90ern haben wir viel gehört, was als ”riot-girl” galt. Als wir rk&hf anfingen, hatten wir das Gefühl, dass irgendwas zuende ist, z.B. diese Revival-Welle der 3-Akkord-Musik. Wir mussten es anders machen! Berlin spielt eine Rolle, weil wir mit vielen Frauen, die hier sind, zusammen gespielt haben. Angie Reed, Kevin Blechdom, und es ist ein gutes Gefühl, dass es hier so viele gute elektronische Musikerinnen gibt. Aber wir machen keine Berlin-Musik.

Tatsächlich fehlt bei ihnen jedes girlige Gehampel, Befindlichkeitsgesten und bunt-geblümte Schick-Heischereien. Der Live-Auftritt gerät beinahe etwas zu cool. Aber vielleicht liegt es auch an der Betrachterin, die nicht erkennt, wenn Konventionen bewusst gebrochen werden.

PAULINE: Drei Frauen auf der Bühne, das ist sowieso etwas, was sehr auffällt. Viele Leute haben die Erwartung, dass Frauen sich niedlich und sexy verhalten und sich besonders auf das männliche Publikum beziehen. Das tun wir nicht. Als Lydia Lunch eine große Distanz zum Publikum performierte, sagte sie: The fact that I actually don´t move is that I am so selfish! DEBUG: Habt ihr ein vorwiegend weibliches Publikum? PAULINE: Viele unserer Texte sind feministisch, ja, und es ist uns wichtig, dass Frauen uns hören. Genauso wichtig ist es aber, dass es andere Arten des Zugangs gibt, rein musikalische, ästhetische, und dass verschiedene Szenen uns hören, Queerszenen zum Beispiel. DEBUG: Der Regisseur Bruce La Bruce hat gesagt, die Punkszene sei ihm zu sexistisch, machistisch und heterosexuell gewesen, um sich darin lange aufhalten zu können, er musste da raus. Wie verhaltet ihr euch zu dieser Punkgeschichte? PAULINE: Ja, sicherlich gibt es das im Punk. Aber für mich ist Punk eine Geschichte, die mit einem großen Beitrag von Frauen geschrieben worden ist. Frauen sind auf die Bühne gegangen und haben ihr Zeug gemacht. Sie haben ihre Texte geschrieben, sich Instrumente genommen und gesungen,

INFO Rhythm King And Her Friends, I am Disko, ist auf Kitty Yo/Pias erschienen. Frauen machen Punk / DiY klar: The Shaggs, Raincoats, The Slits, Au Pairs Hanin Elias, Patti Smith, Lydia Lunch, Sylvia Juncosa Raincoats, Slits, Au Pairs und früher Yoko Ono, etc. Das war eine große Erkämpfung von Freiheit. Das ist die Geschichte des Punk, die ich meine, daran kann man anschließen.

In diesem Sinne funktioniert es: Man muss darüber hinausgehen, um an etwas anschließen zu können. Rk&hf sind Post-Punk, Post-Riot und Post-Berlin. Wenn das mal kein Kompliment ist.

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INFO


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ELEKTRONIKA

FIREWIRE DIE KRAFT DER MUSIK

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BILD

MULTIPARA | MULTIPARA@DE-BUG.DE

Carl Crack, allen noch im Gedächtnis als Stimme von Atari Teenage Riot, ist seit zweieinhalb Jahren für immer dreißig. City Centre Offices sind grade fünf geworden und veröffentlichen eine Platte, auf der wir diese Stimme noch einmal erleben dürfen - und zwar ganz anders. Frederic Stader a.k.a. Din-ST heißt der Mann, der das Geschenk gepackt hat. "A Tribute To The Manzini" präsentiert mit durchweg melancholischen, gleichermaßen HipHop wie R&B und Soul und auch Dub verpflichteten Stücken nicht nur eine unbekannte Seite von Carl Crack, sondern eröffnet auch ein neues Kapitel in der Geschichte von City Centre Offices. CCO, mit einem Bein fest auf dem Boden klassischer Electronica stehend, lassen das zweite gerne kreisen. Aber hier geht es um mehr - wie sehr Labelmacher Thaddeus Herrmann der "andere" HipHop wie etwa aus dem Umfeld von Botanica del Jibaro am Herzen liegt, kann man schon seit längerem in seinen DJSets hören (und bald auch an anderer Stelle). Von daher überrascht es nicht, wenn er erklärt, Frederic habe ihm

tenden Naturell nicht wirklich viel geändert hat. Bei einem Cosmic-Orgasm-Rave in Köln 1994 waren sie aufeinander getroffen und hatten bald gemerkt, dass sie sich persönlich und musikalisch verstanden. Wie Carl Crack kam auch Stader ursprünglich vom Jungle, den er mit 16 über seinen Mitschüler Xplorer (Hard:Edged) kennen gelernt hatte. Bekanntschaft mit Patric C und Carolin (Robotnics Crossing) führte zu einer zeitweiligen Reduktion auf die Energie von Hardcore/Gabber und zu ersten Produktionen. Labelkollege von Carl Crack wurde er dann mit einem Projekt namens "Fever" (mit Paul P.M.), das sich mit kaputtem, eckigem HipHop beschäftigte und seine Energie durchaus noch

Carl Crack ist nicht der Einzige, dem es nicht gut ging, wenn er ins Studio gegangen ist. Der Tod jedoch hat in der Musik keinen Platz. Die Kraft der Stücke spricht für sich selbst. die Platte angeboten, und er mochte sie einfach. Kaum eine Band jedoch hatte sich so explizit der Aggression verschrieben wie Atari Teenage Riot, der Carl Crack bis zur letzten Tour 2000 angehörte. Da scheint der Weg zu einem Label wie City Centre Offices, dem diese Haltung völlig fremd ist, doch weit. Und wer ist eigentlich Frederic? Als Frederic Stader und Carl Crack Ende der Neunziger endlich begannen, zusammen Musik zu machen, war letzterer als MC einer Band mit enormer Medienpräsenz und griffiger Formel längst bekannt und hatte sich vor allem durch seine außerordentliche Bühnenpräsenz einen Namen gemacht. Stader dagegen kannten nur wenige - woran sich bis heute trotz zahlreicher Veröffentlichungen, auch auf großen Labeln wie DHR, Warp (als DJ Maxximus) und Tresor aufgrund einer gepflegten Sperrigkeit und wohl auch seinem zurückhal-

aus der Arbeit mit Distortion bezog. Mit der Zeit machte sich dann aber der Einfluss der cleanen, aber nicht weniger fetten R&B-Produktionen (etwa von Shakespeare, Producer für Destiny's Child) bemerkbar, der sich dann in "Whatever" als gemeinsamem Projekt mit Mark van Yetter aus Brooklyn und eben Carl Crack manifestieren sollte: poppiger, aber immer noch rough. Allerdings nur live - eine Platte wurde leider nie fertig. IMMER DA Musiker reifen durch die Entwicklung des Verständnisses für andere Richtungen, die sie dann in den eigenen Ansatz integrieren. Der rote Faden in Staders Arbeiten zieht sich, quer zu solchen verschiedenen Einflüssen, immer entlang der Konstanten Darkness und Tiefe, bei Fever und Whatever wie in seinen Soloarbeiten als DinST (an dieser Stelle verweisen wir auf das erste Album von Din-ST auf Schematic, das auch dieser Tage er-

ANNA LAMPRECHT

scheint). Die erworbene produktionstechnische Sicherheit, die Stader auch in seinem Hauptberuf als Sounddesigner umsetzt, erlaubt ihm, seinen ganz persönlichen Ton unabhängig von Stilschranken zu halten eine kreative Leistung, die keine Massen erreicht. Mit Firewire dürfte sich aber der Geheimtipp-Status endlich erledigen. Firewire nämlich ist Pop im besten Sinne. Denn Carl Crack offenbart dem Publikum ganz unerwartete, vielseitige Qualitäten als Blues- und Soulsänger. Das ganze musikalische Abenteuer, das schon Staders Tracks zu bieten haben, fügt sich so zu einem Strauß eindrücklicher, sehr persönlicher Songs, die an die R&B-Tradition andocken, aber mit ihrer erschreckenden Frische (die Stücke sind ja alle schon 2000/01 entstanden!) jede Einordnung transzendieren. Mehr lässt sich nicht erreichen, hier wurde ein Meisterstück abgeliefert. Um Carl Cracks Tod kommt man bei einer Platte, die sein Vermächtnis darstellt, nicht herum. Er ist an der Krankheit, die schon lange sein Leben geprägt hatte,

INFO Firewire, A Tribute To The Manzini, ist auf City Centre Offices / Hausmusik erschienen www.city-centre-offices.de www.din-st.com gestorben, als die Stücke grade aufgenommen waren; die Veröffentlichung wurde autorisiert von seiner Familie. Deshalb dazu drei, vier kurze Sätze. Carl Crack ist nicht der Einzige, dem es nicht gut ging, wenn er ins Studio gegangen ist. Der Tod jedoch hat in der Musik keinen Platz. Darum ging es, darum geht es auch für uns Hörer. Die Kraft der Stücke spricht für sich selbst. Und City Centre Offices? Wir drehen das Rad der Geschichte nochmal zurück, noch ein Stück weiter als vorhin. Anfang der Neunziger lernt Thaddeus Herrmann Carl Crack als MC auf Jungleparties kennen. 1994 wird er mit seinem ersten Projekt Sonic Subjunkies dessen Labelkollege. Eine wilde Zeit - und ein gemeinsamer Aufbruch. Ein Stuhl ist kein Haus, und ein Haus ist kein Heim, wenn niemand da ist. Bei CCO ist jemand da.


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DOWNBEAT

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TECHNO

ALLTIME YORK TIM WRIGHT TEXT

BIG JAZZ POLISH SKALPEL

SASCHA KÖSCH |BLEED@DE-BUG.DE

Er ist der Captain Beefheart des Brighton-Sounds. Tim Wright frickelt mit dem Projekt "Sand" Jazz zusammen, auf seinem Album ”Thirst” schließt er aber an die minimalen Soundmatrizen seiner Zeit als Germ an. Und buchstabiert ganz nebenbei die englischen Tugenden von Humor, Komplexität und Bass in Albumformat aus. Tim Wright hieß früher mal Germ und produzierte damals in York (wo er immer noch ist) Musik, die wie ein Blueprint für den Minimalsound von heute wirken könnte. Losgelöst von Bleeps, mit einer strangeren Funkyness als Sweet Excorcist und mit Sounds, die die Welt noch nicht gesehen hatte. Gehört hat sie damals auch niemand, denn Germ klang einfach zu außergewöhnlich, da halfen auch keine EPs auf dem "intelligenten" General Productions Label, das zwar einen guten Ruf hatte, aber irgendwie doch böse bankrott ging. So böse, dass sich Tim Wright erstmal jahrelang davon erholen musste, bevor er über sein Moondog Projekt auf Melt letztendlich als Tube Jerk bei Ill und Sativae Ende der Neunziger eine neue Heimat fand. Schon damals war sein Sound geprägt von schrägen Monsterbasslines und einem Gefühl dafür, dass Ravetracks einfach komplizierter sein müssen als Looptechno, zugänglicher, aber auch humorvoller, heldenhafter, in einem Wort: englischer. Denn seine Musik könnte einfach nirgendwo anders entstehen als in England. "So Mitte der 90er habe ich vor allem drei Dinge vermisst: Bass, Drama und Groove." DANCEHALLMÖRDERRIDDEMS Das fand er irgendwann in Drum and Bass, später in 2Step. Aber anstatt ständig die Felder zu wechseln, die ihm letztendlich eh egal waren, blieb er auf seine merkwürdige Weise Technoproduzent und irgendwie mit dem Brighton-Sound verknotet, der ja immer schon Dancehall und Techno, Rave und extreme Arrangements miteinander vermischen konnte. "Ein Freund von mir meinte mal: Si ist eher so ein Frank-Zappa-Charakter, ich eher so Captain Beefheart. Ich hab allerdings nicht einen Funken der Genialität von einem der bei-

den." Tim ist nah dran an Si Begg, führt aber die Fäden der Einflüsse von Dancehall bis Detroit integrativer zusammen. "Letztendlich will ich Musik machen, die etwas zu sagen hat, das ich hören will, und das vom gegenwärtigen Zustand des Durcheinanders von Einflüssen, denen ich ausgesetzt bin, und meinem geistigen Zustand herrührt. Die besten Tracks entstehen eh, wenn ich nicht drüber nachdenke, was ich mache." Mittlerweile ist Tim Wright unter seinem eigenen Namen bei Novamute gelandet und hat gerade ein weiteres Album releast (sein achtes, die Alben von Sand mit eingeschlossen, diesem skurrilen elektronischen Jazz-Bandprojekt auf Soul Jazz und Satelite, das aufgrund der diversen Verstrickungen und der räumlichen Entfernung der Mitspieler nur alle paar Jahre wieder auftaucht). "Thirst" heißt das aktuelle Werk und ist ebenso Grime wie Techno, Microhop, Dancehallmörderriddems (mit Toastie Taylor) und Elektro-Overdrive, Ravebreitseite und subtiler Cut-Up-Minimalclash. Ja, sogar die letzten Fetzen einer jazzig verdrehten Experimentierfreude finden sich auf dem Album und der Saxophonist des BladeRunner-Soundtracks. Und dennoch hört sich das alles nicht nach einem Multiinstrumentalisten an, der überall mal reinschnuppert, sondern eben wie Tim Wright. Vor allem aber nach Basslines bis zum Umfallen. Wir sagten es ja schon: Jemand wie Tim Wright kann nur aus England kommen.

INFO Tim Wright, Thirst, ist auf Novamute erschienen. www.timwrightmusic.com www.mrsapple.com

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HEIKE LÜKEN | HEIKELUEKEN@WEB.DE

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GRZEGORZ KORCZAK

Mit Skalpel betreibt Ninjatune seine ganz persönliche Osterweiterung und stellt dem Cinematic Orchestra endlich ein ebenbürtiges Projekt an die Seite. Igor Pudlow und Marcin Cichy sampeln sich voller Ehrfurcht durch die polnische Jazz-Geschichte und leuten das stilechte BigBeat-Revival ein. Sagt Heike Lüken. Ein gutes Label hat nicht nur die Aufgabe, gute Musik zu verlegen, sondern auch, die dazugehörigen Musiker erst einmal zu finden. Zum 10-jährigen Jubiläum von Ninja Tune hat man zielsicher aus den Tausenden von Demos jenes von Skalpel herausgefischt und die beiden Polen Igor Pudlow und Marcin Cichy aus Wroclaw (aka Breslau) ziemlich plötzlich und zurecht in einen größeren Wirkungskreis gezogen. 2000 hatten sie fast per Zufall DJ Vadim an vier Turntables auf seiner Tour begleitet, das vielgerühmte ”Polish Jazz“-Album herausgebracht und schließlich folgte eine Mail aus dem Hause Ninja Tune, doch bitte einen Plattenvertrag zu unterschreiben. Skalpel haben mit ”Sculpture“ ein Album gemacht, das gelangweilten Gegenwartsbeobachtern wieder Lust auf Samples der guten alten BigBeat-Schule macht, HipHop als etwas Innovatives erscheinen lässt und galant die Brücke schlägt zu reinen und außerdem erstklassigen Jazz Tunes, die vornehmlich aus dem Osten Europas stammen, wie Igor im Interview preisgibt. ”Wir sammeln alte polnische Jazz-Platten aus den 70ern und 80ern. Wir suchen die ganze Zeit auf Flohmärkten, im Internet und Second-Hand-Läden rum und kaufen gerne Scheiben aus der Slowakei, Ungarn und Ostdeutschland. Von diesen Platten nehmen wir etwas und machen unsere eigene Musik daraus.“ Igor beschreibt ihre Arbeit als ziemlich schlicht, was ihrem Album so gut tut: ”Wir arbeiten an unseren PCs zu Hause, wir haben kein Studio. Heutzutage ist es ziemlich einfach, Musik zu machen. Es kommt nicht auf das Equipment,

sondern auf die Idee an. Die Programme erlauben es uns, die Musik wie handgemacht klingen zu lassen. Wir setzten unsere Samples per Klick mit der Maus in die Songs. Darum hört es sich nicht mechanisch an. Wir versuchen, wie Musiker zu spielen.“

ENDE DER ISOLATIONSHAFT Obwohl auch Polen über eine inzwischen voll funktionierende (lies: kommerzialisierte) HipHop-Szene verfügt, bleiben Reste der alten Ausgrenzung noch erhalten: ”Ja, wir sind in einer Art Isolation und es verhilft uns zu einer gewissen Originalität. Wir haben für fast ein halbes Jahrhundert keine einzige Platte aus dem Westen hier gesehen. Es hat uns geholfen, originell zu bleiben und unseren eigenen Sound zu haben.“ (Von welchem "Wir" er dabei spricht, ist angesichts der Massen von polnischen Lizenzpressungen westlicher Pop- und Rockmusik seit den 80ern allerdings fraglich ...) Zum Schluss zerstreut er lachend die vermeintlichen Bedenken beider Seiten: ”Erwartet keine polnische Invasion im Musikgeschäft, aber wir hoffen, dass die Leute im Westen unsere Musik mögen. Und wir wissen, dass die Leute im Westen Angst vor den polnischen Arbeitern haben. Aber keine Sorge – es sind eh schon genug da!“

INFO Skalpel, Sculpture, ist auf Ninja Tune / Rough Trade erschienen www.skalpelsound.com, www.ninjatune.net


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TECHNO <22> - DE:BUG.82 - 05.2004

INFO Richard Bartz, Midnight Man, ist auf Gigolo Records / Neuton erschienen.

SANDBURGEN AUS STROM / Richard Bartz

www.gigolo-records.de TEXT

FELIX DENK | FELIX@DE-BUG.DE

Vorzüge er auch dem Laien gerne vermittelt: ”Hier der RSF zum Beispiel: Der schwingt, der läuft. Einen stehenden Ton kann man sich stundenlang anhören, weil da ganz viel passiert – da läuft Strom durch das Gerät, so richtig!“ Dabei ist der Synthie-Freak aber kein Synthie-Sammler. Sein Equipment ist überschaubar, neue Geräte eher rar. Als Optimierer sucht er nach immer neuen Möglichkeiten, um dabei gleichzeitig noch analog zu bleiben. ”Für mich ist das dann immer so eine Weltmeisterschaft, hier noch mal drücken und dann da“, beschreibt er den Produktionsprozess und fuchtelt dabei anschaulich mit den Händen. Ehrensache, dass auf Midnight Man alles selbst gespielt ist. Nur drei Vokal-Samples seien auf der ganzen Platte zu finden, meint Bartz stolz.

Diesen Faden nimmt Richard Bartz auch auf seinem neuen Album auf Gigolo Records wieder auf und verknetet das Brachiale mit dem Feinen. "Midnight Man" wurde entsprechend eine konsequente, zwingende Platte – psychedelische Wertarbeit, die die Klarheit eines klassischen Chicago-Entwurfs mit Versatzstücken synthetisch-schriller Italo-Disko kombiniert. Dramaturgien werden immer weitergesponnen, noch einmal verdreht und verzogen, um vielleicht neue Steigerungsmöglichkeiten aus den Tracks herauszukitzeln. Das eigene Gütesiegel ist verinnerlicht und der Dancefloor gerät dazu außer Atem.

seinem Forscherdrang blickt der umtriebige Track-Ingenieur nicht zurück. Bei all den ungedrückten Knöpfen und noch ausstehenden Schaltungen interessiert das Vergangene nicht so sehr: ”Als Kind hat man ja auch oft eine Sandburg gebaut und ist danach mit dem Fuß reingestiegen und hat dann wieder von vorne angefangen.“ Das Bauen ist das Coole, das was man mal gebaut hat, ist dann schon nicht mehr so interessant. Sentimentalität fließt wohl nicht durch die Schaltkreise. Ein neues Label ist geplant, sogar schon ”extrem konkret, aber ich lass da nichts raus!“ Bartz freut sich über die Nachfrage, weil er noch entschiedener auf Geheimhaltung bestehen kann. Um die Spannung zu steigern, verrät er aber, dass die neue Plattform ein reines Autorenlabel sein wird, auf dem nur eigene Produktionen erscheinen werden, so wie das bei Kurbel anfangs gedacht war.

Wenn seine Tracks laufen, mutieren Clubs zu Sträflingsgaleeren und Raver zu angeketteten Ruderern.

ERTÜFTELTE AUTORENSCHAFT ”Ich bin mehr so ein Tüftler, so ein Synthie-Freak, mehr als ich ein Produzent wäre“, erklärt Bartz seine Arbeitsweise. Vom Computer macht er kaum Gebrauch, auch wenn ein Laptop als Loop-Player mittlerweile bei Live-Auftritten dabei ist. Seine Liebe gilt der Hardware, deren

WOHIN DAMIT? Eigentlich wäre ein Album ein schönes Finale für Kurbel gewesen, Bartz’ eigenes Label, das er Anfang des Jahres eingestellt hat. Aber so ein Projekt hätte die Kapazitäten des Ein-Mann-Betriebs deutlich überschritten. In

”So etwas hätte es halt auch werden können“, meint Richard Bartz und spielt Stücke vor, die DJ Hell nicht für das Album ausgewählt hat. Ein ziemlich rockiger Track ist dabei, andere Nummern sind etwas weniger düster als die auf Midnight Man. Bartz lobt den guten Riecher vom Gigolo-Chef und fügt an, dass natürlich immer etwas anderes herauskommt, als man denkt. ”Erst mach ich den Soundtrack, dann übernimmt jemand anderes das Drehbuch. Schließlich wird das Ganze zu einem Gigolo-Film umgeschnitten. Befremdlich ist, dass ich mich manchmal nicht mehr so genau erinnern kann, wie ich das eigentlich gemacht habe.“ Ist ja auch nicht so wichtig, neue Sandkästen warten überall auf Bebauung mit Gütesiegel und solidem Bass-Fundament.

Der Feind der Party ist der Break und der Freund von Richard Bartz der Strom. Voller Handwerkerstolz strotzt sein Album bei Gigolo von Analogität und gebratzten Basslines und haut mit subtilen Verschiebungen und Verdichtungen auf die Pauke. ”Den Bass rausnehmen, ist ein irre physikalischer Vorgang“, erklärt Richard Bartz und wird ganz ernst dabei, ”gerade auf einem großen Floor. Weißt du, was da passiert? Dann ist erstmal Pause! Die Leute hängen ja an der Bassline. Die ist wie eine Perlenkette, an der sie so durch die Party gehen (hangelt sich an einer imaginären Schnur durchs Zimmer). Das kann man eigentlich gar nicht machen, dass man den Bass rausnimmt!“ Schon überzeugt, man kann das nicht machen. Die Kickdrum muss marschieren, und zwar immer. Sie ist der Pulsschlag, die Bassline, die Arterie - ein hochsensibler, lebenswichtiger Bereich. Der Break dagegen ist der Feind - die Leute könnten von der Tanzfläche an die Bar gehen oder, schlimmer, nach Hause. Also den Bass immer drin lassen? "Ganz klar! Weiter, immer durchschieben und weiter verändern. Da gebe ich auch mein Bartzsches Gütesiegel, dass solche Tracks hundertprozentig funktionieren!“

Rückblende, die frühen 1990er-Jahre: Richard Bartz, damals noch Teenager, veröffentlichte auf Disko B Platten mit der rabiatesten 909 Kickdrum, die jenseits der Chicagoer Southside ins Vinyl gepresst wurde. Wenn seine Tracks liefen, mutierten Clubs zu Sträflingsgaleeren und TänzerInnen zu angeketteten Ruderern. Erlösung von der pumpenden Sklaverei gab es höchstens, wenn der Acid Scout live auftrat und die Anlage mit seinem tieffrequenten Druck wieder einmal zugrunde

richtete. Im Tresor wurde er schon lange nicht mehr gesehen. Weil sich Intensität aber nicht nur in Härte ausdrückt und das menschliche Bewegungszentrum in der linken Hirnhälfte und nicht in den Hüften angesiedelt ist, haute Bartz nicht nur mächtig auf die Pauke, sondern bastelte an subtilen Verschiebungen und immer neuen Verdichtungen in seinen Tracks.

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MUSIKTECHNIK

MUSIKTECHNIK

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SASCHA KÖSCH | BLEED@DE-BUG.DE

TRAKTOR FINAL SCRATCH 1.5.

TRACKTION

Man denkt ja immer, mittlerweile dürfte jeder wissen, wie Final Scratch funktioniert. Wann immer man es auspackt, gibt es aber immer noch ungläubige Blicke und vor allem Begeisterung. Und was sonst will man von Technik?

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BENJAMIN WEISS | NERK@DE-BUG.DE

Viele Fenster, ein Haufen Einstellmöglichkeiten, große Systemanforderungen und viel Festplattenplatz - das sind die Nachteile der großen Audio- und Midi-Hosts wie Logic, Cubase, Nuendo und Digital Performer. Tracktion tritt an, mit mehr Übersichtlichkeit den Workflow zu verbessern und die Lernkurve zu verkürzen. ÜBERSICHT Minimalistische Schlankheit ist das Credo von Tracktion, und so kommt es mit gerademal drei Fenstern aus: Project, Settings und Edit, die jeweils den kompletten Bildschirm einnehmen. Zur Integration von anderen Programmen wie Live und Reason kommt Tracktion mit ReWire 2.0 Unterstützung. PROJECTS Das Projectfenster bietet die browserähnliche Übersicht über sämtliche Projekte, die bereits mit Tracktion erzeugt wurden, und zwar nicht nur über die Song (Edit)-Files, sondern auch alle Audiofiles, die direkt vorgehört werden können. Außerdem gibt es für jedes Audiofile eine History, die alle Bearbeitungen durch Tracktion enthält, sowie die Möglichkeit, direkt im Projectfenster Bearbeitungen wie Normalisieren, Samplerate-Konvertierung usw. vorzunehmen. Eine Suchfunktion ist ebenfalls integriert, allerdings noch nicht wirklich funktionsfähig: Sie findet in der aktuellen Version nur Files, nach deren Namen mit der exakt richtigen Schreibweise gesucht wurde. Ansonsten lassen sich Projekte aber auch komfortabel exportieren, wahlweise als ein Tracktion File oder auch als einzelne Files. Die Audiofiles können unkomprimiert oder im Ogg Vorbis Format mit bis zu sechzehnfacher Komprimierung exportiert werden, was natürlich zum Austauschen per Netz sehr praktisch ist. Schließlich kann man im Projectfenster noch ein wenig aufräumen, um beispielsweise nicht benötigte Soundfiles zu löschen, oder ein Projekt nur mit den tatsächlich benutzten Audiofileausschnitten zu speichern. SETTINGS Tracktion arbeitet nur mit den Formaten AIFF und WAV, die dafür aber in allen Samplerates gebutzt werden können. Die interne Auflösung ist wie bei der Konkurrenz 32 Bit Floating Point. An PlugIns wird ausschließlich VST unterstützt, Audio Units sind leider nicht dabei. Mitgeliefert werden die Effekte Reverb, 4-Band EQ, Delay, Chorus, Phaser, Compressor und LowPass, die allesamt nichts Besonderes sind, aber ordentlich klingen. Das Settings-Fenster kommt eher unspektakulär daher: Neben der PlugIn-Verwaltung, der Zuordnung von Tastaturkürzeln und den Einstellungen für Audiokarte und MIDI-Interface lassen sich Undo Level

und Scratch Disk festlegen. Die Anzahl von Audiotracks und Effekten ist übrigens nur vom Hostcomputer abhängig, Tracktion selbst setzt diesbezüglich keine Grenzen. EDIT Das Hauptfenster von Tracktion ist das Edit (Arrange)Fenster. In der Mitte befinden sich die Tracks, links daneben die Audio- und Midi-Eingänge, die sich anfassen lassen und dadurch den jeweiligen Tracks zugeordnet werden können. Rechts neben den Tracks gibt es zunächst für jeden Track ein Volume/Pan-Modul, daneben das Lautstärkemodul und am rechten Bildschirmrand schließlich Mute und Solo. Wenn man nun ein neues PlugIn in einen Kanal bringen will, zieht man einfach ein "New Filter"-Icon an die entsprechende Stelle, wählt das PlugIn aus und fertig. So weit so gut und nichts wirklich Besonderes, aber es besteht auch die Möglichkeit, auf ein und demselben Track verschiedenen Clips verschiedene Effekte zuzuweisen, indem man diese nicht in den Kanalzug, sondern direkt auf den Clip zieht. Editierbar werden die PlugIns, wenn man sie anklickt. Eine weitere Besonderheit ist die Möglichkeit, auf einem Track sowohl MIDI als auch Audioinformationen zu haben. Tracks können auch beliebig geroutet werden: wahlweise auf einen anderen Track oder auf die jeweiligen Hardwareausgänge. Aber auch Live-Effekte sind mit den sogenannten Racks möglich: Hier kann man Effekte reinziehen, deren Ein- und Ausgänge dann mit den Anschlüssen der Soundkarte und des Midi-Interfaces verschaltet werden können. Selbst äußerst komplexe Effekte mit vielen PlugIns lassen sich so realisieren und, natürlich immer abhängig von der Latenz der Soundkarte, live benutzen. Da ein und derselbe Ausgang auch mehrmals verschaltet werden kann, ergeben sich wirklich sehr interessante Möglichkeiten. Die so erstellten Effektracks kann man auch einzeln abspeichern und bei Bedarf wieder aufrufen, was auch für PlugIn-Ketten für die Tracks gilt. Das untere Viertel des Bildschirms nehmen die Transportleiste und die Parameter für den gerade selektierten Track ein. Für Audiotracks/Clips gibt es die üblichen Parametersätze zur Quantisierung, Selektierung, Timestretching usw. Praktisch sind Features wie das Neureferenzieren von Audiofiles und die verschiedenen Crossfades, sowie der integrierte Audio-CD Rip-

per. Das Schneiden ist leider nur an der Cursorposition oder den Markern möglich, hierfür gibt es kein Werkzeug. Der Midi-Editor ist in Form eines Pianorolls realisiert und bietet neben der Eingabe von Noten (schönes Detail: Hier kann eine Note auch von ihrem Ende bis zum Anfang gezogen werden) auch die Erzeugung von beliebigen Controllerdaten im gleichen Fenster. Ein bisschen unpraktisch ist dabei der Ausschnitt, der sich vertikal zwar gut verschieben lässt, aber aufgrund des Ein-Fenster Prinzips nicht so ganz den gewohnten Überblick erlaubt. Ansonsten gibt es midi-technisch eigentlich alles, was man so braucht. Auch an die Automation wurde natürlich gedacht: Alle Parameter der PlugIns sind automatisierbar, wobei die Automationskurve aufgenommen oder gezeichnet werden kann, was direkt auf dem jeweiligen Track geschieht. Das Konzept von Tracktion, immer alles Wichtige im Blick zu behalten, geht voll auf, ohne dass man auf wichtige Parameter und Funktionen verzichten müsste. Die übersichtliche Oberfläche ohne pseudorealistischen Schnick ist größtenteils selbsterklärend, die zuschaltbare Popup-Hilfe ist sehr praktisch und erinnert ein wenig an Abletons Live, was auch für die Ober-

INFO ••••• info & demodownload: www.mackie.com Preis: 80$ Systemanforderungen: PC: Windows 98/ME, Windows 2000, Windows XP, AMD Athlon oder Pentium 3 / 4 ab 750 MHz, 128 MB Ram, Direct Sound oder ASIO Soundkarte Mac: ab OSX 10.2, mindestens 128 MB RAM fläche gilt. Natürlich gibt es eine Menge Funktionen, die weiterhin nur auf den "großen" DAWs möglich sind, sehr groß ist der Abstand aber nicht, zumal Tracktion mit 80 USD auch nur einen Bruchteil von dem kostet, was man für diese ausgeben müsste. Aber auch Tracktion hat der Konkurrenz ein paar Features voraus: Die Archivierung und automatische Komprimierung erleichtern die Zusammenarbeit über das Internet und der schlanke Installer und die geringen Systemanforderungen sind weitere Argumente. Die einzigen Kritikpunkte sind für mich die fehlende Schere und der gelegentlich ein wenig unübersichtliche Midi-Editor. Alles in allem aber sehr empfehlenswert!

Die neue Version 1.5.3 für OSX dieses Tools für DJs, die auch im Zeitalter von File- statt Vinylformaten nicht auf ihre beiden Plattenteller und ihr Vinyl verzichten wollen, ist gerade eben erschienen und schließt damit endlich die Lücke, die für alle Panther-User entstanden war, denn Final Scratch 1.1 und Panther ... das ging nicht. Auffälligste Neuerung ist die "Key Correct" Funktion, die die Tonhöhe der Tracks bewahrt, egal wie sehr man die Platte pitcht. Eine Funktion, die CD-Player und Traktor oder ähnliche Programme natürlich schon länger haben und die für FS mit Sicherheit nur eine Frage der Prozessorleistung war. Ein G4 Prozessor als Minimum in jedem der neuen Apple Rechner scheint zu reichen. Mit meinem Hausrechner, einem alten G3 iBook würden wir allerdings die Finger von "Key Correct" lassen, denn da steigt FS schon mal gerne aus und die Tanzfläche bis zum Programmneustart durch Tanzeinlagen zu unterhalten, will gekonnt sein. Ansonsten lässt sich Key Correct (groovy vor allem für HipHop DJs, die damit etwas mehr Raum in ihrem ansonsten strengeren BPM Korsett haben - Falsett-Rap auf +8 geht halt nicht) auf drei verschiedene Qualitäten einstellen und damit der eigenen Prozessorleistung anpassen. Visuell gibt es in 1.5.3 ein paar Updates, die das Handling von FS noch einfacher machen. Wer bislang ein wenig Probleme hatte, festzustellen, wann denn nun der aktive Track zu Ende ist und diverse Male vergeblich auf dem FS Vinyl nach der Endrille gesucht hat, für den blinkt jetzt in den letzten Sekunden (Länge einstellbar) die komplette Leiste mit dem Frequenzband unübersehbar rot, gespielte Parts werden als dunkler "Schatten" angezeigt, die LeadIn-Zeit bis zum Beginn des Tracks ist unübersehbar. Kurzum, FS ist auch aus Metern Entfernung übersichtlich. Das FS-Fenster ist nicht länger beschränkt auf feste Größen, die Schriften sind variabler, und wie solide die Datenbank in FS ist, merkten wir bei einem Test mit unserer 40Gigabyte Büroplatte. Nur eine Minute beim Hochstarten, um die Datenbank zu überprüfen, und die Suche nach Tracks war immer noch schnell genug, um einen nicht lang warten zu lassen. Natürlich hasst FS immer noch besonders schlechte Nadeln, miserable Mischpulte und brummende Plattenspieler. Aber wir wissen es ja alle längst: Digitale Artefakte in Tracks können heutzutage ganz schön erfrischend wirken. FS ist und bleibt, mit der neuen Version um so mehr, das solideste Tool für alle, die zwischenzeitlich Tracks von Platte (in beiden Sinnen des Wortes) spielen und neue Tracks, die noch nicht auf Vinyl sind, mit den letzten oder rarsten 12"s mischen wollen. Denn nichts geht über ein einziges Interface beim Auflegen. Komplettumsteiger und Vielflieger werden aber zurecht auch immer mehr.

INFO www.finalscratch.com www.nativeinstruments.de Die native Windows XP Version mit den gleichen Features ist auch draussen.

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TRACKS MACHEN FÜR 80 DOLLAR


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HIPROCK <24> - DE:BUG.82 - 05.2004

INFO RJD2, Since We Last Spoke, erscheint am 18. Mai auf Definitve Jux / Pias / Rough Trade. www.definitivejux.net

RJD2

SATANISCHE HÖRNCHEN TEXT

UH-YOUNG KIM | U.KIM@WEB.DE

RJD2s neues Album strahlt vor schamlosem Rock nur so über. Mittels schlauer Sample-Musik schraubt der Talentspross den Rock auf Pop und den Einzelkämpfer-Verbund von DefJux in die Oberliga. Rekonstruktive Songs für alle. Was sich schon seit einiger Zeit angebahnt hat, bricht nun auch bis in dieses Refugium hinein: die Befreiung der Stromriffs mit den Mitteln des Nerds. Endlich macht Luftgitarre-Gniedeln wieder Spaß. Schuld am Rock, für den man sich nicht schämen muss, ist nicht nur das aktuelle N.E.R.D.-Album, das die Beatles, Stones, Steely Dan, Funkadelic und ... - fill in your own history - gleichzeitig sein will. Auch RJD2 krempelt auf seinem neuen Album die Polarität von Rock und HipHop im weitesten Sinne um. Die Arme hatte RJ sowieso nie vor der Brust verschränkt, und den programmatischen Stinkefinger behielt der zurückhaltende Kollege auch eher für sich. Aus seiner Faust aber ragen nun satanische Hörnchen. Nicht mehr auschließlich mithilfe des DJ-Handwerks organisiert der DefJux-Genosse auf "Since We Last Spoke“ Cuts & Pieces zu "richtigen“ Songs, die einigermaßen rocken. Live dargeboten in einer krakenartigen Vier-Plattenspieler-Show verkaufte sich sein Debüt "Dead Ringer“ von 2002 100.000 mal. RJD2 fügte dem DefJux-Spektrum das Mosaiksteinchen hinzu, das einen der glaubwürdigsten HipHop-Indies zur offenen Plattform der Ungleichklingenden und deshalb umso Gleichgesinnteren machte. Nicht die Hierarchie von einer nachbarschaftlichen Posse oder Mafia-artig organisierten Clans mit einem Rattenschwanz an Speichelleckern und dementsprechend gleichgeschaltetem Sound macht die Chemie des Labels aus, sondern ein Haufen

von Einzelkämpfern, die gnadenlos ihre eigene Vision verfolgen. Während Labelchef El-P neulich in Brooklyn sogar in Freejazz-Gewässern fischte, hat RJD2 in Philadelphia an seinem virtuellen Bandsound gefeilt, ohne dass der Neo-Soul der Roots etc. auch nur irgendwie auf ihn abgestrahlt hätte. Schon in seiner Geburtstadt Columbus konnte sich RJ eigentlich nur auf seine Plattensammlung verlassen. Dass er nun aus den unbegrenzten Möglichkeiten der Sample-Musik ausbricht, um die Vielheit der Quellen aus Psychedelic, Library-Musik, Garagenrock und süßem Soul in haargenau dem jeweiligen Style entsprechenden Soundwelten zu rekonstruieren, geht über den mächtigen Schatten von DJ Shadow hinaus, unter dem RJ bisher stand. Angesichts der momentanen Welle von arschlahmen Downtempo-Instrumental-Alben, die gerade u.a. aus England hinüberschwappt, klingt "Since We Last Spoke“ schön scheppernd und obsessiv kontrolliert zugleich. Wie der kleine Bruder von N.E.R.D.s "Fly Or Die“, der dazu verdonnert ist, seinen eigenen Weg zu gehen. DEBUG: Würdest du sagen, du machst immer noch Sample-Musik? RJD2: Teilweise. Die andere Hälfte des neuen Albums ist live. Ich spiele Gitarre, Bass, Keys und es gibt Live-Gesang. Wenn ich eine Orgel brauchte, habe ich sie eingespielt. Wenn das zu schwierig war, habe ich sie auf einer Platte gefunden.

DEBUG: Glaubst du, dass die Magie von Sample-Musik darin liegt, dass ein Sound bekannt klingt? Muss man in gewisser Weise gebildet sein, um sie zu genießen? RJD2: Ich möchte nicht, dass das passiert. Ich will nicht Teil einer Insider-Kultur sein. Und ich musste durch sehr viel durch, um diese Platte zugänglich für jeden Idioten zu machen. DEBUG: Wie hast du das angestellt? RJD2: Die Stücke sind fast alle um die vier Minuten kurz. Sie sollen wie Popsongs funktionieren. Du hast ein Thema, eine Variation, Strophe und Refrain, die wiederkehren. Die Basis

RJD2: Die Hauptregel ist, beim Thema zu bleiben. Wenn ich zum Beispiel an einer Ballade arbeite, die wie ein R'n'BSong von 1969 klingen soll, würde ich da nie wilde Gitarren hineinwerfen. Das würde die Stimmung des Songs zerstören. DEBUG: In einem Song von dir passieren aber meist so viele Sachen, dass jemand, der beispielsweise die Charts im Ohr hat, sie nie als solche identifizieren würde. Vielleicht ist es deine eigene Version von einem Song. Auch machen ja gerade die Popsongs von heute Gebrauch von simplen HipHop-Beats ... Neulich habe

Ich will nicht Teil einer Insider-Kultur sein. Und ich musste durch sehr viel durch, um diese Platte zugänglich für jeden Idioten zu machen. für die Konstruktion der Songs ist Vocal-Musik, die Art und Weise, wie Bands ihre Songs arrangieren, nicht so wie in irgendeiner abgespaceten Brian-Eno-Musik. DEBUG: Wo liegt der Unterschied? RJD2: Am Sampler sind zehn Minuten Spacey-Beat-Musik viel einfacher zu produzieren als ein dreiminütiger Popsong. Beide liegen von Natur aus an entgegengesetzten Enden. Wenn du dich an einen Sampler setzt, ist die erste Musik, auf die du kommst, vereinfachte Rapmusik. Wenn eine Band sich zusammensetzt, ist ihre Natur, einen Song mit Gesang usw. zu schreiben.

ich die Bad-Boy-Compilation zum zehnjährigen Jubiläum von Puffys Label gehört. Heute finde ich das besser als vieles, was man so unter Underground versteht. Oder das letzte Jay-Z-Album - welchen Song findest du davon am besten? RJD2: “99 Problems”, den von Rick Rubin. Aber eigentlich ist es nur ein Gitarrensample mit Cowbells und einem Big Beat drunter, den du schon tausendmal gehört hast. Es klingt wie eine Drum Machine mit einer Rockgitarre. Ich habe versucht, das zu vermeiden, gerade bei meinen rockigeren Tunes. Ich wollte, dass es richtig klingt, indem ich die Drums von der selben Art von Platte genommen habe wie die Gitarren.

DEBUG: Nach welchen Regeln schreibst du einen Song?

MITMACHEN UND GEWINNEN

KOMPLETT LEBENSBEJAHENDER AKTIONISMUS / Unsere Verlosung ROBERT JOHNSON CD PLEXIGLAS-SCHUBER

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YEAH-NO PLATTENKANISTER

Welcher Club ist ganz selbstverständlich nicht nur bei der Musik, sondern auch in allen anderen Bereichen superkennerschaftlich stylisch? Na klar, das Robert Johnson in Offenbach. Das wird ja auch vom weltschicksten "Ape" Ata geführt. Um das Gesamtkunstwerk "Robert Johnson" auch jenseits von Offenbach erlebbar zu machen, haben sie mit Unterstützung von Carhartt einen Luxusschuber herausgebracht, der außerhalb des Handels an die Dedicateten weitergereicht wird. 12 CDs mit Coverfotografien von Daniel Herrmann, auf denen jeweils ein Set eines der hochkarätigen Gäste zu hören ist. Welches? He, ihr seid die Dedicateten, ratet selbst. Wer den schicken Schuber gewinnen möchte, schickt eine Postkarte mit dem Stichwort "Den Teufel auch, live at Robert Johnson ich brauch" an uns.

Frische Videospielunterhaltung gedeiht mittlerweile in allen Ecken und Enden Europas. Die sympathischen Dänen von IO veröffentlichen dieser Tage über Eidos den dritten Teil der dunklen Auftragskillersause Hitman mit dem Subtitel "Contracts“. In der Abteilung skurriler Promogoodies bieten wir euch dazu dieses Agentenköfferchen inkl. Handschuhe und einer Version des Games nach Wahl feil. Das Teil ist auf 333 Exemplare limitiert, besitzt einen materiellen Wert von 200 Euro und ist als Devotionalie nahezu unbezahlbar. Einfach eine Postkarte mit den Codewörtern "Ich packe meinen Koffer“ an die übliche Anschrift: De:Bug Verlags GmbH, Brunnenstrasse 196, 10119 Berlin. Bitte die gewünschte Plattform, PS2, XBox oder PC, nicht vergessen. Den Rechtsweg kennt nur James Bond.

Nichts für die Tankstelle: Eure Platten werden sich in diesen von Yeah-No zum Plattenkoffer umgebauten Benzinkanister im oliv der Völkerverständigung mehr als wohlfühlen. Postkarte mit dem Stichwort “Mein MK2 tankt super” bitte an die Redaktionsadresse, De:Bug Verlags GmbH, Brunnenstrasse 196, 10119 Berlin. Bitte die gewünschte Plattform, PS2, XBox oder PC, nicht vergessen. Den Rechtsweg kennt nur die UNO.

GEWONNEN HABEN: Finlandia T-Shirts: Kai Weber, Christoph Reuter, Lena Kahle, Jessi Eisenkolb Berliner Style Buch: Susanne Dicke, Danilo Pesic


FINDER VERSCHLÜSSELTE PRIVATSPHÄRE

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27. ÖFFENTLICHER PÄDOPHILEN-BASH

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HINTERGRUND MODE: CARHARTT

Kryptografie und Grenzen der Sicherheit

Persönlichkeitsrechte verdächtiger Chatter

Von Arbeiterkleidung zum Streetwear-Klassiker

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MODE: LESEN KLEIDET

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KUNST: SPORT ALS SKULPTUR

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DESIGN: DIE BRÜDER BOUROULLEC

Antonio Gramsci trug Maßanzug

Suse Weber politisiert Leibesübungen

Modulare Systeme in Büro, Paris und Mailand

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KINO: ETERNAL SUNSHINE

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GAMES: HARVEST MOON

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GAMES: DEVELOPER ERNEST ADAMS

Michel Gondry löscht die Erinnerung

Dating auf dem elektronischen Bauernhof

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GOTO

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ABO

Du gehst ohne Zweifel gut aus …

Debug bei Sommergewitter trocken ans Bett!

Im Interview über sein Spiele-Dogma heute

ÜBERWACHUNG

BEI EINREISE FINGERABDRUCK / Der neue Weg in die USA TEXT

BILD

ANTON WALDT | WALDT@QUINTESSENZ.AT

Ab September muss sich jeder Einreisende in die USA mit Fingerabdrücken und digitalem Foto abspeichern lassen. Erstmalig kommen damit an einer Grenze im großen Stil biometrische Verfahren zum Einsatz. Wie realistisch das Ganze ist oder ob man hier nicht doch einfach nur mit Terrorpanik die bürgerliche Freiheit bedroht, erklärt Anton Waldt. Ab September diesen Jahres werden allen europäischen Besuchern bei der Einreise in die USA zwei Fingerabdrücke abgenommen und ein Digitalfoto ihres Gesichts erstellt. Diese Maßnahme illustriert derzeit am deutlichsten den Vormarsch von biometrischen Methoden in den Alltag - eine Entwicklung, gegenüber der einige Bedenken äußern und auf Risiken verweisen. Denn auch wenn dies Dank digitaler Fingerscanner nicht mehr mit geschwärzten Fingern verbunden ist, haftet der Maßnahme zu Recht ein modriger Gefängnisgeruch an. Andere wiederum begegnen dieser Entwicklung mit Gleichgültigkeit, meinen, strenge Kontrollen treffen sowieso nur die Bösen oder pflegen einen Fatalismus, nachdem "Sie" sowieso schon alles wissen und es sich daher nicht lohnt, sich über weitere Kontrollen aufzuregen. Beide Biometrie-Vorurteile sind grundfalsch, allerdings sind die Zusammenhänge und Auswirkungen wesentlich komplexer, als man dies aus schnöden Sci-FiFantasien über absolute Bio-Kontrolle kennt: Technische Hürden und Tücken treffen auf soziale Auswirkungen von unabsehbaren Ausmaßen bei einem fragwürdigen Gewinn an Sicherheit. WIE MAN BIOLOGIE DIGITALISIERT Biometrie ist definitionsgemäß die Vermessung quantitativer Merkmale von Lebewesen. Dabei wird heute zwischen der "klassischen" Biometrie, die sich vor allem mit der Statistik aller möglichen Pflanzen, Tiere und auch Menschen beschäftigt, und der "neuen Biometrie" unterschieden. Die "neue" Biometrie versucht Menschen anhand von allen möglichen Merkmalen eindeutig zu beschreiben und zu identifizieren, wobei essentiell ist, dass die gemessenen Daten zu Kennwerten verarbeitet werden, die sich wesentlich einfacher handhaben lassen als beispielsweise analoge Fingerabdrücke. Dazu wer-

den die Daten aus der Vermessung eines Gesichts, eines Fingerabdrucks oder eines Auges mittels ausgefuchster Algorithmen in so genannte "Hashes" (salopp: Prüfsummen) umgewandelt. Diese "Hashes" sind eine Wissenschaft für sich. Sie bestehen im Idealfall aus möglichst wenig Daten, wobei gleichzeitig die eindeutige Zuordnung eines Datensatzes zu einer Person möglich ist. Mit diesem Verfahren ist dann zumindest theoretisch allerlei Schabernack möglich wie etwa das Erkennen von Superterroristen mittels Gesichtserkennung auf schwammigen Videobildern. Praktisch stoßen solche Anwendungen aus den Wachträumen des Herrn Innenminister Schily allerdings auf jede Menge Schwierigkeiten und derzeit ist nicht klar, ob sich diese jemals wirklich lösen lassen werden. DER STATISTIK-BUHEI Die Implementierung von biometrischen Kontrollen im Reiseverkehr ist nämlich längst nicht so einfach, wie das die Hersteller von entsprechenden Systemen versprechen und sich das Kontrollfreaks wünschen. Gerne wird beispielsweise von stolzen Fabrikanten der neuesten Körperscanner eine "Fehlerquote von einem Prozent" angegeben. Was sich erstmal super anhört, ist aber in vielen Fällen völlig unpraktikabel: Wenn von 100 Terroristen nur einer nicht erkannt wird, ist das zwar schön, umgekehrt wird aber ein Zusammenbruch des Reiseverkehrs daraus. Wenn nämlich einer von 100 unbescholtenen Passagieren zu Unrecht als Fiesling markiert wird, muss so ziemlich jedes Flugzeug wegen ausgiebiger Kontrollen am Boden bleiben und kann höchstens verspätet abheben. Das Beispiel illustriert, dass mindestens derzeit das angestrebte Ziel der "Terrorbekämpfung" schon auf der technischen Ebene scheitern muss. Nach derzeitigem Stand müssten es nämlich schon min-

RIKUS HILLMANN

destens zehn Finger sein, die nach kriminalistischen Regeln auch nicht einfach auf einen Scanner gelegt, sondern "aufgerollt" werden, um einen Datenbankvergleich mit akzeptablen Fehrlerquoten zu ermöglichen. Was bleibt, ist die Eins-zu-Eins-Kontrolle - das heißt, mit den aktuellen Methoden des Fingerscannens kann eindeutig festgestellt werden, ob die Daten in einem Pass, der biometrische Merkmale enthält, mit denen der Person, die den Pass vorlegt, identisch sind. Damit ist allerdings in Punkto Terrorbekämpfung wenig gewonnen - im schlimmsten Fall ziehen die Fälscher sogar nach und integrieren eben auch den digitalisierten Fingerabdruck in ihre Machwerke. Bei anderen Merkmalen, wie den Fingerabdrücken, wird die Sache sogar noch schwieriger, weil die Technologien dafür noch jünger und unerprobter sind, wobei die viel gepriesene Gesichtserkennung nach Bildern aus Überwachungskameras die Methode mit der höchsten Fehlerrate ist - ein herber Rückschlag für Kontrollliebhaber. Die erhofften sich nach dem 11. September 2001, mit dem Abgleich von Videobildern, die sowieso von Überwachungskameras gemacht werden, mit minimalem Aufwand und vor allem ohne große Belästigung unbescholtener Bürger einen Sicherheits-Coup zu landen. Die "abgerollten" zehn Fingerabdrücke kommen wiederum für die Massenabfertigung nicht in Frage, weil die Prozedur zu umständlich ist und weil sie dann doch zu sehr an den Knast erinnert. TERRORISTEN SIND ZU UNAUFFÄLLIG Notorische Miesmacher, Eckensteher und Datenschützer gehen allerdings noch einen Schritt weiter und verkünden frech, dass auch, wenn der erwünschte Datenbankabgleich eines Tages einmal technisch möglich wird, der Sicherheitsgewinn fraglich bleibt. Weil Terroristen und insbesondere die fundamentalen Islamisten unter ihnen die Angewohnheit haben, bis zur tödlichen Aktion unauffällig zu bleiben, nach einem Anschlag sind sie dann auch noch oft tot und müssen damit in eine andere Datenbank. Was biometrische Kontrollen allerdings in Punkto Terrorbekämpfung nicht leisten, machen sie bei der Einschränkung ziviler Rechte und Freiheiten mehr als wett: Hier gilt das aktuelle Credo aufge-

klärter Datenschützer, dass viele Kontrollmaßnahmen zwar für sich genommen eigentlich kein Drama wären, sich in der Summe aber verheerend auf bürgerliche Rechte und die Intimsphäre auswirken. So wäre zunächst nicht viel dagegen zu sagen, dass man sich bei der Einreise in ein fremdes Land eindeutig ausweist. Allerdings sollte auch hier die Verhältnismäßigkeit gewahrt werden und man sollte sich bewusst sein, dass die biometrischen Kontrollen zuletzt die wirklich fiesen Gangster und Massenmörder treffen, sondern vielmehr Immigranten und Kleinganoven das Leben schwer machen werden. Und das Beispiel der "klassischen" Fingerabdrucknahme macht deutlich, dass die Bekämpfung von gewöhnlicher Kriminalität den zivilen Gesellschaften bislang nicht den Preis einer lückenlosen Kontrolle wert war: Daher akzeptiert der unbescholtene Bürger

Was biometrische Kontrollen in Punkto Terrorbekämpfung nicht leisten, machen sie bei der Einschränkung ziviler Rechte und Freiheiten mehr als wett. eigentlich nicht, dass ihm die Fingerabdrücke abgenommen werden und er damit potentiell zum Verbrecher abgestempelt wird. Hier handelt es sich auch nicht bloß um eine Frage des modisch verstandenen Codes, sondern um die symbolische Festschreibung eines Selbstverständnisses, das allzu weit gehende Begehrlichkeiten des Staates aus historisch wohlfeilen Gründen eingrenzt.

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VERSCHLÜSSELUNG <26> - DE:BUG.82 - 05.2004

KRYPTOGRAPHIE ODER WIE SICHER IST DAS NETZ? / Die Hintergründe TEXT

BILD

MARTIN SACHWITZ | MARTIN.SACHWITZ@DESY.DE

Auch wenn man prinzipiell nichts zu verheimlichen hat, ist es nicht gerade lustig, wenn andere - und schon gar nicht die Regierung - in privaten Mails, Konten und eigenen Dokumenten herumpfuschen. Das Programm “Pretty Good Privacy” fing schon Anfang der 90er damit an, Heimcomputer gegen derartige Übergriffe zu schützen und fiese Gesetzesentwürfe abzuwehren. Debug erklärt die KryptoPrinzipien vom Netzgrund auf und schaut nach, ob das Vertrauen in unsere Geldautomaten eigentlich noch gesichert sein sollte. In der S-Bahn nach Grünau verklickert mein Gegenüber lautstark per Handy seinem Kumpel detailliert die letzten Erlebnisse mit seiner Freundin Mandy; die Mutti im Gang säuselt etwas leiser die weltbewegende Mitteilung durchs Äther: "Bin gerade Adlershof durch, hol mich 36 vom Bahnhof ab." Seit es Internet-Kochrezepte wie "Homepages für Dummies" gibt, kann man Erstaunliches über mehr oder weniger bekannte Mitmenschen erfahren. Mit ein paar Clicks durchwandert man Hobbies, erfährt Privates, ja kann sogar bis hin zum Lebenslauf so ziemlich alles ausfindig machen. Für den Gewinn einer Mallorcareise werden bereitwillig mehrseitige Fragebögen mit Intimitäten ausgefüllt. Anschrei-Shows im TV inklusive Tätlichkeiten - all das machen diese Leute ganz freiwillig. Kein Schutz der Privatsphäre. Alle können, ja sollen alles über mich wissen; ich habe ja nichts zu verbergen. Da kann doch so ein Quatsch wie Verschlüsselung von Daten und Informationen nur von Leuten kommen, die mindestens etwas zu verbergen haben, wenn nicht gar kriminell sind. PGP – PRETTY GOOD PRIVACY – FÜR UNSERE PC'S Das Internet hat sich in den letzten 10 Jahren zum wichtigsten Kommunikationsmedium gemausert. Grundsätzlich werden alle Daten in Klartext übermittelt - es sei denn, man unternimmt etwas dagegen. Und dafür wurde es irgendwann auch Zeit. Phil R. Zimmermann‚ "Internet folk hero", liest am 17. April 1991 in der New York Times, dass der US Senat mit einem Gesetzesvorschlag (1991 Senate Bill 266) Zugang zu allen Sicherheits- und Verschlüsselungstechniken erlangen will. Hintertüren (Trap Doors) sollten es der Regierung gestatten, alle Gespräche, Daten und Kommunikationen in Klartext mitzubekommen. Big brother is watching you. Der Kryptologe Zimmermann wird sauer und handelt – er verschickt an einige Freunde im Netz die 1.0 Version seines Kryptoprogramms, das er Pretty Good Privacy - prg1.0 - nennt. Bisher waren es Militär und Geheimdienste, die chiffrierten. Jetzt sollte es jeder können! Aber die US-Regierung schlug zurück: Sie leitete eine Untersuchung wegen Verstoßes gegen das Waffenlieferungsgesetz ein. Kryptosysteme sind Waf-

fen, immer noch! Freunde starteten daraufhin im Netz eine Hilfsaktion, um Geld für die Verteidigung zu sammeln. Die rasche Verbreitung des Programms über die gesamte Welt und vielfacher Protest führten schließlich dazu, dass nicht nur eine Strafverfolgung von Phil R. Zimmermann aufgegeben wird – auch das Gesetz wird nicht verabschiedet. PGP wird daraufhin das wichtigste Krypto-Programm für den Heimcomputer, und das hat gute Gründe. Es verbindet zwei Richtungen in der Verschlüsselungstechnik – das schnelle symmetrische Verfahren, bei dem ein geheimer, vorher vereinbarter Schlüssel zur Ver– und Entschlüsselung genommen wird und weiterhin das langsame, asymmetrische Verfahren, bei dem ein öffentlicher Schlüssel (Public Key) über einen möglicherweise unsicheren Kanal verschickt wird. Die Hybridversion PGP verbindet die Vorteile beider Klassen. Für eine Transaktion wird ein Session Key zufallsmäßig generiert, der asymmetrisch verschlüsselt ausgetauscht wird, um dann mit dem symmetrischen Verfahren schnell Daten zu verschicken. Nichts weiter ist PGP. Sieht erst einmal sehr vertrauenswürdig aus. Aber das System ist nur so gut wie die einzelnen Komponenten. Hacker haben es deshalb einfacher – sie müssen nur eine einzige schwache Stelle finden und schon cracken sie den Code nicht in Millionen von CPU-Stunden, sondern innerhalb von Tagen. Die Firma Netscape hatte beispielsweise einen Zufallsgenerator in ihrem berühmten Browser, der mit der Systemzeit gekoppelt war – also eigentlich alles andere als zufällig. Schon reduzierte sich die Zahl der Schlüssel drastisch und die Chiffrierung war für die Katz. Die Übertragung des Schlüssels erfolgt bei PGP mit dem RSA-Algorithmus. RSA UND DER PUBLIC KEY RSA steht hier für die Erfinder Ron Rivest, Adi Shamir und Len Adleman vom MIT, die 1977 das Public Key Verfahren entwickelten. Prompt schaltete sich der US Geheimdienst National Security Agency NSA ein, der eine Veröffentlichung unterdrücken wollte. Zu dieser Zeit gab es offiziell die NSA überhaupt nicht – deshalb auch spöttisch "No Such Agency" genannt. Aus dem Schattenreich herausgetreten, mutiert der Name zu "Never

RIKUS HILLMAN

Say Anything", denn jede Stellungnahme dieser Behörde hat nur eine Phrase: "No comment". Die MIT Forscher waren nicht bereit, auf ihren Ruhm in der Fachwelt zu verzichten. Forscher sind da sehr eitel. Im Juli 1977 veröffentlichen sie im Scientific American den Artikel "New Directions in Cryptography". Die Tür ist aufgestoßen. Es gibt kein zurück. Kryptographische Verfahren werden öffentlich gemacht, weltweit diskutiert und auf Schwachstellen untersucht. Nur dies macht unser Vertrauen in diese Algorithmen aus. Bei RSA gibt es zwei verschiedene, aber voneinander abhängige öffentliche bzw. geheime Schlüssel zum Kodieren und Dekodieren. Der ganze Trick besteht darin, dass diese Abhängigkeit in der Multiplikation zweier sehr großer (mindestens 100 Stellen) Primzahlen besteht. Das Produkt ist öffentlich, die Faktoren jedoch können unsere Zahlentheoretiker nicht "erraten". Bis jetzt. Noch ein wenig angewandte Mathematik in Form des "Kleinen Fermat", des erweiterten Euklidischen Algorithmus, der Eulerschen f-Funktion und des Chinesischen Restsatzes und schon können wir ein Programm zusammenbasteln. Man sollte jedoch das eine oder andere Jahr Mathematik studiert haben, um es wasserdicht hinzubekommen. Nicht umsonst ist unsere geheime NSA der weltweit größte Arbeitgeber für Mathematiker. Ein Problem ist die Verwaltung der vielen "Public Keys". Hier ist eine Stelle gefordert, die, von allen Beteiligten als vertrauenswürdig betrachtet, öffentliche Schlüssel zur Verfügung stellt. Im deutschen Sprachraum hat sich dafür das schöne deutsche Wort Trust Center etabliert, auf

dem Geldautomaten in diesem Lande verwendet. Es ist eher unwahrscheinlich, dass jemand 24 Stunden mit dem Geldautomaten spielt und gleichzeitig tausende Hacker im Netz gezielt seinen Code knacken. Trotzdem - Rettung ist in Sicht. TripelDES, RC4, IDEA oder AES sind da so Schlagwörter. In der ihnen gut zu Gesicht stehenden Borniertheit versichern uns die berufsmäßigen Verschlüsseler, dass sie immer mindestens einen Schritt vor den Hackern sind – ja der Abstand sogar größer wird, sagen sie. Nur, einen weltweiten Standard zu ändern, trotzdem es Besseres gibt, ist sehr aufwendig und teuer – würden wir sonst noch Windows benutzen? WAS BLEIBT? Wenn ein Hacker, wie 1997 geschehen, die Homepage des CIA von Central Intelligence Agency in Central Stupidity Agency umwandelt, zwei 16-jährige Kalifornier im Februar 98 ins Computersystem der US Luftwaffe und Marine eindringen oder im Oktober des gleichen Jahres die Internetseite der chinesischen Regierung mit Links auf Menschenrechtsorganisationen bepflastert wird, dann ist das vielleicht lustig – Schluss damit ist aber, wenn es unsere eigenen Konten, Bewerbungsunterlagen oder E-Mails betrifft. Sicherheit im Computernetz wird immer ein Kartenhaus sein. Abhängig vom aktuellen Wissen der Kryptogurus und der mehr oder weniger freundlichen Hacker ist es, ob eine Balance zwischen dem Möglichen und dem Akzeptierbaren bzw. Realisierbaren gehalten werden kann. Ent- und Verschlüsselungsmechanismen sind schon lange nicht mehr allein in den Händen von Geheimniskrämern.

Grundsätzlich werden alle Daten im Netz im Klartext übermittelt - es sei denn, man unternimmt etwas dagegen. Englisch heißt das dann Certification Authority. Da bekommt man so etwas wie einen Krypto-Personalausweis, den man immer vorweisen muss. Unsere Pretty Good Privacy hat nun einen mit RSA übertragenen geheimen "Session Key" - der Rest ist symmetrisch, unsere Privatsphäre gesichert. PGP nimmt das Data Encryption System DES, entwickelt in den 1970ern von IBM gemeinsam mit der, na wem schon, NSA. Die soll auch den sehr kurzen (56 bit) Schlüssel durchgedrückt haben, die wohl größte Schwachstelle des Algorithmus. Und wirklich ist es im Januar 1999 weltweit vernetzten Computerfreaks gelungen, innerhalb von 24 Stunden eine DES-Verschlüsselung zu knacken. DES wird an je-

Wird jedoch der Code eines Banksystems geknackt, ist Stillschweigen angesagt. Der Kunde soll doch bitte schön nicht das Vertrauen in ein Banksystem verlieren, das eigentlich kein Vertrauen verdient. Wie bei einem Flugzeugabsturz oder einer Challengerkatastophe muss gefragt, analysiert, alles aufgedeckt und weltweit im Netz diskutiert werden. Nur so können wir aus den Fehlern lernen. Wenn dann alles perfekt ist, dann kommt der Handytyp aus der S-Bahn und gibt einen Dreck auf Sicherheit im Netz. Es ist unmöglich, ein supersicheres System zu kreieren, wenn sein Passwort der Name seiner Freundin Mandy ist.


ANONYMITÄT IM NETZ <27> - DE:BUG.82 - 05.2004

SPIELVERDERBER ODER KRIMINELLENFÄNGER? / Perverted-justice.com TEXT

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MARIO SIXTUS | MARIO@SIXTUS.ORG

Kinderpornographie als Bedrohung aus dem Netz, das begleitet die Technologie Internet seit ihren ersten Schritten. Doch gerade weil Pädophilie so glasklar zu verurteilen ist, wähnen sich die Aktionen gegen Kinderpornographie mitunter zu sehr auf der sicheren Seite. Das Aufheben der Anonymität vermeintlicher Pädophiler kann deshalb in die Hose gehen. Die Initiatoren um die Website PervertedJustice.com etwa machen es sich zur Aufgabe, Pädophile zu entlarven - und schlagen dabei deutlich über die Strenge. "Im Internet weiß niemand, dass du ein Hund bist", lautet ein geflügeltes Wort. Auf Chaträume gemünzt, würde das Wort noch ein paar Flügel mehr benötigen. Etwa: "In Chats weiß jeder Hund, dass niemand ein Hund ist, der sich als ein Hund ausgibt." Oder: "Wenn du sagst, du bist ein Hund, bist du alles, nur kein Hund." Denn wie schon Doc Searls und David Weinberger in ihrem Essay "World of Ends" so simpel wie einleuchtend feststellten: "Das Netz ist keine Sache, sondern eine Übereinkunft." Genau. Eine Vereinbarung, ein Arrangement, ein Agreement, eine Konvention und manchmal auch ein Kompromiss (Thesaurus off). Chaträume sind Camouflagetempel. Dicke, alte Männer mit Mundgeruch und schwäbischem Akzent posieren als "bikini_babs" und mancher realen Babs mit Bikinifigur bereitet es wiederum Freude, als "partyhengst_gut_bestueckt" aufzutreten. Das ist allseits bekannt und akzeptiert und ein Teil der ungeschriebenen Abmachung. Die Initiatoren von "perverted-justice.com" (PJ) halten allerdings nicht viel von dieser Regel und noch weniger halten sie vom Prinzip der Anonymität. Die Keule, mit der diese Gesetze zermanscht werden sollen, hat dann auch eine hehre Aufschrift: "Kampf gegen Pädophilie" steht darauf. Und das ist eine erprobte Massenvernichtungswaffe, die sich schon in ganz anderen Situationen bewährt hat. Die selbst ernannte Bürgerwehr gegen Kinderschänder geht stets nach dem gleichen Muster vor: In Chaträumen trollen sie unter Pseudonymen herum, welche eindeutig Minderjährigkeit implizieren ("jenny_13") und lauern den potenziellen Päderasten auf. Findet sich ein erwachsener Gesprächspartner, der

einem Flirt nicht abgeneigt scheint, driften die Dialoge schnell ins Eindeutige ab und erreichen flugs St.-PauliNachrichten-Niveau. Unter einem Vorwand wird dem vermeintlichen Perversling noch die Email-Adresse und die Handynummer abgeschwatzt, vielleicht noch um ein Foto gebeten und bevor Der-mit-dem-KindSchwatzt weiß, wie ihm geschieht, findet er all seine persönlichen Daten nebst Chat-Protokoll auf dem Online-Pranger von Perverted Justice wieder. So seit 2002 bereits über 600 Mal geschehen. PECH ODER WAHRHEIT "Ich hätte nie gedacht, dass das wirklich ein Kind ist, mit dem ich da rede", sagt Rodriguez*, einer der angeprangerten, gegenüber Debug. "Und schließlich hatte ich ja sogar recht", fügt er mit entwaffnender Logik hinzu. Tagelang klingelte sein Handy, als die Nummer auf der Selbstjustiz-Website erschien. "Ich hatte Angst um mein Leben. Die Anrufer bedrohten und beschimpften mich." Schließlich kündigte ihm sein Vermieter sogar das Zimmer. Noch mehr Pech hatte Bill*. Der dreifache Familienvater, der sich nach eigenen Angaben nur "auf ein Rollenspiel" einlassen wollte, verlor seinen Job als Lehrer und musste in einer anderen Stadt noch einmal ganz von vorne beginnen. Keine Angst vor solcherlei Kollateralschäden? Das wollten wir vom Initiator selbst wissen. "Ich habe vor einer Menge von Dingen Angst", sagt der Mann, der sich "Xavier von Erck" nennt und der Perverted Justice ins Leben rief. "Unter anderem natürlich auch, unschuldige Personen anzuprangern." Daher würden seine Leute

RIKUS HILLMANN

sich prinzipiell nicht in Chaträumen "für Erwachsene" oder in solchen mit Rollenspiel-Charakter herumtreiben: "Wir betreten nur regionale Räume. Das heißt, die Person, mit der du chattest, könnte sich direkt in deiner Nachbarschaft aufhalten. Gerade hier sind Minderjährige gefährdet, weil sie zu einem Treffen verleitet werden können." Und was ist mit den Personen, die behaupten, sie wären der festen Überzeugung gewesen, dass es eh' keine Kinder sind, mit denen sie sich gerade unterhalten? "Die Leute sagen nicht immer die Wahrheit", erhalten wir als Antwort. Nun, das ist natürlich die Wahrheit, aber dummerweise, wie so häufig, nicht die ganze. DAS SCHROTSCHUSS-PRINZIP Gerne verweist von Erck auf die Erfolge der Gruppe. Beispielsweise auf einen Fall aus Michigan, bei dem die Aktivitäten von Perverted Justice zur Verurteilung eines Mannes geführt hätten. Macht man sich die Mühe, sich durch die zahlreichen veröffentlichten Chatprotokolle zu wühlen, beschleicht einen allerdings ab und an der Verdacht, die Köder würden vielleicht all zu deutlich ausgelegt. "Die Leute von Perverted Justice wollen

dem Schrotschuss-Prinzip. Sicherlich treffen sie sehr oft die Richtigen, aber der Streuwinkel ist derart groß, dass links und rechts auch immer wieder harmlose Zeitgenossen angeschossen werden. Die selbst ernannten Kinderschützer nehmen das in Kauf. Wissen sie doch stets einen großen Teil der Bevölkerung hinter sich. Geht es um Sex mit Kindern, sind die Beißreflexe vieler Mitbürger größer als ihr gesunder Menschenverstand. Die allzu zielgerichteten Verhöre vermeintlich missbrauchter Minderjähriger haben auch hierzulande schon Karrieren zerstört. Rechtsgerichtete "Kameradschaften" knüpfen durch Unterschriftensammlungen gegen Kinderpornos Kontakte mit potenziellen neuen Mitgliedern und selbst der Kanzler ließ sich, angestachelt durch die Bild-Zeitung, mit seinem "Wegsperren. Und zwar für immer" auf Bierzeltniveau hinab. Auch der Düsseldorfer Regierungspräsident Büssow, der das Internet am liebsten in ein Disneyland verwandeln würde, holt immer wieder die Moralkeule mit der eindeutigen Aufschrift hervor, wenn er für Zensur und Sperrungen des Netzes wirbt. Von Erck ist jedenfalls von der Richtigkeit seines Vor-

Aktivitäten wie Perverted Justice funktionieren nach dem Schrotschuss-Prinzip. Sicherlich treffen sie sehr oft die Richtigen, aber der Streuwinkel ist derart groß, dass links und rechts auch immer wieder harmlose Zeitgenossen angeschossen werden. den schnellen Erfolg", sagt Julie Posey, Kinderschutz-Aktivistin und Betreiberin der Website Podowatch. "Sie haben keine anderen Ziele, als jemanden zu erniedrigen, um die Aufmerksamkeit der Medien zu erlangen", fällt sie ein eindeutiges Urteil. Aktivitäten wie Perverted Justice funktionieren nach

gehens überzeugt: "Es ist ein großartiges System", schwärmt er. Heiligenscheine blenden bisweilen auch ihre Träger. Wer sich demnächst in Chats rumtreibt, sollte sich freilich dreimal überlegen, ob er sich mit jedem Hund unterhält. * alle Namen geändert


MODE <029> - DE:BUG.82 - 05.2004

SCHLICHT UND ERGREIFEND / Carhartt TEXT

THADDEUS HERRMANN, JAN JOSWIG | THADDI@DE-BUG.DE, JANJ@DE-BUG.DE

Es knarzt und klackert neben der Kö: Seit mehr als zehn Jahren befindet sich die europäische Dependance des amerikanischen Workwear-Herstellers Carhartt in Westdeutschland. "Work In Progress" verpassen der jugendlichen Bande robuste Streetwear mit gutem Sitz und adäquatem Stil und dem Konzern ein komplett anderes Image. Klare Formen und eine deutliche Aussage sind das Programm, das den traditionsbewussten Komfort ausmacht. Die Geschichte der Klassiker im Debug-Report. Düsseldorf ist eine dieser westdeutschen Mittelstädte, in denen man sich wie in einem Freilichtmuseum fühlt. Beschaulich und eingefroren. Die berühmte Kö ist ein hundescheißefreier Witz, der einen nicht mal mit der traurigen Erkenntnis verschont, dass sich das Modehaus Escada, eiserne Trutzburg Damen-gerechter Pastell-Kostüme, zu einer Jugend-Linie korrumpieren ließ. Man ist schon fast froh, wenn einem versichert wird, dass es unter dem historischen Kopfsteinpflaster doch tatsächlich Kriminalität gibt. Ah, ungeordnetes Leben. Da, wo sich in Bahnhofsnähe die Kriminalität ganz unpittoresk verdichtet, sitzt das europäische Hauptquartier eines Detroiter Berufsbekleidungsherstellers mit berühmtem knarzigen Namen: Carhartt. Von hier aus, einem großräumigen ehemaligen Fotostudio, das auch eine Autowerkstatt hätte sein können, funktional restauriert, nicht zu schick, aber auch nicht anti-schick, so gekonnt dazwischen halt, wird Carhartt außerhalb Amerikas positioniert. Und von Weil am Rhein aus, wo Lager, Logistik und Buchhaltung sitzen. VON DER SCHIENE AUF DIE BÜHNE Der Mythos Carhartt aber begann ganz woanders. 1889 von Hamilton Carhartt in Michigan gegründet, waren es zunächst Eisenbahn-Arbeiter, die sich für die extrem robusten Overalls des ehemaligen Handelsvertreters interessierten. Günstig und unverwüstlich (und in XXL): Das waren Eigenschaften, die gut 100 Jahre später bei amerikanischen Hardcore- und HipHop-Musikern einschlugen. Auf ihren Konzerten in Europa konnte man plötzlich diese sperrigen Klamotten mit dem quadratisch gelben Aufnäher, der aussieht wie vom Reformhaus, beobachten. Frauen blieben außen vor: In Amerika arbeiten nur Männer auf den Baustellen und in Europa pogen nur sie in den Hardcore-Pits. Das erste HipHop-Cover, das Carhartt sportete, war 1992 Pete Rock und CL Smooths "Mecca and the Soul Brother". Englische Arbeiter-Klamotten wie Donkey-Jacken oder DocMartens-Stiefel, klar, kennt man, gähnt man drüber. Aber Arbeiterkleidung aus Amerika? Levi’s und der ganze Jeans-Zirkus hatte sich längst als Mode in den Büroetagen durchgesetzt. Das gehörte "denen". Aber hier war etwas, das könnte den Parka der 70er und die DocMartens der 80er ersetzen. Klamotten mit klarem

Profil, die in keiner Lifestyle-Modestrecke auftauchen, die "uns" gehören. Seit Ende der 80er-Jahre ließen sich auch vereinzelt Teile des Carhartt-Sortiments in Europa finden. Nach Anfangsschwierigkeiten – die ersten Träger der Carhartt-Winterjacke mit dem Kordkragen wurden in Deutschland gern mal für ihre "Barbour-Imitate" verlacht - war in West-Europa der Slacker-Style angekommen und alle und jeder lief in Carhartt und Dickies 'rum und freute sich, Teil eines anti-modischen AntiHypes zu sein. SLACKER ADÉ, OH WEH Von verstreuten Einzelhändlern direkt aus den USA importiert, dauerte es bis 1993, bis Carhartt in Europa einen festen Vertrieb bekam. Aber schon etwa 1994/95 wurde die Anti-Mode zum Hype. Das war das Ende von Dickies in Europa und der Beginn der sanften Neuerfindung von Carhartt aus dem Geist von "Authentic America"-Fan Edwin Faes und HipHop-Fan Oliver Drewes. Unter dem Dach ihrer neu gegründeten Firma "Work In Progress" begann das europäische Fell-Lifting der heiligen Workwear-Kuh Carhartt, äußerst dezent, aber eben entscheidend. Edwin Faes beschreibt es tiefstapelnd mit: "Dann nehmen wir mal ein Graffiti statt eines Stierkopfes als Motiv." Oliver Drewes stößt es an mit seiner Idee der "Simple Pant". Weg mit den doppelten Stofflagen, fertig ist ein "europäischer" Klassiker. Und während sich die amerikanische Firma um die Solidarität mit den Jägern sorgt, sorgen sich die Deutschen um die Solidarität mit den Frauen – und entwerfen eine Europa-exklusive Frauenlinie. In enger Absprache mit Carhartt Amerika werden neben den Traditionsstücken seitdem variierte Klamotten angeboten, die den Link von den amerikanischen Construction Workers zu den europäischen Innenstadt-Skatern und Skaterinnen schaffen. Carhartt: Mode oder Anti-Mode? Das hält Work in Progress so glaubwürdig in der Schwebe, dass selbst die Fashion-skeptische Posse aus dem Berliner Hardwax-Plattenladen weiterhin überzeugter Carhartt-only-Streiter ist. Da können noch so viele Berlin-Mitte-Hüpfer in ihren schneeweißen Carhartt-Windbreakern an ihnen vorbeidefilieren. Image-Stratege Oliver Drewes erzählt von den freundschaftlichen Rangeleien zwischen den Männern in

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THADDEUS HERRMANN

Amerika und den Jungs in Deutschland, von GrünteeStores und seiner Abneigung gegen Schaufenster-Dekos mit Betonmischern, während seine Bulldogge "Coco" – die von den Carhartt-Tüten – ihren Gummiball zwischen der neuen Kollektion zerpflückt. DREWES: Das ist ein Carhartt-Aschenbecher. Den gibt es aber offiziell nicht, weil es uns aus Detroit verboten wurde. Genauso wie unsere Werbung mit den Totenköpfen zum Beispiel. Wir sind jetzt an einem Punkt angelangt, wo wir zum ersten Mal Ärger bekommen, weil wir im Katalog Zigaretten abdrucken oder vielleicht mal ’nen Pimmel aus Versehen. Damit haben die Amis ein Problem. Der Boss von Carhartt ist dennoch ein total guter Typ, er hört Neil Young und trinkt auch gerne was, doch sein Team und seine Manager sind halt amerikanische Männer, da kann man nichts machen. Carhartt USA ist natürlich auch nicht unser Mutterschiff. Ansonsten mögen wir uns aber. Da oben in Michigan ist eben nichts los. Und die Firma Carhartt ist dort eine Industrie. Dann kommen plötzlich wir deutschen Jungs mit Skatern, Street-Style und Drum and Bass. Da fragen die sich: Was ist das denn? DEBUG: Wie hat man in den USA überhaupt reagiert, als ihr anfingt, eure eigenen, europäischen Variationen zu entwerfen? DREWES: Irgendwann haben sie gesagt, 'Passt auf, zeigt uns die Teile und wir checken die ab.' Die erste Hose war meine Erfindung, die Simple Pant. Sie ist eine ganz normale Carhartt-Hose, nur habe ich die drei Aufsätze weggelassen. Die ist heute noch unser Bestseller. Dann gab es den ersten Parka. Unsere Entwürfe bleiben aber immer ganz eng am klassischen Carhartt dran; zum Beispiel die Surfsache. Ich hab mir alte Anzeigen von Carhartt angeguckt und da waren Illustrationen aus den 60ern, auf denen Typen am Strand stehen. So quasi: "He, besorg sie dir, deine Surfhose!" Davon wussten die Amerikaner nicht mal mehr etwas. Sowas wird dann Grundlage unserer Sachen. Es wird immer die Surf-, Skateboard- oder DJ-Kultur vorkommen. Einfach die Sachen, die junge Menschen oder Typen, die viel sehen, sich so ausdenken. Da erkennen die Amerikaner unsere Qualitäten und lassen uns machen. Es gibt aber klare Grenzen. Die EuropaLinie wird nicht in die USA importiert, die Frauen-Linie schon gar nicht. Wir sponsern einen bekannten Surfer in den USA. Der zeigte unsere Klamotten in einem Laden in L.A., der dann unsere Kollektion importieren und verkaufen wollte. Da gab es aus Detroit ein klares Nein.

DÄMON DENIM DEBUG: Warum habt ihr euch anfangs gerade auf Carhartt gestürzt? DREWES: Wir hatten diesen Jeanslook satt. Wir wollten

einfach was Neues, obwohl wir auch noch nicht so recht wussten, was. Egal ob Retroquatsch oder High-Tech-Klamotten. Die ganze Welt kann doch nicht einfach in Jeans rumlaufen. Die Jeans geht natürlich nicht kaputt, aber dieses übertriebene Gejeanse war der Hauptgrund dafür, etwas anderes zu machen. DEBUG: Aber wie platziert man so ein Produkt auf einem klassischen Jeans-Markt? DREWES: Am Anfang mussten wir viele Kompromisse machen. Eine richtige Streetwear-Shopkultur gab’s damals in Deutschland noch gar nicht. Es gab SkateboardShops oder Kombi-Skateboard-Surf-Shops. Die haben wir uns mit Dickies geteilt, aber wirklich beachtet haben wir Dickies nicht. Die haben damals auch lustige Auslagendekorationen gemacht. Bauarbeiter mit Schaufel und

Carhartt: Von den USConstruction Workers zu den europäischen Innenstadt-Skatern. Mode und Anti-Mode zugleich. dann hängen 20 Dickies-Hosen herunter. Das wollten wir auf gar keinen Fall, denn wir fangen hier ja nicht an als Witz, sondern als gutes, seriöses Produkt. Wir sind so ein Zwischending, keine erfundene Streetwear. DEBUG: Daher auch der Schritt, immer mehr auf eigene Shops zu setzen? DREWES: Ja, aber auch da experimentieren wir noch. Den Laden in der Londoner Neal Street machen wir zum Beispiel gerade dicht und eröffnen nicht weit davon komplett neu. Wir können am alten Standort einfach nicht mehr verkaufen, gerade am Wochenende ist es zu touristisch. Sich ein bisschen rar zu machen, ist auch gut, das kann man sich nach 10 Jahren erlauben. Ein anderes Beispiel ist Barcelona. Unser Shop ist da in einer ziemlich kriminellen Ecke. Will man rein, muss man klingeln. Da hab ich darüber nachgedacht: Darf Carhartt so auftreten wie Gucci? Carhartt ist jung und junge Konsumenten sind dann in so einem Styler-Laden, wo es grünen Tee gibt, überfordert. DEBUG: Aber die jungen Konsumenten von vor 10 Jahren sind mittlerweile auch im Eltern-fähigen Alter. Denkt ihr über eine Kinder-Kollektion nach? DREWES: Ne, echt nicht. Meine 2 1/2-jährige Tochter in Carhartt? Das will ich wirklich nicht sehen.

INFO

SHOWROOM

CREW

OLIVER DREWES

Carhartt Amerika hat einen Sticker in ihren Jacken hängen: Manufactured with pride in America. Und damit sind keine Sweatshops in der New Yorker Chinatown gemeint. Sie unterhalten 10 bis 12 Fabriken in Amerika, die gewerkschaftlich organisiert sind und in denen eine freiwillige ethnische Grundsatzpolitik gilt. Diese ist auch für Work in Progress, die europäischen Lizenznehmer von Carhartt, verbindlich. Work in Progress lässt in Hongkong, der Türkei und Tunesien fabrizieren. Die Fabriken müssen ständig mit unangemeldeten Kontrollen von Carhartt Amerika rechnen. Selbstbeherrschung rules. www.carhartt.com, www.carhartt-europe.com


Michael: Hut - Mayser, Hemd - Daniels & Korff, Viviane: Shirt - c.neeon, Rock - c.neeon, Schuhe - Berlin Clogs


Michael: Hemd - Daniels & Korff, Hut - Mayser, Viviane: Kleid - Hartbo & L'Wig, Schuhe - Berlin Clogs Produktion: Jan Joswig, Produktionsassistenz: Anett Frank, Jan Ole Jöhnck, Foto: Gene Glover, Fotoassistenz: Robert Schultze, Makeup: Timo Pfaff, Models: Viviane über Typeface, Berlin, www.type-face.de, Michael // Adressen: Daniels & Korff: Daniels & Korff GmbH, Kleeburg, 53877 Euskirchen-Weidesheim, Tel.: 0 22 51 705-0, www.daniels-korff.de, Berlin Clogs: www.berlin-clogs.de, C.Neeon: www.cneeon.de (Mit Dank für diese Entdeckung an die Beck's Fashion Experience. Beck's Fashion Experience zweite Runde am 16. Juli 2004.), Hartbo & L'Wig: www.hartbolwig.de, Mayser: www.mayser.de


DESIGN <32> - DE:BUG.82 - 05.2004

MODULAR LIVING DIE BRÜDER BOUROULLEC INFO

Ronan and Erwan Bouroullec, 2003 (Phaidon), EUR 49.95 (Review s. De:Bug Nr. 81)

mit Standards gern Verstecken. Letztlich ist ihr Erfolg aber vor allem ein Indikator dafür, wie sich Alltag und Denken in Entwürfen und materiellen Dingen auf den Kopf stellen lassen.

TEXT

ANNE PASCUAL | MIU@SW.OFCD.COM

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MIRO ZAGNOLI / VITRA

Ronan und Erwan Bouroullec haben sich mit ihren Entwürfen so langsam in die oberen 10.000 der Design-Szene eingeschmuggelt. Neben dem Issey-Miyake-APOC-Shop und Hedi Slimanes Büro - beides in Paris -, sind sie ständige Mitarbeiter des italienischen Möbelherstellers Capellini. Ihr Design ist sehr skulptural, genau deshalb knuffen sich Form und Funktion ein bisschen in die Rippen. Und dazwischen lugt noch die Frage hervor, ob die neuen mobilen Strukturen des Arbeitens - Stichwort Flexibilisierung - auch so schön aussehen sollten. Denn schön aussehen, das tun sie. Ronan und Erwan Bouroullec sind hip. Seit einiger Zeit begegnen uns nicht nur in Design-Magazinen Berichte über die jungen und erfolgreichen Brüder aus Saint-Denis bei Paris. Meist sind die beiden neben ihren Produkten auf einem Doppelportrait zu sehen und jedes Mal scheinen sie, selbst wenn sie (ausnahmsweise)

freundlich in die Kamera lachen, den Blick auf einen weit entfernten Punkt zu richten. Neben diesem Prinzen-Image und schmierigen Vergleichen mit dem Design-Tanzbär Philippe Starck gibt es aber noch weit mehr bei den Bouroullecs zu entdecken. Es stimmt, dass ihre Produkte anders sind, zumindest spielen sie

Als Ronan Bouroullec vor sieben Jahren das "Desintegrated Kitchen" (1998) entwickelte, setzte er sich über das ungeschriebene Gesetz hinweg, dass sich eine Küche dem Grundriss von vier Wänden anzupassen hat. Warum sollte der Kochende dem Rest der Gesellschaft immer den Rücken zukehren? Ronan Bouroullec schuf anstelle dessen ein freistehendes, modulares und bewegliches Element zum Kollektiv-Kochen, -Spülen, Plaudern. Noch einleuchtender ist die Bouroullec'sche Alternative zum repräsentativen Doppelbett mit karierter oder gesteppter Tagesdecke. Statt die Schlaf- und Spielwiese am Morgen so herzurichten, dass sie bis zum Abend auch ja nicht durcheinander gerät, bietet das "Lit Clos" (2000), ein Bett auf Stehlen, als eine Art halb-geschlossene, halb-offene Kabine einen Rückzugsort egal zu welcher Tageszeit. Dieses Prinzip des Raums im Raum taucht auch an anderer Stelle wieder auf. Das Bürosystem ”Joyn”, das Ronan und Erwan Bouroullec zuletzt für Vitra entwickelten, erinnert mehr an eine große Tafel oder an eine Modell-Landschaft als an graue und aseptische Büroräume. Um dieses Konzept zu verdeutlichen, greifen die beiden selbst gern zum Gegensatz

von Natur und Maschine, was an sich gar nicht nötig wäre. Schließlich ist es der Wandel der Arbeitsformen selbst, der zur Zeit über die Bühne geht - hin zu einer Flexibilisierung. Und so funktionieren auch die JoynElemente nicht mehr als fixe Aufenthaltspunkte, wo der Mensch an Rechner und Telefon angeschlossen ist ("... ist gerade nicht am Platz!"). Hier kann sich jeder dank drahtloser Netzwerke und mobilem SchnickSchnack (Trennwand und Schreibunterlage) seinen Lieblings-Tischnachbarn aussuchen oder seinem Arbeitsteam ein gemeinsames Feld einräumen. Statt jeder Tätigkeit ihr Möbel zu besorgen, werden bei Joyn die Funktionszusammenhänge aufgelöst und auf völlige Dezentralisierung und Mobilisierung der Arbeitskräfte gesetzt. Doch diese ach so nett gemeinte Verpackung der Wirklichkeit lässt uns stutzig werden. Wie arbeitstauglich ist diese glatte und schöne Modularität? Wie soll man sich beispielsweise hinter dieser wabenförmigen und durchlässigen Wand auf ein Sofa hauen und dabei Kollegen und Arbeit vergessen? Vielleicht ist es wirklich naiv zu glauben, dass eine warme, wunderbare Umgebung die Strukturen und Ziele von Arbeit verschönern können. In ein paar Jahren werden uns die 2000 BBC-Mitarbeiter, die in Kürze an Joyn-Tischen arbeiten werden, die Vorteile loser Bindungen, flacher Hierarchien und offener Zonen verraten können. Die Bouroullecs jedenfalls schweben in einem anderen System.

das Ende der Schaubude? Letztendlich da, wo die Ränder der Installation offen klaffen. Euro und Europa zeigen sich, wenn Spiegelwand und normiertes Billigholz aufeinander treffen. Von oben trällert ein arenatauglicher Lautsprecher Suse Webers persönliches Liedrepertoire aus Kinder-, Volks- und Kampfliedern - von ihr selbst gesungen. Wenn man an die These denkt, dass Techno auch nichts anderes als elektrisch erzeugte Folklore sei, wird schlagartig klar, dass Volksmusik in mancher Bevölkerungsgruppe zwar out, die Strukturbedingungen aber nur ein anderes Spielkleidchen angezogen haben. Und Folklore besitzt beides: Kollektivität und gleichzeitig Individualität als Branding, Konditionierung und identitätsstiftendes Selbstgefühl. Man findet sich unter anderen. Böse Zungen haben schon immer behauptet, Sport sei Mord, insbesondere fürs Subjekt. Tatsächlich ist das Politischste an Webers Installation nicht das Auftauchen von Flaggensymbolen, obwohl sie damit Bedeutung in die von ihr gewünschte Bahn

bringt, sondern die Arbeit an der Form. Das zitathafte Aufnehmen doktrinären Styles, manifest in der klaren Symmetrie bei gleichzeitiger angenehmer ästhetischer Aufbereitung - es spiegelt so hübsch - verkeilt sich unangenehm. Die Türkei und die nicht mehr existente DDR als Parallelwelten - die Idee kommt nicht unbedingt jedem, vielleicht muss man dafür, wie Suse Weber, im deutschen Osten aufgewachsen sein. Was den Sport als staatliche Repräsentationsmöglichkeit betrifft, die internationale Anerkennung eines Landes durchzubringen, seine Kultur als Kultur festzuschreiben, aber auch was mit Kultur und ihrer Definition vom Individuum seit der Wende passiert ist - Webers Bestandsaufnahme sieht die Türken und die Ex-DDR-ler in einer ähnlichen Situation angekommen, was mit Sicherheit ein gewagter Vergleich ist, der irritiert und irritieren soll. Sport als Kulturtechnik, Nationalität nach nationenübergreifendem Schema F zu generieren, auch das macht die Installation unter anderem sichtbar.

KUNST

SPORT ALS SKULPTUR / Suse Weber TEXT

JUTTA VOORHOEVE | J.VOORHOEVE@GMX.DE

Eine der größten Popkulturen überhaupt - Sport nämlich - ist das Thema von Suse Weber, die sich vor allem dem politischen Moment des Sportes widmet. Die in Leipzig geborene Künstlerin re-inszeniert Embleme, Situationen und installiert Auszeichnungen genau an jenem Moment, an dem sichtbar wird, dass es neben dem Sport immer auch um etwas anderes geht: etwa um Sport als politische Inszenierung einer Nation, eine Inszenierung, die Weber sich in skulpturhafter Weise in nostalgischem Material wiederholt - und dadurch sichtbar macht. Jutta Voorhoeve turnte den Wegen der Künstlerin hinterher. Das mit der nationalen Identität ist im allgemeinen eine schwierige Sache. Nur nicht beim Sport, hier wird Flagge gezeigt und Nationalität in Ritualen festgezurrt. Die Berliner Künstlerin Suse Weber schmeißt in mitten dieser Rituale die Diskursmaschine an. Sie installiert akkurate Kulissen der Leibesertüchtigung und re-arrangiert und baut Requisiten von Sportveranstaltungen inklusive Tribüne. Rhythmus und Serie als Regulativ auf dem Sportplatz werden übersetzt in eine skulpturale Haltung, Raum über Symmetrien und wiederkehrende Musterembleme herzustellen. Das sitzt und hat doppelten Boden. Denn reduzierte geometrische Formen sind bekanntermaßen auch das Vokabular von Autorität, sozusagen eine Rhetorik der Macht. Weber schürft nach der Ikonografie des sozialen Ichs inmitten stereotypischer Sportive und sie erzählt ganz nebenbei soziale Geschichte. Ihre Arbeiten

lassen sich auf Grund dieser Vielschichtigkeit und ihrer souveränen Ironie nicht einfach für oder gegen das eine oder andere kritische Lager lesen, sondern bauen eine schwebende Spannung der Ambivalenz auf. In ihrer jüngsten Arbeit hat sie Europaletten zu einer rechtwinkligen Teilwand zusammengeschraubt. Glänzende Spiegelglasfolie schmückt die Innenwände, auf denen nachgebaute Sportgeräte - eine Sprossenwand, eine Turnmatte, Seile und Gewichte - angebracht sind. Der Gerätepark ist in weiß und rot gehalten, was von der Spiegelfolie irisierend reflektiert wird. In der Turnmatte aus weißem Kunstleder, hinterlegt mit rotem Satin, sind per Lochmuster Flaggensymbole eingestanzt. Türkischer Halbmond und DDR-Emblem in von Europaletten zusammengehauener Völkerverständigung der besonderen Art. Der ganze Raum eine einzige Spiegelung, in der man leicht die Orientierung verliert. Wo ist


S BERLIN IO D U T S V T M N E D LIVE AUS 7.00 UHR MO.-FR. 16.00 - 1

TICKETS + INFOS

www.mtv.de/trl


KINO <34> - DE:BUG.82 - 05.2004

INFO Vergiss mein nicht! (Eternal Sunshine of the Spotless Mind), USA 2004, Regie: Michel Gondry, Buch: Michel Gondry, Charlie Kaufmann und Pierre Bismuth, mit: Jim Carrey, Kate Winslet, Kirsten Dunst, Elijah Wood, Mark Ruffalo, 108 Min., Start: 20.Mai 04

ERINNERUNGEN PLATT MACHEN / Michel Gondrys Eternal Sunshine TEXT

VERENA DAUERER | VERENA@DE-BUG.DE

Erinnerungen löschen, das macht dem großen Kino derzeit offenbar Freude. Doch nachdem weder Ben Affleck noch die maue Story von ”Paycheck” das Thema nur annähernd befriedigend in Unterhaltung verwandeln konnten, lehrt uns jetzt Jim Carrey das Vergessen in Sachen Liebe. Jim? Und Elijah und Kate? Vergessen wir die Vorurteile, auf Regisseur Michel Gondry und Scriptwriter Charlie Kaufmann sollte man sich doch verlassen können ... "The world forgetting, by the world forgot: Eternal sunshine of the spotless mind! Each prayer accepted, and each wish resign'd." So schön fließende Sätze von Alexander Pope geben dem zweiten Kinofilm vom Clipfachmann Michel Gondry den Titel. Auf Deutsch wird er uns weniger geschmeidig als "Vergiss mein nicht!” untergeschoben. GESCHICHTE Die Idee ist, dass die Sonne wieder im Hirn von denjenigen erstrahlt, die alle unliebsamen Erinnerungen, speziell Beziehungskatastrophen, komplett vergessen haben. Die Sonne, eine schrillbunte, ist für Joel nur in Gestalt von Clementine (Kate Winslet) existent. Bis dahin war alles öde wie der Wintermorgen in Coney Island, wo er hinfährt, nachdem er so gar keinen Bock hat auf Arbeit. Der Einsame findet eine ebenso Einsame. Die ist ein blauhaariges Quirlie, die den Depressiven

aus seiner verhangenen Lethargie schubst. Etliche Beziehungsphasen und zahllose Streitereien später hat Clementine Joel satt und lässt ihre Erinnerungen an ihn operativ auslöschen. Eine Brachialverdrängung. Einfach so, von einem Arzt und seinen slackenden Freaks (Elijah Wood und Mark Ruffalo) als Gehilfen. Darauf will Joel trotzig das Gleiche. Die Erinnerungen werden noch mal für Joel durchlebt und platt gemacht, also in seinem Hirn zerstört, nebst dem Hirngewebe, das es enthalten hat. Nur merkt er später, dass er sich damit selbst von seinen schönsten Erlebnissen ausschließt. ERZÄHLMODUS "Eternal Sunshine..." ist eine kleine Trickserei mit Flashbacks, die auf der Zeitachse hin- und herspringt. Denn im Zuge der Non-Linearität wird alles auch zur veränderbaren Jetzt-Zeit. Oder vielleicht auch nicht. Mehr darf nicht verraten werden. Ein bisschen Komödie ist

der Film, ein bisschen tragisch und ansonsten ein Liebesfilm, der viel mehr fragt als beantwortet: Sind Erinnerungen etwa kleine, emotional aufgeladene Fetzen, die im Gehirn herumfliegen und ab und an getriggert werden, wenn die Außenwelt Assoziatives bereitstellt? Was macht einen Menschen aus, wenn nicht sein gefühlter Haushalt an Erinnerungen? Was bedeutet es, wenn die Erinnerungen verschwinden? Gibt es so was wie Schicksal oder eine Vorbestimmung, die einen immer wieder an bestimmte Menschen geraten lässt? Ist das dann der beste oder der schlechteste Fall? Auf jeden Fall ist "Eternal Sunshine" ein sicherer Lieblingsfilm mit einer der schönsten Liebeserklärungen der jüngsten Filmzeit. REGIE Gondrys Debüt "Human Nature" ging daneben: Die alte Geschichte vom Urwaldmenschen, dem die Zivilisation eingeprügelt wird, schien mit Gondrys originell chaotischer Umsetzung nicht zusammenzupassen. Mit "Eternal Sunshine" scheint die Stilistik und die springende Narration, die man schon aus Gondrys Clips kennt, nun auch auf Filmlänge zu funktionieren. Das Drehbuch ist wieder von Charlie Kaufmann, das ist der Autor von lieblichen Verrücktheiten wie "Adaptation" oder "Being John Malkovich", wo er schon in anderen Hirnen erfolgreich herumgepfuscht hat. Ein Motiv, das ja auch perfekt zur Clipwelt von Michel Gondry passt,

zum Beispiel wenn Gondry traumartig im Clip "Deadweight" für Beck normale Annehmlichkeiten einfach umdreht, Bewegungen rückwärts laufen lässt, Kontexte vertauscht. Bei "Eternal Sunshine" ist das ebenso kein Problem, wenn Jim Carrey von einem öffentlichen Raum direkt eine Küche betritt, weil er gerade von diesem Raum erzählt hat, und es total logisch ist, wie das Gesagte gleich umgesetzt wird. Überhaupt hat sich Jim Carrey als Joel (feine Besetzung!) dunkel in sich zurück-

Eternal Sunshine passt auch perfekt zur Clipwelt von Michel Gondry und seinen eigenen Normalheiten. gezogen, wie die Räume, in denen er sich aufhält. Die sind genauso abgehangen wie er. In seinem Gesicht sind alle Gefühltheiten weg gewischt, keine Spur mehr von der Hysterie seiner Spaßfaktor-Komödien wie "Ace Ventura", "Cable Guy" oder als der weihnachtliche Grinch. Er hat nicht mal mehr die traurige Nachdenklichkeit seines Komikers in Milos Formans "Der Mondmann".

GAMES

INFO ”Harvest Moon – Friends of Mineral Town“ (Ubi Soft) für Nintendo Gameboy Advance und “Harvest Moon – A Wonderful Life” (Ubi Soft) für Nintendo Gamecube sind seit März erhältlich. harvestmoon.ubisoft.de www.harvestmoonfarm.de

HARVEST MOON / Küken klicken TEXT

NILS DITTBRENNER | NILS@PINGIPUNG.DE

Warum nicht mal Landleben? Elektronisch erproben und einstudieren lässt sich das jetzt mit "Harvest Moon", einer Game-Serie, die landwirtschaftliche Grundoperationen wie Pflanzen, Jäten und Gießen geschickt mit Elementen aus japanischen Datingsimulations-Spielen verknüpft. Von einem Ackertag, Monat, Jahr zum nächsten. Zwei neue Episoden laden zum "Wonderful Life". Wenn Voltaires berühmte Romanfigur Candide am Ende ihrer eigenen Geschichte voll Lebensweisheit sagt, es ginge schlicht darum, den Garten zu bewirtschaften, um sich das Leben erträglich zu gestalten, zaubert uns diese Aussage in Gedanken an die deutsche Gartenzwergkultur ein amüsiertes Lächeln auf die Lippen. Mit wie viel Ironie der französische Philosoph seinen westfälischen Antihelden an dieser Stelle sprechen lässt, sei erst einmal dahingestellt. Die Erkenntnis indes, dass Gartenarbeit jenseits von spießigen Rasensprengern und Vorgartenzwängen für Genugtuung sondergleichen sorgt, gerade wenn es sich um ein kontrolliert biologisches Gemüsebeet, besser noch einen Freizeithof mit Getier und dem Fernziel Selbstversorgung handelt, dürften auch nach dem Untergang romantischer Hippie-Utopien noch viele teilen. Nun mag, falls es sie

denn gibt, den archetypischen Debug Leserinnen und Lesern diese rurale Perspektive aufs menschliche Dasein inmitten ihrer elektronischen Lebensaspekte eher fremd erscheinen - doch Halt: Im Trockendock der Unterhaltungselektronik dürfen wir das Landleben schon seit 1997 einstudieren, der berühmten Harvest-MoonSerie sei dank. Und auch im Doppelpack der unlängst erschienenen letzten Folgen "Friends of Mineral Town" und "A Wonderful Life" der knuddeligen Bewirtschaftungssimulation wird in guter alter Harvest Moon-Manier gejätet, gepflanzt, gerecht, gegossen, gemolken, gehackt, geschoren und gehämmert, dass es eine wahre Freude ist. DIGITALE LANDFLUCHT Womit Arbeitsethos und Tagesablauf des Agrarsektors

erneut auf simple Spielmechanik und Pixel bzw. Polygone treffen. Schon in den vorangegangenen, nur teilweise in Europa erschienenen Folgen wurden dem Hofleben immer mehr aus japanischen Sozial- bzw. Datingsimulationen bekannte Elemente eingewebt. Auch erweiterten die Entwickler den "Jungspund erbt Hof von gestorbenem Besitzer"-Plot um einen von Folge zu Folge weiteren erzählerischen Rahmen. Der Kern des süchtig machenden Landlebens rund um die oben genannten agrarwirtschaftlichen Grundoperationen blieb jedoch erhalten. So sorgen auch die beiden aktuellen Episoden nach einer gewissen Einarbeitungszeit für ein strudelartiges Spielerlebnis von einem Ackertag, -monat, -jahr zum nächsten, Feier- und Geburtstage der Spielwelt mit zahlreichen NPCs ("Non-PlayerCharacters") inbegriffen. Tagein tagaus müssen Tiere und Felder bewirtschaftet bzw. gepflegt werden, zahlreiche Geheimnisse warten auf ihre Entdeckung und zu guter Letzt will eines der Mädchen im Ort die nötige Aufmerksamkeit in Form von Geschenken bekommen, um sich zu einer Hochzeit mit dem Alter Ego begeistern zu können ... Für Langzeitmotivation ist also gesorgt, auch wenn die monokausalen Sozialbeziehungen mit den eindimensionalen NPCs häufig für interkulturelle Fragezeichen sorgen. Dabei bleibt das Spiel

aber stets einfach, verständlich und fair, ein "Game Over"–Screen wurde vermutlich gar nicht erst einprogrammiert. Wohl aber versteckte Tipps, Erklärungen und Anleitungen, die über das mangelhafte Handbuch und die manchmal hanebüchene Übersetzung hinwegtrösten. In der Gamecube-Version haben die teilweise verwirrend skurrilen, dialogischen Kennenlern-Elemente mit schrägen Dorfbewohnern gegenüber älteren Teilen stark zugenommen, auf dem Gameboy Advance steht die Bauernhof-Arbeit weit stärker im Vordergrund – und einer persönlichen Note der kleinen Landwirtschaft somit grundsätzlich mehr Raum zur Verfügung. Dafür müssen wir aber auf die bezaubernde dreidimensionale Naturidylle verzichten und uns mit der Vogelperspektive zufrieden geben. Für die eigene Kemenate steht allerlei Extra-Ausstattung zur Verfügung. Den in "A Wonderful Life" selbstredend schon vorhandenen Plattenspieler erhalten wir in der Gameboy-Version als Bonus-Item jedoch erst nach erfolgreichem LinkUp zwischen den beiden Spielkonsolen. Alles in allem steckt auch in den neuesten Episoden – genügend Zeit vorausgesetzt – das gute alte BauernhofSpiel, welches derart ans Herz wächst, dass man es aus Sorge um die eigenen Kühe und Küken gar nicht mehr ausschalten mag.


GAMES <35> - DE:BUG.82 - 05.2004

DOGMA FÜR FRISCHES GAMEPLAY / Gamedesigner Ernest Adams TEXT

ROBERT GLASHÜTTNER | ROBERT@VIBEMASTER.ORG

Mit seinem Manifest für Computerspiele-Entwickler forderte Design-Autor und Game-Developer Ernest Adams eine Refokussierung auf frisches Gameplay. Sein Dogma 2001 rief zu einem neuen State of the Art auf, um das Metier vom reinen Technik-Grafik-Tuning-Denken abzulenken und wieder aufs Finden neuartiger Spiele zu leiten. Debug sprach mit Ernest Adams über Spieldesign, Kunst und Industrie und fordert Updates. Ernest Adams wirkt auf Bildern ein wenig wie der Papa Schlumpf unter den Game Designern. Vor drei Jahren proklamierte er, angelehnt ans "Dogma 95" der dänischen FimemacherInnen, das ”Dogma 2001” für Computerspiele-Entwicklung. Zehn Regeln, wundervoll manifestartig verfasst, verbieten z.B. die Arbeit mit konventionellen Charakteren, Settings und Genres, den Gebrauch von Gimmick-Schnittstellen wie Angeln oder Samba-Rasseln oder fordern eine totale Enthaltsamkeit gegenüber non-interaktivem Filmgedöns. Sein Credo "Technologie erstickt Kreativität” sucht er frisches Gameplay anstelle von immer dickeren Hardwarespecs, um nicht nur neue Spiele, sondern neue Arten von Spielen zu erfinden. Adams jahrelange Arbeit an immergleichen, kommerziell orientierten Sportspielupdates hat hier unverkennbar ihre Spuren hinterlassen. Nebenbei verdient er seine Brötchen als Autor profilierter Designliteratur - zuletzt erschien das empfehlenswerte Einsteigerkompendium "On Game Design” (zusammen mit Andrew Rollings). Robert Glashüttner aus Wien traf ihn zu einem anregenden Plausch über Spieleentwicklung zwischen Kunst, Kritik und Kommerz, was auch schön an unseren Gamesschwerpunkt aus dem Februar anschließt. Wir legen nach. DEBUG: Herr Adams, es sind jetzt fast genau drei Jahre vergangen, seitdem Sie Dogma 2001 veröffentlicht haben. Was würden sie heute an ihren zehn Regeln ändern? ERNEST ADAMS: Ich würde auf den Punkt mit dem Verbot von 3D-Hardware verzichten, denn solche Hardware macht es eigentlich einfacher, sich auf kreative Aspekte zu konzentrieren. Man muss nicht so intensiv an einer Software-3D-Engine arbeiten und spart somit Zeit. Wenn ich über die Liste der anderen Punkte schaue, würde ich sagen, dass ich wahrscheinlich auch nicht länger die Farbe Schwarz verbieten würde. Ich denke, in den letzten zwei Jahren sind wir weitgehend davon abgekommen, dass alles schwarz sein muss, wenn es cool wirken soll. Jetzt sieht man schon immer buntere und interessantere Umgebungen. Die Regel mit den Eingabegeräten war möglicherweise auch etwas zu streng angesichts wirklich innovativer Entwicklungen wie "EyeToy”. DEBUG: Was war Ihre grundsätzliche Intention, Dogma 2001 überhaupt zu schreiben? Wollten Sie einfach

etwas Progressives über Spiele sagen, obwohl Sie ohnehin wussten, dass kommerziell orientierte Produktionen diese Regeln nie erfüllen werden können? ERNEST ADAMS: Es war bewusst darauf angelegt, innerhalb der Spiele-Entwicklerszene eine Debatte zu provozieren. Ich wollte aufzeigen, dass da einige Dinge sind, die wir zu oft und zu schlecht tun. Und deshalb habe ich gesagt, dass zu viel Schwarz verwendet wird, zu oft Elfen und Zwerge in Fantasy-Spielen vorkommen, zu viel bedeutungslose Gewalt vorkommt und so weiter. Ich dachte aber nicht, dass das irgendjemand für bare Münze nehmen würde. Vor allem deshalb, weil wir derzeit noch nicht als Kunstform betrachtet wurden. Lars von Trier und Thomas Vinterberg hatten die Möglichkeit, Dogma-95-Filme auch tatsächlich zu drehen, weil es einen Markt für künstlerische Filme gibt. Aber es gibt noch keinen Markt für Kunst-Spiele. DEBUG: Glauben Sie, dass der Kunstkontext bei Spielen in ein paar Jahren stärker spürbar sein wird? ERNEST ADAMS: Ja, definitiv. Wenn die Spiele dann langsam mehr Credibility erhalten, werden sie von der Öffentlichkeit auch verstärkt als künstlerische Ausdrucksform gefragt sein. Aber wir müssen natürlich auch etwas dafür tun, um diese kulturelle Credibility bei Spielen zu erhalten. Wir brauchen einige Pioniere, die versuchen, Spiele tatsächlich als Kunstform zu etablieren. Wir müssen die Spiele in gewisser Weise ernst nehmen und benötigen wirkliche Kritiker und nicht nur Rezensenten. Spiele-Reviews in Magazinen sind nur für den Konsumenten gedacht. Da geht es darum, welches Spiel am meisten Spaß macht. Doch ich denke, ernsthafte Kunstkritik sollte sich nicht damit beschäftigen, welches Kunstobjekt man kaufen soll, sondern hier geht es um einen Diskurs des kulturellen Kontext der Kunst. Und ich denke, genau das brauchen wir in der Spiele-Industrie. DEBUG: Wann werden Spiele-Kritiken in Zeitungen denselben Stellenwert erhalten wie Film- oder TheaterKritiken? ERNEST ADAMS: Es gibt sie bereits jetzt, aber natürlich noch weit nicht so intensiv wie für Theater oder Kino. Erst wenn Spiele die gleiche emotionale Tiefe und Unterhaltung bieten wie Filme, wird das auch tatsächlich funktionieren. Momentan fühlen sich Spiele für die meisten Menschen noch nicht bedeutsam genug an, um ihnen die-

se Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. DEBUG: Wie war die Reaktion der Industrie auf Dogma 2001 damals und wie ist sie heute? ERNEST ADAMS: Die Reaktion der Industrie war sehr interessant, weil die Hälfte der Leute meinte, ich sei ein genialer Visionär und wir sollten das alle probieren. Die anderen sagten, ich sei ein Idiot, der überhaupt nichts von Spielen versteht und dass das alles Unsinn ist. Und weil das Verhältnis genau gleich war, wusste ich, dass ich das Richtige gesagt hatte. Aus kommerzieller Sicht ist es natürlich völlig irrelevant, doch ich hatte die Möglichkeit zu sagen, was sich viele Leute dachten. Denn interessanterweise denken einige Spiele-Entwickler genauso, sagen es aber nicht, weil sie in einem kommerziellen Umfeld arbeiten, ihren Job behalten wollen und so weiter. Viele Ent-

Das Problem in der Spieleindustrie: Es gibt einfach zu viele Spiele, die Kopien anderer Spiele sind. wickler haben das Bedürfnis, innovative und künstlerische Produkte zu schaffen, sie wollen aber nicht finanziell darunter leiden. Nun - ich denke, wenn man Künstler ist, sollte man darauf eingestellt sein, dass man für seine Kunst auch Opfer bringen muss. DEBUG: Wie können Sie als Spiele-Berater am Jetzt-Zustand etwas ändern? Was sind die ersten Sätze, die Sie sagen, wenn Sie Entwicklern aus der Spiele-Industrie gegenüberstehen? ERNEST ADAMS: Ich sage ihnen, dass sie Innovationen über die Hintertür reinschleusen sollen. Kleine Änderungen sind auch in Renn- oder Sportspielen möglich, die den jeweiligen Titel dann besonders und herausstechender machen können. Eines meiner Lieblingsspiele ist beispielsweise "Planescape: Torment", ein schon etwas älteres Rollenspiel von Interplay für den PC. Es hat einige interessante Ideen und basiert nicht auf der traditionellen westlichen Mythologie. Ich würde gerne mehr dieser Spiele sehen. Daher versuche ich, die Designer zu ermutigen, Wege zu finden, künstlerische Aspekte in kommerzielle Spiele einzubringen, ohne dass die Marketing-Abteilung etwas davon bemerkt. DEBUG: Es sind also kleine Schritte nötig, um Spiele zu etablieren, die in paar Jahren vielleicht als Kunst wahrgenommen werden. ERNEST ADAMS: Ja, und ich glaube, dass es hilft, dass Spieler älter werden. Mittlerweile gibt es 30- und 40jährige, die mit Spielen aufgewachsen sind, und deren Geschmack sich im Laufe der Jahre verändert hat. Diese

Spieler wollen jetzt anspruchsvollere Spiele. Erwachsene werden damit beginnen, nach Spielen zu fordern, die tatsächlich für sie konzipiert sind. Was wir im Augenblick als "Erwachsenenspiele” bezeichnen, sind in Wahrheit bloß jene, in denen viel Gewalt vorkommt. Das sind aber nicht wirklich Spiele für Erwachsene, sondern für Jugendliche. DEBUG: Welche Spiele der letzten Jahre kommen den "Dogma 2001” Regeln am nächsten? ERNEST ADAMS: "Vib Ribbon” kommt zum Beispiel recht nahe heran. Auch "Rez”, weil es ein Shooter ist, aber kein Shooter im herkömmlichen Sinn und visuell sehr ungewöhnlich: Es geht dabei in keinster Weise um eine traditionelle Darstellung. DEBUG: Was ist mit Spielen, die bekannte Konzepte und Charaktere in einer innovativen und neuartigen Form präsentieren? ERNEST ADAMS: Das Problem dabei: Es gibt einfach zu viele Spiele, die Kopien anderer Spiele sind. Viele Menschen kommen in die Spiele-Industrie, weil sie viele Games gespielt haben. Doch das ist dann oft alles, was sie wirklich kennen und wissen. Sie wissen, wie Spiele momentan funktionieren, haben sich aber nicht viele Gedanken darüber gemacht, wie Spiele funktionieren könnten. Ich versuche, die Erwartungen an das Medium zu erweitern. Es gibt zu viele Leute in der Spiele-Industrie, die sich gut mit Games auskennen, aber zu wenig mit Politik, Psychologie, Anthropologie oder Linguistik. Ich ermutige Menschen, eine breitere Bildung zu bekommen, bevor sie in der Industrie anfangen, denn das hilft dabei, Spiele reichhaltiger und anspruchsvoller zu gestalten. DEBUG: Ist der bereits angesprochene pubertäre Zugang beim Gamedesign eines der Hauptprobleme der Akzeptanz bei Spielen? ERNEST ADAMS: Die Leute sehen in der Art und Weise, wie Spiele momentan sind, das Optimum, was aus dem Medium herauszuholen ist. Spiele haben aber weit mehr Potenzial als die meisten Menschen vermuten. Doch um die Öffentlichkeit davon zu überzeugen, müssen wir Spiele produzieren, die das Potenzial des Mediums auch demonstrieren und ausreizen. Und dann wird man sagen: "Oh, man kann mit Spielen ja viel mehr tun, das hatte ich nie bemerkt!” DEBUG: Werden Sie Dogma 2001 eventuell updaten? ERNEST ADAMS: Möglicherweise ja! Es hat im Vergleich zu Dogma 95 ja keinen offiziellen Stellenwert im Sinne einer Bewegung, daher könnte ich es ohne Probleme einfach überarbeiten. Mein Verleger würde sich bestimmt freuen.

INFO Dogme 95 : www.dogme95.dk Dogma 2001: Ernest Adams: www.designersnotebook.com Andrew Rollings & Ernest Adams: On Gamedesign. Newriders 2003, 50$.

ALIEN ABDUCTORS: NOZ

ALIEN ABDUCTORS: GRAKK

ERNEST ADAMS


GOTO <36> - DE:BUG.82 - 05.2004

DE:BUG PRÄSENTIERT: TEXT

GOTO

KAREN KHURANA | KAREN@DE-BUG.DE

DESIGNMAI

VIDEOFEST Bochum, 20. bis 22. Mai 2004

Berlin, 6. bis 16. Mai 2004

Leuchtende Island-Pullover, Interieur-Mobilés oder modelliertes Kleidertuning: Der Design-Mai ergrünt auch diesen Frühling wieder Berlin. Wie im letzten Jahr setzt sich das Design-Festival vor allem aus eigens konzipierten Ausstellungen, Workshops und Kurzevents zusammen. Neben der Vermittlung dieser verteilten Festivalpunkte haben die Designmai-Erfinder von Transform e.V. diesmal auch einen zentralen Veranstaltungsort geschaffen, ein Forum im Pfefferberg am Prenzlauer Berg, in dem zwei Ausstellungen stattfinden. Zusammen mit täglichen Wortveranstaltungen bilden diese Ausstellungen einen europäischen Themenschwerpunkt: "EU+" stellt interessante Designer aus den gerade eingetretenen Ländern der EU vor und unter "Shooting Stars Europe" zeigen weltweit etablierte europäische Designer eine Auswahl ihrer guten Stücke. Daneben lädt der "Designmai Showroom" Designer zur Minimesse in die Backfabik und die "Youngsters"-Ausstellung versammelt mit der "Garderobe 23" junge internationale Designer in der Kunstfabrik. Tagsüber kann man hier Flyer tauschen, DVDs anschauen, Wlans bauen und abends beispielsweise mit dem Cookies Parties feiern. Einen Überblick über die vielen Programmpunkte und in der Stadt verteilten Teilnehmer wie Bless, Roomsafari oder die Typo-Berlin bietet die Designmai-Zeitung oder wie immer auch das Netz. www.designmai.net

ABO

nnement

Das 14. Bochumer Videofest zeigt mal wieder, wie das Aufzeichnungsmedium Video verschiedenste Genres anders ausschauen lässt und eine eigene Narrativität entwickelt. Die Bandbreite des Festivals reicht von Dokumentar-, Erzähl-, Musik- und Experimentalvideos über Installationen und Video-Film-Kunst bis zu VJ-Produktionen. Letzteren haben die studentischen Kuratoren auch eine eigene Präsentationsfläche eingerichtet. Ohne Clublicht stellen sich die VJs in halbstündigen Live-Präsentationen dem Contest. Der Eintritt zu allen Veranstaltungen bis auf die Abschlussparty ist kostenlos. Checkt das Programm unter: www.ruhr-uni-bochum.de/videofestival/festival.htm

FMX Stuttgart, 6. - 9. Mai 2004 Dass Echtzeit nicht nur bei Games spannend sein kann, sollte spätestens nach der Ausstrahlung der Serie "24" einleuchten. Die Fmx/04, ein Kongress für digitale Medienproduktion, nimmt dementsprechend auch Realtime neu neben Animation, Effects und Content als Thema auf. Nachwuchs trifft dann im Stuttgarter "Haus der Wirtschaft" auf lang eingespielte Postproduktionsfirmen, Fernsehsender auf Animationsstudios. Neben dem Filmfestival battlen auf der Fmx Konferenz 2-D gegen 3-D und werfen verschiedene Fragen auf: Wie wichtig ist Bewegung im Raum für Animation? Wie verändern drehende Kameras das Kino? Diesen Fragen nähert sich die Konferenz u.a. über zahlreiche Making-

of-Effects-Erzählungen von und mit Doug Frankel (Pixar Studios), Paco Rodriguez (Filmax Animation), Ed Hooks ("Acting for Animations"), Andy Lomas (Effekte für "Matrix"), Richard Clarke ("Tomb Raider") sowie verschiedenen Menschen von Sat1, RTL, Dreamworks und TeamWorx. Damit es niemandem langweilig wird, gibt es Workshops (mit Adobe, Macromedia und Apple), Kontakte-Knüpfen mit fmx/talents, eine Flashkonferenz, die Eyes and Ears Ausstellung mit Diplomprojekten und die Animago Awards. Gute Animation. www.fmx.de

DIGIFEST Toronto, 13. bis 16. Mai 2004 Home, Self und Tribe sind die Themen fürs kanadische Digifest 04 - und obwohl es vielen von uns nicht gelingen wird, bei dem Designfestival vorbeizugucken, lohnt sich ein Blick auf das Programm. Wie mobil unsere Kultur ist, beschäftigt auch hier eine interessante Riege von Kreativen aus Design, Wissenschaft und Kunst. Präsentationen erwarten uns von Wearable-Spezialist Steve Mann, MIT- und Design-Protagonist John Maeda, one-9ine Co-Gründer Matt Owens und eben auch von vielen neuen Stimmen. Die zugehörige Ausstellung wird in Omnibus-Zonen verteilt und featured eine SIMGallery, die Prinzipien von Game und Gallerie verknüpft. Daneben werden Wearables mit einer patentiert farbenwechselnde Textil-Technologie gezeigt. www.dx.org/digifest

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TO ROCOCO ROT - HOTEL MORGEN (DOMINO) Das Trio mit vier Fäusten gibt sich auf seinem neuen Album offenherzig zugeknöpft und winkt den Weg zum Disco-Remake ein. Mit herrlich plockernden Tracks kurbeln wir die Fenster des Passats runter, ziehen die Sonnenbrillen auf und wippen mit. Das iBook weiß, was es tut.

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ich zahle mit verrechnungsscheck REPEAT ORCHESTRA - THE ORIGINAL DIMENSIONS (A TOUCH OF CLASS) Antonelli mit seinem sweetesten Projekt. Deephouse, der so melodiös wie minimal daherkommt, dass man alles Gegniedel, das unter diesem Namen noch so sein Unwesen treibt, sofort vergisst. Schön.

THE STREETS - A GRAND DON'T COME FOR FREE (WEA) Mike Skinner lädt zu einer weiteren Rundreise durchs turbulente Leben des Pubs-, Brandy-, Pillen- und Fußball-liebenden Geezers. Eine Herzschmerz-Tour-de-Force zu bouncenden Bässen und tragischen Strings. Big up yourself, Skinner!

VAST AIRE - LOOK MOM … NO HANDS (CHOCOLATE INDUSTRIES) Vast Aire hat sich von seiner Crew Canninbal Ox etwas distanziert und fährt nun freihändig ein Soloalbum auf. Auf dem Gepäckträger sitzen Madlib, RJD2, Aesop Rock und MF Doom. Trotz dieses Ballasts kennt Vast Aire kein Pardon, sondern dreht massive Pirouetten.

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REVIEWS

43 CONTINENTAL

46 NETAUDIO

46 UK

47 BUCH

47 DVD

40 BRD

44 HIPHOP

46 AMERIKA

46 DRUM AND BASS

47 GAMES

48 DATES & EVENTS

CD

FAVORITEN

THE STREETS - A GRAND DON’T COME FOR FREE [WEA]

Wieso höre ich bei Mike Skinner eigentlich immer den Geist der Specials raus? Proletarisch mit Stil und schnoddriger Schärfe, wie es nur Engländer können. Der Nachfolger zu “Original Pirate Material” ist dabei weitaus elegischer ausgefallen als erwartet. Das tut dem Mitreißfaktor aber keinen Abbruch. Der Lad, dessen Story Mike Skinner in seinem flowigen Cockney von Stück zu Stück ausspinnt, hängt wohl gerade in der Afterclubbing-Melancholie. Wenn in Deutschland jemand Kiezmucke macht, kommt dabei BAP oder Winson raus, in England sowas völlig Unprovinzielles wie Ian Dury oder eben The Streets. Live klang Skinners Backingband zwar wie von Phil Collins ausgeliehen, aber der Chorsänger, der sich beim Falsett immer an die Eier greifen musste, gab einen guten Eindruck von dem weltmännischen Flair dieser Fuck-auf-alle-GentlemenGrundhaltung. Wenn Popmusik bedeutet, aus seiner hässlich unterprivilegierten Gesellschaftslage eine selbstbewusste Schönheit zu erkämpfen, dann ist The Streets Pop par exellence. Streicher, Note für Note am Sampler selbst eingespielt, und Background-Sänger, zuckersüßer als bei Smokey Robinson oder den Pet Shop Boys, sag’ ich nur. Und da drüber dieser strikt englische Rapper, dessen Nuschelorgan einfach nicht langweilig wird. Ab sofort trage ich auch nur noch Zahnbürsten-gewienerte Sneaker, wie Mike Skinner es fordert. JEEP •••••

CD

1. Claro Intelecto - Neurofibro (Ai Records) 2. Fennesz - Venice (Touch) 3. The Streets - A Grand doesn't come for free (WEA) 4. Dirt Crew - Cleaning The Ghetto Pt. One (My Best Friend) 5. Vast Aire - Look Mom … No Hands (Chocolate Industries) 6. To Rococo Rot - Hotel Morgen

FENNESZ - VENICE [TOUCH/53 - SONY]

(Domino)

Fennesz-Platten sind immer etwas ganz Besonderes. Sein letztes Album “Endless Summer” hat das auch den letzten Ungläubigen merken lassen. Einfach weil hier jemand die mittlerweile zum Standard gewordenen Assoziationen der Powerbook-Musik ganz bewusst in eine andere Richtung lenkt, nicht kaputtdekonstruiert, sondern die fein gebröselten Granular-Artefakte und bis unter den Meeresboden runtergerechnete BitStrukturen wie einen leichten Schleier über die, so scheint es, von A-Z in einem anderen Environment durchkomponierten Stücke legt und vielleicht der erste Musiker seit Brian Eno oder Harold Budd ist, der der Popmusik die eingefahrene Griffigkeit nimmt und Tracks anders funktionieren lässt. Ganz nebenbei erfindet er gemeinsam mit Gitarrist Burkhard Stangl die sagenumwobene My-Bloody-Valentine-Gitarrenwand neu und schafft mit David Sylvian einen wundervollen Vocaltrack. Eine weitere Zusammenarbeit ist bereits geplant. Das Tolle an Fennesz ist, das man immer mitsummen will und versucht, die Körnigkeit der Sounds irgendwie abzubilden. Draußen rauschen dann die Autos vorbei, die Sonne soll auch noch länger scheinen. Fennesz transformiert das in gute Aussichten. “Venice” ist eine der Platten, die man nie wieder hergeben möchte. Nie hatte ein Powerbook soviel Soul. www.touchmusic.org.uk THADDI •••••

7. Miss Kittin - Professional Distortion (Labels) 8. Frankie - (Frankie Rec) 9. Alter Ego - Transphormer (Klang) 10. Sweet'n'Candy - Don't chop that … (Lebensfreude) 11. Justus Köhncke - Zwei Photonen (Kompakt) 12. Christian Kleine - Real Ghosts (City Centre Offices)

CD

13. The Rip Off Artist - New Clear Days

ALTER EGO - TRANSPHORMER [KLANG - NEUTON]

(Inflatabl)

Kein Wunder, dass Rocker so einschlägt, als gäbe es dieses Frühjahr einfach keine Konkurrenz, die ihm den Dancefloor streitig machen könnte. Die beiden lasssen es einfach raus und wischen einfach alles, was man so an Vorbehalten gegenüber Elektroclash haben mochte, weg. Genau das ist auch die Qualität des restlichen Albums, alles neu machen zu wollen und dabei soviel Energie in die Tracks zu packen, dass es ständig überläuft und die Schnittmenge zwischen Elektroclash, Nouveau Disco und solider Technovergangenheit irgendwie mit links komprimiert und zu einer echten Waffe macht. Dabei lassen sie aber nicht einfach all das sein, was sie früher zuweilen als etwas spleenig strange Technoformation gemacht haben, sondern packen es nur einfach direkter in Tracks, die nicht lange fackeln, aber wenn sie es wollen, eben richtig brennen. Obwohl es einem manchmal so vorkommt, als wäre Transphormer erst ein Konzept gewesen, dann Tracks, spielt genau das keine Rolle, weil die beiden selbst das noch als völlig lässigen Move verkaufen können, der so zwingend wie unmissverständlich ist. Wer wissen möchte, was die Quintessenz des Clubsounds genau jetzt zu dieser Zeit ist, der wird um Alter Egos “Transphormer” nicht herumkommen, vielleicht braucht er sogar gar nicht mehr. Killerplatte. BLEED •••••

BUCH

MOTION - EVERY ACTION [12K/1027 - A-MUSIK] Boccia-Kugeln klackern gegeneinander, harmonische Flächen wärmen unsere Gesichter. Anzeichen dafür, dass der Frühling da ist, liefert die neue Motion CD zuhauf. Und klingt damit auch eigentlich ganz anders als Ihre letzte Platte auf 12k. Eher weit und flächig, nicht so unförmig und klumpig. Sehr viel ruhiger, ja, eben “netter”, aber keineswegs minder interessant. Manchmal erinnert mich das Ganze an Mouse on Mars‚ “Iaora Tahiti”, so organisch und abgedreht klingt das. Dann jedoch denke ich an die atmosphärische Dichte und den Einklang eines GAS-Tracks. Aber dieses Album entzieht sich auf so eindrucksvolle und angenehme Art und Weise aller Vergleiche, dass man am Ende begeistert zurückbleibt. www.12k.com AD ••••• PILOT BALLOON - GHASTLY GOOD CHEER [2.ND/16 - HAUSMUSIK] Ein bisschen zwischen den Stühlen sitzen die Jungs von Pilot Balloon aus den USA, die eigentlich ein rundum gelungenes Album hätten machen können, sich aber in ihrer Samplewahl ein bisschen zu grassroots-mäßig verheddern. Die Beats sind schwer und bollern gut, alles ist fein produziert, aber es will mir in der Konsequenz nicht wirklich einleuchten. Ist das HipHop? Ja, vielleicht. Manchmal auf jeden Fall. Ist das Indie? Auch. Ich glaube, mich stört einfach das gitarrige Gedaddel, dieses manchmal sehr ausufernde Gespiele. Tracks wie “Hug Dusty” reißen das für große Momente komplett raus und auch wenn die Stacks Of Stamina anfangen zu rappen (beide Parteien haben ja schon eine 10” gemeinsam bestritten) ist die Welt in Ordnung. Und ich bin mir sicher, diese Momente werden auf den folgenden Platten noch mehr in den Vordergrund rücken.

15. Ben Mono - Universal Unit (Compost) 16. Taylor Deupree - January (Spekk) 17. Audion - Kisses (Spectral) 18. Hazel - Eye Kandy (Coco Machete) 19. Zvukbroda - T-tri EP (Listen To Reason) 20. Konfekt - Fin[Hel] / Drive[Cont.] (Areal) 21. Lootpack - The Lost Tapes

PASERO, WEINBACH (HG.) - FRAUEN, MÄNNER, GENDER TROUBLE [SUHRKAMP]

Draußen, in der Welt der gehypten Musikgenres leben wir immer noch (mindestens seit 2 Jahren schon) in einer Phase der Gitarrenband und auch wenn Courtney Love wieder aus der Versenkung auftaucht und andauernd allen ihre Brüste zeigt (gähn!), sind Frauen in diesem Hype großflächig die Ausnahme. Nun gut, Ausnahme sein, das kennen Frauen aus dem Popdiskurs ja auch aus allen Hypes davor - es überrascht aber, wie wenig das diesmal diskutiert wird. Techno hielt man die Abwesenheit von Frauen ja noch ständig vor die Nase, dem neuen Gitarrenrock nicht. Das mag daran liegen, dass mittlerweile allgemein die Ungleichheit der Geschlechter etwas schwächer geworden ist. Niemand würde beispielsweise mehr darauf kommen, hier auf absurde asymmetrische Unterschiede zu beharren, mit denen man in den 80ern noch tagtäglich leben musste, wie etwa dass Männer logisch sein und Frauen emotional. Dennoch besteht der Unterschied zwischen Männern und Frauen, und zwar in Spitzenpositionen des Popdiskurses ebenso wie in der Wirtschaft. Warum sieht man Menschen immer noch zuerst in der Kategorie des Geschlechts und nicht als Individuum? Wie soll man das bewerten? Wie kann man damit umgehen? Dieses Problem diskutieren Ursula Pasero und Christine Weinbach neu, indem sie einen erstaunlichen Aufsatz von Niklas Luhmann von 1988 wieder veröffentlichen. 9 zeitgenössische und pointierte Aufsätze (u.a. von Dirk Baecker, Elena Esposito oder Urs Stäheli...) schließen daran an und diskutieren Hierarchien und Unterschiede ebenso wie Situationen in der Wirtschaft und in anderen Netzwerken. Das Luhmannsche systemtheoretisch-abstrakte Vokabular greift ungemein gut. Get it! 12 EUR MERCEDES •••••

CD

14. Metope - Second Skin (Sender)

(Crate Diggas Palace) 22. Sieg über die Sonne - Gone (Multicolor) 23. Housemeister - No Game No Fun EP (Bpitch Ctrl) 24. Freestyle Man - Roland (Mood Music) 25. Marvin Dash - 51th Street (USM) 26. Murcof - Utopía Remixes (The Leaf Label) 27. Tim Wright - The Ride (Novamute) 28. Nylon (Rebel) 29. Avril - Be Yourself Remixe (F-Com) 30. DJ Linus - Jack (Stay True)

• = NEIN / ••••• = JA Versprochen? Danke. www.2ndrec.com THADDI ••••-•• TELLARO - [2.ND REC/14 - HAUSMUSIK] Sehr klassische Gitarrentracks, wieder mal aus Italien. 2.nd Rec angelt sich nach Giardini Di Miro die zweite wundervoll traurige Band aus Südeuropa, die hier auf diesem Mini-Album mit nur fünf Songs so gut wie alles klar machen. Eigentlich sehr sparsam arrangiert, sind die Stücke vollgepackt mit fließenden Ideen und wundervoller Tiefe. Unbedingt checken! THADDI •••• COOL CALM & COLLECTIVE - [4 LUX - CLONE] Der Sound dieses Labels ist schon sehr eigenwillig zwischen digitalem Soul und Nujazz, kitschig und breitwandig, aber immer noch sehr cool und lässig, so dass man nie das Gefühl bekommt, Natalie Gardiner, Heavenly Social, Deela, Flowriders oder wer noch so dabei ist, würden das machen um einfach die Charts zu stürmen, sondern schlichtweg weil sie diese Art von Popmusik lieben und nicht anders können. Einflüsse von 4 Hero und anderen sind unübersehbar, aber dennoch hat diese Compilation etwas, dass den Tracks erlaubt aus dem üblichen Rahmen völlig herauszustechen, vielleicht wirklich, weil ihre Art Pop zu machen so unverschämt direkt ist, aber die Produktion so deep dabei bleiben kann ohne einen Widerspruch zu erzeugen. BLEED ••••-••••• MAX DE WARDENER - WHERE I AM TODAY [ACCIDENTAL/11 - ROUGH TRADE] Track 7 ist toll. Ein originaler Sam-Rivers-Bass brummbärt durch eine Jazzbesen-Landschaft mit Waldhorn-Panorama. Genau so klingen meine liebsten Post-Freejazz-Träumereien aus den 70ern. Aber Max Wardener, Dani Sicilianos Bas-

sist, holt noch viel weiter aus. Neben weitflächigen Orgel-Improvisationen, wie man sie von seiner “Stops”-EP kennt, JEEP •••• CLARO INTELECTO - NEUROFIBRO [AI/008 - HAUSMUSIK] Mark Stewart kommt endlich mit seinem DebutAlbum. Nach seinen zwei EPs auf Ai mit den Überhits “Peace Of Mind” und “Chicago” frisst sich Claro auf dieser CD (das Tracklisting vom Vinyl wird deutlich anders sein) durch eben diese beiden Releases und füllt mit bisher unveröffentlichten Tracks auf. Was wie eine Compilation klingt, funktioniert als Album nicht nur ganz hervorragend, sondern füllt auch die kleinen Lücken mit sehr deep tapezierten Tracks, die nicht nur die Brücke von Detroit in ein Laptop baut, sondern auch die Geschichte der englischen Elektronik in diesen typischen Akkordfolgen gnadenlos modernisieren. Sie tun also genau das, was der Londoner Tube nicht gelingt. Sehr federnd, bouncende Tracks mit reichlich Warehouse-Basslines, weichen Flächen und walisischem Geknarze. Killer. www.airecords.com THADDI ••••• V/A - STATION [AI/007 - HAUSMUSIK] Ach Ai, komm an mein Herz und dudel mir Geschichten aus Manchester vor. Hust, schon gut. Auch auf der neuen Ai-Compilation geht alles und nichts mit rechten Dingen zu, featured Kids, die wir schon kennen (Yellotone, Michael Manning, Praveen, Normal oder Traject), Kids, die ich in meiner Eigenschaft als Label sofort wegsignen würde (Pablo Dali, der hier das Wissenschaftsprojekt “New Order in einer Person” vorstellt) und keinen Claro Intelecto. Macht nichts. Nicht so rockig wie die letzte Compilation, sind

die Tracks allesamt detailreicher und melodiöser und lassen auch in der Greater Manchester Area mal die Regenwolken weg. Ich mag das. Sehr sogar. THADDI •••••-•••• AB OVO - LE TEMPS SUSPENDU [ANT-ZEN/158 - ANT ZEN] Ich hatte mal wieder keine Ahnung. Asche, aber ganz schnell. Ab Ovo aus Frankreich kommen mit neuer Doppel-CD (Album + Remixe) und bauen zunächst mal einfach wundervolle Tracks, die in ihrer melodiösen Lässigkeit überall das Licht ausknipsen. Sehr klassich in den Rhythmen, fühlt man sich dennoch irgendwie nie an andere Dinge erinnert, sondern genießt einfach die Ferien im Schaltkreis. Die Remixe (vor allem von älteren Stücken) featuren dann Mimetic, Phil von, Haiku, Nimp und White Papoo, hauen vielleicht manchmal ein bisschen mehr auf die Pauke, verdrehen mitunter die Originaltracks (nachprüfen kann ich das nicht), fließen aber zum Großteil genauso weit dahin, wie die Stücke des neuen Albums. Und das in Worte zu fassen, fällt sehr schwer. Weder Ambient noch englische Frickelei treffen hier den Punkt. Ein gutes Zeichen, dass das in Frankreich so sein kann. THADDI •••• FRANCISCO LOPEZ - UNTITLED 150 [ANTIFROST/2022 - IMPORT] “Untitled 150 is a challenge for your auditive perception” steht im Pressetext. Wer sich dieser Herausforderung Francisco Lopez’ erster SoloCD annimmt, steht nach einem langen Anlauf einer wabernden Masse gegenüber, die sich wie ein zäher Lavastrom ohne jegliche Hast dennoch mit genügend Kraft entfaltet. Der Wind weht aufgewirbelten Staub nur spärlich beiseite und irgendwo im dichten, grauen Smog unter uns liegen

grüne Wiesen sanft begraben. Regen kommt auf und wäscht diese wieder frei. Beeindruckt von diesem Schauspiel stehen wir weit entfernt auf sicherem Boden, und fühlen uns doch, wie als wären wir mittendrin. AD •••• DEERHOOF - MILK MAN [ATP/9 - ROUGH TRADE] Menschen, die in der Nähe des Meeres wohnen, sind meistens ein bisschen anders. Sagt einer, der an einem Fluss wohnt, der nie über die Ufer tritt. Deerhoof auf jeden Fall, aus San Francisco, packen ganzen Universen in ihre Rocksongs, kümmern sich einen Scheißdreck um Konventionen und klingen dabei ein bisschen so, als wären Lush eine Garagenband aus Japan gewesen, wippende Zöpfe mit eingeschlossen. Zwischen naivem Georgel, eigentlich sehr süßer Stimme, wilden Ausbrüchen und dicken Gitarrenwänden entdeckt man hier einen Haufen kleiner Perlen. Seit so nett und gießt sie. www.atpfestival.com THADDI ••••-••• CASINO VERSUS JAPAN - HITORI + KAISO 1998-2001 [ATTACK NINE/006 - IMPORT] Manchmal ist das halt so. Da bleiben Tracks liegen. Nicht, dass die schlecht wären, sie passen nur eben nicht. Beim Frühjahrsputz trifft man sie dann wieder, verliebt sich aufs Neue und Wumms - kommen sie raus. Also. Casino Versus Japan Erik Kowalski hat auf Doppel-CD kompiliert und träumt sich durch schwer knarzende Seen, komplett mit seinen typischen Sounds und Melodien. Irgendwie ist hier alles etwas zurückhaltender als auf seinen bisherigen Alben, dafür aber nicht weniger spannend und aufwühlend. Und Hits sind auch drauf. “Marilyn Set me Free” zum Beispiel klingt als wären Casino und Skanfrom

gemeinsam auf dem Schulweg irgendwo abgestürzt. Übrig gebliebene Tracks können so toll sein. www.attacknine.com THADDI •••• BINGO SESSIONS VOL1 - [BINGO BEATS] DJ Friction, ihr wisst schon, der Gewinner der letzten Knowledge Awards und Oldtime Stepper DJ Zinc. Sie droppen lässig und rockend den Sound zwischen V, Prototype, Renegade Hardware, Ram, Science Fiction, Ebony, Metalheadz, True Playaz, Soul:R aber auch eine Intasound findet sich, einiges von Influx Datum und natürlich ein paar kommende Releases des Bingo Beats Labels. Doppel CD, auf der jeder der beiden einen Mix macht, mit druchgehend rockenden aber nicht nur einfach bretternden Tracks. Perfekt um durch die Stadt zu cruisen und doch wieder zu glauben, dass nichts den Bassbins im Auto so gut tut wie eine richtig satte Drum and Bass Sause. Vielseitig und frisch. BLEED •••• BREAKIN RECORDS VOL3 [BREAKIN RECORDS - BAKED GOODS] Klassiker der letzten Zeit des Labels werden hier gesammelt und das dürfte zur Zeit auch mal wieder nicht nur für Elektrofreaks interessant sein, auf dem Label tut sich ja zur Zeit mit den Releases von Afropolice, Cylob und Computor Rockers einiges. Mit dabei: Cylob, EDMX, Bass Junkie, Mandroid, Coputor Rockers, Afropolice, Sol_Dat, Cephax, 313 Bassmechanics und mehr. So und jetzt fresst Chips. BLEED •••• V/A - COMPILATION: CAPITALRECORDINGS | INVOLVE [CAPITAL/INVOLVE/011 - IMPORT] “Gemeinsam sind wir stark” scheint offenbar das Motto der Stunde in Neuseeland zu sein. Involve

<37> - DE:BUG.82 - 05.2004

37 CDS


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CD

• = NEIN / ••••• = JA

und Capital machen jetzt auf Joint Venture und verweben auf dieser neuen Compilation ihre wunderbaren Labelsounds. Andrew Thomas, The Telescopes, Signer, Slow Moe, Voicechanger, Duo, Neverland usw. operieren alle an der Schnittstelle zwischen Song und Track, zwischen zurückhaltender Elektronik und großen Gitarrenwänden, herrlichem Indie und darkem Dub. Das ist einfach wunderbar, rund und perfekt. www.involverecords.com THADDI •••••

an der ein oder anderen Körperstelle für wohlige Gänsehaut sorgen zu lassen. Bloß kein Stress, bloß keine Gedanken an unangenehmen Alltagspflichten - der kleine Urlaub gelingt mit den Choce Cuts auch auf der kürzesten Autofahrt, selbst wenn sie ins Office führt. ARNE ••••

10 YEARS OF CHEAP RECORDS - THE ANNIVERSARY COMPILATION [CHEAP] Oh. Eine CD und eine Bonus-MP3-CD mit 4 Stunden Mixen, gut augedacht, um 10 Jahre des einflussreichsten österreichischen Labels für elektronische Musik zu hören. Mit dabei Robert Hood, IO, August Engkilde, Twinnie, Christopher Just, Potutznik, Louie Austen, Khan, 550 Rondy und natürlich Sluts & Strings. Gesammelt aus den Releases, die man glücklicherweise, hoffentlich, wir sind sicher ..., eh schon alle hat, aber dennoch gerne so im Flow hört, weil es einfach Musik ist und bleibt, die sich immer vor allem darüber definiert, dass sie dieses aufregende Knistern hat, diese Spannung, die jeden Track einzigartig macht (naja, auf Ken Cesar kann ich gar nicht), völlig egal, in welche Richtung man sich nun bewegt. Die Mixe kommen von Tunakan, Pulsinger, Gollini und 3Volt. Massives Package und wir feiern gerne mit. Auch das ganze Jahr lang. www.cheap.at BLEED •••••

69: 4 Jazz Funk Classics Planet E 69-1 (US 12" @ ¤ 15,00)

02271

Released anonymously for the first time in 1991 this EP marks the starting point for the genre expanding Planet e label. The two main tracks ("Ladies & Gentlemen" and "My Machines") are showcasing Craig's unique ability to craft new, unheard and motivating intergalactic dance music by "de-contextualizing" classic jazz funk through creative sampling and combining it with stomping techno grooves and basslines. The inclusion of bleepin' break beat parts cuts the usual flow of a club tune and makes this EP so special. Surely "4 Jazz Funk Classics" is one of Craig's finest moments and now ready to be re-discovered.

CHRISTIAN KLEINE - REAL GHOSTS [CITY CENTRE OFFICES/019 - HAUSMUSIK] Doppelbödig, obwohl auf solidem Hiphop-Grund gebaut: das neue Album von Christian Kleine. Ganz schön rockig, diese Geisterstunde, zumindest auf den ersten Blick: Gehaltvolle Beats und agile Gitarren, die mal im Basement wüten (“Ghostwriting”), mal auf Streetlevel Motown-Bubbles in die Luft werfen (“That’s why you came”) oder den Track nach Hause schraddeln (“Shifts of wood”), erzeugen raue Oberflächen, doch die Aufmerksamkeit wandert bald auf eine Ebene der Zwischentöne, die geneigten Hörern den Boden unter den Füßen wegziehen kann - unterschwellig bedrohlich (“R last”, “Tastetouch”), zuweilen auch euphorisch wie bei “Handsome Used”, in dessen idyllisches Intro plötzlich eine leiernde Bassmelodie plumpst, die irrlichternde Modularwölkchen und Gitarrenplinks magnetisch anzuziehen scheint - do ghosts have the right to children? Einmal gehört, will dieser betörende Track nicht mehr aus dem Ohr. Genauso die Flötenmelodie von “Like the clouds, like the sky”, die wie Wetterleuchten über den Horizont geistert, um nach ein paar Sekunden wieder zu verschwinden - eins der vielen kleinen Geheimnisse auf dieser vielschichtig angelegten, wundervollen Platte. www.city-centre-offices.de Ö •••••

CAY TAYLAN - SU [COUCH RECORDS - SOULFOOD] Alle, die dachten, dass Wiener Producer der Musikwelt nur Kaffeehaussounds zu bieten hätten, haben sich mächtig geirrt. Denn mit Cay Taylans Debüt Album “Su” wird nun der anspruchsvolle Dancefloor in Wallung versetzt. Ein bunter Hund, würde ich sagen. Seine extraordinäre Mischung aus orientalischer Afro-Haarpracht, Dj-Sets mit Bauchtanzeinlagen und souligen Vocals machen “Su” (türkisch für Wasser) so außergewöhnlich und besonders. Obwohl er bereits auf drei Vinyl-EPs zurückblicken kann, ist Cay Taylan doch ein neues Gesicht im internationalen Musikgeschehen, das sich sehen lassen kann. Easy Listening mit Stimmungshoch. NATASCHA •••• SKETCH SHOW - LOOPHOLE [CUTTING EDGE/14278 - IMPORT] Zu Besuch bei zwei alten Helden. Sketch Show sind Yukihiro Takahashi und Haruomi Hosono, zwei Drittel vom Yellow Magic Orchestra, die seit geraumer Zeit dabei sind, als Sketch Show voll durchzustarten. Im Gegensatz zu anderen in die Jahre gekommenen Helden, läuft bei Sketch Show alles rund. “Loophole” ist ein Killer-Album. Unglaublich starke Songs, die sehr zurückhaltend modern produziert sind. Nicht im Sinne von “wir machen jetzt mal Dance, das finden die Kids geil”. Sketch Shopw muss man sich eher so vorstellen, dass zwei ältere Herren MAX/MSP im Schlaf beherrschen, sich mit ein paar Vocalisten zusammentun, einen Remix bei Safety Scissors und Cornelius einkaufen und Popmusik im besten Sinne machen. Sehr feinteilig und detailliert produziert, weder altbacken noch angeberisch. “Chronograph” würde sofort von Null auf Eins in die Charts gehen, wenn nur jemand ausserhalb von Japan davon wüsste. Bitte setzt alle Hebel in Bewegung und schnappt euch dieses Album, zahlt Importzölle, rennt zum Paketamt, völlig egal. Diese CD darf in keinem Regal fehlen. THADDI ••••• EARZUMBA - FLORECE ESCONDIDO / HERMOSO MOVIMENTO [DIALSINFIN] Endlich. Eine Platte (ähem, CD) aus Argentinien, die mit Leichtigkeit etwas schafft, dass so eigenwillig wie skurril ist und nirgendwo anders her kommen könnte als aus Argentinien. Collagierte Soundtracks, die sich nie lange bei einem Thema aufhalten und Geräusche und Musik für ein und dasselbe halten, zurecht, Stimmen und Atmosphären durcheinander wirbeln als wäre die einzige Logik, die hier alles zusammenhält die eines Albtraums, in dem nichts einen festen Halt haben muss, aber dennoch alles so intensiv eine Logik bildet, die man nur schwer fassen kann, einem durch die Finger rinnt, die aber trotzdem selbstverständlich ist und dabei mehr Bedeutung transportiert als einem lieb sein kann. Extreme Platte, aber nicht etwa, wie ihr vielleicht jetzt denken könntet, düster oder so. Nö. Einfach nur gewaltig im Sound und so vielseitig, dass man alle Schattierungen der Medien hören kann, die Argentiniens Strassen und Radio/TV Wellen so bewegen. Sehr seltsam und von mal zu mal spannender. yovibro.tripod.com.ar BLEED •••••

Errorsmith: Near Disco Dawn Errorsmith 03 CD (D CD @ ¤ 12,50)

43901

The third Errorsmith release contains a selection of live recordings made between 2001 and 2003 in various clubs and concert venues like Ulraschall in Munich, WMF in Berlin or Empty Bottle in Chicago. Most of the tracks on this album are interpretations of classic disco and r'n'b songs. Digitally synthesized, distorted and filtered clubmusic which goes far beyond its origin. Less abstract and much more dancefloor compatible than the two previous Errorsmith releases this album relates closely to stuff from Smith n Hack and MMM, projects which Errorsmith is part of as well. The live sets were played on a laptop with a selfbuild digital live tool, a combination of a simple sequencer and a synthesizer. Errorsmith uses this tool to manipulate both the rhythmical pattern and the triggered sounds in realtime. With a huge degree of freedom in playing his instrument, two gigs were'nt the same and a gig had its highs and lows. How different a track could be played out, can be heard on the two versions of "Near disco dawn" and "In a sweat". Initially planned to be released as studio versions, Errorsmith decided to keep the rawness, incompleteness and live feeling of the concert recordings. (vinyl version to follow!)

Theo Parrish: The Twin Cities EP

Randolph: About Last Night

Harmonie Park 007 (US 12" @ ¤ 9,00) ultra deep & slow upbuildin' Detroit house grooves 43855

Mahogani M 9 (US 12" @ ¤ 10,00) laid-back jazzy deep house w/s male vocals 43940

Jersey Devil Social Club: Homage at 121 BPM

Hieroglyphic Being: Machines For Lovers EP

Environ 018 (US 12" @ ¤ 8,00) long upbuildin' minimal disco flav. deep house grooves w/ A. Donatella on vox. 43931

Spectral Sounds 012 (US 12" @ ¤ 8,50) raw + beautiful classic Chicago tracks AN ESSENTIAL MUST HAVE! 43505

Daniel Bell: Lost Traxx EP Klang 015 (D 12" @ ¤ 8,00) timeless Chicago tracks school rooted minimalism - "guaranteed fresh" - TIP! 18344

Adonis pres. Hieroglyphic Being: IF Mathematics 003 (US 12" @ ¤ 8,00) brilliant resfreshing advanced acid 5 track EP 38217

Jori Hulkkonen: Keys of Life Remixes Keys of Life 011 (Euro 12" @ ¤ 8,00) late 80s Todd Terry alike groovin' acid club anthem, b/w acid vocal ver43351 sion - HIT!

Paperclip People: Throw / The Climax (PCP Vers) Planet E 65275 (US 12" @ ¤ 8,00) reissue of two classic Carl Craig prod. Detroit techno house tracks 43620

Theo Parrish, T. Ollivierra: Back In The Middle rmxs. Dynamite Soul 704 (US 12" @ ¤ 8,50) deep 6 soulful detroit house grooves, also w/ DJ Genesis mix 42791

Backdraft: Filter EP End To End 010 (US 12" @ ¤ 8,50) DJ friendly straight ahead hard techno b/w smooth atmospheric D-house trks 43937

Ultramarine: Hooter - Carl Craig MXS Real Soon 003 (UK 12" @ ¤ 8,50) re-issue of legendary CC remix, incl. unreleased bonus take + orginal tune 43044

S. Poindexter & Hieroglyphic Being: My Life As A Skinny Puppy

Africans With Mainframes: Save The Robots EP Mathematics 005 (US 12" @ ¤ 9,00) noisy pure Chicago old-school tech tracks w/s vocoder vocals 42069

Skatebard: Skycity

THE MEN YOU`LL NEVER SEE [CLONE/CD4 - CLONE] Adult, Dexter, D.I.E., Perspects, I-F, Drexciya, Alden Tyrell, Glass Domain, Duplex, The Other People Place, kurzum, die ganze erste Garde von Elektroacts, die Clone zu bieten hat, trifft sich hier mit durch und durch bekannten Tracks auf einer Compilation, die einfach mal klarstellen will, wer in Bezug auf Elektro das Ruder in der Hand hat, aber natürlich auch eine Reminiszenz an Drexciya sein muss, dem alle der hier auftauchenden Beatmaster und verschrobenen Analogliebhaber etwas schulden, und gerne. Je stranger die Tracks, je mehr sie dennoch dabei diese Stimmung zwischen galaktisch dunklen Beats und quirlig perlend changierenden Sounds schaffen, desto besser ist das auch, und eben das können hier ja fast alle. Schöner Überblick. www.clone.nl BLEED ••••-••••• JACEK SIENKIEWICZ - DISPLACED [COCOON RECORDINGS - INTERGROOVE] Klar, die CD beginnt mit der Auskopplung “Dream Machine”, einem Track, der einfach immer besser und immer schöner wird, je öfter man ihn hört, und sie hält dann auch, was dieser Track verspricht, denn obwohl Jacek aus einer klassischen Technoschule kommt, weiß er doch, wie man jeden Track mit ein paar Handgriffen so poliert, dass er nicht nur lässig und straight kickt, sondern in den Sounds eine gewisse Überraschung hat, die die Stücke lebendig werden lässt, die Ideologie des modulativen Minimalismus völlig überraschend zu neuen Ufern führt und dabei trotzdem irgendwie Klänge benutzt, die man sonst eher auf Elektronika-Platten finden würde. Digital, klar, aber ebenso wuchtig und tief wie seine frühen Recognition-Stücke. 9 Tracks, die Techno feiern als seine Auferstehung. www.cocoon.net BLEED ••••• AMMER + CONSOLE - UNDERCOVER-HÖRSPIEL PT. II [CODE/07 - HAUSMUSIK] Verdammt nochmal, ich mag das. Ammer und Console unterlegen wundervoll bizarre O-Ton-Reportagen (Folge deiner Liebe!) mit herrlich zurückhaltenden Tracks. Vielleicht mag ich das so, weil die Stimme des einen Teilnehmers ungefähr so klingt wie das Sample einer alten “Some More Crime”-Platte. Vielleicht aber auch, weil die ganz subjektiven Geschichten, die, die “Detektive” erzählen, einem irgendwie unter die Haut gehen. Sehr fein. Und die Musik sowieso. THADDI •••••

Mathematics 004 (US EP @ ¤ 8,00) distorted & noisy pure Chicago techno oldschool & fresh at the same time! 40672

Keys of Life 010 (Euro 12" @ ¤ 8,00) absolute brilliant 90s uplifting + warm spaced out sounding Detroit techno 43350

ENCRE - FLUX [CLAPPING MUSIC/004 - TARGET] Sehr manische und doch hoch sympathische elektronische Chansons von Yann Encre, der anstatt des Symphonieorchesters Budapest einfach seine StreicherSamples benutzt, wunderbar orchestriert und seine Texte, irgendwie flüsternd, fast schon rappt. Dabei klingt alles natürlich schon elektronischer als die mittlerweile glatt geleckten Produktionen des neuen französischen Chanson-Szene. Aber genau das macht es dann natürlich spannend. Acht wundersam verwunderliche Tracks. Unbedingt checken. www.clappingmusic.com THADDI ••••

Fancy Robots: South of The Sun, North of the... Keys of Life 005 (Euro 12" @ ¤ 8,00) a brilliant retro-esque vocoder - electro 4 track EP 43303

Diese Liste kann nur eine Auswahl aus unserem Angebot sein. Wenn diese Liste vom Drucker kommt, sind manche Platten vielleicht schon vergriffen und andere wieder neu reingekommen (wir setzen nur Platten in die Liste, die wir zu dem Zeitpunkt des eintippens auch wirklich am Lager haben!). Deshalb bei Bestellung bitte möglichst Ersatztitel angeben. Normalerweise bekommen wir jeden Tag Lieferungen mit Neuheiten oder Nachbestellungen. Bestellung telefonisch oder schriftlich und bitte die Bestellnummern angeben. Preisangaben unter Vorbehalt (Einzelne Tippfehler können bei den Preisen genauso wie bei Titeln oder Labels vorkommen). Versand erfolgt per Nachnahme oder Bankeinzug mit Paketpost. Innerhalb Deutschland berechnen wir als Versandspesen pauschal: Paketpost standard NN: ¤ 9,74 (dazu kassiert die Post noch ¤ 2,00 NN Gebühr) / Paketpost Bankeinzug: ¤ 5,56 (eine Standardsendung sollte normalerweise innerhalb 48 Stunden ankommen). Bei einem Rechnungswert über ¤ 150,übernehmen wir die Versandkosten für Standardsendung (nur Inland). Expressversand ist gegen Aufpreis möglich. Wenn eine Lieferung durch Verschulden des Empfängers zurückgeht, müssen wir die entstandenen Porto- bzw. Rückportokosten berechnen. Großhandelsanfragen sind willkommen. Nachdruck oder Vervielfältigung dieser Liste (auch auszugsweise) ist nicht erlaubt.

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INTUIT - INTUIT [COMPOST/165 - UNIVERSAL] Jazzthing-Kollege Axel Stinshoff brachte es mit den Worten “Das Beste vieler Welten ohne jegliche pluralistisch-populistische Beliebigkeit” auf den Punkt. Danke! Bedanken sollten Freunde der tiefen schwarzen Klänge sich aber insbesondere bei Thomas Braun und Till Maragnoli, die auf ihrem Album-Debüt eine von Jazz, Soul, Afro, Brasil und Funk geprägte Sonne aus ihrem Freiburger Studio scheinen lassen, ohne OzonKopfschmerz zu verursachen. All die Gäste aufzuzählen, die ihre Instrumente und Stimmen beisteuerten, würde hier den Rahmen sprengen. Klar ist jedoch, dass trotz der Verwendung von moderner Technik und kontemporärer Beatprogrammierungen sich eine homogene Wärme durch das Album zieht, welches in Bezug auf Konzept und Tiefe echte Maßstäbe setzt. So kommen sicher auch Inspirationen aus dem Clubkontext, wo sie wie die neue Wewa-Version (vergl. Compost 100) z.T. auch noch funktionieren, schmiegen sich hier aber primär beinahe gänzlich in einen besseren Alltag. Bloß nicht zappen! M.PATH.IQ ••••• V/A - COOKIN’ CHOICE CUTS [COOKIN’/01 - ZYX] Die neue Cookin’-Compilation ist ein Back-CatalogueSampler. Und tatsächlich muss man manchmal so ein bisschen an früher denken. Als Eis-Werbung noch Lust gemacht hat auf heiße Sommer und die farbenfrohe Bademode der 1970er Jahre. Ab und zu spült eine Welle Big-Band-Appeal den Samba an den Strand, auf dem herumzulungern - unter funkelnden Sternen - man sich wünscht, während man zur imaginären Kühltasche greift, um noch einen Eiswürfel rauszufingern und ihn

TO ROCOCO ROT - HOTEL MORGEN [DOMINO/137 - ROUGH TRADE] Die Berliner Elektronika-Supergroup To Rococo Rot nähern sich nach den Dubausflügen mit I-Sound wieder dem perfekt durchdesignten, perlenden Pop ihres großartigen “The Amateur View” Albums an. Vielleicht nicht ganz so schwelgerisch in den Sounds, verbreiten die vierzehn Tracks eine ruhige analoge Wärme, die sich sanft durch alle Stilrichtungen zieht, egal ob geschaffelt, four-to-the-floor oder dezent angebreakt. Dabei wirken die Tracks so einladend wie introvertiert, so fragil wie zwingend. Sehr schön das Ganze. SVEN.VT ••••• NEW YORK CITY SURVIVORS - STATIC LIGHT [DUM - NEUTON] Dum`s Hochzeiten scheinen schon lange her zu sein, aber in letzter Zeit meldet sich das Label wieder mit überraschenden Releases wie z.B. diesem Album der Kids aus Turku, die eine merkwürdig darke Version von Elektro entwickeln, die so verzweifelt klingt, dass man eigentlich nur noch über das strange Englisch der Finnen lachen kann. Gerne geflüsterte Vocals. Stringballaden in tackernd ambientem Sound, der auch schon mal digital werden kann, und sich über die Länge des Albums dann glücklicherweise nicht ganz so düster ausbreitet, wie man zunächst vermuten mag. Typisch Finnische Verzweiflung, würden wir sagen. Unterkühlt, aber dennoch mit einer gewissen Wärme. Eine CD, die auch ehemaligen Grindfans gefallen könnte. BLEED •••-•••• FREDERICO AUBELE - GRAN HOTEL BUENOS AIRES [EIGHTEENTH STREET LOUNGE MUSIC - ROUGH TRADE] Hiermit kann ich meinen Flug nach Südamerika stornieren und Geld sparen. Wem ist es zu verdanken? Dem Frederico Aubele mit seinem Debüt Album “Gran Hotel Buenos Aires”. Der gebürtige Argentinier hat es geschafft, das Thievery Corporation Label mit Hilfe seines Haupt-Instruments, der Gitarre, von sich zu überzeugen. Die haben sich dann mit ihm zusammengetan und sogar Thievery Corporation selbst sagten zu, das Album zu produzieren. Raus kam ein Soundhotel, das lateinamerikanisches Gitarrengeklimper, Dub-Elemente und verführerische, spanische Vocals beherbergt. Der leichte Tangoeinschlag lässt zeitweise an den Soundtrack von Twelve Monkey erinnern. Trotz des vorprogrammierten Sommerfeelings stellt sich nach einer Weile eine hypnotische Gleichgültigkeit ein. Was schade ist, denn man hätte ganz leicht mehr Rhythmus reinstecken können. Und was überhaupt nicht geht, ist die Wahl des Coverfotos. Frederico Aubele erinnert eher an einen argentinischen Fußballspieler, als an einen Musiker. Vielleicht liegts an den “Schneckerln” (Haarlöckchen). NATASCHA ••••-••• ANNE LAPLANTINE - DICIPLINE [EMPHASE RECORDS - HAUSMUSIK] “Über sieben Brücken musst du gehen” ist so gar nicht Anne Laplantines / Angelika Köhlermanns Style. “Hinter den sieben Bergen bei den sieben Zwergen”, da fühlt sie sich wohl. Ihr bröckeliger Folk aus heimgespielter Orgel, Flöte, Glockenspiel, Elektronik und allem Sonstigen, was sich wie Schalmeien im Herzen des Bauern anhören kann, ruft ein Rückzugsparadies nach dem anderen auf, eins weniger an Dominanz und Macht interessiert als das andere. Ist das die Harmonie hinter der Harmonie-Lehre? Schön wär’s, aber auch ganz schön anstrengend auf Dauer. Das zittrig verhuschte Beschwören eines Dorf-Idylls, durch das Jacques Tati, Chantal Akerman und im schlimmsten Fall Marc Chagall huschen, kann einem in seiner rigorosen Weltverweigerung ganz schön auf die Eier gehen (wie die pubertierenden Töchter meines Nachbarn sagen). Bitte, Anne, gebier doch mal Monster. JEEP •••• ERRORSMITH - NEAR DISCO DAWN [ERRORSMITH - HAUSMUSIK] Neun Livetracks bei diversesten Partys mitgeschnitten, die allesamt eine verdammt gute Übersicht geben, warum Errorsmith eigentlich so rocken kann, dass einem die Ohren wegfliegen und kompromisslos schreddernd zerhackt, aber dennoch irgendwie massiv eine

der merkwürdigsten Technokeulen ist, die man sich so vorstellen kann. Einfacher als die EPs und stellenweise schon sehr verzerrt haben die Tracks aber dennoch ein gewisses Liveflair und wirken deshalb vermutlich auch etwas weniger aggressiv als vielmehr durchzogen von dem Flow den so ein Set manchmal am Abend bekommen kann und dürfte damit auch was für Neueinsteiger sein. BLEED •••••

Garcia, Don Matias, Soul Vigilantes und Open Foraina zudem alles zusammen, was Funk, Flamenco oder anderes Temperament im Blut hat und jedem Freestyler dringend zugänglich gemacht werden sollte. Als echte Granaten stellten sich in einigen Pretests etwa Casbah 73s The Way I Am, Der Heavy Üsker Remix von Cesar Mariano und Javi P3Zs Futbol-In heraus. Definitive Compi des Monats. www.hitoprecords.com M.PATH.IQ •••••

PARADISCO 3000 PRESENTS - CHICAGO BOOGIE [ESKIMO RECORDINGS] Eine der besten Klassiker Rereleases des Jahres mit Tracks von Virgo, Adonis, Fingers aber auch Liquid Liquid und diversen unbekannteren Leuten von frühen Discolabeln und Chicagohouse-Legenden. Brillant vor allem, weil es eine Menge an Tracks wieder ans Licht bringt, die bestens zwischen die Neodisco und Oldschoolrevival Szenerie passen, die den Dancefloor ja eh beherrschen, und einfach fast alle total frisch klingen. Zur Mix-CD gibt es auch noch eine 4er Vinylauskopplung. BLEED •••••

HENRIK RYLANDER - TRADITIONAL ARRANGEMENTS OF FEEDBACK [IDEAL] Wundert euch nicht, der Titel ist relativ ernst gemeint, und die CD dazu (übrigens von einem der früheren Union Carbide Productions Mitglieder) klingt dann brummend perkussiv, wie manch frühe Panasonic Tracks, haben aber weniger den Effekt, nahezu halluzinierend auf der Stelle zu graben, sondern wollen mit diesem Sound dann schon irgendwie rocken. Jedenfalls manchmal. Wer Verzerrungen über alles liebt, für den dürfte das eine perfekte Unterhaltung sein, manchmal aber wird es einem dann doch ein wenig zu bröselig. www.idealrecordings.com BLEED ••••

FAT JON THE AMPLE SOUL PHYSICIAN LIGHTWEIGHT HEAVY [EXCEPTIONAL RECORDS - ROUGH TRADE] Fat Jon hat zwar mal als Five Deez ein paar HipHop Platten gemacht, also Platten auf denen Scratches und MCs zu hören waren, sich daneben aber schon immer, zum Beispiel auf seinen Instrumentalscheiben bei Mush, bemüht, etwas anderes als klassischen HipHop zu machen. Kein Wunder also, dass er letztes Jahr auf Poles Versuch, mal was Fetzenderes zu machen, gerappt hat. Rappen kann er zwar auch, im Produzieren ist er aber definitiv talentierter, wie man auf dieser Platte auf dem britischen Label Exceptional, hören kann. Sehr lieblich, kuschelig und schläfrig geht es hier zu, schwadronierende Pianos, lumpfige Drums und über allem ein nahezu esoterisch wohliger Vibe. Ein wahrscheinlich mit Tranquilizern aufgefüllte Frau säuselt so was wie “talk to me i’m ready”, wahlweise auch nur eine bedeutungslose Silbe und es plätschert weiter vor sich hin. Es bedarf wohl einer gewissen Sensibilität, um die wahre Größe dieser Grooves fühlen zu können, um das Hören geht es hier ja eigentlich nur sekundär. Wirkt wie ein sanfter und seichter musikalischer Angora-Pulli. www.exceptionalrecords.co.uk CAYND •••• HOLKHAM - KOMATTA SARU [EXPANDING RECORDS/14:04 - CARGO] Etwas zu ziellos für meinen Geschmack schlendert Holkham mit seinen Soundscapes hier durch die Gegend. Schade das, denn zwischendrin leuchten immer wieder kleine, feine Tracks auf, die in ihrer verbrutzelten Wärme durchaus alles klar machen können. Was diese komischen Interludes jedoch sollen und die anderen, schlicht daddelig schlechten Tracks, leuchtet mir nicht so ein. Wir geben die Hoffnung aber nicht auf. Holkham ist jemand, der viele eurer Lieblingsspots vertont hat und die Spur bestimmt noch findet. Zunächst wäre eine EP völlig ausreichend gewesen. Und die wäre Killer gewesen. www.expandingrecords.com THADDI ••••-•• KAZUMASA HASHIMOTO - EPITAPH [FLYREC/06 - IMPORT] Kaum hat sich Welt rund gewundert über das neulich auf Plop erschienene Album des Japaners, schon legt er mit Epitaph das nach, was so gar nicht nach dem klingt, was der Titel fast protzig andeutet. Doch dick aufgetragen ist bei Hashimoto nichts, seine einzigartigen Piano-Spielzeug-Flöten- oder Gitarren-Glockenspiel-Arrangements mit zierlichen field recordings lassen Wolken erröten und Blitze erbleichen. Alles klingt so unglaublich nach Frühling im Herbst und Frieden im Herz, dass ich behaupte, dass bei dieser Musik sogar das scheue Reh im Wald verwundert den Kopf zur Seite neigen und gespannt zuhören würde. www.flyrec.com ED •••• SUBJEKT - DIRECTION CORRECTION [FREERANGE - GOYA] Wer nach Come On nun weitere techy Stepper der cleveren Art erwartet, darf sich zumindest auf Albumlänge vom nach wie vor anonymen Subjekt überraschen lassen. Da wird geloopt, gejazzt und zuweilen gar gedownbeated. Doch egal wie er es dreht und wendet, bleibt ein minimaler bis clickender Produktionsstil, der ein Dach über das vielseitig verwendbare Konzept hebt. So lassen sich die ersten Sommersonnenstrahlen genießen. Wem das zu wenig nach vorne geht, suche besser gleich die zweite Maxi zum Album. Be My Chicago hat die Richtung schon im Namen, an der sich dann auch Atjazz und Gerd austoben. M.PATH.IQ •••• FUZZY BOOMBOX V.2 [FUZZY BOX RECORDS/029] Dieses Label aus Philadephia ist hierzulande ja nicht wirklich bekannt, was schade ist, denn die Sammlung von Tracks auf dieser Compilation zeigt, dass sie einiges zu bieten haben, was völlig losgelöst von den klassischen Genres irgendwie immer verdammt sweete oder einfach nur verstörte Musik ist, die viel Melodien kennt, gerne ein wenig melancholisch oder kleinkindermäßig wirkt, aber irgendwie dennoch so lässig vor sich hintreibt, als wäre für Fuzzybox eigentlich das ganze Jahr Frühling. Mit dabei Stars As Eyes, Orange Cake, Celsius, Ma Cherie For Painting, Amp, Manhatten Hands, Velma und viele andere, die es erst noch zu entdecken gilt. Sehr schöne Compilation, die viel frischen Wind verbreitet und jeden sterbenden Electronica Fan doch wieder überzeugen könnte, dass es eine Zukunft gibt. www.fuzzybox.com BLEED ••••• RODNEY HUNTER - HUNTER FILES [G-STONE - SIB] Der Teaser zum nahenden Hunter Files-Album bringt Wiens „neuen” Darling direkt auf den topwomanized Floor. Eingedenk des Namens Electric Lady auch irgendwie konsequent. Ein verschleppter Boogie, eine Slap-Bass-Linie, ein paar euphorisierendend oszillierende Synths und ein paar Vocals. Fertig ist die Laube. Dazu gleich drei Remixe von ein paar Freunden: Zunächst Madrid de los Austrias, die den kurzen, aber sehr effektiven Weg zum beinahe discoiden House gehen. Ein kleines Funk-Gitarrenlick und es groovt wie Sau. Fort Knox Five haben eher den Funk und entsprechende Beats im Sinn. Geradezu schlicht und deep kommen noch die Gebrüder Haaksmann daher. Ein paar Piano-Spielereien und die Girls träumen sich in Deinen Arm. M.PATH.IQ •••• V.A. - HEIMAT / HEIMATLOS [HALLO/02 - EIGENVERTRIEB] Die zweite Hallo-Compilation schlägt wie die Macher des Labels (Annette Sihler und Jörg Franzmann) die Brücke zwischen Frankfurt und Berlin. Das macht sich sowohl in der Auswahl der Künstler, wie auch durch das Motto „heimat / heimatlos” bemerkbar und beschert uns damit schon die zweite schöne CD, die sich stärker als das Debüt noch mehr jeglichen Track-Konventionen entzieht. Am Anfang steht ein Stück von Psibot (alias Peter von Liebe ist Cool), das nur aus Sprache und Atmosphären-Sound besteht, gefolgt vom eher indietronischen „home is where i don’t wanna be” von Catarina Pratter und einem polterigen Track namens „plural”, den Fym von Boogizm beigesteuert hat. Dann ein Hauch von einem Track vom Lunatik Sound System, kaum hörbar, unendlich leise, bevor dann Frankie Patella mit Stadiongesängen vorbeihallt und Margarethe Neumann mit freundlichem Minimalhouse den Spagat zur -im Vergleich zu den vorhergehenden Experimenten - fast konventionellen elektronischen Musik vollzieht und FFWD und Peter Schumann die Zusammenstellung mit einer melancholischen Click-Housenummer abschließen. Vielfältig also, diese Compilation und nicht weniger frisch als das Debüt und ebenfalls wieder mit visueller Ergänzung: Wahlweise gibt es noch eine Video-CD oder eine VHS mit Visuals von Jörg Franzmann dazu. Allerdings nach wie vor im Eigenvertrieb, zu beziehen über: www.hallo-label.de LUDWIG •••• V.A. - SPAIN IS DIFFERENT [HITOP/015 - IMPORT] Auf dem Label der Madrilenen ist seit den ImprovistoCompilations und einigen feinen 12”s Expansion angesagt. Anders kann ich es mir kaum erklären, dass sich plötzlich Namen wie Quantic, Concha Buika, Wagon Cookin´ und Rainer Trüby auf einem Sampler wieder finden. Während Letzterer amüsante Liner-Notes beisteuert, die sich unter anderem über die Adaptionsfähigkeit der von uns so wertgeschätzten BallermannTouristen auslässt, tragen die anderen gewohnt musikalisch ihren Teil dazu bei, dass Spanien auch anders bleibt. Label-Chef El Gran Lapofsky brachte mit Ruben

GENESIS P. ORRIDGE & ASTRID MONROE - WHEN I WAS YOUNG [IMPORTANT/035 - TARGET] Klar klingt das für einige nach einer albernen mélange aus puffiger Baratmosphäre, nahezu banalen Michael Cretu-Synths und Beats und einem nasalen Gewimmer, das bei TG und PTV natürlich blendend funktioniert hat, bei Thee Majesty eventuell schon angefangen hat, den ein oder anderen zu nerven und nun vielleicht endgültig im Sumpf der Belanglosigkeit angekommen zu sein scheint. So hart darf man aber mit diesem Menschen, der mehr erlebt hat alles viele andere und nun sein drittes Erwachsenwerden erlebt, nicht umgehen. Schließlich kann Mr. P. Orridge im Gegensatz zu so vielen anderen Nichtssagern erzählen bzw. braucht nur ein- zweimal im Track überhaupt den Mund aufzumachen, um so große Zeilen wie ‘I’m losing my virginity as I speak’ und ‘Everyone is telling the truth all the time’ loszulassen, um ständig auf mehr zu deuten als die oftmals banale Musik vermuten läßt. Auf die Frage, ob P. Orridge noch immer mit dem Satan persönlich verbündelt ist, gibt das Album übrigens nur zweideutig eine Antwort. www.importantrecords.com ED ••-••••• THE RIP OFF ARTIST - NEW CLEAR DAYS [INFLATABL/05 - WESTBERLIN] Wir gratulieren dem Rip Off Artist zunächst zu seiner mittlerweile 10. LP und zum besten Presseinfo aller Zeiten. “Confused About Atomic Energy? So is The Rip Off Artist.” Genau. Die Tracks sind dann alles andere als verwirrend, sondern im Gegenteil schwer kickende Shorties, die ihre Magisterarbeit offenbar über die Zerstörung des Grooves bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Rave-Kompatibilität unter dem Schleier der Arbeitsgruppe für ein besseres Morgen gemacht haben. Will sagen: Pigeon-Funk ist nicht mehr allein. Und die Vorstellung macht mich glücklich, dass da auf diesem amerikanischen Kontinent plötzlich neue Koalitionen aufblühen könnten, deutlich vor dem November. Kleinteiligster Killer-Klicker-Funk mit Tracks, die als Album deutlich überzeugender funktionieren als sein letzter Longplayer für Vertical Form. Und wenn die Ampel rot ist, muss man eben mal kurz anhalten. So legt das Album mittendrin eine sehr kaputt-flächige Pause ein, bevor alle entsetzt auf die Uhr schauen und merken, dass bald Curfew ist. Was dann passiert, könnt ihr euch sicher vorstellen. Mit “New Clear Days” sollte jeder Japaner aufstehen. www.inflatabl.com THADDI ••••• MOTORCITYSOUL - DID YOU EXPECT THAT? [INFRACOM/113 - SOULFOOD] Wer unter Motorcity nur Detroit versteht, dürfte sich wundern, wenn er erfährt, dass Matthias Vogt aus Rüsselsheim kommt. Dort nahm der [re:jazz]-Mastermind, der zudem als DJ Matt (Remixe für Die Sterne, Hacienda, Blaze, Aromaba...) aktiv ist, nun sein elektronisches Debüt auf. Das war soweit irgendwie zu erwarten. Doch die Dosis an absolut intelligentem Pop, die auch dann, wenn eben doch ein Hauch Detroit oder anderes Progressives durchschimmert, das Szenario bestimmt, scheint symbolisch für den aktuellen Sound bei Infracom zu stehen. Der ist vordergründig gelauscht nicht unbedingt der eines durchschnittlichen De:Buggies, vermittelt aber mit Seele und Verstand zwischen den Welten. Denn für unsere wiederum durchschnittliche Radio-Landschaft etwa wäre das hier ein kaum zu erhoffender Fortschritt. M.PATH.IQ •••• BUGGE WESSELTOFT - FILM ING [JAZZLAND - UNIVERSAL] Eine neue Scheibe vom norwegischen Jazzheroen persönlich nehme ich immer mit einem besonderen Funkeln in den Augen auf. Erinnerungen an eine beindruckend herzliche Persönlichkeit und einen leidenschaftlichen Performer werden wach. Insofern bin ich sicher nicht unvoreingenommen, als die CD dann endlich rotiert. Aber Gott sei Dank ist das hier auch kaum notwendig. Denn er beschreitet weiter unbeirrt seinen Weg der New Conception Of Jazz, zeigt sich beinahe entspannt housy, vielschichtig spielverliebt oder eben auch beinahe meditativ erhaben. Mit dem Saxophonisten Joshua Redman, dem Vokalisten Dhafer Youssef und der Folksängerin yonn Groven hat er sich wieder spannende Reibungspunkte geschaffen, die seinen Fluss neuer Ideen nur noch breiter und tiefer machen. M.PATH.IQ •••••-•••• EIVIND AARSET - CONNECTED [JAZZLAND RECORDS] So langsam gibt es wirklich eine sehr ernstzunehmende Verschmelzung von digitalen Elektronikern und Jazz, erst Tilman Ehrhorn und jetzt Eivind Aarset, die aus einer Improvisationsschule kommend plötzlich so deepe clickende Soundtracks machen, dass man aus dem Staunen nicht mehr rauskommt. Brillante Musik, die irgendwie ebenso Oval wie Electronica ist, komplexe aber lässige Jazzbeats testet, oder verschrobene, durch die LFOs gejagte, dunkler puliserende Essenzen heraufbeschwört und dann auf einmal völlig abgehangener Swing ist. Ein Album, das vor allem eins will, den Freiraum für sich beanspruchen, mit jedem Track eine ganze andere Welt zu erforschen und das macht es auch perfekt. BLEED ••••• JE M’APELLE MADS - MUSCULATURE DE POMMES FRITES [JENKA] Ouch. Das Cover ist wirklich reinster Bad Taste. Däne mit sovielen alten Synthesizern (oder sie sind halt gefaked, ist uns doch egal), dass einem ganz bunt vor Augen wird, wenn er erst mal loslegt und den funkig skurrilen Alleinunterhalter rauslässt, dazu auch noch singt (äh, ja, Dänisch) und uns sehr professionell auffordert, es ihm gleichzutun, und wenn wir schon die Standardtänze nicht auf 45 tanzen können, dann doch wengistens vor lauter Glück lospfeifen. Loungetracks wie gesagt, manchmal sogar richtig jazzig und abgeschmackt, meist aber eher abgehangen wie ein abgestochenes Kuscheltier, dessen Füllperlen über den leeren Tanzboden einer Discokugel-beschienenen Plüschdisco rollen. Ach. Nett. Sehr nett. www.jenkamusic.de BLEED ••••• ERLEND OYE - DJ KICKS [!K7 - ROUGH TRADE] Dieses “Norwegian Wood” brennt gut in den noch vorhandenen Kohleöfen von Berlin-Mitte, und unter den im Berliner Szene-Touri-Spot “White Trash” glühenden Herdplatten sowieso. Dort und anderswo hat sich der zugezogene norwegische Brillenhüne in die Herzen der Mitte-Crowd gespielt - mit seinen DJ-Sets bringt er ihre asymmetrischen Frisuren in Wallung. Erlend Oye erfindet den Kneipen-DJ neu und fordert zugleich die Club-Orthodoxie mit drolligem Dilettantismus heraus. Richtig mixen kann er nicht, aber das ist nicht wirklich schlimm, denn seine in extenso eingesetzte Stimme kompensiert die Turntable-Fremdelei hinreichend. Insgesamt neun neu eingesungene Songs finden sich hier, darunter u.a. Coverversionen (ja, so nennt man das wieder) von Morgan Geists “Lullaby” und von Adas “Luckycharm”. Oyes Stimme klingt, wie man es von seiner Band “Kings of Convenience” kennt: romantisch, schwelgerisch, traurig-fatalistisch. Die Leute wollen was fürs Herz, heutzutage. Toll ist das vor allem dann, wenn der Gesang die Trailerfunktion übernimmt und das nächste Stück ankündigt. Ansonsten hört man Sexuelles (Avenue D) und Sprödes (Villalobos), Populistisches und Privates, aber auch neokonservative Nervkandidaten wie The Rapture. Auch wenn dies schätzungsweise die siebenundneunzigste Mix-CD ist, die


• = NEIN / ••••• = JA

mit Jürgen Paapes “So weit wie noch nie” eröffnet - schöne und gelungene Ereignisse gibt es trotzdem mehr als genug. ARAM ••••

for the Years to come” geht es ums Utopische, um ein anderes Leben in einer noch namenlosen Zukunft. Verstärkt wird dies diesmal durch zahlreiche digitale Stimmmanipulationen: Die voluminösen Hebungen in Langes Stimme scheinen eine messianische Zeit anzurufen. Neben einigen wirklich gelungenen Sounds und Harmonien ist es dieser Entgrenzungseffekt, dem die Platte trotz ihres oft aufdringlichen handwerklichen Heroismus einige enthusiasmierende Momente verdankt. ARAM •••-•••••

PASCAL SCHÄFER - DAWN [KARAOKE KALK/36/CD26 - HAUSMUSIK] Endlich kommt mehr von Pacal Schäfer, dessen Melody Express EP ja immer noch zu meinen Lieblingsplatten auf Karaoke Kalk gehört. Warum? Weil er einfach diesen sehr leichten klingelnden Sound hat, der in den Tracks immer wieder über unwahrscheinliche Bröckchen stolpert, aber dennoch schleicht und rasselt als wäre er das fleischgewordene Klingeln des Eiswagens in Musik. Musik, die irgendwie klingt wie ich mir Klassik vorstellen würde, wenn die sich weiterentwickelt hätte mit der Technik. Musik, die so dicht ist, dass man sie wie den Schlaf aus den Augen reiben möchte um sich zu strecken und endlich aufzuwachen in einer Welt, in der alles so ist wie es sein könnte. Eine der schönsten Platten des Jahres. www.karaokekalk.de BLEED ••••• JUNIOR BOYS - LAST EXIT [KIN/003 - HAUSMUSIK] Nach zwei großen Maxis hier nun das Album der Junior Boys, die damit wie der Prototyp der englischen Boyband der frühen 80er irgendwie genau den Nerv treffen, obwohl eigentlich alles ein bisschen komisch ist. Hat man aber Freundschaft mit den Vocals geschlossen (dauert ungefähr zwei Minuten), fühlen sich alle pudelwohl und fangen auf der Oxford St. an zu tanzen. So wie das damals auch gewesen wäre, hätten Heaven 17 eine Oktave höher gesungen und den TwoStep erfunden. Kompletter Killer! www.elektrokin.com THADDI ••••• KLIMEK - MILK & HONEY 02 [KOMPAKT/CD33 - KOMPAKT] Schöne Live-Variation des ersten Albums von Milk and Honey auf Kompakt. Zehn Pop- Ambient Songs, die mit ihrem ruhigen Gitarreneinsatz näher an folkiger, machmal ins leicht Morbide und Bedrohliche driftender Gelassenheit sind als an episch schwelgender Breite mancher anderer Pop-Ambient Releases auf Kompakt. Einige Stücke erinnern tatsächlich an eine stark polierte, digitale Version des ersten Bohren und der Club of Gore Albums “Gore Motel”. SVEN.VT ••••-••••• KEITH FULLERTON WHITMAN - ANTITHESIS [KRANKY/064 - HAUSMUSIK] “LP only” heißt es für die neue Kranky- Veröffentlichung. “Antithesis” versammelt Tracks aus den Jahren 1994 bis 2002 aus den Archiven des Gitarristen, der auch unter dem Namen Hrvatski musiziert. Im Gegensatz zu seinem Debüt “Playthroughs” verzichtet er hier komplett auf jegliche Computerbearbeitung. Er arbeitet hier zusätzlich mit Cello, Percussion und Keyboards an Musik irgendwo zwischen Drone und Improvisation. Riesige Hallräume und Verzerrer schaffen unterkühlte aber nicht unangenehme Atmosphären und kein Mensch merkt, dass die vier Stücke dieser wirklich schönen Platte im Abstand von acht Jahren entstanden sind. ASB •••• STELLA - BETTER DAYS SOUNDS GREAT [L’AGE D’OR - LADO] “Too much of everything is no good, they say”, singt Elena Lange in dem Stück “Work for Love”. Was zuviel ist, ist zuviel - mit gutem Recht könnte man das auch Langes Band Stella vorhalten. Denn das Stella-Problem ist bekannt: Es wird too much auf einmal gewollt. Stets hat man den Eindruck, als ob neben Elena Lange mit Mense Reents, Thies Mynther und (seit 1998) Hendrik Weber ein Überschuss an Ideenlieferanten bestehe. Der gemeinsame Nenner war irgendwie immer zu groß. Andererseits: Ist, wer das Maximale will, nicht immer schon im Recht? Nun, auch auf “Better Days Sounds Great” wird die Band nicht asketisch - im Gegenteil: der Masterplan ist monströser denn je. Fleetwood Mac-Softrock und Elektropop, Dronegitarren und R&B, Glam und elektronisches Groovegeknispel - alles muss rein, die Hooklines tauchen schnell im nächsten Effekt ab. Das Ganze erinnert an die multiplen Stilübungen der Neptunes - dieser hoch gegriffene Vergleich dürfte der gelegentlichen R&B-DJ Elena Lange gefallen. Wenn sich ein Indie-Gestus soviel “internationale” Professionalität anzueignen versucht, ist eine verstiegene Überambitioniertheit aber fast unvermeidbar. Weniger Ehrgeiz und Beflissenheit, dafür mehr Faulheit und Konzentrationsschwäche, mehr “I prefer not to...” hätten der Platte gut getan! Mir gefallen denn auch jene Stücke am besten, die das karge Postpunk-Paradigma fortschreiben, an dem sich ja, vergessen wir’s nicht - Stella vor all den Elektroclash-Kretins bereits 1997 abarbeiteten. Und zu den Texten: Anders als bei “Finger on the Trigger for the Years to come”, wo der NATO-Einsatz im Kosovo attackiert wurde, fehlt für politische Interventionen diesmal zwar der konkrete Anlass, dafür steht “Better Days sounds Great” im Zeichen der Gender-Politics. Gleich in der ersten Strophe erfindet sich Lange gegen die Identitätsidioten eine “The Woman with a Beard”-Ambivalenzexistenz (siehe auch www.womenwithbeards.org). Der andere Topos ist altbekannt: Wie bei “O.K, tomorrow I’ll be perfect” und “Finger on the Trigger

MISS KITTIN - PROFESSIONAL DISTORTION [LABELS] Vier Remixe dieses Tracks, der passender gar nicht sagen könnte, dass das neue Miss Kittin Album überraschend wird, einfach weil es absolut nicht das ist, was man erwarten würde. Thies Mynther und Tobias Neumann haben sie bei diesem Track (und den meisten anderen des Albums) unterstützt und herausgekommen ist ein knarziger Monstersound, der irgendwo zwischen Raumschmiere, Elektrorock und brachialem Gestus kickt, und sich wohl irgendwie mit dem Unsinn auseinandersetzt, mit dem man so als kommender Star zu dealen hat. Die Remixe kommen passend unbequem von Modeselektor und Otto von Schirach und klar lassen sich Modeselektor es nicht entgehen, die Verzerrer noch mal so richtig weit aufzudrehen und dann dennoch einen soliden Technotrack vorzutäuschen nur um hinterher Raptorenstyle über alles herzufallen. Otto, ach Otto, der ist einfach eine Welt für sich und hier pflegeleichter als je zuvor, digitaler, spartanisch und irgendwie trotzdem so verschroben wie eh und je. Monster auch, das. Obendrein kommt noch ein Kittin vs. Zdar Aka Pella und ein Video. Sympathisch, kein Wunder, Kittin weiß nicht nur, was sie will, sondern auch wie sie es erreicht, wenn soviel von ihr erwartet wird und dabei immer noch Humor bewahrt. BLEED ••••• ERAST - GOODAIR [LABROATORY INSTINCT] Nikakois neues Projekt für Laboratory Instinct, das Berlin-Japan Label, geht gleich in Riesenschritten vorwärts und ist digitaler, als man es von seinen anderen Tracks gewohnt ist, vollmundiger, folkloristischer, versponnener und irgendwie dabei dennoch so charmant, wie man es von seinen Tracks bisher gewohnt ist. Ultraschnell gerne und versessen drauf, die Beats rollen zu lassen wie eine Schale voller Anisperlen im Mund, kommt diese CD mit 6 Tracks, die vor lauter quirlig verdrehten Effekten dennoch die Finger von Geigen und ähnlichem Sound nicht lassen können. Chris Clark meets BOC auf dem Balkan, würden wir sagen. Strange, aber faszinierend mit einem Bonusfreeform Remix. BLEED ••••• BOOM BIP - CORYMB [LEX RECORDS/021 - ROUGH TRADE] Boom Bip überbrückt die Wartezeit bis zu seinem nächsten Album mit dieser Compilation von Remixen, Peel Sessions und neuen Aufnahmen und liegt, wie immer, ziemlich weit vorne. Seine neuen Tracks zeigen ihn in einer Bandbreite vom fast rockigen “From Left To Right” über das monton ambient-knisternde “Pulse All Over” bis zum verträumt balladesken “First Walk”. Remixe von Lali Puna, Boards OF Canada, Four Tet, cLOUDEAD und Venetian Snares machen dann alles klar. Das neue Album soll noch dieses Jahr erscheinen. Wir freuen uns drauf. www.lexrecords.com THADDI •••• NONPLACE ARTISTS - DIFFICULT EASY LISTENING [NONPLACE/14 - GROOVE ATTACK] Wow! Nonplace hat 15 exklusive Tracks seiner neun Projekte zusammengestellt, wobei der fünfzehnte ein Hidden Track von Flanger und Jaki Liebezeit ist. Es fällt schwer, auch nur einen davon herauszuheben, denn „Difficult Easy Listening”, das vielleicht besser „Easy difficult Listening” gehießen hätte, lässt man sich doch einfach in die Tracks und Stimmungen fallen und entdeckt manche Kante und Tiefe erst beim ausgiebigen Studieren der Strukturen und Wirkungen, funktioniert als Konzept. Daher ist es auch kein Problem, mehrere Stücke von Burnt Friedman hintereinander zu platzieren und insgesamt fünf Friedman-Tracks zu verwenden. Natürlich gibt es bei nahezu allen Stücken die Orientierungsgröße Dub und Reggae, aber die Anwendungen fallen wunderbar unterschiedlich aus. Man nehme etwa das leicht quietschend-ambient dahintschwebende „Cosmopartisan” der Neulinge von Swaai, das beinahe hawaiianischanmutende (Slide Guitar!) „Shades Of Mosley” von Lycheelassi, das ohwürmige „Word A Dub” von Friedmans Dub Players oder der supercoole Bossa Nova “Space Bossa” von Replicant Rumba Rockers (aka Senior Coconut). Egal, klasse und wegweisend von D(ub) bis R(eggae). CJ ••••• XPLODING PLASTIC - AMATEUR GIRLFRIENDS [PALM BEATS - ROUGHTRADE] Eigenwillige Nujazzcombo aus Norwegen, die gerne ein wenig pathetisch losrockt und mit klassischen Elementen so tut, als könnte sie auch gut zu einem Säbel und Degen Film passen. Gangstersound hinter der eisernen Maske in einer Tradition, die mich an frühe Runaways Platten erinnert. Wer Beats liebt, der dürfte diese Platte als Segen empfinden, denn hier werden die Besen

geputzt wie sonst kaum auf einer Platte zur Zeit, und selbst gelegentliche Scratches passen perfekt in den Soundtrack für eine massivere Art von Jazz, die manchmal sogar so klingen kann als hätten Patife und Paradox das zusammengebastelt. Sehr fett. BLEED ••••• LIKE A TIM & GINA V. D`ORIO - BASS GIRL [LIKE] Ich mag Gina, und Tim sowieso. Wenn die beiden ein Album zusammen machen, ist das bestimmt strange genug, das weiß man schon vorher, dass sie sich gegenseitig völlig woanders hinbewegen werden, als man es von ihnen solo gewohnt wäre. Und genau so ist es auch. Das merkt man schon beim ersten Track, in dem Ginas Stimme viel Hall bekommt und irgendwie klingt wie Nancy Sinatra auf ein wenig mehr LSD und im Hintergrund plockert und geigt es irgendwie zwischen großem Philliesound und Blues wie man ihn vermutlich im nächsten David Lynch Film erwarten würde, falls er mal wieder was über Teenager machen sollte. Und genau in dieser Welt aus Supremes meets Psychedelik-Elektro geht es weiter und ist so perfekt, dass man es kaum glauben möchte. Extrem sweet das Ganze. Mit dabei natürlich eine der besten Reinterpretationen von “Leader Of The Pack” und “Where Did Our Love Go” die ich mir zur Zeit vorstellen kann. home.wanadoo.nl/like BLEED ••••• ASMUS TIETCHENS / DAVID LEE MYERS 60:00 [LINE/017 - A-MUSIK] Asmus Tietchens und David Lee Myers Kollaboration ist ein Stelldichein des statischen Echos. In einer großen, leergeräumten Halle erklingen etliche Klackergeräusche, gepaart mit nervösem Kratzen und Quietschen. Musik die einem unentwegt über die Schulter zu gucken scheint. So intensiv, dass man meint, sie beobachtet einen sogar dann noch, wenn sie schon längst nicht mehr ertönt.www.12k.com/line AD •••• POST INDUSTRIAL BOYS [MAX.ERNST/07 - KOMPAKT] Der Anfang erinnert leicht an Fahrstuhlmusik, doch wenn Gogi mit seiner Braunbärenstimme über die Post Industrial Boys singt, bewegt sich der Sound auf einer sehr sympathischen, lockerleichten Ebene. Die befürchteten russischen Walgesänge bleiben aus. Statt dessen lassen sich sieben verschiedene Stimmen zählen, alle Teil der Künstlergruppe Goslab aus Tiflis / Georgien. Instrumental könnte das Debut Album von Gogi.Ge.Org’s aka George Dzodzuashvili durchaus als “Café del Mare”-Ableger durchgehen. Schwarzes Meer oder Mittelmeer - alles ein Wellenschlag. NATASCHA •••-•••• TOKYO +1 - [MAX.ERNST / THOMAS BRINKMANN - MDM/ KOMPAKT/ A-MUSIK] Tanks a Lot war ursprünglich eine Promo zum Thomas-Brinkmann-Vinyl 2003. In Folge feindlicher Übernahmen und Kontinentalverschiebungen auf dem Tonträgermarkt schmuggelt sich diese kleine Reise durch fantasmatisch-verklausulierte Wirklichkeiten fast zwei Jahre nach ihrem Entstehen nun doch noch in die kapitalistisch nutzbare Musik-wird-verkauft!-Maschinerie. Zwischen den neun Tracks tun sich gewaltige Gräben auf, wo es bei “E-Bar” scheint, als hätte ein Computer willkürlich Studiogeräusche übereinander geschichtet, knistern sich bei “Hatesong” Störgeräusche schon sehr tanzbar in Schleifen, Loops und Rhythmus zusammen. Labor der Soundwerdung, Studien zu den Frequenzen zwischen den Sendern und zwischendurch ein bisschen Headbanging mit Godzilla zirkeln die Wirkungsfelder von Tokyo ab. Kann man niemals ganz hören, aber je nach wissenschaftlichem Interesse und Neigung zu Bahnhofssituationen nützlich für Situationen der Unentschiedenheit und Depressionsvermeidung. ARNE ••• PROEM - SOCIALLY INEPT [MERCK/23 - WESTBERLIN] Aus tiefstem Herzen fusselt Proem aka RIchard Bailey seine Tracks zusammen, soviel ist klar. Klar ist auch, dass das neue Album wie ein Glückskeks aus dem China-Imbiss um die Ecke funktioniert. Auf dem Zettel steht: Hab deinen Rechner lieb. Sehr schön ausgearbeitete Tracks, die dem allseits verdammten Genre IDM nochmal ein Denkmal setzen, bevor alle um die Straßenecke verschwinden. Nichts Besonderes? Aber wann haben wir so ein rundes Album das letzte Mal gehört ... na also. Was bleibt einem auch anderes übrig, wenn man in der Einflugschneise wohnt. Denkt an den Glückskeks und habt diese Tracks lieb. Bitte. www.m3rck.net THADDI •••• RECEIVER - TEDDY HAS STOPPED BREATHING [MICROBE/007 - MP-MEDIA] Der Begriff Trip Hop erinnert an Massive Attack, Portishead und Tricky. Receiver kommen ebenfalls aus Bristol und von den großen Smith & Mighty stammt der Bonustrack auf “Teddy...”. Weitere Namedroppings sind On U Sound und Cup Of Tea. Receivers Musik ist aber wesentlich rockiger, als ihre Dub- und Trip Hop-Bezüge vermuten lassen. Dazu trägt in nicht geringem Maße Sänger Rich Beale bei, dessen Stimme manchmal an Iggy Pop erinnert. Zudem stehen Receiver auf

Velvet Underground-Gitarren. Die Stimmung ist durchgehend dunkel und melancholisch, die Beats dope, die Bässe dubbig dick und das Tempo Downbeat. Und wir hören nicht einfach “Tracks”, sondern einige richtig schöne Songs. ASB ••• AIR LIQUIDE - LET YOUR EARS BE THE RECEIVER [MULTICOLOR - INTERGROOVE] Jetzt kommen sie endlich zurück und Air Liquide sind wie verwandelt plötzlich eine richtige Oldschool Pianohouseband geworden, komplett mit 808-Wumms und tackernden Rimshots, aber dennoch findet man ihre Vorliebe für Soundtrackartige Exotica wieder und auch den Humor, den manche Tracks früher hatten, und die sehr sweete Art im Umgang mit Vocals. Ein Album, das von Anfang bis Ende Spass macht und dazu auch noch komplett für den Dancefloor konzipiert ist, auf dem es rockt wie keines der Air Liquide Projekte zuvor. Sehr schön. BLEED ••••• V.A. - LIQUID ASSETS [NINE2FIVE/011 - KUDOS] Wer etwa Dharma Ones Senkrechtstart Belong auf der Coffee Breaks verpasst hat, was ihn alsbald auch auf Compost oder Freerange mixen ließ, bekommt mit dieser Labelschau gleich noch neun weitere gesuchte Nummern aus Finnland. Zwischen Broken Beats, Downbeat, Elektro, Phusion und Artverwandtem loten die Nachtarbeiter Grenzen aus. Der dezente Szenehype führte dann nicht zufällig dazu, dass sich Producer wie Cuica (Ubiquity), Aphratec (Good Looking) und Robby Rhodes (Stereo Deluxe) mit Durchstartern wie Infekto, Rebeat oder Mekhanist die Hände und den Bobbes schütteln. So klingt cleverer Freestyle ohne Allüren. www.nine2fiveoffice.com M.PATH.IQ ••••• FRANCISCO LÓPEZ / ZBIGNIEW KARKOWSKI - TURNOFF [NOISE ASIA/NAIM16 - IMPORT] López macht López macht López. Es bewegt sich nur etwas mehr als gewöhnlich und schichtet verantwortungsvoll Rausch auf Rausch und Rausch, die nur Vorspiel für das orgiastische Weiß am Ende sein können. Und Karkowskis erbarmungslose Wände schierer Unmöglichkeiten, seine klebrigen Massen schwersten Digimülls ziehen nichts nach sich, als die Hoffnungslosigkeit auf bessere Musik. Beide Tracks stammen übrigens von einem Konzert der beiden im Stadtgarten Köln, März 2002. Das Label Noise Asia gilt es unbedingt zu beobachten. Es sitzt in Hong Kong, also in dem Land, wo Fischerdörfer sich im Handumdrehen in Metropolen verwandeln und kommende Hits völlig neuartig aus verfaulten Klabusterbeeren zusammengepflastert werden. www.sensorband.com ED •••• NONPLACE ARTISTS - DIFFICULT EASY LISTENING [NONPLACE - GROOVE ATTACK] Bernd Friedmann hat den NonPlace Verein versammelt, um auf dieser Compilation wider aller Genregrenzen fröhlich zu musizieren. Mit von der Partie sind u.a. Beige, Friedmanns ehemaliges Ninja Tune Projekt Flanger sowie natürlich der nicht näher definierte Anhang des Meisters - die NuDubPayers. Als Sahnehäubchen bekommt der Hörer außerdem mit Can Drummer Jaki Liebezeit einen der wenigen deutschen Musiker mit Weltruhm, der weiß, wo der Hammer hängt. Der Titel der Platte suggeriert zwar die richtige Richtung, erweist sich aber bei genauem Hinhören als Spiel mit Begrifflichkeiten, genauer gesagt mit des Rezipienten Hörgewohnheiten. Ein netter Trip aus synthetischer und instrumentaler Klangerzeugung im Mix, der einen Versuch wert ist. GIANT STEPS •••• TIM WRIGHT - THIRST [NOVAMUTE/106 - EMI] Manchmal ... ganz selten ... gibt es ein Album, auf dem so ein irgendwie von aussen kommender Unberechenbarer allen Fachidioten und ihren puristischen Apologeten und Nachahmern zeigt, wie’s gehen könnte. Auf dem alles was - britische - Clubmusik groß und gewaltig gemacht hat, geehrt, gepflegt und kreativ zurückbeschenkt wird: Reggae, Hip-Hop, Breakbeat, Rave, UK Garage. Das auf Doppelvinyl jedem Kleinstadt-DJ eine tödliche Waffe in die Hand spielt. Das dich in jeder Scheisslebenslage an das Gute in den 5, 10, 20 oder wasweisichwielangeduschondabeibist Jahren der Clubberei glauben lässt. Luke Vibert versucht’s immer mal wieder, Richard D James könnte, wenn er nicht so’n kauziger Misantroph wäre. “Haunted Dancehall” von den Sabre of Paradise gehört irgendwie dazu, Si Begg hat’s getan, und nun gibt es noch Thirst. Der Rest ist nur noch für die Erbsenzähler: Tim Wright hat bisher auf GPR, Resource, Satellite und Ill veröffentlicht, die Band Sand gegründet und sich hinter dem Pseudonym Moondog verborgen gehalten. Außerdem ist er Tube Jerk. Toastie Taylor und Juice Alleem hat er von seiner Zusammenarbeit mit New Flesh auf den treffend benennten Hammertrack “The Ride” Und das sexy steppende Titelstück “Thirst” rübergeholt, und meinetwegen sollen diese drei Jungs noch bis ans Ende ihrer Tage zusammen Musik machen. Aber hey! Tim! Mr. Wright! Unbedingt auch solo weitermachen! Danke. EM ••••• RAINIER LERICOLAIS - YRIEIX [OPTICAL SOUND /OS006 - IMPORT] Ein merkwürdig anmutendes Album, aber unbe-

dingt wert entdeckt und gehört zu werden. Lericolais bedient sich mehrerer gesampelter Stimmen mit großem Pop-Appeal (Belle & Sebastian, aber auch echtem Gesang von u.a. Laurent Payat und David Sanson) und unterlegt sie mit seinem eigenem Charme kleinster Electronica, die zwar immer noch den Hang zum fertigen Track aufweist, alle Struktur aber dennoch einer verglitchten Ästhetik weichen muß, so dass wir uns einem Schwarm miniaturartiger Bastarde aussetzen, wie wir sie bisher zu selten gehört haben. www.zone51.com/opticalsound ED •••• V.A. - PANORAMA - NU EUROPA PHUSION [PERFECT TOY - GROOVE ATTACK] Die Einigung Europas kann einem manchmal als eine Floskel erscheinen, deren Bedeutung in unserem Alltag einen beinahe virtuellen Status beigemessen werden muss. Und über was einigt sich Europa? Wenn es um modernen Phusion-Sound geht, sind sich Compiler Tom Wieland (Les Gammas) und einige der besten Producer aus dem “Neuen Europa” jedenfalls auffallend einig. Und genau das dürfte auch im restlichen Teil bis hin nach West-London einhellige Zustimmung erzielen. Musikalisch ist sich diese Szene bereits so nahe, dass die Zeit für diese Ansammlung fast ausnahmslos noch unbekannter Artists definitiv reif ist. Neben den Vorreitern Eddy & Dus und den Crate Soul Brothers werden wir in Bälde sicher noch viel mehr von Yana Valdevit, Easy Life Natural, Onebeyond oder Rough & Ready hören. Nicht eine, sondern viele Szenen im beeindruckenden Aufbruch. M.PATH.IQ ••••• NEXT EVIDENCE - THRILLS [POUSSEZ MUSIC] Tja, erst würde man denken, ah, die Franzosen, schon wieder eine Neodisco Platte, aber dann wird es einfach Vocal-Disco der digital raffinierten Art, kuschelig für alle, die sich gerne in Designerklamotten auf dem Parkgras mit Schutzüberzug wälzen. Irgendwie sehr gut gemacht, und wenn es nicht so kitschig wäre und so peinlich poppig, dann müsste man fürchten, dass jeder Neo-Disco-Adept jetzt entweder dem Genre abschwört, oder irgendwann doch noch nach 30 Jahren erwachsen wird. BLEED ••-•••• V.A. - A MONUMENTAL STRUGGLE OF GOOD VS. EVIL [PRIVATELEKTRO] Eigenwilliges Label, das sich nicht wirklich auf einen Stil festlegen will, sondern irgendwo zwischen Industrialsoundscapes, Elektronica, digitalem Experiment und Fieldrecordings mit knisterndem Boden eigentlich sehr vieles macht, was manchmal an die Grenze zur Installationskunst stösst, letztendlich aber vor allem für Freunde unformatierter Experimente interessant sein dürfte. Mir gefallen die etwas melodischeren oder harscheren Tracks ohne Dunkelheit am besten, manchmal wird es aber auch einfach zu bedrückend. BLEED ••-••••• V/A - CONSTRUCTION SONOR [PRO HELVETIA - A-MUSIK] Die erste dieser beiden CDs beinhaltet Bernd Schurers Fieldrecordings einer Klangreise mit der Bahn zwischen Stollen, Tunnelbaustellen, Gleisarbeiten und Schächte der Alpen zwischen Gotthard und Lötschberg. Diese Aufnahmen wurden von Klangkünstlern bearbeitet und die Ergebnisse auf der zweiten Hälfte der Doppel-CD zusammengestellt. Unterschiedliche Herangehensweisen der Beteiligten wie Luigi Archetti, Balduin, Boris Blank, Monolake, Fennesz, Seelenluft und anderen sorgen für die unterschiedlichsten musikalischen Ergebnisse von digitalen Drones über Hip Hop-Beats, Jazz, von tanzbaren bis zu experimentelle Sounds und Technoidem bis Handgemachtem. Die Umsetzungen sind teilweise ziemlich klasse, mindestens genauso spannend sind jedoch die Originalsounds. Kopfhörer auf! ASB ••-••••• V/A - CONSTRUCTION SONOR [PRO HELVETICA - A-MUSIK] Wer schon immer einmal hören wollte, wie es sich in Bergen, Stollen und Tunneln anhört, ist bei dieser “Klangreise unter die Alpen” bestens aufgehoben. Irgendwo auf der Bahnstrecke zwischen Gotthard und Lötschberg aufgenommene Fieldrecordings von Bernd Schurer (CD 1) sowie Tonkonstruktionen u.a. von Yellos Boris Blank, Fennesz oder Monolake (CD 2). Hier steht die Zeit still. Man fragt sich, wie weit man sich wohl gerade unter der Erde befindet, so tief unten, kalt und einsam klingt das hier. Generatoren surren, Wasser tropft von der Decke, grelle Neonröhren flackern und massive Stahltüren fallen irgendwo entfernt dumpf ins Schloss. Fesselnde Klangexperimente von vorne bis hinten, jedoch nichts für Menschen mit Klaustrophobie. AD •••• IVAN SMAGGHE - BUGGED OUT! PRESENTS: SUCK MY DECK [REACT CD /248 - IMPORT] Die “Bugged Out!””-Reihe scheint die geladenen DJs/Produzenten zu Überraschungswinkelzügen zu animieren. Felix Da Housecat hat hier das letzte Mal über seinen Neo-80s-Erfolgsrezept-Tellerrand rübergeguckt. Und auch Black Strobes Ivan Samgghe lässt sich nicht dabei lumpen, sich so unpoppig wie nie zu präsentieren. Darke Scheiße. Der Pinup-tauglichste Fünf-Tage-Bart, der mir je untergekommen ist, zeigt sich auf dieser Mix-CD

so brutal catchy bei gleichzeitiger Düsterstimmung, dass ich schon die Zillo-Titelstory vor meinem geistigen Auge sehe: “Dance ist auf unserer Seite.” Dass “Dick” im Titel durch “Deck” ersetzt wurde, dürfte in einer Szene, die sich aus Verklemmung aufs Durchfärben von selbst gezogenen Kerzen verlegt, auch auf großes Hallo stoßen. Wie gesagt, wagemutiger Wurf mit vielen Konnotationen. Jamie Bissmire, wann habe ich diesen Namen zum letzten Mal gelesen? Oder Scratch Massive, mit der Vorliebe stand ich bis jetzt auch ganz alleine da, ich letzter aufrechter Butterfahrt-Raver. Ivan, tu donnes mois une maison un dernier fois. Merci! JEEP ••••• THE MUSIC LIBERATION FRONT SWEDEN THOUGH I WASN’T DOING MUCH I FELT MORE SATISFIED WITH MY GENERAL SITUATION THAN I SHOULD HAVE BEEN [SAAS FEE/13 - INTERGROOVE] Ein ganz schön komplexes Ding, und das nicht nur im virtuellen Sinn, sondern auch ganz real auf der Bühne sind die MLFS. Angeblich traten sie zuletzt zu fünfzehnt auf. Womit sie Kollektiven wie Godspeed oder Silver Mt. Zion in Sachen Quantität davon eilten. Ihre Musik ist aber eine ganz andere, ganz eigene Mischung: Es kristallisieren sich als Eckpunkte Electro Punk, Krautrock und Synthie Pop heraus. Die Befreiungsfront scheut sich nicht vor einer ganze Menge 1970er- und 1980er-Referenzen. Dabei entwickelt sich das Album von einem eher etwas trägen Anfang (“Still Ambra” und das nach einer 80er-Version von Neu! Klingende “Inner Space”) zu einem Blumenstrauß an Stilen und Ideen. Es darf etwa ge-electroclasht wie wild werden (“Idiots”, “Teenage Punk Sluts”). Bei “All The Colours Are You” vermisst man eigentlich nur noch die Vocals von Gary Numan. Umgarnt wird dieses Potpourri von diversen Kleinsttracks, die einen zwischendurch immer wieder zum Dahintreibenlassen auffordern. CJ •••• THE MUSIC LIBERATION FRONT SWEDEN [SAASFEE/013 - INTERGROOVE] Der Titel dieses Albums ist uns einfach zu lang, das kann man nicht aufschreiben. Eine neue Saasfee, die den Ruf des Labels als merkwürdig darkes Ambientlabel zu stärken scheint, der mit der MT. Fern aufgekommen ist. Aber eigentlich wäre daran nur der erste Track schuld, denn sonst ist diese Platte eigentlich viel lieber dahindriftende Indietronica Musik, die sich irgendwie vorgenommen zu haben scheint, die Orgeln und Bässe, Casios und was sonst noch dazugehört, doch noch mal so richtig Richtung Elektro zu drehen und trotzdem irgendwie nach Blissed Out Drone Vergangenheit klingen zu lassen. Doors Fans dürften das ebenso mögen wie Ataripopadepten. BLEED •••• AMBASSADORS 2 [SANTORIN - GROOVEATTACK] Die nächste CD der Compilationreihe auf Santorin, zu der es auch diverse Auskopplungen gibt, kommt mit Tracks von Green Man, Simon V, Young AX, Telmo A. aber auch einigen neuen Acts wie Thetaphi, Duo Infernale oder Jericho und hat natrülich diesen sehr breitwandigen Sound manchmal, der klingt, als hätte ihn sich Simon V und Green Man auf die Festplatte brennen lassen, kommt aber auf einigen Tracks auch wesentlich mehr Percussion-orientiert, Young AX Latinslammer “Confused” ist ebenso mit drauf wie sein schwoofender Reggaetrack “Sunrise”, der skurrile deutsche Rap von Jens MC zu Double J.s Track, etwas zu trancige Sounds von Thetaphi und, Überraschung, ein Track von One Soul, der sich als Kreuzberger Gangsterrapper versucht. Sehr viele Richtungen, sehr viele Überraschungen, manchmal ein wenig übertrieben, aber immer perfekt produziert. www.santorin.de BLEED •••• KID SPATULA - MEAST [PLANET µ] Gleich ein ganzes Doppelalbum von Paradinas randvoll mit Tracks, die so tun, als wäre Kid Spatula sein heimliches Elektropopprojekt für alle, deren Kopf einfach etwas mehr Seltsames braucht, als die Welt normalerweise so bereit ist einem zu liefern. Gerne wie so oft bei Paradinas mit Samples, die ein klein wenig nach Klassik klingen, und Beats, die rascheln wie aus der ältesten Beatbox der Welt, die immer noch das größte Glück vermitteln kann. Ein Fest, diese DoppelCD. www.planet-mu.com BLEED ••••• THE LOFT CLUB - VOL. 2 [SINNAMON RECORDS /54 - IMPORT] Auch Barcelona hat seinen supergeschmackssicheren After-Electroclash-Schuppen. Im The Loft wird mit den neuesten Tunes der Poprocky-Techno-Schule von Superpitcher über Smash TV, Swayzak, Agoria, Detroit Grand Pubahs, Tiefschwarz, Kiki & Silversurfer bis Basteroid der ganze geil-kühle Zickzack-Vibe von Bowie in der Berlin- und Station-to-Station-Phase zelebriert, dass es eine anti-balearische Freude ist. Eigentlich könnte diese Mix-CD ein Stream der DebugCharts sein. Ist das jetzt toll, dass man in Barcelona mit dem gleichen Geschmack upfront ist wie in Berlin (und Paris, Stockholm, Jena)? Wenn man zum Preis eines U-Bahn-Tickets nicht nur in den nächsten Vorort, sondern bis in die übernächste Hauptstadt kommt, dann schrumpfen auch die

<39> - DE:BUG.82 - 05.2004

CD


<40> - DE:BUG.82 - 05.2004

CD

• = NEIN / ••••• = JA

Geschmacksdifferenzen zusammen. Okay, okay, diese CD ist ein echter Stimmungsfänger der aktuellen Club-Lage und ich ziehe mich ins Sauerkrauttal zurück. JEEP •••••

dem Arrangement aus weichen runden Klängen, und immer wieder taucht dieser Apekt auf, dass Deep Space Network eben einfach eine Loungeband für Mos Eisley sind, wie man sie sich immer schon gewünscht hat. Alien aber magisch, verzaubert und unwahrscheinlich, aber irgendwie nicht ohne eine gewisse schräge Komik. www.source-records.com BLEED •••••

JAZZANOVA - ... MIXING [SONAR KOLLEKTIV /33 - ROUGH TRADE] Scheiße, wir sind doch nicht die überlegenen Produzentengötter. Wir sind die beigeordneten Familienmitglieder. Um das klarzustellen, hat die Jazzanova-Crew sowas wie ein Lieblingsmixtape aufgenommen. Im Herzen sind sie Fans, die die Musik ihrer Helden und vor allem Freunde in sublimierender Kombination präsentieren wollen. Begreift das und hört das. Jazz und Funk und Afro und Modern Soul und Broken Beats (und was es sonst noch an Lahmarsch-Begriffen gibt) und der gordische Knoten liegen viel heißer nebeneinander, als ihr glaubt. Jazzanova zerhauen den gordischen Knoten und all die abgesicherten “Gute Musik”-Stile kriegen einen Club-feurigen Drive, der schon verschüttet erschien. Was ist das bitte für ein Carol-Williams-Track, und wann bringt Sirius Mo sein Album raus? Und wieso war ich nicht auf den letzten Jazzanova-Nächten im Café Moskau? Die Nacht, die Musik, die Verbindungen zwischen hip und Slap-Bass sind größer, als ich dachte. Diese CD zeigt es mir mal wieder. Vielleicht muss ich doch nicht bis Brasilien auswandern, um Wundern ins Gesicht zu blicken? JEEP ••••-••••• WORKSHOP - YOG SOTHOTH [SONIG/37 - ROUGH TRADE] Lange keine Platte mehr gehört, die dermaßen auf musikalische Schubladen und Genres pfeift wie die mittlerweile siebte Veröffentlichung von Workshop. Elektronische Tanzmusik, Hardrock, Schlagermelodien, Folk, experimentelle Soundspielereien, Kraut, Kitsch, Postrock- alles wird gleichwertig nebeneinander gestellt und gemischt. Das wirkt kein bisschen gewollt und bleibt musikalisch bis zum Ende spannend. Auch die Texte erschließen sich nicht beim ersten Hören, sodass das Album sicher noch das eine oder andere Mal in meinem CD-Spieler landet. Daran wird auch der exzessive Auto-Tune- Einsatz nichts ändern. ASB •••• V.A. - NOBODY BEATS THE BEATS - THE SECOND COMING [SONNY B - UNIVERSAL] Zusammengestellt von Typhoon, präsentiert sich auf dieser Compilation die Crème de la Crème der dänischen Funk/Soul/HipHop Szene. Wie schon der Untertitel impliziert, handelt es sich dabei schon um die zweite Ausgabe. Okay, über diesen bescheuerten BizMarkie Verweis lässt sich streiten. Aber die Platte hält wesentlich mehr als der Titel verspricht. Der Hörer hat es durch die Bank mit Musikern zu tun, die wissen, was sie wollen. So wundert es nicht, dass ein jeder den Jazz als Ursprung der eigenen Musik versteht und kompositorisch entsprechend Tribut zollt. Ganz leise und bescheiden hat sich hier eine Gruppe von zeitgenössischen Talenten zusammengefunden, die es verstehen - und das ist in Europa selten - schwarze Musik als Ganzes zu sehen. Gastauftritte von Brand Nubian’s Grand Puba, Fred Wesley und Pee Wee Ellis sowie der TourSupport von Roy Ayers sprechen zudem für deren Qualität. GIANT STEPS ••••• THEO PARRISH PRESENTS THE ROTATING ASSEMBLY - NATURAL ASPIRATION [SOUND SIGNATURE/SS019 - RUSH HOUR] Rotating Assembly ist, wie der Name schon sagt, eine Band mit wechselnden Mitgliedern unter der Führung von Theo Parrish, dessen Trademarksound, dieses verlassen weit draußen Seiende, das deep konzentriert tiefergelegte, das soulig unbezähmbare, hier überall auftaucht, aber mit einer lockeren Formation von Gesang, Piano, Trompete und anderen Elementen vermischt wird, als wären die holpernd dichten Beats von Parrish nie für etwas anderes gemacht worden. Sehr ruhige emotionale Platte, die man sich auf die Seele träufeln wird, wie sonst wenig. Wer keine Vocals mag, der wird hier vermutlich etwas irritiert sein, aber Theo Parrish irritiert einen ja eh immer, einfach weil es so seltsame und doch so klare, so versteckt arbeitend aber selbsterschlossene Musik ist. BLEED ••••• DEEP SPACE NETWORK - RAISE THIS FLAP [SOURCE RECORDS] Nach ewigen Zeiten endlich mal wieder ein Lebenszeichen von Source Records, die sich auch von dem EFA Schock langsam erholen und mal eben den Klassiker des Labels, Deep Space Network eben, neu erfinden als Funkband die so reduziert arbeiten kann, dass man sich wundert weshalb die Tracks dann doch alle extrem deep klingen. Aber das ist längst nicht alles. Beats in kristalliner Klarheit treffen auf endlose Dubwelten, in denen tief unten der Bass pulsiert, klingelnde Fetzen von Loops erwischen den letzten Jazzliebhaber von ganz unten und schmelzen in

TAYLOR DEUPREE - JANUARY [SPEKK/001 - A-MUSIK] Wunderbar ruhig fließender Release von Taylor Deupree, der auf diesem neuen Label aus Tokyo die klickernden Vorzüge des Blicks aus dem Hochhaus in Tracks drückt. Langsam, ganz langsam wurschteln sich die Stücke durch die Gegend, ganz vorsichtig wird moduliert und verändert. Die Zeit steht still. Inspiriert von einer Reise durch Japan mit weiteren 12k-Künstlern, entwickelt Deupree seine in allen Farben schimmernden Tracks, borgt sich bei Sawako Klavier und Stimme und macht den Sonnenaufgang zum elektronischen Ereignis. Auch wenn alles vorbei ist ... ein flirrender Drone ist immer da. Hammer. www.spekk.net THADDI ••••• YESTERDAYS NEW QUINTET - STEVIE [STONES THROW - PIAS] Madlib hat sich den guten alten Stevie zur Brust genommen, Wonder natürlich, und umvertont. Das ist dann das zweite Album seiner fiktiven Combo Yesterdays New Quintett, “an instrumental tribute to Stevie Wonder”. Der würde sich bestimmt freuen. Madlib hatte anscheinend auch so seinen schrägen Spaß daran, Stevies Tunes in ein neues Gewand zu stecken. Klingt dann auch wahsinnig easy und durchgeraucht, null nach HipHop, wie man aufgrund der anderen Projekte von Madlib ja vermuten könnte, sondern losgelöst und natürlich verdammt musikalisch. Eingebaut sind viele kleine Details, die Instrumentierung spricht förmlich, krisp, plinkernd und ziehend, und wie bei allem, was Madlib anfasst, ist eine Leichtigkeit zu spüren, die nur aus voller Hingabe oder aus ferner Ironie resultieren kann. CAYND •••• CATARINA PRATTER - MAYBE YOU DON’T EXIST [SUEMI/10 - WESTBERLIN] Die Wienerin Catarina Pratter ist ein Teil von 550 Rondy, die (unter anderem) auf Cheap ein Album veröffentlicht haben. Solo ist sie auf diesen fünf Stücken so etwas wie die dunkel angedrecktere Seite von Dani Siciliano. Mit einer Stimme, deren leichte Affektation mal nicht Theater-mäßig nervt, singt sie in Blue-Velvet-Manier über ein musikalisches Setting, das perfekt zwischen zurückgenommener Begleitung und eigenwilligsten Sounds mit einer Menge an bösen Verzerrungen und Schmutz balanciert. Krachige Sounds, die sich aber nie zu Krach vermatschen, entwickeln einen kleinteiligen Groove, der eine Menge von Bass und Schub versteht, damit aber nie protzt. Dass das letzte Stück in Richtung Liaisons Dangereuses geht, verstehe ich als Huldigung - große Musik hat große Vorbilder. Nach Anne Westphalens 12Inch ein weiterer Meilenschritt für SueMi von der reinen Internet-Konzeptplattform zu einem Label, auf dem wirklich die Musik spielt. sue.mic.cz JEEP ••••• THE ORB - BICYCLES & TRICYCLES [THE HEXUS - INDIGO] Sehr strange, dass the Orb auf einem so unbekannten Label releasen, die Ambienthelden von einst, aber letztendlich auch egal, vielleicht hat sie das eben einfach vom Majordruck befreit und sie können jetzt einfach, wie sie Lust haben, sehr sweete aber dennoch brennende Tracks machen, die genauso viel Gewicht auf die Melodien wie die dunkel funkig jazzig dubbigen Beats legen. Auch hier liefert Soom T einen kleinen Gastauftritt, aber kein Wunder, denn die Beats laden ja auch dazu ein. Wer The Orb immer noch wegen Fluffy Clouds liebt, der wird sich hier schon drauf einstellen müssen, dass sie etwas mehr rocken, aber dazwischen sind genau diese sehr phantastischen Atmosphären und extrem englischen Stimmen und Szenerien, die man sich von ihnen wünscht. Merkwürdiger Weise ist aber dann doch mein Lieblingstrack der Platte “Gee Strings”, denn hier sind die Beats House und lassen, weil eben minimaler, den Sounds viel mehr Raum. www.thehexus.com BLEED ••••-••••• BILL WELLS, STEFAN SCHNEIDER, ANNIE WHITEHEAD, BARBARA MORGENSTERN - PICK UP STICKS [THE LEAF LABEL/34 - HAUSMUSIK] Bill Wells hat Alben auf Domino und Geographic veröffentlicht und Aufnahmen mit Belle & Sebastian und Future Pilot AKA gemacht. Auf “Pick Up Sticks” arbeitet er jedoch mit Robert Wyatts langjähriger musikalischer Begleiterin Annie Whitehead, To Rococos Stefan Schneider und der Berliner Elektronik- Singer-Songwriterin Barbara Morgenstern. Die Tracks klingen jazzig, trotz

BRD

• = NEIN / ••••• = JA

GRAN LAB - MILLMAN MAIL TIME [3B/15 - NEUTON] Nach der unglaublichen Marvin Dash Maxi auf 3b geht es mit dieser Gran Lab auf dem Techno-Ableger von USM/ OTL in die nächste Runde. Und Highspeed ist angesagt, druckvoll und schnell kreisen die sägezahnbewehrten Flächen wie die blitzblank geputzten Messer eures Rasenmähers durch das frische Grün in eurem Vorgarten. Achtung! Chords mit Scherenhänden. Die 2 Tracks auf der B-Seite springen in die gleiche Bresche, wenn auch mit halber Fahrt und mehr Blick für die Details, sonst sieht der Garten hinterher aus wie der Hinterkopf eines GIs, nur in Grün eben. So nimmt man im letzten Track noch etwas mehr Speed raus und tut mit Mut zu Unebenheiten mehr Breaks und weirde Sounds rein, statt auf vollen Schweinsgalopp zu setzen. Das hat gerade noch gefehlt und rundet diese Maxi prima ab. Solide. LUDWIG •••-•••••

hat. Die Stimme ist halt einfach etwas zu easy mit den lockeren Discobeats verbunden, aber hat glücklicherweise, um den Track dann doch ganz nett zu machen, etwas lallend Albernes. Auf der Seite mit dem Daze Mix wird das Ganze dann in etwas melodischer trancigen Sound getunkt, aber dabei geht dann wiederum die Stimme etwas unter. Am besten trifft diesen Spagat zwischen Kitsch und Chanson, Folklore und Techno, Stylebewusstsein und Hitappeal dann aber tatsächlich der Club-Edit, der zwar ein Hauch mehr Retro klingt als der Rest, aber irgendwie am stimmigsten bleibt. BLEED ••••

KOSSHKA - CHAT NOIR EP [7OF9 RECORDINGS/001 - LABES UNITED DIST.] Ein neues Label aus der Deep And Dark Familie, das mit einer EP von einem Russen beginnt, der schon sehr viel Singen lässt und ein klein wenig zu bumpig poppig auf der A-Seite klingt, auch wenn er irgendwie dabei den Sound einer Get Physical

KONFEKT - FIN[HEL] / DRIVE[CONT.] [AREAL RECORDS/021 - KOMPAKT] Aus irgendeinem merkwürdigen Grund hat Konfekt einen Groove, den man sofort erkennt. Das klingt einfach immer so jazzig. Matthias Klein hat es auch diesmal wieder raus einen lange lange über die Streckbank der modifizierten Bassdrum zu schicken, bevor er mit einer klirrend funkigen Synthesizerrocksequenz zeigt, dass man eigentlich wenig braucht, um völlig strange Tracks zu machen, die bei jedem auf dem Dancefloor zu einer nahezu eingefleischten Reaktion führen (Schrei, Brüll, Jubel), aber eben trotzdem kein Stück langweilig dabei sind, selbst wenn man gra-

Mehrspurtechnik frei improvisiert, sehr warm, intim, melodisch und angenehm Soundtrack-artig. Da kann ruhig noch mehr kommen als dieses Minialbum. ASB •••••

TORTOISE - IT’S ALL AROUND YOU [THRILL JOCKEY/115 - ROUGH TRADE] Nach der katastrophalen LP auf Warp (jaja), hier nun wieder ein erfreuliches Lebenszeichen aus Chicago. Ohne Sam Prekop, dafür mit durchweg guten Tracks, die allesamt viel entspannter und luftig improvisierter klingen, irgendwie auch offensiver elektronischer sind und dem Mix zwischen beiden Welten eine neue Siegerkrone aufsetzen. Nie waren Tortoise so schwelgerisch, nie droppten sie die überbordenen Streicher so lässig, nie waren sie so der Harmonie an sich hinterher. Je weiter man sich in das Album vorwagt, desto rougher wird dann plötzlich alles. Aber in Chicago ist es nie lange dunkel. Zum Glück. Und auch wenn ich mir nicht vorstellen möchte, wie John McIntire sein Modularsystem jetzt mit auf die Bühne nimmt ... hier ist ein gutes Album. www.trts.com THADDI •••• FRED ANDERSON& HAMID DRAKE BACK TOGETHER AGAIN [THRILL JOCKEY/139 - ROUGH TRADE] Tenorsaxofonist Anderson und Trommler Drake spielen seit 30 Jahren mit unterschiedlichen Jazzern wie Joseph Jarman, Toshinori Kondo, Peter Brötzmann, William Parker und Pharoah Sanders. Dieses Album zeigt die beiden endlich mal als improvisierendes Duo. Drake spielt mal äußerst melodiös das komplette Drum-Set und mal minimalistisch die Handtrommel, wie die beigelegte Video-CD zeigt. Egal ob die beiden puren Jazz oder wie bei dem eindrucksvollen afrikanischen Abschluss-Track afrikanische Musik spielen, sie sind immer sehr dicht zusammen und verlieren sich nie in überflüssigen Solo-Selbstbeweihräucherungen. Klasse Platte. ASB •••• SO YOUNG BUT SO COLD - UNDERGROUND FRENCH MUSIC 1977-1983 [TIGERSUSHI - WORDANDSOUND] Na wer wenn nicht Tigersushi wäre berufen so eine Compilation zusammenzustellen? Ich kenne von den Tracks, die von Volga Select aka Marc Collin & Ivan Smagghe zusammengestellt wurden so gut wie gar nichts, kein Wunder, denn zu dieser Zeit hat man eben doch einfach eher die Augen Richtung England gerichtet oder war zuhause glücklich. Aber was hier aus den Kisten geholt wird, ist stellenweise schon überraschend und kann auf ganzer Linie mit den experimentelleren Punkern der Gegenwelt mithalten. Mal dezente Leftfield Disco, mal Sprechgesang, mal Der Plan-artiges, vor allem aber 16 Tracks aus dem schwarzen Loch der Geschichte geholt, die es echt wert waren. www.tigersushi.com BLEED ••••• TOMA - BASSE FIDÉLITÉ [TOMACLUB - GROOVE ATTACK] Toma ist einer der Künstler, die zuletzt auf der Compilation “Le Pop 2” auf dem gleichnamigen Kölner Label aktuelle französische - mehr oder weniger Pop- - Musik veröffentlichten. Die Spannbreite reichte dort von Elektronik bis Bossa; allgemein handelte es sich aber um Künstler, die sich in der Tradition der Chansons der 60s und 70s sehen. Toma trifft, was das angeht, ziemlich den Nagel auf den Kopf. Es ist schon verblüffend, wie sehr er vor allem stimmlich Gainsbourg auf vielen Stücken ähnelt. Dem meist gerechtfertigten Originalitätswahn muss man jetzt aber entgegnen, dass Toma seine Sache ziemlich gut macht. Durch die Kombination aus Instrumenten und Elektronik, mit einer Menge Querverweise auf die Blütezeit des Chanson, ist dies vielleicht die perfekte Platte, um auch die letzten Kritiker vom Charme der neuen frankophonen Musikbewegung zu überzeugen. GIANT STEPS ••••-••••• BRUNO E - LOVELY ARTHUR [TRAMA/006] Von diesem Album machten bereits vor einer ganzen Weile ausgesuchte Tracks die Runde.

de zuhause rumlungert. Was für ein Gangster. Auf der Rückseite wird es dann verdammt Elektroid mit 808 Bassdrum und zerrender Orchestrierung der Synthesizer und rutscht irgendwann in einen kranken Motorcitybreak. Killerplatte schon wieder. www.areal-records.com BLEED ••••• LE BOPRE - STEREOJACK [BOOT MUSIC BERLIN/000 - KOMPAKT] Ah, Peter Grummich und Ralf Kronner doing it Housestyle für Acidfreaks, Retrofans, Freunde der elektroiden Unterhaltung, für die Discokugel, den Seegeltörn, für Schaumschläger und Seelentröster, ach, eigentlich ist dieser Track so daneben, dass er immer passt. Knarzig aber zurückhaltend, langsam aber nach vorn drückend, swingend aber voll auf die eins, was will man mehr? Ah, ok, die Vocals, die hauen einen einfach um, so als würden Le Bopre mal eben auf die Bühne steppen, um ihren Track gebührend anzukündigen. BLEED ••••• PINO SHAMLOU - BIG CITY LIGHTS REMIXE [AURIS RECORDINGS/0033 - INTERGROOVE] Auf dem noch neuen Label Auris aus Leipzig kommen hier die Remixe der Stir 15 EP von Pino Shamlou mit einem Track, der sich drauf konzentriert, den Groove mit Gitarrensamples der ruhig

Denn nicht erst in seiner Funktion als SambaLoco-Labelchef hat Bruno E gelernt, wie man auf sich aufmerksam macht. So kommt dieses Werk nun auf dem Mutterschiff Trama zutage und er wird selbst noch mehr als zuvor zu einem der Gründe (fast) abseits von Marky & XRS, warum Sao Paolo vermehrt in den Blickpunkt derjenigen gerät, die sich für elektronische Musik interessieren. Der Vorteil der Authentizität, was den brasilianischen Anteil angeht, muss auch längst nicht mehr über produktionstechnische Nachteile hinwegtäuschen. So stellt er hier ein sehr organisches Debüt vor, das im Gegensatz zu seinen Maxis sehr von jazzigen Instrumentierungen lebt. Vielleicht hat er bei einer seiner London-Besuche in Dollis Hill mit 4Hero Erfahrungen gesammelt, die den Trend der Adaptierung südamerikanischer Rhythmen durch europäische Produzenten nun beginnt ins Gegenteil zu verkehren. So gesehen ein visionäres Album. trama.com.br M.PATH.IQ •••••-•••• TOUR DE TRAUM [TRAUM SCHALLPLATTEN/CD15 - KOMPAKT] Traum Schallplatten unter der Lupe von Thomas Brinkmann. Perfekt. 13 Tracks zusammengeschnitten aus dem riesigen Katalog eigentlich immer verdammt guter Stücke des Labels von Jacqueline Klein und Riley Reinhold. Dabei geht Thomas oft nah am Orginal, bzw. den Orginalen vor, lässt aber dennoch fast immer eine ganz eigene Stimmung entstehen, die einer völligen Reinterpretation des Materials gleichkommt. Ruhig und elegisch stellenweise, aber mit einer Menge Hits für den Dancefloor dazwischen (einige davon ausgekoppelt auf der gleichnamigen EP) und in einem ununterbrochenen Fluss arrangiert, der die Grenze zwischen Remix, Mashup und DJ Set irgendwie noch mal verschiebt. Sehr schöne CD, die man von Anfang bis Ende hören wird, wann immer man zuhause auf der Grenze zwischen Club und Heim steht. Was ja immer öfter wird. Vermutlich in der Tradition seiner Minus CDs zu verstehen, aber wesentlich ausgefeilter. www.traumschallplatten.de BLEED ••••• RENE BREITBARTH - WITH A LITTLE LUCK [TREIBSTOFF - KOMPAKT] Als beständiger Bastler des gut abgehangenen Minimalgrooves hat Rene Breitbarth immer die kleine rhythmische Verschiebung und nie den dreisten Trommelwirbel im Auge. Stehendes Licht, kein Stroboskop, denkt sich da der Lichtmensch im Club. Auch das zweite Album des Kölners füllt mit schwebender rhythmischer Gleichförmigkeit den Raum - ein angenehm moduliertes Pulsieren, das durch allerhand dubbige Sounddetails und luftige Synthie-Melodien Dynamik erhält. In den besten Momenten bleibt schon mal die Zeit stehen und man verliert sich in der leicht melancholischen Gelassenheit der Stücke. Manchmal denkt man aber bei all dem dezenten Wohlklang auch, dass sich die Welt jetzt mal wieder weiterdrehen könnte. FELIX •••• ALEXANDER ROBOTNIC - THE DISCO TECH OF... [YELLOW] Wer die grundlegende historische Arbeit, die einige zur Zeit an Neuauflagen alter Tracks leisten, kennt, der braucht eigentlich echt keine Mix-CD, auf der Yello, Tom Tom Club und New Order direkt hintereinander den Anfang machen. Glücklicherweise kommen dazu dann noch ein paar moderne Tracks, aber ich kann weder “Fade To Grey” mehr hören, noch brauche ich so eine etwas banale Mischung. BLEED ••• ASCOLTARE - VISCERAL VENDOR [TRIPEL RECORDS/001] Hey, haben die sich da Peel-Credits für ihre CD gesampled. Ich muss zugeben, ich kannte vorher weder Ascoltare noch das Label, (kein Wunder, ist ja auch noch ganz neu), aber wenn die so weitermachen, beide, dann wird das hier das neue Glitchwunderkind schlechthin, denn der erste Track allein steckt so voller Ideen und Ruffness im Umgang mit den digital angezerrten Beats, die ständig die Szene zu wechseln scheinen und dann völlig unerwartet wieder losrattern und dazu dann noch dieses feinteiligste digital-melancholische Klingeln überall und die Pizzicatoästhetik, die plötzlich Sinn macht, auch was den Namen angeht, den Dave Henson, so heißt er nämlich wirklich, angenommen hat. Eine unglaublich raffinierte Platte, die für mich so klingt, wie ich mir die seltsamsten Romane von Courtenay Grimwood vorstelle. Entdeckung des Jahres. www.tripelrecords.com BLEED ••••• GREYBOY - SOUL MOSAIC [UBIQUITY - GROOVE ATTACK] Die Damen und Herren von Ubiquity haben’s wieder mal geschafft ihren Bestseller an die Regler zu kriegen. Schließlich war Greyboy das erste Signing der Los Angeles Soulköppe; hinzu kommt, dass sein fast zehn Jahre altes Debütalbum “Freestylin’” bis heute Ubiquitys meistver-

funkigen Art auszustatten, was mir bei House ja immer ein klein wenig beliebig vorkommt, einfach zu oft gehört und zu schlechte Erinnerungen an Funk mit Gitarre, da kann man nichts machen, sweeter dafür aber der Pino Shamlou Mix auf der B-Seite, bei dem alles aufs glitzernd ruhig über den warmen Basslines Slidende ausgelegt ist. Und als Abschluss kommt dann noch ein Frankman Mix, der mit sehr gut plockender Bassdrum einen Track herzaubert, der so weiträumig wie pulsierend ist und einen mit seinem völlig vermorphten Sound einlullt ohne einzuschläfern. Schön. www.auris-recordings.de BLEED •••• REPLICANT - X-POSURE EP [BEAUTYCASE RECORDS/004] Tja, mit Sicherheit eine perfekte Platte für alle, die Depeche Mode Fans im Herzen geblieben sind, denn der Titeltrack ist kaum anders zu verstehen. London Style, aber irgendwie finde ich nur einen Track mit Princess Julia, der so unschuldig nach Dauerwelle riecht. Ganz gut. Doch. “Blow” ist einfach gut gemachte, lässig discoid-elektroide Hitmusik mit grundgutem englischem Sprechgesang, der natürlich heutzutage nicht mehr anders als via Peaches gehört werden kann (was aber echt nicht sein muss). “Drama Addict” geht schon etwas sehr in Richtung Eurotrash für den schwedischen Bei-

kaufter Release ist. Das macht den schüchternen Jungen aus San Diego sozusagen zum (VW) Käfer von Ubiquity. Na ja, also fast. Zudem schafft er es beständig, soulige Tracks rauszuhauen. So auch bei dieser Scheibe. Von vorne bis hinten funky Beats mit Unterstüzung von z.B. Quantic. Außerdem gibt es Vocals von Sharon Jones aus dem Daptone RareGroove Schuppen sowie von Bart Davenport. Letzterer rockt die erste Single-Auskopplung “Genevieve” so butterweich, dass selbst Gilles Peterson nicht um eine “Track of the Year” -Nominierung bei worldwide herum kam. Hört, hört! GIANT STEPS ••••• WINSON - SO SAH DIE ZUKUNFT AUS [V2 RECORDS] “HeavyPopRockTrashFuckDanceYeah”, das ist Winsons Beschreibung von dem, was er macht. Er findet das geil. Zugegeben: Was viele Berliner nervt, findet bei anderen (z.B. Wienern) große Sympathie. Winson nimmt die Berliner Schnauze aufs Korn. Das lässt vielleicht erklären, warum sein Song “Wovon lebt eigentlich Peter?” in den Charts des österreichischen Radiosenders FM4 auf Platz 2 hockt und von dort auch nicht runtergehen möchte. Untalentiert ist er ja nicht, dieser Kreuzberger. Er textet, komponiert und nimmt seine Demos selber auf. Quasi Familien-Solo-Betrieb, der mit seinen Musikerkumpels Wohnzimmersessions veranstaltet. Trotzdem hält die Laschheit irgendwann im Album Einzug und kann durch Quatschmachen nicht wettgemacht werden. NATASCHA •••-•••• WARENKORB 5 [WARE RECORDS/CD13 - KOMPAKT] Ware geht einen sehr eigenen Weg zur Zeit, nicht nur mit den 12” Releases, sondern auch mit ihrer neuen Compilation, die nicht nur eigene Tracks releast, sondern auch eine Menge neue Acts aus dem Umfeld versammelt und damit einen Flow schafft, der weit über eine Labelcompilation hinausgeht. Stark und böse beginnend mit “It’s a strange & Beautiful World”, einen Track der nahtlos digitales CD-Klickern in einen slammenden Monsterdancefloor-Track übergehen lässt, der den Score für die Platte setzt, aber mitnichten versucht, einfach nur den Floor zu rocken, sondern so brillant in einem harmonischen Teil aufgeht, dass man es gut und gerne als den besten Track von Schaffhäuser bezeichnen kann. Und so vielseitig geht es mit Aphorism dann auch gleich weiter. Knarzig verdreht aber endlos deep tut sich hier mehr als man glauben möchte und versenkt sich deeper in die Dubwelt als man es gewohnt wäre, mit digitalen Strickleitern, die ins Unendliche hinabsteigen. Wir sind noch nicht mal bei Stück drei, oh je. Noch dabei: The Kitbuilders vs. Jeremy Caulfield, Coloma vs. Bob Humid, Dominik Eulenberg, Goldfisch & Der Dulz, Ziggy Kinder, Brian Aneurysm, Matthew Mercer, Featherweight, Markus Küntner, Soda Inc und Rudolfo Irving vs. Decomposed Subsonic. Ware ist auf seinem absoluten Hochpunkt mit dieser Compilation, die perfekt alles ineinander übergehen lässt, ohne eine Mix CD sein zu wollen. www.ware-net.de BLEED ••••• RATATAT - RATATAT [XL RECORDINGS - INDIGO] Erst eine EP auf Audiodregs, jetzt ein Album auf XL. Das ging aber schnell. 10 Tracks dieser verwirrten Posse, die Elektronik hochplustert zu Monsterraptracks, die jeden Elektrofan aus dem Genre werfen können, und dabei dennoch so eine Rockbasis erhalten, dass sie vor lauter Crossover eigentlich gar nicht mehr ernst genommen werden dürften. Aber man muss definitiv mit ihnen rechnen, denn hier geht alles, egal ob knuddelig melodischer Song oder Brett, so nach vorne, und ist so in your face, dass es einen schon umhauen muss. Eine der besten Arten Rockästhetik und krude Elektronik zu mischen, ohne dabei einfach nur banal zu klingen oder irgendeinem Teil zu viel zu überlassen. Vermutlich weil sie unter Rock eben nicht Britpop oder Wave verstehen und weil sie letztendlich dann doch eine lupenreine Indietronica Band sind, nur eben drängender und nie selbstverliebt um die eigene Melancholie gedreht. Obskur und poppig. www.xl-recordings.com BLEED ••••• RECON - WHITE LABEL [HIGHPOINT LOWLIFE] Chris Coode (aka Motion auf Fat Cat und 12k) kommt hier mit einer CD ziemlich angekratzter digitaler, dunkler athmosphärischer Tracks, die am liebsten Sound auf Sound schichten und mit analogem Brummeln versehen, das einem irgendwie auf die Dauer schnell zu klebrig wird. Und zu eintönig sowieso. www.highpointlowlife.com BLEED •• STRATEGY - DRUMSOLO’S DELIGHT [KRANKY/066 - HAUSMUSIK] Paul Dickow alias Strategy verzichtet Kranky-untypisch komplett auf Gitarren im Vordergrund

trag zum Eurovisionscontest und “Transient Beat” ist dann komplett abgeschmackter Partywumms für alle, die meinen, sie vertragen mehr als sie eigentlich tun. www.beautycase-records.de BLEED ••-•••• FOTOMATON - LIVE AT THE NBI [BLANK RECORDS/003] Fotomaton sind unser geschätzer Autor Tobias Vethake und Andreas Rosenhahn, die auf dieser einseitig bespielten 12” einen Gig aus dem Berliner NBI auf Vinyl bannen. Lange und endlos fließt das Stück, das in bester Harold Budd (frühe Frühphase - ich, die Wüste und mein Prophet 5) zwischendurch leider immer wieder in irgendwie total überflüssiges Gedudel abdriftet und die großen Momente dieses Mitschnitts, die es haufenweise gibt, das sei versichert, leider ein bisschen verwaschen. In den guten Momenten fällt mir nicht viel ein, was schöner ist, in den anderen Momenten, bin ich ein bisschen böse. www.blankrecords.de THADDI •••-•••• DELON & DALCAN - DUNUFUS [BOXER SPORT/015 - KOMPAKT] Mal wieder ein neuer Act auf Boxer und wie sich auf einigen Platten der letzten Zeit schon angekündigt hatte, sind die in bester Feierlaune und

und liefert ein elektronisches Album ab, das nichts von seinen angeblichen Vorlieben für Synthie-Pop und Punkrock erkennen lässt. “Drumsolo’s Delight” ist komplett am Rechner entstanden und im Gegensatz zu seinen Veröffentlichungen auf Outward eher schlecht zu betanzen. Abstrakt, ambient und dubbig ist seine Musik, die immer ein wenig klingt, als wäre sie unter Wasser aufgenommen. Also, rauf aufs Sofa und Kopfhörer auf! ASB ••• CHARALAMBIDES - JOY SHAPES [KRANKY /068] Fast eine Ambientpostrock-Platte, diese neue LP von Charalambides, was ja irgendwie nett wäre, wenn die Stimme der Sängerin nicht so gekünstelt pathetisch säuseln würde, als hätte sie zuviele Performance Artists belauscht. Allein deshalb eigentlich nur was für höhere Töchter mit einem kleinen Kulturproblem. BLEED •• GERT-JAN PRINS - RISK [MEGO - M.DOS] Ein 18-Minuten-Track auf einer 3Inch-CD mit sehr brummigen, flatterigen, digitalen Unglücken, die mir stellenweise einfach zu verzerrt und übereinandergepoltert improvisiert klingen, als dass ich mich darauf wirklich einlassen könnte. BLEED ••• MR. PROJECTILE - SINKING [MERCK/024 - WESTBERLIN] Hier kommt so ein Amerikaner, den man eigentlich immer nur in Europa trifft. Das ist jetzt nicht weiter relevant, hilft mir aber über den ersten Track, der mit seinen Vocals doch ein bisschen zu esoterisch geraten ist. Überhaupt lässt es Mr. Projectile hier sehr weit und lässig angehen, huldigt dem gepflegt digitalen Ambient, bevor er dann anfängt, sich ein bisschen zu verdaddeln. Will sagen: Hier ist alles toll produziert, aber es gibt nicht viel zu sagen. Das kann der Gute eigentlich besser. Schade. www.m3rck.net THADDI •• IAN POOLEY - SOUVENIRS [POOLED MUSIC - EDEL] Mein Gott, wann hat Ian Pooley denn diese Souvenirs eingesammelt? Ich fasse zusammen: 4/4Housetracks im totklassischsten New-York-Disco-Style mit Latin-Tourismus-Sahnehaube, wie es seit - wie heißt der noch? - Bob Sinclair niemand mehr auf irgendeinem Plan hatte. Das ist doch Kamikaze. Das traut sich nicht mal Mousse T mehr. Und dabei echt nicht unaufwändig. Ich kratz mir ratlos an den Eiern. Mehr Renegatentum ist mir seit “Fluch der Karibik” nicht mehr begegnet.Hut ab und ich leg noch mal Space Cubes “Sun Tana” auf. Das ist wenigstens Nostalgie auf dem richtigen Fuße ... JEEP •• EVOL - PUNANI SHELL [SCARCELIGHT] Es gibt ja wenige CDs, bei denen ich heutzutage noch Angst hätte, meine Ohren gehen drauf, aber das hier ist definitiv eine davon. Vielleicht habe ich ja auch einfach noch nicht das richtige Lesegerät, weil es erst so in 20 Jahren erfunden wird. Digitaler Wahnsinn, der einem einfach nur schräg durch die Ohren fusselt wie ein Horrorfilm im Highspeedruchlauf und mit schönen fraktalen Fehlern. Aua. Na wenigstens nur ein Stück und nur 20 Minuten. Aber ich kenne keinen, der das durchhält. scarcelight.com BLEED ••• LIONEL MARCHETTI L’INCANDESCENCE DE L’ETOILE [STICHING MIXER/MXMCD4 - A-MUSIK] Urplötzlich steckt man mittendrin im Chaos. Man verliert den Überblick und Unbehagen macht sich breit. Der orchestrale Lärm macht es einem auch nicht leichter. Ganz weit draußen. So weit, dass man froh ist, dem ganzen Tumult nicht noch näher zu sein. So beginnt die neue CD von Herrn Marchetti. Und das ist erst der Anfang. Denn hat man sich erst einmal tapfer durch das chaotische Dorf der Pygmäen geschlagen und alle feindlichen Angriffe abgewehrt, lichtet sich der (Klang)Dschungel, und eine mystische Atmosphäre macht sich breit, sehr unheimlich und doch reizvoll, in etwa wie die Entdeckung eines Maya-Tempels bei Nacht und Nebel. Trotz herumsurrender Mosquitos entschließe ich mich hineinzugehen. Ob das eine gute Idee war? Musique Concrête für Abenteuerlustige. www.stichtingmixer.nl AD ••• STICKS AND STONES - SHED GRACE [THRILL JOCKEY - ROUGH TRADE] Sticks And Stones (Saxofon, Bass, Schlagzeug) entstammen der Chicagoer Jazzszene und haben mit Sam Prekop, dem Chicago Underground Trio, Town And Country und den Roots gearbeitet. Sie spielen eigene Tracks, aber auch Covers von Thelonius Monk, Billy Strayhorn und Fela Kuti, klingen mal konventionell und mal experimentierfreudig frei. Das Album ist live im Studio eingespielt und dadurch sehr frisch und spannend. ASB •••

gönnen sich hier mal eine NouveauDisco Platte mit leicht clashigem Flavour, die genau so gut im Freaksumfeld hätte herauskommen können. Auf der A-Seite ein klassischer Clubtrack irgendwo im Netz zwischen House, Oldschool, Elektro und mehr und auf der Rückseite mit “M.Stacey” ein Vocaltrack mit herausragenden Bleeps und der Rockertrack “Believe in Love” der allerdings ein wenig zu sehr auf der Stelle stehenbleibt und die Vocals durch zuviel Effekt nölt. www.boxer-recordings.com BLEED •••••-••• SMASH TV - QUEEN OF MEN REMIXE [BPITCH CTRL /091 - NEUTON] Gewohnt schräg und flirrend vor Effekten und kruden Einfällen, entwerfen Smash TV hier ihre Version von angepunktem Disco-not-Disco-Funk inklusive Vocals und marschierender Bassline. David Tarrida nimmt sich dann auch gleich die Bassline vor, pumpt sie auf, zerrt an ihr und rückt sie in den rockenden Vordergrund. Kiki bastelt sich einen böse schiebenden Schaffelrocker, der ein wenig an The Emperor Machine erinnert. Der Smash TV Remix, lässt dann als einziger die Vocals komplett weg und brutzelt seine sägenden Synthiesequenzen zu neuen Höhen. Schöne Remixe, auch wenn die Vocals manchmal ein wenig dezenter sein könnten.


• = NEIN / ••••• = JA

SVEN.VT •••• HOUSEMEISTER - NO GAMES NO FUN EP [BPITCH CTRL /089 - NEUTON] Auch Housemeister arbeitet sich auf seiner neuen EP eindeutiger als je zuvor an einer No DiscoÄsthetik ab, die vor allem eins will, nämlich rocken. Mit Gitarrenlick, Plinkermelodie und allerlei Synthie- und Effektgezwitscher. Die A-Seite schraubt sich langsam zu monströs rockender Größe empor, während die beiden Tracks auf der B-Seite diese leicht manischen Großstadthysterie atmen, in der sich jeder Sound zu einem nagenden Ganzen verdichtet. SVEN.VT ••••-•••••

de nicht ganz so frei und lässig grooven, wie sie es auf ihren eigenen Tracks oft genug tun. www.highgrade-records.de BLEED •••-••••

V/A - PLATTE [CHARHIZMA - HAUSMUSIK] Unfassbar aufwendiges Projekt auf Charhizma. Das ist nicht nur einfach eine Schallplatte, sondern ein echter Begleit-Tonträger zu einer Ausstellung, die noch bis Ende Mai im Berliner Neurotitan zu sehen ist. Eine einseitig bespielte Platte mit Tracks von Erikm, Otono Yoshihide, I-Sound, Martin HG und Dieb 13, die alle ihr Ding machen und von trippeligem Heurigen-Jazz über Hochfrequenzgewitter, subterranen O-Ton-Reportagen aus dem Fernseher an der Brooklyn Bridge über die fiepsige Stille schließlich im komplett runtergerechneten Chaos landen. Das alles ist schon mal sehr cool, wird aber noch besser durch das ganze Packaging. Musik ist hier nur Teil des Projekts. Künstler und Grafiker wie Jan Kruse (Morr Music), Jim Avignon, Oliver Grajewski etc. haben ihre eigene Vision zum Thema Schallplatte entwickelt und je eine 12”-Pappe frei gestaltet. All dies liegt nun diesem Monster-Paket bei. Wahnsinnig limitiert und ein essentielles Tool für jede Wand. Mit 50 Euro seit ihr dabei. Und unbedingt die Austellung anschauen! www.charhizma.com THADDI ••••• BEN MONO - UNIVERSAL UNIT [COMPOST/147 - PP SALES] Ben Mono kommt mit einer weiteren Auskopplung aus dem Album Dual. Dazu breakt er seine Beats etwas langsamer, wie es etwa im Londoner Westen üblich ist, und sägt mit dem Bass die Zähne aus. Soll heißen, er kommt für compostsche Verhältnisse wenig schöngeistig, sondern eher massiv daher und schraubt sich wie ein Schaufelradbagger durch die viel zu weiche Musiklandschaft. Wären da nicht eine drückende Produktionstiefe, die etwa auch G-Stones Stereotyp auszeichnet und eine funky, fast sexy interpretierte Form von Fortschritt, wäre es das falsche Label. So kommen aber noch die Kollegen Sirius Mo (Sonar Kollektiv) und Volsoc zum Zuge. Ersterer saß wohl wieder mit Boxhandschuhen an seinem Rechner, bis der nach zwölf Runden einen Synthie-FunkSpaß ausspuckte, in dem sich Bajka wohl kaum mit ihrer Stimme selbst erwartet hätte. Der Angry Robot aka Jean Paul Bondy hingegen teast weitere Projekte auf Compost mit einem UptempoElektro-Brecher an, der mit seiner Schneide den Regenwald gefährdet. ben-mono.de M.PATH.IQ •••• JAY HAZE VS. MIKAEL STAVÖSTRAND [CONTEXTERRIOR/007 - KOMPAKT] Sehr darke deepe Platte mal wieder auf Contexterrior, die mit böse einrastenden Claps und einem verhallten dunklen Raum beginnt, in dem man sich sofort zurechtfindet und all die Elemente wiederfindet, die Haze Tracks so ausmachen. Konzentration bis über alle Maßen, und dabei dann auch noch verdammt funky und immer bereit zu unmöglichen Soundstunts. Mit Mikael läuft das hier zu einem Produktionsteam auf, das so überhitzt wie strange von Anfang bis Ende Soundtracks für all die macht, die einfach nicht genug neue Sounds und unheimliche Komplexität in rockender Form in ihre Ohren bekommen können. Killerplatte. www.contexterrior.com BLEED ••••• BEEFCAKE - VIANDE DE GATEAU [DELIKATESSEN RECORDS/9 - ANT ZEN] Vier neue Beefcake-Tracks auf meiner Lieblings10”-Reihe, die zunächst mit wildem 808-Gebollere den Marktplatz aufräumen, dann leise Geschichten aus den Bergen erzählen, sich dann dem Sample-Soundtrack mit mittigen Breaks verschreiben, alles sehr dramatisch ausmalen und schließlich leicht verpeilt mit der Plinker-Straßenbahn bis zur Endstation fahren. Ach, wie nett. Wie immer. www.delikatessen-records.com THADDI •••• THE ADVENT / KX NOIZSYSTEM - NITE CALL / TIK TOK [DOUALA TRAX/001 - INTERGROOVE] Ah, die Legende vom Bodensee. Kann ja gar nicht wahr sein, dass es jetzt erst, nach dieser Ewigkeit, ein Label zum Club gibt. Und es beginnt mit einem sehr lässig rockenden Track von The Advent, der irgendwie zwar einen Beat hat, der notorisch eintönig ist, aber darauf einen Orgelakkord droppt und schon klingt das ganze fast wie Housemusik und bleibt dabei auch noch irgendwie deep. Die Rückseite kommt mit einem Track vom Clubmacher und rockt in ähnlicherweise aber mit mehr Tunnelblick. www.douala.de BLEED •••• MOCKY - HOW WILL I KNOW YOU [FINE / FOUR MUSIC - SONY] Was für ein verdammt lässiger Hund, der Mocky. Wenn sein Buddy Gonzales schwitzt, dann grinst Mocky nur. Wie man so klassisch an einer HipHop-Tradition anknüpfen kann, die Blockparty und Funk und Pieps-Melodien und geöffnete Hydranten zusammendenkt, ohne retro zu klingen, sondern einfach nur nach bestgelauntem Müßiggang, ist ein echter Glückstrick. Im Chor mit Jamie Lidell schnippst Mocky mit den Fingern und erobert das Areal zwischen Grill und Pool von den Gangstern für die Flipflop-Träger zurück. Das Album steht im Startloch und hält alles, was diese EP verspricht - schon mal so vorweg gesagt. JEEP ••••• JAN DRIVER - LADIES WANT IT [GRAND PETROL/001] Er kann es einfach nicht lassen, dieser Jan Driver und macht jetzt auch noch sein eigenes Label auf dem er HipHouse Tracks mit einem gewissen kranken Faktor releast, jedenfalls scheint es auf “Ladies Want It” erst mal so und wühlt durch die angezerrten Basslines und ultrasatten Beats mit leicht sleazig aufgepolstertem Sound und diesen etwas angeschnittenen Vocals die stellenweise Klingen als hätte dem Rapper jemand die Zähne rausdigitalisiert. Auf der Rückseite dann ein Stringdiscotrack mit kurzem Frauenvocal (Tension, Pressure, Pain), das einen ebenso bröselig machoiden Sound hat, aber letztendlich sind das hier dann doch Discohits die, obwohl an der Grenze, dieses gewisse Etwas haben, dass man sie gerne mal Zwischendurch hören möchte. BLEED •••• HAL9000 & SYLVIE MARKS - TRAUMWELT WACHWELT [HAL9000/021 - KOMPAKT] Wer hätte das gedacht: Hal9000 ist zurück, mit einer 12” obendrein mit vier neuen Tracks, die einem die Seele aus dem Raverherz reißen wollen und frisch garniert mit säuselnder Größe, die mit jedem Track einen Song haben wollen, einen Hit, egal wie krumm die Beats sind, wie verdreht die Sounds, wie komprimiert das alles verpackt und ab in den Raum geschossen wird. Wie sehr das nach Sci-fi Oper klingt, nach Chanson, nach subsonischen Breaks, es landet immer auf beiden Füssen und lehrt uns, dass die Suche nach dem perfekten Hit auf dem Dancefloor nie abgeschlossen sein wird. Ein Abenteuer, diese Platte. www.mad-net.de/hal9000/ BLEED ••••• TONIC AGENTS - YA YA EP [HIGHGRADE/015.5 - WORDANDSOUND] Sehr ruhige Tracks auf der A-Seite, die die schon auf der Compilation angedeutete Broken Beats Seite des Labels zeigen, die ich hier nicht ganz so überzeugend finde, weil irgendwie alles etwas zu dünn wirkt, zu relaxt und letztendlich auch in der Auswahl der Sounds etwas blass. Auf der Rückseite dann Phonique und James Flavour Remixe, die wieder etwas rockender daherkommen, aber bei-

Q-IC & STEPHENSON - FINAL DESTINATION EP [HÖRSPIELMUSIK/041 - INTERGROOVE] Ziemlich interessant, was die beiden hier so als Technotracks produzieren, denn sie benutzen nicht einen Sound, der einem bekannt vorkommt und bewegen sich so in einer Ästhetik, die irgendwie von Anfang bis Ende überraschend wirkt. Sehr leicht, aber dennoch aggressiv, bodenlos aber mit Kick und irgendwie passen die Vocals da perfekt rein. Vom Sound her ist z.B. “C`Mon Everybody” eher so etwas wie Swing, aber dennoch klar böser Technotrack und mit der schräge rollenden Bassline hinterher auch noch bestens für den Dancefloor skurriler Discotracks geeignet mit seinen abgehackten Vocals. “Mianke” ist ein wenig straighter in den Beats aber irgendwie dennoch unheimlich und mit überraschend zerbröselten Stringsounds, “The Last Crusade” ein echtes Ungeheuer mit Magenverstimmung und für “The Human Voice” werden die beiden dann noch mal ganz dubbig und jammend in einem Microhousestil, der gut in die unterste Ebene einer Tanker-Disco passen würde. Skurril aber extrem gut. www.hoerspielmusik.de BLEED ••••• END - THE SOUND OF DISASTER [HYMEN/49 - ANT ZEN] Nach einem eher künstlerischen “Science-Fiction” hat End mit kleinen, auf 7-inch gepressten Beatsplatter-Flics seine Freude am unbekümmerten Cut & Mash-it-up entdeckt. Dabei haben die für “Sounds Of Disaster” auf der plunderphonischen Schlachtplatte geopferten Samples mitunter unkaputtbare Ninja-Tune-Qualitäten (70s-Soundtrack-Blechbläser und -Gitarrenriffs, beschleunigte Jazzbreaks), manchmal sind die Quellen einfach mutwillig albern. So gelingt es End, den Humor, der im Arrangement oder in der Breakarchitektur doch auch schon, viel subtiler, am Wirken ist, gegen sich selbst zu wenden. Was ja meistens nichts anderes heißt, als eine halboriginelle Idee ästhetisch gegen die Wand zu fahren. Erstaunlicherweise überlebt die Musik auch das und hält eine konsequente Tex Avery-Gangart ohne Lücken und Hänger durch. Denn wie Donna Summer, einer der begnadetern Vertreter dieser Idee von Spaß, sagte: Es ist leicht, ein düsteres Werk abzuliefern, unterhaltsam und sogar humorvolle Kunst dagegen eine Herausforderung. The End haben sich ihr gestellt, das Desaster ahnend und umarmend. Der Rest ist Geschmacksache. EM •••• SOLID GOLD PLAYAZ - LE SOUL AFRIQUE [KANZLERAMT/106 - NEUTON] Die meisten der Releases von ihnen bislang (auf ihrem eigenen Label, Solid Gold, auf Soulfuric, Silver oder Bumpin City) habe ich wohl verpasst, aber wenn sie auch nur halb so gut waren wie diese EP, dann sollte ich die wohl mal suchen gehen, denn das ist einfach so relaxte, lässige Housemusik mit Chords und perlenden Beats, dass man sich an einem relaxten Nachmittag kaum etwas Besseres vorstellen kann als diese fiepsig dichten, schwermütig leichten und sehr selbstbewusst strahlenden Grooves. Und wie oft hört man schon Flötensamples auf Kanzleramt und findet die dann auch noch perfekt? Sehr schöne, zeitlos fließende Tracks von Kenny Gino und Big Mike. www.kanzleramt.com BLEED ••••• DB - GDANSK EP [KARLOFF/005 - KOMPAKT] Wie schon auf seinen vorangegangenen EPs ist dB ganz versunken und total konzentriert, den Groove am Laufen zu halten, trotz aller skurriler Wendungen und absurden Zwischengeräusche. Musik die ständig zusammenzubrechen droht, aber dadruch nur noch deeper wird. Ich bleibe Fan, definitiv, denn was dB jedesmal wieder auf einen loslässt ist einfach zu schön um abstrakt zu sein und zu abstrakt um nicht schön zu sein. Drei Tracks für jedes House. www.karloff.org BLEED ••••• FRIVOLOUS - COQUITLAM BC EP (1 OF 2) [KARLOFF RECORDINGS/007] Verdammt, das werden sogar zwei EPs. Was könnte besser sein als das? Irgendwie singt Frivolous nämlich jetzt und das durch die üblichen Effektgeräte, die jeden wie einen Geist aus der nächsten Galaxis klingen lassen, klar, aber dabei bleibt das ganz so poppig und verschroben zugleich, dass man sofort mitsingt und sich zuhause fühlt. Houseverliebte Basslines, flirrende Sounds, schräg reintrudelnde Orgeln aus einem 60er Jahre Paralleluniversum, gelegentlich mal ein Housepiano aus der hintersten Ecke mit einem Stück Weichkäse hervorgelockt und in Tiefschlaf gesummt, die Gitarren durch die digitale Drechselmaschine angespitzt und mit verwirrend verliebtem Gesäusel nicht gespart. Musik die ein wenig so klingt, als hätten sich Robag Wruhme und Luke Vibert auf einen Sommerausflug begeben. www.karloff.org BLEED ••••• MAIK LOEWEN - MEZCAL EP [KARMAROUGE/006 - WORDANDSOUND] Auf den ersten Blick wirkt diese neue Platte auf Karmarouge ein wenig trocken, aber das scheint vor allem daran zu liegen, dass das Sägezahn Monster “Ego” sich sehr viel Zeit lässt, bevor es ansetzt und zu einem dieser Raveschwergewichte wird, die einen mit ihren zerrenden Sounds, die immer höher zu fliegen scheinen, an die besten Tage im Tresorgarten zur Loveparade erinnern. (Ihr wisst schon, als nebenan noch ein kleiner Erdhügel war von dem aus man das alles in Vogelperspektive beobachten konnte). Klarer im Sound dann “Mezcalero” mit seinem Spiel zwischen Beats wie Wassertropfen und schwelend darker Bassline, das sich so zuspitzt, dass man eine alles vereinigende Ravehymne im Track entdeckt, die Elektroclash, Techno, Trance und Minimalismus miteinander vermischt. Als Abschluss dann noch ein deeperer Track mit eher housigem Fundament und sehr vielen wässrigen Soundeffekten, der zeigt, dass Maik Loewen nicht unbedingt alles niederbrettern muss, sondern ebenso subtil runterkommen kann. www.karmarouge.com BLEED ••••• HOLGI STAR - HARDGROOVIN’ SESSIONS [KIDDAZ.FM/LP005 - INTERGROOVE] Tja, schon sehr böse und schrubbernd diese Sessions von Holgi Star, der schon auf dem ersten Track losbrettert als würde ihm ein ganzer Stab von Verfolgern im Nacken sitzen. Aber bei aller Monströsität der Tracks spürt man dann doch, dass er die Filter beherrscht, immer wieder eingreift und rumreisst, den Sound irgendwie knetet als wäre das ganze ein Playstationcontroller, den man nur weit genug durch die Gegend schütteln muss, um am Ende alle Punkte zu bekommen die zu holen sind. 8 kompromisslos polternde Tracks auf einer Doppel EP. www.kiddazfm.de BLEED •••• I-WOLF - FALLIN [KLEIN RECORDS/050] Ein Losoul Remix auf der neuen EP von I-Wolf, und der kommt so lässig mit einem konsequent gradlinig swingenden Beat (wie das geht? fragt Losoul, der scheint ein Trademark drauf zu haben) und schwer dunkler Bassline, dass man völlig aus dem Ufer gerät, wenn zum ersten Mal das Vocal angerissen wird und plötzlich dem Ganzen eine extrem soulige Wendung allein durch Auslassung verleiht (wie das geht? fragt Losoul ...). Der I-Wolf Remake des Tracks steppt irgendwie zwischen Dub, Kammermusik, Disco und einer leicht trancigen Tiefe, rockt aber perfekt den Raum frei für das verlassene Reggae-R’n’B-Vocal, das vielleicht auf Dauer ein wenig zuviel wird und dem Track etwas an Raum wegnimmt. Auf der Rückseite dann noch ein hitziger Raggasteppermix von Stereotyp, der die Dancehall in Angriff nimmt und mit elektroiden Monsterbässen versieht. www.kleinrecords.com BLEED •••••-•••• KLEMENS KAATZ - TRANSFORMATIONEN [KNISTERN/3 - HAMBURGER IMPORT] Diesmal treibt es Platzhalter Klemens Kaatz auf

die Spitze, wenn man mich fragt. Bei der letzten Single unter seinem Namen gab es noch klare Instrumenten-Aufteilungen im Dienste des vierfach versteckten Grooves - dafür habe ich eine Messe gesungen. Aber für “Knistern 3” verlegt er sich mit Kumpel (man entschuldige meine joviale Sprechweise) Bernd von Ostrowski auf Stimmungs-ausgerichtete Monochromklänge, wie sie “Goblin” für Dario Argentos Filme nicht treffender hinbekommen hätten. Aber immer ist da ein Bass-Thema, das wie die Tuba bei Prokofjiews “Peter und der Wolf” eine frohgemute Volksmusikartigkeit beisteuert, die auch mal regelrecht rockig werden kann. Besonders prägnant bei “Teil D”,.wo neutönende Geräuschexperimente mit fast drängender Rhythmusdynamik unverhofft an einem Strang ziehen (wie bei den Double-Bass-Improvisationen von Sam Rivers) und ein Mega-Fass aufmachen, das ganz körperlich und diesseits mitten so im Weg liegt, dass man sich einfach nur draufschwingen will. JEEP •••• JUSTUS KÖHNCKE - ZWEI PHOTONEN [KOMPAKT/095 - KOMPAKT] Nach der etwas sehr verstrahlten EP mit Andreas Dorau ist Justus Köhncke wieder da angelangt, wo er immer wieder einen Hit nach dem anderen aus den Ärmeln zaubert: In der elektrifizierten Disco! Timecode ist ein epischer Disco-Hit, der sowohl um die Errungenschaften von Hi-Energy als auch Italo-Disco weiß und einen einfach nicht mehr loslässt. Ganz großes Tennis! Auf der B-Seite fröhnt er dann seiner anderen Leidenschaft. Die des Barden verspuhlter und sehnsüchtiger Popsongs. Mit Sicherheit Geschmackssache, aber die A-Seite ist über jeden Zweifel erhaben. SVEN.VT •••••- ••• ERAST - MINIMISSING [LABORATORY INSTINCT - NEUTON] Irgendwie clever, dieses Label, das immer gleich zu einer CD noch eine EP mit anderen Tracks rausbringt, die aber dann auch gerne mal 6 Tracks hat, nur eben andere. Hier mehr von dem Sound, der das Album so eigenwillig macht, vielleicht noch ein wenig melodischer und hymnischer gleich zu Beginn mit dem Pizzicatomonster “Minimissing 5” und dem extrem sweeten Track “Movie I’ll Never Shoot”, die das Ganze mehr wie eine touristische Reise rings um den Erdball wirken lassen und mit ihrem lässig überbordenden Swing einfach perfekt den Bogen spannen zwischen folkoristischem Wahnsinn und digitaler Nuanciertheit. Auch hier wieder ein Remix, diesmal, was könnte besser passen, von Atom Heart. Brillante Platte. BLEED ••••• SWEET SLAVE - 808 LASERBEAM / DARKSIDE [LASERGUN/029 - NEUTON] Und schon wieder eine Platte dieser beiden, die grade auch eine My Best Friend releast haben. 808 Laserbeam rockt mit der gleichen Besessenheit und lässt die Congas über den massiven schwarzen Groove flattern, als bräuchte es einfach nichts weiter als einen spartanischen Groove mit Bassline und ein wenig Soundeffekt um den Dancefloor auseinanderzunehmen, denn genau das tut dieser Track. Die Rückseite versucht es mit clackernderen Sounds, massiver Detroitbassline und wird aber dann trotz Spielhalleneffekten irgendwie etwas sehr düster, naja, heißt ja auch “Darkside” der Track, was einen wenn dann die richtig düsteren Synthesizer einsetzen einfach ein wenig runterzieht, wo man doch hoch hinaus möchte. www.lasergun-records.com BLEED •••••-•••• SWEET ‘N’ CANDY - DON’T CHOP THAT... [LEBENSFREUDE/001] Nach Eps auf Musik Krause, WMF Records und Raum...Musik gründet Sweet ‘n’ Candy sein eigenes Label. Und Rico Henschel macht das weiter, wo die letzte Platte einen begeisterten Floor hinterlassen hat. Vier kleinteilig funkige Tracks, die Techno mit den Mitteln von Minimal-House in treibende kleine Monster voller Spielereien und verschrobenen Ideen verwandeln. Sehr gelungenes Debüt! SVEN.VT ••••• ZVUKBRODA - T-TRI EP [LISTEN TO REASON/004 - INTERGROOVE] Nachdem mir Marc Schneider diese Platte (große Augen gemacht ich, hehe!) auf unserer 7 Jahre De:Bug Party geschenkt hat, ach, hey, Danke!, grosse Tat das, ich bin immer noch glücklich, ließ es mich nicht mehr los. Wer zum Teufel ist das, was sind das für merkwürdige Namen und wieso ist das eigentlich so verdammt gut und so neu? Ein bisschen was weiß ich, denn Zvukbroda kommen aus Kroatien. Und sind obendrein noch ein Liveact (hey, bookt die, aber alle und sofort, denn ihre Auftritte sollen ebenso gut sein, wie die Platte). Die Tracks sind vom tTRI Album (wo gibt’s das bitte?) und beginnen auf “Ako” so unverschämt funky und weiträumig, dass man sich mittendrin plötzlich fragt, ob da ein Handy klingelt, aber wenn es so laut ist, kann man ja kein Handy hören, und dann kommt auch noch ein KopiergerätGeräusch dazu und dennoch ist es so funky und melodisch, dass man völlig überrascht ist. Auf “Pled” wird es dann zum reinsten Discohousekitsch mit stehenden Strings, Harmonien, die selbst Dominik schmelzen lassen dürften und die gesamte Retro-Neodisco-Welt eh. Mein Lieblingstrack ist allerdings der erste auf der B-Seite, denn da ist so ein ultrasweetes Vocal drauf (“i love your big ears, big nose big hair big toes”), dass man jedesmal vergisst, wie gut der Track eigentlich sonst so mit seinem Kleinkinde-Bootiesound in deepestem Flavour ist, und dann auch noch diese Akkorde, die in den Track reinplatzen wie eine Explosion im Rückrad. Ach. Bewunder. Und da ist noch ein Track... BLEED ••••• SUBSTANCE / DR. FRANKUFEN AKENSTEIN MONOBOX RMXS VOL.3 [LOGISTIC RECORDS/037 - NEUTON] Ah, äh, ja, klar, wer sollte das sonst sein, wenn nicht Akufen, der sich hinter so einem total verblödeten Namen verbirgt. Sein Remix, “Molecular Reconstruction”, findet den Meister des Microhouse in bester Zerreißlaune mit deepfunkigem Groove und vielen endlosen Slides durch die kleinteiligen Sounds und mit perlenden Brüchen die schlichtweg kicken, bis man nicht mehr weiß, wo oben und unten ist, aber zumindest überzeugt bleibt, dass der Akufen Sound so frisch wie eh und jeh ist. Auf der Rückseite dann Peter Kuschnereit aka Substance mit einem tiefergelegten Minimaldub der Andeutungen, in dem der Groove lange Zeit von wenig mehr als den schiebenden Bässen lebt, bis langsam immer mehr Dubs übernehmen und sich auf eine Stimmung einschwingen, die sehr locker und gradlinig vor allem auf die Details im Hintergrund achtet, was für Fans dieser Art Tracks bestimmt wieder ein Fest ist, aber auch etwas altmodisch wirken kann. www.logisticrecords.com BLEED •••••-•••• DJ SPUN & MYSTIC BILL - WARM FEELING / NO LOVE [MESSILIA VALLEY MADNESS/004 WORDANDSOUND] Mystic Bill ist so ein guter Name, dass ich mich sogar noch bestens dran erinnern kann, wie seine Platten auf Trax und Relief klangen, so Mitte der 90er. Aber der Hit der Platte ist definitiv der Track von DJ Spun, der mit seinem “Deep Inside” eine Versöhnung von Latingrooves mit soulig gespielten Marimbasounds und extrem fein gesetzten Samples wagt und dabei dennoch minimal genug bleibt, um nicht nur auf den kitschigeren, jazzigeren Deephouse-Nujazz Partys zu laufen. Der Mystic Bill Track “No Love” übertreibt es dann vielleicht ein wenig mit dem klappernden Percussionoverload und den massiven Overdubs aus Vocals, aber wenn die ersten Hupen einsetzen, oder was immer ich dafür halte, dann ist doch wieder alles gut und rockt halt zur besten Rushhour. BLEED •••••-•••• MARCEL KNOPF - HOLPERGEIST [MO´S FERRY PRODUCTIONS - WORDANDSOUND] Nach den Dapayk und Padberg EPs kommt jetzt mal ein neuer auf Mo`s Ferry und die Tracks

rocken, was das Zeug hält im schrägen, überbordend wirren Stil digitaler Verdrehtheit, die trotzdem rockt. “Holpergeist” kommt mit Schluckaufsamples, kruden Breakstunts, zerrig, bratzig, brummelnden Sounds und Effekten die einen nicht eine Sekunde still stehen lassen und verdammt albern mit allem umgehen, was sich so an Material bot. Perfekter Remixer für so einen kranken, ausgefranst rockenden Minimalsound ist natürlich The Architect aka Jay Haze, der zwar unglücklich ist über die etwas leise Pressung seines Tracks auf der Innenseite, aber dann muss man halt aufdrehen und es rockt trotzdem perfekt und mindestens ebenso freakig wie das Orginal, nur eben mit etwas mehr Tiefe im Groove und vielleicht sogar noch eine Kante verdrehter. Die Rückseite beginnt mit “Hakelrock” verflixt zerbröselt und noch mal eine ganze Ecke wirrer, so dass man lange Zeit Mühe hat, den Groove zu finden aber auf “Gals” wird aus dem Off dann wieder die gute Chicagotradition durch kubistische Gläser genehmigt und nach hinten geworfen für Bonusfeierschub. www.mosferry.de/ BLEED ••••• HOLMAR FILIPSON & GREG ORCK PRESENTS THUGFUCKER - BODYSHAKER [MOODMUSIC/025 - WORDANDSOUND] Homar Filipsson von Crack & Speed und Greg Oreck tun sich zusammen, um mal so richtig die Sau rauszulassen und klar lässt es sich Labelcheff Freestyle Man damit gut gehen, denn hier läuft alles wie von selbst. Bleeps, rippende Monsterbassline, böse Worte in prolligem Wohlgefühl durch den Transistor gejagt und dabei dennoch funky und subtil genug, um einen nicht nur die Schenkelklopfer ins Moodmusic Headquarter zu jagen. Retrofun der besten Art. Auf der Rückseite dann ein deeperer Phonique Mix, der dem ganzen mit dezenten Discomotiven und verhallenden Claps auf den Leib rückt und auch die gepflegteren Antirocker wieder auf das Parkett holt. Lässig und definitiv einer der Hits des Frühlings. www.moodmusicrecords.com BLEED ••••• FREESTYLE MAN - ROLAND [MOODMUSIC/024 - WORDANDSOUND] Massiv und schwergewichtig wirft Freestyle Man “Roland” ins Rennen, um den bösesten Discorocker mit Gruselatmosphäre, und er hat diesen Monat durchaus gute Chancen zu gewinnen, denn es stimmt vom ersten Sound bis in den massiv bratenden Bass alles. 10 Minuten lang die Spannung zu halten, ist etwas, das so viele nicht können, aber Sasse macht es irgendwie mit links und wird dabei immer melancholischer. Ein echter Ehrenmann. Auf der Rückseite kommt ein Remix von David Duriez, der radikaler die Stakkatos rausholt und dabei auf verdrehte Weise wie ein Wildpitchmonster mit diveresen Shuffeleinlagen rüberkommt. Böse wuchtige Platte. www.moodmusicrecords.com BLEED ••••• MOSCOW ECHO / THIRSTY MONK - SUPREME KALASHNIKOW / ARMOURED [MOODMUSIC LIMITED/003 - WORDANDSOUND] Ah, verdammt, noch eine Moodmusic, und wer die Bassline von Moscow Echo´s (New to you? New to mee too) “Supreme Kalaschnikow” das erste mal die Stufen hinabpurzeln gehört hat, dem geht sie nicht mehr aus dem Ohr. Ein Track sweet wie von den Burdon Bros. wenn sie verliebt sind, und zurückgelehnt groovend bis selbst der letzte Kiefer diese Melodie nachklappert. Auf der Rückseite etwas drängender und mit Bleeps, kommt der Thirsty Monk Track von Anfang an mit elektroid krabbelnder Bassline und verdammt gut in den Hintergrund verlegten Percussionsounds, die dem Track die Tiefe geben, Swing hat er ja eh mehr als genug. www.moodmusicrecords.com BLEED ••••• TODD BODINE - LET IT ROLL [MORRIS AUDIO CITY SPORT EDITION/011 - INTERGROOVE] Ich bin ja eh Fan von Todd Bodine Tracks, vor allem weil die Bleeps immer so gut passen und einen weit hinaustreiben, ohne dass sie sich bemühen müssten. Perfektioniert wird das hier auf “Let It Roll”, das viel linearer als bei ihm sonst üblich, eben einfach genau das macht, was der Titel sagt, und dabei langsam und genüsslich das Zentrum

verschiebt mit nur einem rollenden Beat, Bleeps und ein wenig Pianochords. “Radarstreams” verlegt sich dann wieder mehr auf Funk und subitle Hintergründe, lässt es knarren und leicht tribalartig durch die LFOs rocken und kommt am Ende rüber wie Michael Jackson in Dinosaurierverkleidung. “For Nothing” hat ein Vocal, das nach frühneunziger Techno klingt, aber Beats aus der besten Retrohouseschule, und schafft es so eine gewisse funkige Aggressivität mit verdammt smoothem Groove zu verbinden und am Ende gibt es noch seine Sicht auf den Sweet Excorcist Groove mit Detroitstrings bis zum umfallen. Perfekt. www.morrisaudio.com BLEED ••••• BEROSHIMA - ACID LAS VEGAS / REWIRE 2003 [MULLER/052 - INTERGROOVE] Als Auskopplung zu dem Album kommen erst mal zwei 10”es. Diese hier featured die rabiater rollenden Elektrotracks mit solidem Acidfundament auf “Acid Las Vegas”, das die Sägezahnpeitsche schwingt und dabei dennoch den elektrischen Reiter kontrolliert und irgendwie zu einer Art skurrilem Ringelreihen einlädt. Die Rückseite “Rewire 2003”, mit ihren Vocals und dem eher 80er-lastigen Waveappeal, wird zwar immer noch genug gebrochen, um spannend zu bleiben, hat aber einen leicht trancig dunklen Touch, der mir nicht so liegt. www.muller-music.com BLEED •••• SIEG ÜBER DIE SONNE - GONE [MULTICOLOR - INTERGROOVE] Remixe von Duriez und Melchior dürften ja schon reichen, dass man sich diese EP genauer anhört, aber natürlich rockt auch das Orginal von Pink Elln und Dandy Jack, das hier in ihrem Barbados Mix kommt und lässig übers Neodiscoparkett schrubbt. Minimal in gewisser Weise, aber dennoch vollmundig und mit dem Vocal dann irgendwie auch ein sehr sprudelnder Hit, den die beiden da als Teaser für das Album rausbringen. Housiger denn je, weshalb die Remixer ja auch nahe liegen. Doch erst mal ein anderer Zwischenstop mit “Charlotte De Gaulle”, bei dem mir die Vocals etwas zu viel an Effekten auf sich ziehen und dann aber doch zu sehr Popmusik sein wollen. Duriez lässt es auf seinem “Lunar Disco Mix” rattern und shuffeln, bis man den Groove fast nicht mehr findet und lädt ein zum kompletten Mashup, bis keiner mehr grade stehen kann, während Melchior mit seinem “Search & Find” Mix eher ultrasmooth und mit so sympathischen Basslines und flackernden Beats kickt, dass man versteht, warum die Vocals etwas höher fliegen müssen als im Orginal. www.multicolor-recordings.de BLEED •••••-••• EXTRA STOP [MUST RECORDS/001 - WORDANDSOUND] Must Records macht voll und ganz Sinn, denn hier wird noch einmal ganz anders an alles herangegangen. Elektroid, discoid, oldschoolig, klar, all das, aber irgendwie hat man trotzdem das Gefühl, dass hier nichts klingt, wie es war, und sich die beiden wirklicht für jeden Track noch mal hingesetzt haben, um sich zu überlegen, wie man einen Track so mit einem Grundgerüst an Beats ausstatten kann, dass er sich von allem anderen abhebt. Heraus kommt eine eklektizistische Mischung aus Funk und Soundeffekten, die sehr gradlinig, aber auch sehr dubbig wirkt und von Minute zu Minute phantastischer wird. BLEED ••••• DIRT CREW - CLEANING THE GHETTO PT. ONE [MY BEST FRIEND/005 - KOMPAKT] Das geht verdammt schnell mit dem jüngsten der Label aus dem Traum/Trapez Haus. Dirtcrew sind P Eijselaers und Felix B. Eder (James Flavour und Break 3000) und die beiden haben offensichlich zuviel von Jack geträumt, denn der erste Track heißt nicht nur so, sondern platscht mit seinen tackernden Rimshots und den hochgezwirbelt näselnden Vocals, den stampfend grundlegenden Beats und Basslines einfach perfekt ins Retrogedränge und rollt dabei mit mächtiger Bugwelle alles platt, ohne einen Hauch von Funkyness dabei zu verlieren. Klar, die Vocals werden den ein oder anderen an Detroit Grand Pubahs erinnern, aber selbst der lässigste Remix hat es schwer an die

rockende Größe dieses abgehackten Discoclassics “Jack” ranzukommen. “Check This Out” ist kratziger im Sound und eher balearic und dubbig in den Beats, wirbelt dabei jede Menge Staub von der Nadel und könnte kaum erfrischender wirken. Killertracks, beide. www.dirtcrew.net BLEED ••••• AEOX - NIE MEHR SCHLAFEN REMIXES [NULL RECORDS/0.11 - POSSIBLE] Ihr kennt den kranken Sound von AeoX, ja? Wenn nein, dann dürfte diese EP hier eine perfekte Einführung geben. Sehr verzerrt in den Sounds, Mülltonnenbreaks und elektronisch verdrehter Wahnsinn in den Zwischenräumen der rotzigen Zähne und hier eben noch mit einem Hitvocal, das irgendwo zwischen “Wir sind keine Roboter” und “Wir Gehen Nie Mehr Schlafen” genau die richtigen Worte findet, um einem das Leben zu versüßen. Dazu gibt es einen Glasgow Dub, der sich in völlig verdrehte Acidsequenzen versteigert und die Beats etwas technoider dreht, der Remix von Bill Youngman, der völlig überheizt und supertrashig rüberkommt und ein elektroid brummender Remix von Ai.X.E. mit dem Unschlagbaren Hymnenvocal “Wir sind keine Maschinen”. Ach. Was für Hits das. Das Album kommt kurz später hinterher. www.null-zero-nada.de BLEED ••••• BURNEL - [NURSING HOME/003 - KOMPAKT] Ouch, jetzt wird hier die Oldschooltechnosägezahnheilige gepfählt und gemartert, mit einem Piano das klingt als hätte er Strings of Life durch den Müllschredderer im Abguss laufen lassen, und das kann Burnel nicht mal schlecht. Natürlich würd ich auch gerne hören wie seltsam sich das angehört hat, bevor der Studioschäferhund auf dem Verzerrer eingeschlafen ist, aber wir werdens wohl nie wissen. Wer die subtileren Parts von Burnel mag, der sei auf die Rückseite verwiesen wo es mit “Spoof” wieder einen dieser sehr eigenwillig graden aber verzückt träumerischen Tracks gibt, die keiner so gut wie er hinbekommt. Als Bonus dann wie gerne genommen der PomPom Track, für die Hood Montags Abends, immer noch drüber, immer wieder drauf. BLEED ••••• STAVÖSTRAND & SKUGGE - RHEINSBERGER EP [ONITOR/028 - KOMPAKT] 4 ziemlich rockende Tracks dieses Schwedischen Traumduos, die sehr linear und sequentiell scheinen, aber in den Sounds sehr viele kleine Veränderungen einfließen lassen und dadurch quietschmunter und verspielt rüberkommen ohne an Tiefe dadurch zu verlieren. Musik, die klingt wie Grillen auf Amphetaminen, die in einem großen, schwarzen Fluss über die Ohren in den Körper fließen und dort in swingenden Bewegungen eine sehr feine Art von ruhig bewegter Bewunderung erzeugen. Nice. www.onitor.de BLEED ••••• DONATO DOZZY - MINDED [ORANGE GROOVE/001 - NEUTON] Hey, ein Römer, kaum zu glauben. Denn aus Italien hört man ja eigentlich fast immer nur von der Nature Posse. Hier aber auf der A-Seite ein zeitloser leicht clonkiger Dub namens “Minded?”, der so weit draußen wie erfrischend ist, weil die zurückgenommenen Beats und das flirrend perlende der Sounds perfekt zusammenarbeiten und dabei eine Szenerie entwickeln, in der nur noch der letzte Zeh auf dem Boden bleibt. Bis sich langsam eine Acidelektrobassline einschleicht, die dem ganzen ein leichtes drüber-Flair verleiht. Die Rückseite beginnt gleich schwärmerisch mit Chords wie aus frühen B12 Zeiten und entwickelt sich dann zu einem Track, der so hymnisch wie gradlinig-trackig bleibt und dabei perfekt die Ära der Open Air Partys einläuten könnte. Schöne Platte, die vielleicht stellenweise ein klein wenig impulsiver werden könnte. www.orangegroove.com BLEED ••••-••••• V.A. - AIRBAG CRAFTWORKS COMPILATION VOL.2 TEIL I [OTL/15 - NEUTON] Die erste Airbag Compilation war das Ergebnis einer Zusammenarbeit zwischen Paul David von Airbag und den Schmalkalden-Jungs um OTL und USM und äußerst erfolgreich noch dazu. Ein klei-

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<41> - DE:BUG.82 - 05.2004

BRD


<42> - DE:BUG.82 - 05.2004

BRD

• = NEIN / ••••• = JA

ner Meilenstein und für nicht wenige der darauf vertretenen Künstler ein wichtiger Schritt ihrer Laufbahn. Jetzt steht Teil II der Compilation an, wie bei der letzten gibt es zwei 12” Auskopplungen und natürlich die CD. Auf der A-Seite dieser ersten 12” eröffnen Farben und Jay Haze den Reigen, den dann auf der B-Seite Swayzak und Lowtec fortführen. Der Farben-Track bleibt ruhig und dem warm-knusprigen Minimalfunk verhaftet, während sich Jay Haze mit ziemlichen durchen Helium-Vocals und Cutup-Soundfetzen schon etwas weiter aus dem Fenster lehnt. Gleiches Muster auf der B: Swayzak eher ruhig groovend, Understatement im Sinn, und dann ein Killer von einem Lowtec-Track. Klopfgeräusche statt Open Hihat, staubtrockene Snare, Zirpsounds der gemeineren Sorte und ein sich windender Bass schaffen ein gärendes Psycho-Potpourri mit Durchschlagskraft. Nicht dass es an den anderen Tracks was auszusetzen gäbe, aber hier schießt Lowtec den Vogel ab, da bleibt kein Auge trocken und die Federn rieseln lautlos zu Boden. Killer, echt. LUDWIG •••••

[POMPOM/016] Yo, der Sommer ist vorbei für PomPom, war er das nicht eigentlich immer schon? Hier mal wieder zwei Tracks, die böse dunkel, aber sehr lässig vor sich hinswingen, als würde eine Bassdrum eben doch den Groove ausmachen und nur ein paar Nebenhersounds das Ganze schon zum Kochen bringen. Irgendwie totales Understatement und genau deshalb so gut. Tiefergelegte Technotracks, die auch in den dunklen Zeiten einer minimalen Houseparty gut funktionieren können. Auf der Rückseite ein kaputterer Track mit Beats wie aus der Schmiedewerkstatt und Vocals, die über den Tisch gekrabbelt kommen, als würden sie mit letzter Kraft doch noch was aussagen. Kaputt, aber nicht verwirrt, sondern stolz drauf. Yes. BLEED •••••

erste Track mit schrabbelnder Gitarre und straighter Bassdrum und, hey, das ist mit Sicherheit eine der Grundstimmungen des Jahres bislang. Weshalb ich sicher bin, dass das auch ein Hit werden sollte. Der nächste verzückt einen dann mit einem der lockersten Dubminimalmicrokrabbelhousegrooves des Jahres, in dem alles vor sich hin swingt und knarzt und rockt und irgendwie alles zugleich angegangen wird, so als wäre das hier eine Koproduktion von Akufen und Jay Haze. Auf der Rückseite ein ultrareduzierter Track, der so tut als wäre er Robag Wruhme mit Dreadlocks und dabei so slick eine Bassline klaut, dass wir sofort nach Jamaika auswandern wollen. Und der letzte krabbelt mindestens nochmal so gut. Was für eine Platte. www.punktmusic.de BLEED •••••

V.A. - PULVERISING! GREEN [PULVER/015 - SOULSEDUCTION] Keine Ahnung, ob die Jungs zuviel Grünen geraucht haben, als sie sich entschlossen, die Pulverising-Idee am Leben zu erhalten. Auf jeden Fall ist das eine gute Idee, die unabhängig von der Farbe mehr eben davon in das DJ-Case bringt. Den Anfang macht die Dutch Rhythm Combo, deren Come On im Sket Remix bislang nur den Hörern von Hotel Costes begegnet sein dürfte. Was hier als DeepHouse bezeichnet wird, wirft tatsächlich den labeltypischen Funk nie über Bord. Von dem hat S-Rock alias Andreas Schönrock noch einiges mehr geladen. Die All Good Funk Alliance hat das Schlagwort ebenfalls längst nicht nur im Namen. Doch streng genommen müssen wir hier auf einen waschechten Disco-Stomper plädieren. Abkühlung kommt in Form von This Is How We Roll von Monophonic. Und da dürfte in der Tat einiges Dope die Beatz inspiriert haben... Insgesamt eine ganz sichere Bank. www.pulver-rec.com M.PATH.IQ •••••-••••

DJ SHIRLEY - EXCLUSIVE & FAMOUS [SCHEINSELBSTÄNDIG/010 - KOMPAKT] Sehr skurrile Platte diese kleine LP auf Scheinselbständig, denn irgendwie setzt jeder Track woanders an und gemeinsam bleibt ihnen vor allem völlig nett und fiepsig zu sein, mal mit Gitarren, mal Casioorgeln, mal mit Beats, mal eher nebenher klappernd, mit Ausflügen nach China, in schnelle vergrabene Popsongs, die kaum mehr sind als eine Andeutung oder völlig verschrägtes Herumdaddeln mit Computervocals. Amüsante Platte, die gerne schon mal sehr trashig rüberkommt und einem die kalte Schulter zeigt, auf die ein kleiner changierender Schmetterling eintätowiert ist. www.scheinselbstaendig.net BLEED •••••

GRAZIANO AVITABILE - ÄSER EP [PLATZHIRSCH/001 - KOMPAKT] Zwei neue Tracks von dem Kölner, der schon auf Karmarouge und My Best Friend releast hat, und in gewisser Weise ist das hier die Quintessenz der beiden, leicht trancig und dezent dunkel mit slammendem Hitappeal auf beiden Seiten, aber dennoch in dieser speziellen Art sehr technoid und grundlegend, wie er es eben immer wieder zeigt. Vielleicht ein klein wenig toolig stellenweise, aber um so mehr reizt es einen, diese Platte hart am Wind zu segeln und vor allem die B-Seite entwickelt gegen Ende eine drängend böse Intensität, die jeden packen dürfte. BLEED ••••-••••• MELCHIOR PRODUCTIONS - SEARCHING / DEEP STEPS [PLAYHOUSE /092 - NEUTON] Von mir aus könnte das auch mal einen eigenen Namen bekommen, was Thomas Melchior da mit House macht, denn es ist irgendwie so losgelöst und unbeeindruckt vom ganzen Retro-Jack-House

und auch völlig anders als Deephouse oder was sonst noch so an Spielarten durch den Raum geistert. Und dabei hat es dennoch so sehr diese Schnittstelle zwischen endlos zum Tanzen zwingenden Grooves und lässig herumwirbelnder Leichtigkeit, zwischen Tiefe und Flow, dass man sich wundert, warum nicht viele mehr so einen Sound suchen. “Searching” jedenfalls setzt perfekt da an, wo uns die letzte Playhouse verlassen hatte und lässt rings um einen sehr smoothen shakenden Basslinegroove einen Track entstehen, der sich immer wieder um sich selbst dreht, aber dabei jedesmal völlig anders wirkt. “Deep Steps” auf der Rückseite kommt mit jazzigeren Sounds und diesem für Melchior stellenweise typischen Restvocals, die grade eben noch in den Groove eingehakt werden und sich als ein Element dieser ständig entlang einer immer breiter grinsenden Energie der Konzentration aufplustern zu einer kleinen Supernova von innen. Leiser könnte ein Manifest für Housemusik gar nicht sein. BLEED ••••• DETROIT GRAND PUBAHS - GALACTIC ASS CREATURES FROM URANUS [POKERFLAT - WORD AND SOUND] Black Fu phantasiert sich und seine multiplen Booty-fixierten Persönlichkeiten durch ein Kaleidoskop musikalischer Begegnungen der dritten Art. Immer mit leicht debilem Grinsen einen anzüglichen Witz auf der Zunge, jagen einen die Galactic Ass Creatures form Uranus durch sechzehn Tracks voll hochprozentigem X-rated Funk. Erklingen bei der Landung noch schönste Mad Mike Strings und Fanfaren, geht es danach gleich ins Rotlichtviertel voller Bootycyborgs und Discomutanten. Da bleibt kein Auge trocken und kein Arsch ungeschüttelt. Zwischen drin bleibt natürlich immer noch Zeit, sich bei 140 bpm auf die Schenkel zu klopfen. Science-Fiction-Trash-Soundtrack Deluxe. Roger Corman wäre stolz auf die Pubahs. www.pokerflat-recordings.com SVEN.VT ••••-•••••

P. LAUER - FREE ENTRY FOR GIRLS [PUNKT MUSIC/019 - INTERGROOVE] Was ist das für ein alberner Track? Ein Kleinmädchen-Vocal klagt das Recht auf freien Eintritt für Girls ein und reitet dabei auf einem Subbassli-

netrack, der sich mittendrin in einen kleinen Ausflug ins Licht der Elektrokugel wagt. Irgendwie erinnert mich das auf merkwürdige Weise an Scan7, aber wenn dann die Bassline plötzlich zum Solo wird und zittert wie ein Augapfel unter 200kWatt, dann ist man schon wieder ganz woanders. Kranker aber sehr lockerer Hit. Und dann kommt auch noch ein Robag Wruhme “Drikki Bass Remix” dazu, und hey, Robag ist einfach der Shit, so frech zimmert zur Zeit keiner völlig abstruse Sounds zusammen, die dennoch rocken und einfach von Anfang bis Ende fresh und neu bleiben. Herzzerreißend das grauenvolle English, das noch niemand so gut verkauft hat. Auf der A-Seite übrigens mit “Starkweather Swing” noch so ein Track, der Steve Bug ins Grab stecken möchte und mit übelstem Boomboxbass und schnarrenden Synthesizern seinen eigenen Horrorfilm zu einem soliden Monsterfest macht. www.punktmusic.de BLEED ••••• APOLL - QUADROPHOBIA EP [PUNKT MUSIC/018 - INTERGROOVE] Apoll von Tongut kommt hier mit drei Tracks, die von Anfang bis Ende verzückt rocken und ihn in verdrehter Laune zeigen, so als hätte er sich zum Frühstück ein Ei mit Akufen gebraten und mit Perlon gewürzt, aber dennoch seinem klar und direkt strukturierten Sound treu geblieben. Auf “Monoplay” holt er die Ravebassline raus, ohne irgendwie eine Pose draus machen zu wollen, “Stereogame” flattert in dieser Art von Walkingbass-Jazz die Montreal mit Chicago kreuzt und für “Two Rings Out” lässt er heimliche Technohelden noch mal im knusprigen Minimalgewand aufleben, was ja eh nie ein Widerspruch ist. Lässig. www.punktmusic.de BLEED ••••• HIGH TIDE - FM A GOGO EP [PUNKT MUSIC/017 - INTERGROOVE] “Heut lohnt es sich nicht aufzustehen” singt der

BASTEROID / VOCOPHON - SPLIT 2 [SENDER RECORDS/033 - KOMPAKT] Basteroid eröffnet diese zweite der SplitEP Serie auf Sender mit dem ziemlich albern betitelten “Nerd With A Bird” und rubbelt einem die Bassline durch die Kehle, wie es so seine Spezialität ist, knarzt dazu heimlich in den Ecken voller Krümmel, aber bleibt dabei solide und schwergewichtig im klassischen Basteroid Sound der ja immer viel Raum für verspielt-verspulte Sequenzen hat, die hier einfach immer fiepsiger und alberner werden, weshalb wohl der Titel perfekt sitzt. Die Rückseite von Vocophon aka Andreas Leifeld ist von der Compilation “Receiving Date” gehijackt worden und ein so schwer rockender angedubbt-digitaler Track, dass einem die Luft ausgeht, wenn die Bassline erst mal loswettert. Verdammt weit dieses Stück, mit ultrasmooth lückenlos gefüllten Gräben aus einfachen Sounds zwischen den tackernd hellen Percussionelementen, in denen sich langsam die bezaubernden Strings erheben, die man genau da erwarten würde, wo sich dunkler Funk und weiteste Dubs zusammentun. Perfekt. www.sender-records.de BLEED ••••• METOPE - SECOND SKIN [SENDER RECORDS/036 - KOMPAKT] Verdammt ist diese Areal-Posse zur Zeit produktiv. Da hagelt es ja richtig Releases. Und was Metope hier auf seiner Sender EP macht, dreht allem noch mal ein wenig weiter die Luft ab. “Second Skin” ist ein morbider, cooler und dabei dennoch stranger Rockertrack in dem die Basslines schwingt als wären sie eine Drohung und das Krabbeln der Sounds wie kleine Nanomaschinen unter die Haut geht, als wäre das eben das einzige Zuhause, in dem sich soviel neu konfigurieren lässt. Auf der Rückseite dann ein pusteliger abstrakterer Track Namens “No Esc”, der die darke verlassene Stimmung zwar bewahrt, aber irgendwie einiges kaputter klingt und tröstlich in einem hymnischen Sound seinen Seelenfrieden findet, den es bei so einem Titel eigentlich nicht geben dürfte. Als Abschluss dann noch “Nightlight”, dass das Thema weiter führt und so tief in die Sounds hineinschlüpft, dass man seinen Ohren nicht trauen möchte. Grandiose dunkle Platte. www.sender-records.de BLEED ••••• VERNON & DA COSTA - THE THREE STOOGES EP [SEPARÉ RECORDINGS/013 - NEUTON] “So Strong” ist der perfekte Opener für diese EP, die irgendwie, so seicht und ruhig sie auch ist, mit ihrem eigenen Genre spielt, weil sie irgendwie diese Verbindung von Sex und Deephouse ein klein wenig übertreibt, ohne dabei besonders albern sein zu wollen. Es ist nur einfach so plüschig, dass es fast schon wieder niedlich ist. Der etwas flottere Track “Closing Time” übertreibt es gegen Ende vielleicht ein wenig mit lässigem Zusammenspiel von Funksamples und Piano und zerfließt wie ein Stück Butter in der Morgensonne, während “Sweet Toy” dann die Solos aus dem Gras zaubert und dennoch irgendwie knuddelig und leicht bleibt. Zum Ende dann noch ein detroitigerer Housetrack mit verwehten Stimmen und etwas zurückgelehntem Sound, der bestens in die Frühmorgenstunden eines jeden Retrosets passt. www.separe-rec.com BLEED •••••-•••• PLATNUM - THE EP [SONAR KOLLEKTIV/024 - ROUGH TRADE] Dass sich bei den Labelköpfen eine verstärkte Affinität zum Soul, ja fast schon zum R’n’B eingestellt hat, konnte man bei ihren KaleidoskopNächten miterleben. Und in die Reihe der VÖs von Clara Hill und Georg Levin gesellt sich nun Platnum. Das sind Dirk Berger von der Berliner kult-Kombo Lychee Lassi und die rumänische Sängerin Ruth Renner. Die stehen mit ihrem 6-Tracker nun so dicht am derzeitig omnipräsenten Sound wie keiner der anderen Sonars - und sind doch weit darüber ... Wenn man zumindest Greatest,

Obsession und Leave Me Baby als Koordinaten zu Rate zieht. Die Kompositionen sind aber durchaus noch vielseitiger. She Won’t Do It erfüllt Housefloors mit lasziver Eleganz, Olympic gar lasst den überraschten Hörer mit einer Lagerfeuergitarre, einem Kamm und nicht zuletzt der wirklich faszinierenden Stimme von Ruth Renner in ungeahnte Weiten träumen - und Cocain wirft einem die Schönheit dann so rotzig vor die Füße, dass auch der Letzte begreift, dass es hier nicht um Zugeständnisse an Hörgewohnheiten geht, sondern um ein Projekt mit starkem Ausdruck und sicher noch einigen weiteren Perlen im Gepäck. M.PATH.IQ •••••-•••• NUSPIRIT HELSINKI - JAZZANOVA & AZYMUTH REMIX [SONAR KOLLEKTIV/023 - ROUGH TRADE] Kaum hatte ich es noch für möglich gehalten. Der Mix, um den sich schon ewig Gerüchte rankten, kommt endlich auf schwarzem Gold. Rannte ich nicht schon vor einem Jahr im ungebremsten Affektrausch zum DJ, um zu erfahren, was DAS denn nun sei? Roskow Kretschmann und seine detailverliebten Konsorten haben sich aber wohl erst bei der ungefähr zehnten Version im Kollektiv nickend zusammengefunden. Honest, einer von vielen Höhepunkten des Nuspirit Helsinki Albums auf Guidance bekommt wie bei Jazzanova üblich einen komplett neuen Anstrich und findet sich statt herzschmerzend nun seelensteppend dort wieder, wo frisches Material der Berliner viel zu lange vermisst wurde: auf dem Floor! Lange Lobhudelei bezüglich der Beats, des SynthieGrooves usw. erscheint mir wie die Eulen aus Athen. Da gehen die Brazil-Fusion-Live-Version von Seis Por Ocho, dass die Legenden von Azymuth eingejammt haben und das Original von Honest fast unter. Aber eben nur fast. Wundervoll. M.PATH.IQ ••••• ÂME - OJOMO / NIA [SONAR KOLLEKTIV/027 - ROUGH TRADE] Leider habe ich gerade kein Diktionär zur Hand, aber neulich sagte mir doch ein Vögelchen, Âme sei ein französisches Wort (also nicht Aim...) und bedeute soviel wie Seele. Und selbst wenn das nicht stimmen sollte, trifft dieser Gedanke den Sound von Kristian Beyer und Frank Wiedemann auf den Kopf. Hier bekommt Deephouse erst die Tiefe, die auch vermeintliche Nicht-Freunde dieser Musik augenblicklich mitreißt. Sound, Produktion und Arrangement haben ihnen aber auch in der Szene alsbald zu höchster Kredibilität verholfen. Ob bei Nia im Stile eines Pépé Braddock oder bei Ojomo eher mit etwas afrikanischem Spirit, Âme definieren weiter eine Lücke aus, die vor ihnen gar nicht zu existieren schien. M.PATH.IQ •••••-•••• JAZZANOVE - GLOW & GLARE / DANCE THE DANCE - REMIXES [SONAR KOLLEKTIV/025 - ROUGH TRADE] Âme und Atjazz haben es auf unerklärliche Weise nicht auf die “Jazzanova Remixed” geschafft und werden so nun zu so etwas wie einem Vorboten auf eine weitere goldene Zeit des Kollektivs. Sicher. Mr. Mantis holte sich zunächst Dave O’Higgins ans Saxophon und Ross “Magic Number” Hillard an den Slap-Bass. Dance The Dance wandelt er so zu einer Geschichte, die nach der erhellenden Präsentation des Jazz-Themas im verlängerten Intro sich eines beseelten Housegrooves bedient und das Sax in den Vordergrund stellt. Eine stetige Steigerung, die lediglich den Raum für die Vocals von Doug Hammond etwas beschnitt. Die Karlsruher von Âme zeigen bei Glow & Glare nicht weniger deutlich, wie gut sie es verstehen, ihren Trademark-Sound einzubringen, ohne auf AutoRepeat zu gehen oder gar dem Original nicht mit genug Gefühl entgegenzutreten. Deep Houser, die vor lauter Mixing noch das Gefühl für dramaturgische Tracks und sublime Schichtungen in den Spuren behalten haben, werden mal wieder jubeln. M.PATH.IQ ••••• V.A. - WHEN THINGS WERE THINGS PART FOUR [SEMI AUTOMATIC/006] Lo.Max, Xynthia Stern, Ibi, DJ Ferdi und Ruben Anderson rocken sich auf dieser EP durch die typisch verwirrten, slammenden, abwechslungsreichen Monstersounds, die gar nicht mehr so brachial wirken und irgendwie mittlerweile schon fast poppig und dabei auch oldschoolig klingen können, aber dennoch weit draußen bleiben. Skurrilst rockende Musik für alle, die sich einfach mit einer immer gleich klingenden Hihat langweilen und die Beats gerne verzaubert brüchig mögen wie ein Abbruchkommando. BLEED ••••• JAZZANOVA - LET YOUR HEART BE FREE [SONAR KOLLEKTIV/032 - ROUGH TRADE] Endlich eine echte Jazzanova-12” auf dem Sonar Kollektiv. Endlich wieder neues Futter für diejenigen, die die Albumtracks irgendwie nicht in ihre Prime-Time-Sets bekommen haben. Denn nicht zu unrecht wird hier im Beipackzettel auf Metro Area verwiesen. Neo-Boogie ist the word. Die Worte werden von einer ganzen Armada von Goldkehlen gesungen, was die Vorschüsse ins Unermessliche getrieben haben dürfte. Nix, die z.B. von Domu oder auch von Slope ein Begriff ist, wird von den Homies Georg Levin und Clara Hill gebackt. Also besser andächtig gelauscht, wenn die Meister zu ihrem ersten Cover greifen. Patrice Rushens Original ist aber logischerweise nicht eben offensichtlich. Man macht es sich ja schließlich nicht zu einfach. Eher schon denen, die dann nicht zuletzt auch durch die Pathless-Percussions eifrig clap-

pend die Floors fillen. M.PATH.IQ ••••• MIKE INK/BURGER INDUSTRIES - PLAYING WITH KNIVES/DERBY [SPEICHER/16 - KOMPAKT] Wer hätte das gedacht, Jörg Burger und Wolfgang Voigt schicken ihre sagenumwobenen Alter Egos wieder auf den Dancefloor. Leicht dumpf nagend arbeitet sich Mike Inks Acidtrack vorwärts. So humorlos trocken wie rockend. Sehr schön. Jörg Burger schwelgt in seinen kristallklaren Chords und Sequenzen mit leicht trancigem Unterton und schraubt sich auf den letzten Metern auch noch in den Acid-Himmel. SVEN.VT ••••-••••• 666 VS. 808 - IRON MAIDEN TRIBUT [STAR WHORES/010 - NEUTON] Nein, nicht wie ihr vielleicht denkt Rock and Roll, sondern eher lustige alberne Popsongs, die die total Verblödeten Lyrics von Iron Maiden in eine Art Duettsprechgesang mit Trällerfaktor umsetzen und dabei vor allem eins sind, albern, so dass man manchmal echt befürchten muss, die können sich vor Lachen beim Produzeiren kaum noch zusammenreißen. Postamigaelektroschlager der besten Art nur auf einem Track einfach zuviel Popmusik BLEED •••• BRIAN ANEURYSM - SUCCUBUS [SUB STATIC/039 - KOMPAKT] So tiefergelegt wie die Vocals auf dem Titeltrack dieser 4 Track EP sind, kann man eigentlich kaum noch entscheiden, ob es “Suck You Bus” heißen soll oder eben Succubus. Knarzig und überhitzt wälzt sich das Stück aus, wie ein Strom von Teer über eine festgetrampelten Landstrasse und friert einem die Magengrube weg vor lauter Understatement und Tiefe. “Hours Thru Time” bleibt ähnlich messerwetzend scharf und mit ausgehölten Basslineattacken losbretternd, kommt aber wegen seiner kantigeren Beats eher fies von hinten und surrt sich wie ein Alien die Gehörgänge hinunter bis zu den Zehenspitzen. Wer sonst außer Brian schafft es, mit jedem Track immer wieder dunkler und deeper, digitaler und direkter und dabei dennoch immer sehr weggetreten zu klingen, ohne dass man Angst hätte, er würde nach hinten überkippen. Auf der Rückseite dann mit “Escape” einlakritzfarbener Eierschalengroove, der einem die Augenlieder hochrollt, auch wenn man gar nicht mehr sehen kann und mit “Beats Me” choraler Funk für all die, die an die Schule darker Housemusik glauben müssen, weil nichts mehr unter die Haut geht. www.sub-static.de BLEED ••••• HENRIK SCHWARZ & KLAS LINDBLAD - [SUNDAY MUSIC /003 - DIAMOND AND PEARLS] Endlos tief und ätherisch verbinden die beiden hier angebreakte traditionelle Deep House-Feingeistigkeit mit Basic Channelschen Hallräumen. Sehr ruhig und anschmiegsam kreisen die Tracks um die Überzeugung, dass man manchmal einfach resistent sein muss gegen die Hysterie neuster musikalischen Trends. Schöne EP für Liebhaber. SVEN.VT •••• FANTASTIC FREERIDING EP 2 - [SWITCHSTANCE RECORDINGS - SIB DISTRIBUTION] Irgendwie eine sehr schöne Art von Downtempo Tracks, die sich auf dieser EP versammelt haben. Sehr sampleverliebt und durchgehend von Leuten, die sich mit der Suche nach freschen Beats und skurrilen Sounds wirklich verdammt viel Mühe gegeben haben, und genau das merkt man den Tracks wirklich beim ersten Hören an. Irgendwie erinnert mich das an die früheren Zeiten von Ninja Tune, als es noch mehr um einen gemeinsamen Vibe ging als um die großen Acts und es ist dabei dennoch ruff genug, um den Dancefloor lässig zu rocken. Vielseitig durch und durch aber immer sehr lässig mit Tracks von Protassov meets Thury Tonarm, Ancient Astronauts, Deela und Kabanjak. www.switchstancerecordings.de BLEED ••••-••••• MANANA - BUZ FUSION [TDP/003 - DIAMONDS AND PEARLS] Legenden ranken sich um diesen 3-Tracker. Live gejamt im Bus auf dem Fusion Festival heißt es, aber die Erinnerungen sind brüchig und diese EP der einzig greifbare Beweis. Track eins schiebt sich langsam voran, bis quäkende Synthies dem endlösen Groove eine andere Richtung geben und erinnert dabei dezent an die Detroiter Meister der ultradeepen Langsamkeit. Mit Track zwei dürfte die Entstehungsgeschichte dann endgültig bestätigt werden. Die lustig verplante Lo-Fi-House-WG auf Reisen. Honestys Remix schwingt dann mit gekonnter Hand und aufgeräumten Sounds den Besen durch die WG-Zimmer und sorgt nochmal für ein elastisches Highlight auf dem Dancefloor. SVEN.VT •••• STEFAN KÜCHENMEISTER - TOTAL CARE EP [TOKTOK/005 - INTERGROOVE] Ach, hatte ich mir fast gedacht, dass sie auf dem Polkagroove erst mal weiterreiten, diese Toktokbastarde, und das gelingt ihnen auf der neuen EP auch perfekt. Albern überdreht, lässig schrubbend, irgendwie mit einem heimlichen Flavour für FIlterdisco mit anderen Mitteln, und Chicago für alle, die noch ein Waschbrett im Keller liegen haben. Jazz ist das ja wohl, genauso wie es ein alberner Spaß für alle ist, die da hineingeschmuggelten, knarzig vershuffelten Acidsound mögen. Fast ein Comic anstatt solider Technotracks. www.toktokrecords.com BLEED •••••

OZY - IMAGINARY ROCKSTAR SYNDROME [TRAPEZ/039 - KOMPAKT] Ich habe ja schon länger keine Platte von Ozy mehr gehört, der auf Thule eine Zeit lang für die erfrischendsten Versionen von Dubtechno gesorgt hat. Hier ist er allerdings längt an ganz anderen Dingen interessiert und holt auf dem Titeltrack mit seiner leicht discoiden, smoothen Bassline und den klickernd vollen Sounds weit aus, um eine der harmonischen Hymnen des Monats zu schaffen. Sehr deep, aber eben nur in den Hintergründen mit weichen Dubpads, sonst kristallklar und sprudelnd in einem Sound, der viel Raum braucht und vor allem Bass, um sich zu entwickeln. Schnell wie Akufen, aber dabei ebenso relaxt. Perfekte Mischung. Die Rückseite, “Lingo”, ist noch klirriger und verdrehter, erinnert mich dabei ein wenig an Jeff Samuel oder John Tejada in seiner leicht bleepig zirpenden Art, rockt aber ebenso mit einem fundamentalen Killergroove, in den sich später Reste aus Vocoder einschleichen, ohne dass man ab einer gewissen Stelle noch trennen wollte, was Stimme ist und was einfach Track. Albern aber styleversessen und bumpig wie eine digitales Kopfsteinpflaster. www.traumschallplatten.de BLEED ••••• M.I.A. - STRAIGHTAWAY / DON´T CRY [TRAPEZ/038 - KOMPAKT] Straighter als das Album auf Sub Static kommt M.I.A. hier mit zwei sehr direkten, aber dennoch dezent melancholischen Tracks. “Straightaway”, wie der Name schon sagt, geht von Anfang bis Ende mit einer soliden, leicht wavigen Bassline und schwelenden Sounds auf einen los und packt einen direkt und ohne Umwege, während “Don´t Cry” mit seinen kratzig überhitzten Sounds schon fast nach Areal klingt. Durch und durch fett und von Anfang bis Ende Hits. www.traumschallplatten.de BLEED ••••• [TRAPEZ LTD/019 - KOMPAKT] Verdammt jetzt habe ich vergessen, von wem diese beiden Tracks sind, aber da es immer ein gutes Zeichen ist, wenn die Bassdrum quietscht und die Sounds so gedrungen und dicht sind, dass sie aus dem Vinyl zu quellen scheinen, tippe ich doch mal auf die Areal Crew. Auf der A-Seite ein sehr dichter harmonisch sich selbst in den Armen liegender Track, der immer wieder von den knorrigen, orgelig gedämpften Sounds ausbricht und mit klirrend klaren, aber ebenso verwirrenden Sounds eine Hymne für die verwirrten klar macht, während die Rückseite plonkender und düsterer mit schwarzen Seegeln in die aufgebrochenen Emotionen der Nacht segelt und alles mit sich reisst, was nicht fest vernietet ist. Unscheinbares Monster, diese Platte. BLEED ••••• TOUR DE TRAUM - DER RHEIN FLOSS IN DEN ZÜRICHSEE [TRAUM SCHALLPLATTEN/47 - KOMPAKT] Auf dieser Auskopplung zur gleichnamingen CD kommen 5 Remixe von Thomas Brinkmann unter seinen Pseudonymen Soul Center und C.U.T. Er nimmt sich je zwei oder drei Tracks von dem nun wirklich sehr zeitlosen Katalog der Traum Releases vor und reedited sie in einer Art, die, wie von einigen seiner Projekte ja bekannt, irgendwo zwischen Remix und Umdeutung liegt. Dabei bleiben die Orginaltracks erkennbar, stellenweise als Grundstruktur der Tracks, werden in Loops zerlegt und mit den anderen so vermischt, dass am Ende eigentlich nur Slammer dabei rauskommen. Bastardpop der perfekten Art, irgendwie, nur dass es hier eben um diese andere Art von Hits geht, die sich aus dem Groove entwickelt. Brilliantes Projekt, von dem sich sowohl 12” als auch CD von Anfang bis Ende lohnen und hier auf der CD auch mit vier Tracks, die perfekt für den Dancefloor sind, der vor allem frische Sounds und satte Grooves liebt. www.traumschallplatten.de BLEED ••••• MARVIN DASH - 51TH STREET [USM /21 - NEUTON] Modernistartige Selbstläufer-Melodien treffen auf sweete Strings und schwurbeln gemeinsam in entspannter Monotonie sonnigsten Gefilden entgegen. Fröhlich, mit einem Schuß Wehmut, wie gemacht für die ersten warmen Sommertage, an denen die kalte Winterzeit noch nicht ganz vergessen ist. Bei aller Süßlichkeit droht aber kein Kitsch-Alarm und stetig rollende Hi-Hats sorgen gleichzeitig dafür, dass es immer weiter geht, sommerliche Lässigkeit hin oder her, Langeweile kommt hier keine auf. Soviel zur A-Seite. Auf der Flip begrüßt uns eine knarzige Bassline, düster wird’s aber auch hier nicht, höchstens etwas melancholischer, dafür sorgen warme Chords und harmonische Atmo-Sounds und machen diese Seite zu meinem Favorit auf dieser Maxi. Fingerspitzengefühl galore und daher eine Platte, die man gar nicht oft genug hören kann. Punktlandung! LUDWIG ••••• DOMINIK EULENBERG FEAT. WOLFGANG TIMMS - MABUSE [WARE RECORDS/044 - KOMPAKT] Sehr strange Platte, die mit einem ambient darken Intro beginnt und dann in verknarzt düstere Stimmung übergleitet, in der man die Gullideckel dampfen sehen kann, bis sich langsam die Karawane von Polizeiautos mit gedämpften Sirenen den Boulevard hinunterschiebt und den Track tief ins Ohr brennt. “They Say” hat einen ähnlich dunklen Sound, ist aber direkter und könnte fast so et-

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• = NEIN / ••••• = JA

was sein wie Looptechno auf Housetempo, wenn nicht die sweeten Vocals den Track irgendwie dann doch upliftend machen würden. Definitiv etwas für den frühen Morgen, an dem sich ein warmes, aber dennoch unheimliches Gefühl ausbreitet. Am Ende gibt es dann noch einen Track Namens “Emotionsbottich”, der auf skurrile Weise brummenden Reesebass mit einer träge verschleppten Melancholie auffrischt. Sehr schwer, aber dennoch sehr schön. www.ware-net.de BLEED •••••

le it lasts. Subtil geschnittene Basslines, klingelnd euphorische Melodien, voguende Atmosphäre durch und durch, und dennoch nie weder Kitsch, noch zu einfach. Ein Stück, das man nicht mehr aus dem Ohr bekommt, jedenfalls diese A-Seite. Auf der Rückseite dann ungewohnt elektroid für Trapez und mit einem noch klareren Sound, ein Track, der sich von hinten in die Retrodisco einschleicht und allen den Kopf verdreht. BLEED •••••

SAMMY GOOSENS - X [TRAPEZ LTD/017 - KOMPAKT] Was für ein Hit auch, diese Trapez Ltd. Get it whi-

CONTINENTAL GEOFF WHITE - IQUE [APNEA/001 - NET28] Ein neues Label aus Madrid, dass sich zum Start eine Geoff White EP gönnt, die in sehr lockerer zerstäubt digitaler Form vor sich hingleitet und auf “Ique” erst mal so eine Art von plüschigem Reggea-Minimalismus entwickelt, der so dünn und unfassbar schön ist, als wäre er aus einem Material, dass man nur ansieht, schon schmilzt es. Der zweite Mix des Tracks hölt das Soundgerüst noch weiter aus und trotz solider Bassline (die mindestens ebenso ungreifbar bleibt wie der Rest des Sounds) hebt Geoff damit definitv komplett vom Boden ab und lässt einen in den knisternden, feinteiligen Dubs herumhuschen wie ein Geist. Auf der Rückseite dann ein Alex Under Remix von “Roc”, dem Track, der noch folgt, und irgendwie wundert es einen nicht, dass, wenn Alex Under zur Apnea Posse gehört, Geoff White für den Labelstart genommen wurde, denn der Sound von ihm wird hier perfekt fortgesetzt und mit ein wenig (aber wirklich nur ein Hauch) mehr Dancefloorattitude umgewandelt und mit sehr lässigen Fieldrecordings versehen. Als Abschluss dann der Orginal “Roc” Track, der völlig in der generativen Bearbeitung eines Grooves aufgeht, die soviel Funk versprüht mit all den Lücken, die dieser Track lässt, dass man gar nicht anders kann, als sich das auf Repeat zu wünschen. Sehr coole Platte. www.apnearecords.com BLEED ••••• DAVE STORM FEAT. LINDA LEE HOPKINS GOT TO BE WITH YOU [CEREMONY] Sehr erwachsene Housemusik irgendwie. Die Vocals kommen aus voller Kehle und die Beats sind komplett satte Vocalhouse-Discofunk-Unterstützung. Musik, die man so schon verdammt oft gehört hat, und von der man sich immer, wennman zufällig in Berlin wohnt, überhaupt nicht vorstellen kann, wer so etwas eigentlich spielt. Auf der Rückseite dann zwei Remixe, von denen der beste definitiv der “S.U.M.O.” Rework ist, der sehr sympathisch alte Detroithousetracks stilistisch anvisiert und mit Strings und breiten Synths nicht spart. BLEED •••-•••• ALEX UNDER - GRIS OVEJA [CMYK MUSIK/002 - NET28] Das zweite Label dieser Familie von neuen Minimallabeln aus Madrid kommt mit 3 perfekten Tracks von Alex Under, das mit einem subtilen Basslinetrack voller Deepness und clickernden Sounds daherkommt, als gelte es sowas wie der Robert Hood des modernen Minimalismus zu werden. Linear und reduziert funky, aber dennoch voller sehr klarer, knisternd experimenteller Sounds und mit einer Ästhetik, die auch auf “Oh Balada Gris” zeigt, dass gegensätzliche Sounds, Dunkles und Knisternd-Knackendes, Grooves die so sperrig wie elegant sind, irgendwie immer besser zusammen gehen. Als Abschluss kommt ein Tadeo Remix von “Balidos Ovalados” und auf die erste EP von Tadeo kann man sich schon jetzt freuen, denn auch er, was ist da eigentlich auf einmal los in Madrid, schafft es perfekt, subtil minimale groovende Tracks mit einem so frischen, klaren, angezurrt kranken Sound zu verbinden, dass man gar nicht weiß, was an dem Track besser ist, die deepen Orgeln und Strings, oder das knorrig funkige Gerüst der Beats. www.cmykmusik.com BLEED ••••• DJ YOAV B. - FIRST BLOOD EP [DELSIN RECORDS/045 - RUSHHOUR] Tja, wer bringt euch Platten die so deep sind, dass sie klingen als hätten sich Drexciya und Theo Parrish zusammengetan und würden euch einen Track liefern, der so absurd wie überzeugend ist? Klar, Delsin, wer sonst. “Gemini” von DJ Yoav B. (schon mal als Remixer von Aaron Carl aufgetaucht und auf einer Teknotika EP) lässt die HiHats rasseln wie eine Kette, von der er nicht mehr loskommt und kratzt dazu mit dem Synthesizer und lässt dem Rest freien Lauf. Klingt nach nicht viel, oder, aber haut einen einfach so um und zieht einem den Boden weg, dass man es kaum glauben mag. “Luv Iz” auf der A-Seite zentriert sich rings um ein Vocalsample, das den Titel aus der Seele jammert, legt über den unglaublich mächtigen Subbass Percussion die so free klingt, wie nur Housepercussion sein kann, wenn sie aus der richtigen Ecke kommt und dazu auch hier wieder die elektroide Schärfe der Synthesizer, die alles so unfassbar erscheinen lässt. Große Platte die es verdient hat eine Legende zu werden. www.delsin.org BLEED ••••• KEMU & SHARK - PLUG OUT [EARRESISTIBLE/009 - INTERGROOVE] Sehr im Vollen schwelgende Filtertechnotracks mit Discoeffekten und solidem Groove, die auf der A-Seite irgendwie sehr heiter daherstampfen und einen schon glücklich machen können, wenn man sich gerne auf einer Idee dahintreiben lässt. Die Rückseite findet aber eben diese eine zündende Idee nicht so wirklich und versucht sich mit einem “Bring That Beat Back” zu retten, was irgendwie schmerzhaft ist. BLEED ••-•••• KI-YOTA - MY FUNKY ALIEN BEAST [ELECTRONIC WEED CREW/005 - POSSIBLE] Kaputt! Kein oh, kein ah, das meinen die ernst. Chicagobretter, die so angesägt sind, dass die Bassbox in Holzspäne zerplatz und die Synthesizer “allein zu Haus” in der Snuff-Version spielen. Oi. Wir sind dabei. Was für eine Unverschämtheit diese Tracks. Und was für ein Spaß! www.electronicweed.ch BLEED ••••• PARADISCO PRESENTS - CHICAGO BOOGIE [ESKIMO - INTERGROOVE] Neben der CD auf der all diese Tracks gemixt sind,

NEW ELECTRIC DOG - BUZZFUNK EP [WAS NOT WAS/005 - WORDANDSOUND] Wer die Tracks von Les Jardiniers auf Hautec kennt, der kennt auch J-F Magnet aka New Electric Dog, denn er ist ein Teil davon und anscheinend

haben Les Jardiniers auch bei Anna Kaufen mitgewirkt. Hier aber nun erst mal drei neue Tracks von ihm solo und, klar, liegt der Vergleich mit Akufen auch hier nah, aber natürlich ist es nicht ganz so mikrobisch, sondern viel smoother und housiger auf seine dennoch extrem kickende, heitere Art. “A Step Above The Walking Beat” rockt mit der für die Posse typischen steppenden Bassline und entwickelt daraus einen rollend sympathischen Killertrack für alle, die es lieben, wenn die Vocalfetzen mit den Melodien um die Wette flattern. Auf der Rückseite wird es mit “Wont let Walking Beat” etwas deeper und melancholisch rockender geremixt und “Strawberry Poker” lässt jedes Pokerface hintenüber vom Tisch kippen und dennoch breit grinsen vor lauter Zerstäuberblues.

www.wordandsound.net BLEED •••••

verblödet mit rachitisch gefilterten Vocals und Oldschoolelektrosound gearbeitet wird. BLEED ••-••••

ist dieser Gustavo Hjindervsson? Sohn einer chilenischen Aktivistin und eines Isländischen Wissenschaftlers. Was sonst. Auf der Rückseite geht es dann ganz anders weiter, mit fast folkloristischen Percussioneffekten zu einem soliden, slammenden Housebeat der auf merkwürdige Weise Oldschoolbleeps und -sound mit einer digitalen Improvisation verbindet und dabei klingt, als wäre er der einzige, der heutzutage auf Fragile releasen dürfte. Der Titeltrack am Schluss geht noch mal ganz deep in die digitale Dubwelt hinein, aber ist dabei so schräg und dicht und ungewöhnlich, dass man wohl, was gerade Beats betrifft, locker behaupten kann, hier eine der merkwürdigsten und zugleich richtungsweisendsten Platten des Monats zu haben. www.mentalgroove.ch BLEED •••••

BOOGIE DRAMA - STALKERS GROOVE [WAS NOT WAS/006 - WORDANDSOUND] Ah, Italiener kommen. Lele Sachi rockt hier mit einem dieser dark euphorisierenden Killertracks, die sich ganz viel Zeit lassen und einen dann von hinten eiskalt erwischen. Melodisch und vielleicht einen Hauch Retro, klar, bei dem Sounds, aber gleichzeitig so lässig durch die Sequenzen geschwungen und mit so coolen Bleeps obendrauf, dass man vor lauter Masse eigentlich gar nicht anders kann als mitswingen. Endlich mal jemand, der es mit Pigna aufnehmen kann und gleichzeitig die Temposchraube bis hin zum Schlendern runter-

dreht. Der Remix von John Tejada ist zwar auch cool, aber eben nicht halb so lässig, was ihn aber nicht daran hindert, wie immer den Dancefloor zu rocken. Irgendwie erinnert mich sein Remix merkwürdigerweise an die letzte Brett Johnson. Der Stalkers Dub am Ende ist so balearic, dass mir Martinis an den Händen wachsen. www.wordandsound.net BLEED ••••• MINIMAL MAN - CHICKEN STORE [PERLON/038 - NEUTON] Eon und Baby Ford? Tatsächlich, scheint so zu sein. Aber was ist das für eine Geschichte mit Perlon und den Chickens? Wir haben keine Ahnung. Jedenfalls, wie man es von Baby Ford gewohnt ist,

eine Platte, die so perlend funky ist, dass einem die Ohren schon in die Bassbins abhauen wollen, während das Hirn noch an diesem “Chicken Store” knabbert und mit Eon kommt noch ein Hauch dunkler Untergrund-Abwasser-Ästhetik dazu. Funk der puren dunklen rockenden Art, der nicht viel mehr braucht als explodierenden Grooves, um den Kopf drin zu lagern, bis er wie von selber über den Dancefloor zu kugeln scheint. www.perlon.net BLEED •••••

• = NEIN / ••••• = JA gibt es noch eine 4er 12”Auskopplung mit den Orginaltracks des Albums, und hey, mehr Oldschoolaciddisco braucht erst mal keiner. Killertracks von Virgo, Steve Poindexter, Fingers Inc., Frankie Knuckles, Adonis, aber auch unbekanntere Acts aus der Zeit zwischen 82 und 90. Stellenweise extrem skurril und punkig im Sound, weil hier alles noch mit den obskursten Kisten gemacht wurde, die man sich so vorstellen kann, aber irgendwie hat jeder einzelne Track der Compilation etwas Magisches und rockt zeitlos auch heute noch, vielleicht sogar heute mehr, als die ganzen letzten 10 Jahre. Verdammt noch mal essentiell diese Platte. BLEED ••••• PAROV STELAR - KISSKISS EP [ETAGE NOIR - SOULSEDUCTION] Klar, Billie Holliday ist immer ein dankbares Thema, wenn es um Housemusik geht, aber anstatt einfach ein durchgehendes Sample zu nehmen, kommt auf “Kisskiss” ein etwas gebrocheneres. Das macht den Track dann auch interessant. Und wenn später nicht so in etwas zu beliebigen Strings gesuhlt werden würde, wäre es ein perfekter deeper kleiner Hit, der eigentlich von jedem gespielt werden müsste, der irgendwas mit graden Beats zu tun hat. So aber gerät die Platte doch etwas sehr wienerisch und schwelgend. Naja, soll ja auch eher an die Nujazzfraktion gehen dieser Sound und die restlichen Tracks mit ihren sehr lässigen Beats und mäandernden Basslines machen das noch klarer. Elegant auch bei offbeatigeren Tracks wie “Thinderbrid”, aber nicht nicht ganz so herausragend, wie man es sich nach den ersten Takten erhofft hätte. BLEED •••• AVRIL - BE YOURSELF REMIXE [F COM] Manchmal hat man das Gefühl, dass ganz Frankreich unter der Flagge von Tigersushi nur noch irgendeine Art von Rockmusik releasen möchte. Zurück in die Zeit vor 25 Jahren, als Funk, Punk und Disco irgendwie kurzzeitig mal Hand in Hand gingen. Klar, dass dazu hier noch ein Funke von Catwalkepos dazukommt, mit eher albernen Lyrics, die einen verdammt schwarzen Hintergrund haben und von Chloé ziemlich gut unterstützt werden. Der Laurent Garnier Remix jedenfalls räumt auf mit Elektroclash und brettert quer durch, bis auch die letzten Hände der Modeopfer in der Luft sind und wird aufgrund alberner Details dabei auch nicht langweilig. Dass Broadcast das irgendwie überzeugend umsetzen, hätten wir nicht gedacht. Aber doch, Spacerock trifft sich mit BrandClash und nimmt keine Gefangenen. Lässig und hypernervös losgejammter Unsinn. Ich mags. Durch und durch. www.fcom.fr BLEED ••••• MAURACHER FEAT. AMINATA - ZOMBIELOVE [FABRIQUE RECORDS/017 - SOULSEDUCTION] Sweet dieses Vocal, das klingt wie eine alte Jazzplatte mit Breaks, die in jedem Gangsterfilm für Spannung sorgen dürften und zunächst mal von Bonobo gerockt werden. Deep das. Sehr deep, sehr lässig und verdammt frisch. Das Original ist in den Beats vertrackter und läuft über eine angezupfte Gitarre. Der Remix von Kave ist mir ein wenig zu sehr auf die Querflöten konzentriert und zerstört sich damit seinen eigentlich gut steppenden Groove, wie ich finde. Ich bin halt einfach allergisch gegen Querflöten. Dazu gibt es dann noch einen Bonustrack “Shine”, der die sehr lässige Qualität von “Zombielove” aufrecht halten kann, und das trotz Querflöten, ach ich bin aber auch unentschlossen. Für das Cover sollte es aber eigentlich echt Punktabzug geben. www.mauracher.net BLEED •••••-••• RECYVER DOGS - JACK [FINGERS LTD] Tja, irgendwie sehr sumpfige oldschoolige Technotracks, die zwar mit einer sehr präsenten Bassline locken können, aber sonst eben doch nicht soviel zu bieten haben. Selbst Tarrida holt mit seinem verschwommenen Bart-Technomix nicht so viel da raus. Aber glücklicherweise gibt es ja Scan 7, die mit ein paar Detroit-String-Samples und sehr deepem Bass wenigstens solide vor sich hintrudeln (der Sound dieser EP ist echt merkwürdig flach). BLEED ••-•••• FRANKIE [FRANKIE REC/002 - WORDANDSOUND] So sehr ich ja auch ein Fan von extremer Soundbearbeitung und digitalen Schweinereien bin, wenn jemand wie hier auf diesem Label so krude zusammengebretterten Sound macht, der alle Jackhouse Helden durch die Mangel dreht und dabei dennoch nie langweilig wirkt, und mit einfachen Methoden und rabiaten Brüchen losrattert, um den Dancefloor durch einen Schlag ins Gesicht zu besiegen, dann bin ich sofort dabei, denn die 4 Tracks dieser Platte kicken einfach, aber trotzdem schräg und hacken dabei der überproduzierten Discokonkurrenz stellenweise grinsend die Augen aus und lassen die Reste über den Dancefloor kullern, als wären sie die Meister des Spiels, ohne Frage. Die zweite EP ist noch querer als die erste. www.frankie-rec.com BLEED ••••• DEVILFISH - COMPRESSED OBSESSION [FREQUENT] A-Tech nennen die diesen Sound und das soll Advanced-Tech heißen, wobei Tech wohl sowas wie Progressivehouse in technoider meint. Nunja. Oldschoolig ist es schon auf dem ersten Track, “Void”, der mit seiner brummig konsequent durchgezogenen Bassline und den Technoclaps der ersten Stunde erst mal ganz solide losrattert, dem dann aber leider nichts mehr weiter einfällt. Auf der Rückseite geht es ähnlich muskulös weiter. Eigentlich taugt nur der etwas versponnenere “Future Muzik” Track was, bei dem clackernd und

DIMI & JEROEN - [ION/001] Irgendwie ist es natürlich easy solche Tracks zu machen, klar, hat man ja viel Tradition im Rücken mit Robert Hood und anderen. Gradeaus, minimal, sequentiell, recht FM-Synthese basiert in den Sounds, aber dennoch mit sehr trockenen und runden Beats und dann einfach ab und an mal ein paar Effekte andrehen, fertig ists. Aber dennoch. Zumindest “32 Degrees” überzeugt mich mit seinen Orgelsounds und dem irgendwie sehr cool hintergründig verschachtelten Groove. “Ghlerini” ist viel mehr so auf die 12 Techno mit Claps überall und etwas sehr oft gehörter Bassline, und wenn diese langsam durchgefadeten Akkorde nicht wären, dann wüsste ich nicht.... aber so. Auch nett. Nur auf der B-Seite wirkt das alles dann einen Hauch zu aufgeblasen. BLEED •••• PAF - ONLY OUR CARS [KOHVIRECORDS/009 - POSSIBLE] Kohvirecords, der liebenswerte Verbund estnischer Alleinunterhalter, versteht sich als Fortsetzung einer zeitlich weit entfernten lokalen Musiktradition: Wie Galaktlan und Hendrik Luuk stellt auch Paf die Verbindung zur estnischen SciFi-Elektronikschule der 70er her. Die ist personifiziert durch den Soundtrackproduzenten Sven Grünberg - und nur durch ihn. Allein auf weiter Flur - genau wie die Kohvis heute, aber sie tragen ihre Mission mit Humor. Paavo Eensalu aka. Paf z.B., dessen “Only our Cars”-EP die labelobligatorische Space-Referenz in Beziehung zur eigenen 80er-Sozialisation setzt, die von der väterlichen Tapesammlung - Blondie, Depeche Mode - angeschubst wurde. In Verbund mit Grünberg eine super Kombination, wie “Only Our Cars” beweist: So viel Pop-Glamour gab es bei Kohvi selten, man kann sie fast sehen, die leicht beschwipst gen Kosmos segelnden Melody-Würmchen, “Just a rogue kiss”, der elegische Spätsommerhit mit schmelzender Klarinette und Querflötenmelodie (gespielt von Gea Mägi), “Extra” mit Grand Piano plus Rave-Interlude, und, oh, “Daisy” natürlich, das Stück mit Renate, Paavos kleiner Tochter, am Mikro. Die kann vielleicht singen ... Da muss man sich um die Fortsetzung der Elektronika-Estonia-Geschichte ja gar keine Sorgen machen. www.kohvirecords.ee Ö ••••• AKZIDENZ GROTESK - FUTURE IS VINTAGE [MENTAL GROOVE/031 - NEUTON] Ah, Slowmo-clickhouse mit deepen Detroit Einflüssen, jedenfalls auf der A-Seite, auf einem Track der merkwürdigerweise “Dry Clean Only” heisst, und immer wieder abrupt abbricht, so als wäre das ganze live am Mischpult produziert und dann auch noch mit so vielen Effekten versehen, mit Dubs, und digitalen Ideen, und dabei klingt der Track dann trotzdem so deep wie Theo Parrish in digital, besser könnte es kaum kommen. Ein Landmark, dieser Track auf dem steinigen Weg in eine neue Welt von digitaler Housemusik. Jawohl. Wer

IANEQ - THE LIGHT MIXES [MENTAL GROOVE/035 - NEUTON] Der Remix von Moonstar ist einer dieser Acidjacktracks, die genau so Detroitdeepness wie Broken Beats aufnehmen können und dabei slammen wie Hölle. Perfekter Track irgendwie, der immer weiter aufgeht und eine perfekte Untermalung für die ersten Partys draußen sein dürfte. “Electric Thoughts”, der erste Ianeq Track der EP, zeigt dann, dass man definitiv auf ihn aufpassen muss, denn seine Mischung aus deepen Samplechords, wie sie 4 Hero kaum besser hinbekommen könnten, und mächtigen steppenden Grooves und Synthesizern, die sich darin wälzen, ist einfach durch und durch perfekt. Das Original von “Light” beweist das noch mehr und mit dem sehr schönen Downtempotrack “Cloudy Picnic” ist dann alles perfekt. Mental Groove bleibt sich einfach treu darin, einfach auf Qualität zu setzen, nicht auf einen Sound, und überrascht einen damit diesen Monat gleich zweimal total. www.mentalgroove.ch BLEED •••••

schen Rhythmen genommen. Tools, mit Sicherheit, aber eben fast nur Beats und Bassline bis auf den letzten Track, der dann etwas melodischer wird. mypage.bluewin.ch/PHONT-PAGE BLEED •••-•••• [RZ RECORDS/006] Klar, das hier ist immer schon ein Acid-Revival-Label gewesen, mysteriös und geheimnisvoll mit vielen Anspielungen auf Klassiker bis hin zum beinahe Bootleg und so ist es auch mit diesen drei Tracks, die die 303 bis in den Untergrund gehen lassen und dabei verdammt viel Energie entwickeln, egal ob mit Rimshots, Drehen der Filter oder einfach albernen Referenzen. Böse und gerecht, schnell und rubbelnd. Das Acidrevival hört nie auf. BLEED ••••-••••• XPANSOUL & DAWEED FEAT. AQEEL72 CAN´T BELIEVE [SINDICATO RECORDS/001 - INTERGROOVE] Ein neues Label für sehr smoothe ruhige Dubhousetracks, wie es scheint, denn die beiden Madrid Kids lassen es auf dem Instrumental Mix des Tracks wirklich so sanft und weich zergehen wie ein Butterkeks in Sahnesauce. Das Vocalstück, auf dem dieser Track basiert, ist eigentlich eine Art von R’n’B auf Housetempo und macht einen mit seiner überkitschigen Art schon ganz schön fertig. Nur der Sprechgesang wäre cool gewesen. Auf der Rückseite dann der Versuch von ADNY, das in Funk umzuwandeln, was nur so halb hinhaut, denn die Vocals sind einfach etwas zu kitschig dafür und selbst auf dem Instrumentalmix von ihm wird es etwas zu verspielt in den Sounds, konzentriert sich aber auf den Sprechgesang, und das holt es wieder raus. BLEED •••-••••

THE EXECUTIVES - WEAPONS OF MASS EXPANSION [NINE2FIVE/008 - KUDOS] Den Labelnamen Nine2Five haben wir an dieser Stelle wohl als ironische Anspielung auf das zu verstehen, was die Idealisten aus Helsinki von ihrer Passion Musik abhält. Aber auch zu Feierabend und am Wochenende entstehen dort spannende progressive Phusion-Visionen von intensiver Eigenständigkeit. Die Labelköpfe der Executives kümmern sich hier um nicht unbedingt repräsentative Elektroelemente. Nicht nur das Piano offenbart eine lange Sozialisation, die zu einer umso größeren Offenheit geführt hat. Auf der Kehrseite sind sie gleich umso entspannter. Insbesondere die HipHop-Sonnenschein-Nummer Rolodex Love beweist einen vergnügten Umgang mit unnötigen Klischees. Da kommt noch einiges! www.nine2fiveoffice.com M.PATH.IQ ••••

DJ LINUS - JACK [STAY TRUE/008] Klar, Linus kann soviel Jacktracks machen wie er will, es wird wohl immer großartig. Nur dass man einfach nicht damit gerechnet hätte... Denn, nein, das hier ist nicht der hunderttausendste Abklatsch des immer gleichen Themas. Dass er es mit einem so lässigen, fast latinartigen Beat macht und die einzelnen Elemente (das warpende “Jack” Sample, die Bassline, die hämmernd rockenden Akkorde) so durcheinanderwirbelt; dass es eben immer deeper wird, anstatt immer älter zu klingen, und dabei auf so überragende weise die Oberhand behält; dass er den Track mit skurrilen Harmoniesprüngen aus sich heraustreten lässt, ohne diese deepe Stimmung zu zerstören - all das hat man nicht erwartet. Auf der Rückseite noch vertrackter, noch deeper und gleichzeitig noch direkter. Orgeln und Schwermut, aber immer mit ekstatischem Flavour. Killer. www.stay-true-music.com BLEED •••••

SAMUEL L SESSION - SOUTH AMERICAN DUB [PHONT MUSIC/034 - INTERGROOVE] Klar, hier geht es um Percussion, das sagt schon der Titel. Und darauf konzentriert sich die EP fast so ausschließlich, dass man schon glauben könnte der gute hätte irgendwie einen Kurs in brasiliani-

MICROTHOL - STAUB EP [TRUST /006] Die schönste farbige Vinylscheibe, die mir seit langem untergekommen ist. Und da drauf dann auch noch sehr solide lässige, leicht verwirrende Elektrotracks für alle, die die Schule von Ectomorph vermissen und dazu doch ein wenig in discoiden

Gewässern waten, die auch schon mal einen Hauch von Italo in ihren Herzen tragen. Auf der Rückseite dann noch mit einem der deepesten Elektrotracks in der Art von Red Planet weit draußen und süßlich und dazu Sounds, die einen, vermutlich ein wenig wehmütig, an Drexciyas Other People Place erinnern. Und noch ein Track mit Acidbassline als Bonus. Perrrrfekt. www.trust.at BLEED ••••• P. VAN DONGEN VS. GWP GATZIGRISTOS AH ERLEBNIS [WOLFSKUIL RECORDS/003 - INTERGROOVE] Eigenwilliges Label, das irgendwie verdammt viele Ansätze zu verfolgen scheint, aber vielleicht war es auch nur die Hakan Lidbo, die einen so verwirrt hat. Sehr breitwandig über die Beats rockende Elektrotracks jedenfalls, die klingen wie eine eher weichgezeichnete Version von Red Planet Tracks. Und wenn sie dann doch die grade Bassdrum rausholen eher etwas überfüllt in der Art, mit so vielen Ansätzen wie möglich umzugehen und dennoch alles über die rollenden Beats definieren zu wollen. Mit Sicherheit aber Tracks, die in einem härteren Technoumfeld für einiges an überraschung sorgen, was in einem so vollen Sound doch noch möglich ist an Vielseitigkeit und Ideen. BLEED •••-•••• COLLAG - 4 SELECTED RECORDING [WOOL/003 - DISCOGRAPH] Mein abseitiger Tipp des Monats kommt auch für mich überraschend vom französischen Wool Label. Hier kommt es zur späten Entdeckung des estnischen Kollektivs Collage. In den ausgehenden Sechzigern produzierte in Tallinn ein ganzer Haufen offenbar höchst talentierter Musiker eine Jazz-Folk-Pop-Kombination mit einem unwiderstehlichen Charme, der durch hervorragende Aufnahmetechnik auch heutige Ohren erfreut. Und auch wenn ich kein Wort verstehe, spricht hier eine sofort verständliche Freude, Leichtigkeit und Energie aus jedem Ton. Und einen vagen Begriff davon, was denn alter traditioneller VocalFolk oder genauer Runo-Songs so sind, kann man sich auch noch machen. Kompromisslos nur schöne Musik, die ein neues Licht auf das junge Pariser Label wirft und jedes Klischee im Keim erstickt. www.woolrecordings.com M.PATH.IQ ••••• CAPTAIN COMATOSE - 100$ [KITSUNE MIDNIGHT] Eine Auskopplung des Albums mit 3 Remixen und dem Original des Killertracks von der besonders die Französische Version “featuring So” Spaß macht, weil es einfach komplett nachgesungen wird, was den Karaoke-Effekt des Tracks sehr albern umsetzt. Das Original ist natürlich purer glitzernder Nighttime Funk, die Liveversion nochmal völliger Trash und nur die Midnight Mike Version ist mir etwas zu viel Elektroclash für einen Abend und eine irgendwie etwas zu professionell abgerissene Sache für so einen Track. www.kitsune.fr BLEED •••••-•••

<43> - DE:BUG.82 - 05.2004

BRD


<44> - DE:BUG.82 - 05.2004

HIP HOP

• = NEIN / ••••• = JA

SIDO - MEIN BLOCK [AGGRO BERLIN - GROOVE ATTACK] Aggro Berlin ist das Phänomen unter deutschen HipHop-Independent-Labels. Während andere schließen oder vor sich hin krebsen, wächst Aggro und schert sich wenig um den Rest. Wie das funktioniert? Zwei Gründe sind ausschlaggebend: Die Leute, die die Labelarbeit machen, sind intelligent, arbeiten professionell und wissen genau, was sie tun. Wie intelligent die Leute sind, die das Label vermarktet, ist schwer einzuschätzen. Auf den Produkten jedenfalls steht RADIKAL in Großbuchstaben. Und was da inhaltlich letztlich transportiert wird, spielt keine Rolle. Den Kids gefällt es. Wenn man denen sagen würde, dass die MCs doch eher beschränkt rüberkommen und es politisch irgendwie nicht korrekt ist, wenn da einer so was wie „Wer fickt deine Mutter in den Bauch? Der Neger!” rappt, hätten die wieder eine Vorlage mehr, um sich identitätsbildend von anderen abzugrenzen. Das alte Spiel also, nur dass es in Deutschland noch niemand so konsequent gespielt hat. Von Sido kommt jetzt der Track “Mein Block” - das zugehörige Video ist Hammer, und der Rap, der die Lebenswelt des MCs in seinem Block im “MV” schildert, hat hohen Unterhaltungswert. Schwer zu sagen ist lediglich, ob man das auch auf Albumlänge aushält. Ach ja - und dann gibt es ja noch den kinderliedhaften Tomekk Rmx, mit dem man sich vor dem Release die Aufmerksamkeit in zahllosen Internetforen sicherte. Der ist leider so zum Weinen schlecht, dass man fast annehmen muss, Tomekk habe ihn selbst produziert. Selbst bei Aggro sollte man eine Schmerzgrenze haben. www.aggroberlin.de JAN •••

für “music for the mature b-boy”, in ein exorbitantes Mixtape bzw. CD, auf dem der Bostoner MC Edan mit Sicherheit eins der Highlights ist, aber nur eins unter vielen. Freestyle Fellowship sind natürlich auch nicht unvergessen, Ugly Ducklung verbreiten netten Oldschool Flavor, fast vergessene Tunes von Madkap, Lord Sear, Souls of Mischief, The Pharcyde, The Wascals, Tha Alkoholics, King Tee, Black Sheep, Main Source mit Brand New Heavies und vielen mehr werden ausgegraben und zum vollen Vergnügen aneinandergelegt, um abschließend für diese sehr coole CD drei eher funkige Stücke aus der Versenkung zu holen, was man sich vielleicht auch hätte sparen können. Die HipHop-Tracks sind auf jeden Fall Hammer und als NostalgikerMixtape ist das hier momentan wohl fast die beste Wahl. CAYND •••••

V/A - ANTICON LABEL SAMPLER 1999-2004 [ANTICON/31 - SOUTHERN] Anticon steht seit 1994 für experimentierfreudigen weißen amerikanischen HipHop, dem der eine oder andere vermeintliche Kenner vorwirft, das wäre doch “gar kein richtiger Hip Hop”. Das klingt doch interessant, mag mancher Querhörer denken. Und hat damit Recht. Obwohl die Beats zappelig sind, die MCs in Höchstgeschwindigkeit vor sich hin näseln, sind die Tracks trotz einiger Indierock- Elemente meist richtig dick und rund. Viel Spaß machen natürlich auch die unabgegrabbelten Samples, die auch vor ungewöhnlichsten Abstechern populärer Musik keinen Rückzieher machen. Die Jungs haben also auch Humor. Die Texte behandeln weniger den harten Alltag auf der Straße als vielmehr merkwürdige bis surreale Erlebnisse. Mit 33 Tracks von Why? über Themselves und Alias bis Sole und Odd Nosdam bietet die Compilation also einen prima Überblick über das ungewöhnliche Label. Viel Spaß! ASB •••• INFINITIV LIVEZ - BUSH MEAT [BIG DADA/BDCD068 - ROUGH TRADE] Sehr stranger Humor, den Infinitivez Live, der offensichtlich in London zuhause ist, an den Tag legt. Frauen sind Zwiebeln und er irgendwie im Stimmbruch stecken geblieben und von einem völlig anderen Planeten mit Mundgitarren und einem skurillen Humor. Vom Milcheinschütten, Gitarrenzupfen, Kuhmuhen, bis flächigem Funk und breit angesexten Nippelquetsch-Texten ist hier alles vertreten. Raggariddims und digitalere Spielereien auf Raumschifftrip ergeben den eher durchgeknallte Boden, auf dem diese lyrischen Collagen die Runden drehen und Komplexität und HipHop in eine neue und definitiv nicht leichte Symbiose stecken. Ein großer britischer Witzbold, merkwürdige aber massive Musik und alles in allem eine sehr amüsante und kuriose LP. www.infinitelivez.com CAYND ••••• TWISTA - KAMIKAZE [ATLANTIC - EASTWEST] Selten gab es soviel Vorschusslobeeren für ein Release. Twista war “Der” Geheimtipp, schließlich hat er mit seinem Maschinengewehr-RapStil - machen wir es kurz - irgendwie alle momentanen Rapgrößen beeinflusst. Hat dann auch gefunzt, zumindest wenn man sich die USCharts anschaut. Auf der anderen Seite ist dieses Album allerdings ein Witz, verglichen mit dem, was im Allgemeinen darüber gesprochen bzw. geschrieben wird. Sicherlich kann Twista rappen. Der Grund für den jetzigen Release mit riesigem Marketing-TamTam ist aber der Überhand nehmende kommerzielle Erfolg von Dirrty South Musik, seit Nelly, mit oder ohne Pflaster, das erste Mal seine dreckige Visage in die Kamera gehalten hat. Dabei spielt es auch keine große Rolle, ob eben jene Deppen Twistas Style seit Jahren kopieren. Und bitte - schnell rappen, heißt nicht automatisch toll rappen, genau wie dreckig rappen auch nicht gleich gut rappen bedeutet (s. AggroBerlin). Außerdem ist da noch ein R.Kelly Feature. Der darf jetzt wieder ins Studio, während MJ in den Knast muss? Super. GIANT STEPS •• DJ FORMAT - A RIGHT EARFUL [ANTIDOTE/CD 108 - SANCTUARY] Zwischen derbem Funk und korrektem Rap der alten Schule schaukelt sich DJ Format, bekannt

PETE ROCK - SOUL SURVIVOR II [BBE - RAPSTER] Pete Rock ist ein wohlverdienter Glückspilz. Wo immer sein Name auftaucht, reagieren die meisten Leute mit einem großen “Oho!” und massiver Voreingenommenheit. Schließlich hat dieser Altmeister bisher so gut wie konstant Perlen produziert. Nicht anders ist es auf seinem mittlerweile zweiten Album bei Barely Breakin Even Records. Eine ganze Montur an Gast-MCs ist angetanzt und schmückt Pete Rocks wie immer gelungene, diesmal fast futuristisch wirkende Beats mit ihrem teilweise sehr netten Raps. Mit dabei sind nicht nur die Politheroes Dead Prez, sondern auch sein alter Kollege C.L. Smooth, Pharoahe Monch, Skillz, Slum Village, Little Brother, Krumbsnatcha u.a. Wegen aufgeregtem Promogegrölle kann man das leider nicht wirklich anhören, es scheint aber ein gutes, wenn auch ab und zu leicht angeschnulztes Album zu sein. www.bbemusic.com CAYND •••• DJ JAZZY JEFF - HIP HOP FOREVER II [BBE - RAPSTER] Der erste Teil dieser BBE-Reihe kam von Kenny Dope von Masters at Work und nun hat Jazzy Jeff über 20 seiner All-Time-Favorites zusammengestellt und einem frischen Mix durchzogen. Dabei sind sowohl alte Perlen von Raekwon, Blackmoon, Smif’n Wessun, Gang Starr, O.C., Jeru, A Tribe Called Quest, Main Source, Pharcyde als auch neuere Stücke von Wildchild, Nas, J-Live, Jaylib, Phife Dawg, Asheru und vielen mehr. Die Stücke sind alle Klassiker und geschmackvoll und die Zusammenstellung geht auch in Ordnung. Einige Stücke sind vielleicht etwas eigenartig gepitcht und für den Flow wären ein paar Cuts weniger auch ok gewesen, insgesamt aber eine coole Compilation für HipHop-Einsteiger. www.bbemusic.com CAYND •••• BUSDRIVER - COSMIC CLEAVAGE [BIG DADA/BDCD070 - ROUGH TRADE] Er hat eine eigenartig gedruckste Art zu rappen bzw. zu singen, Busdriver aus L.A., manchmal ansatzweise etwas kryptisch, oder halt einfach jazzig wie seine Samples, bzw. die von Daddy Kev von Celestial Recordings, der hier einen Großteil produziert hat. Es klingt etwas schräg, federnd und dünn, gleichzeitig aber wie ein Theaterstück, das man zunächst auf Holzstühlen beobachtet und dann auf einmal mittendrin ist. Schließlich sollte diese LP eigentlich der Soundtrack zu einem dann nie realisierten Film sein. Dementsprechend sprudeln die Wörter auch aus Busdriver raus, immerhin hat er jahrelang im Goodlife Cafe, der Freestyle-Spot schlechthin in L.A., seine Reaktionsgeschwindigkeit trainiert, was man an den verschiedenen Vortragsstilen merkt. D-Styles von den Scratch Piklz bzw Beat Junkies steuert dann noch Scratches bei, so dass das Ganze wie eine künstlerische Reise in die Genialität wirkt. Experimentell, überlegt und eigenbrödlerisch, one for the abstract. www.bigdada.com CAYND •••• V.A. - HIPHOP EN LA CALLE OCHO [BLACK FLAME - ROUGH TRADE] In Miami feiert man eine andere Art Karneval als beispielsweise in Köln oder Mainz, das sieht man ja schon am Namen. “En la calle ocho” heißt zwar auch nicht viel mehr als “aus der 8. Straße”, wo der Karneval wohl stattfindet, klingt aber wesentlich smoother. Der Sampler beinhaltet lateinamerikanischen HipHop, RnB etc. und wurde inspiriert von diesem anscheinend grandiosen Straßenfest in Miami und der dort aufblühenden Latin-HipHop-Lage ins Leben gerufen. Das Booklet sollte man vielleicht nicht lesen, wenn man danach die durchaus ganz coolen Stücke noch ohne Scham hören möchte, da steht nämlich was von einer “provozierenden und frechen Subkultur”. Die MCs und Sänger jedenfalls feiern größtenteils ihre Roots, z.B. Puerto Rico ab, und rappen abwechselnd auf Englisch und Spanisch. Die Musik ist mit ein paar klassischen Instrumenten versetzt und hat ordentlich lateinamerikanischen Flavor, ohne dabei ins Weltmusikheim abzudriften. Es gibt 20 Stücke und die meisten verbreiten eine gelöste fröhliche Stimmung mit dezentem Schwulstpathos und sind auf jeden Fall

eine coole Abwechslung. CAYND •••• VAST AIRE - LOOK MOM ... NO HANDS [CHOCOLATE INDUSTRIES - ROUGH TRADE] Dieses Album ist schon jetzt eine meiner Lieblingsplatten des Jahres. Vor allem wegen Vast Aires stets verständlichen Megaflow und seiner leicht verschrobenen Perspektive. Man kennt Vast Aire ja von Cannibal Ox und von diversen Features hier und da, und nach diesem, seinem ersten Album, weiß man ihn auch umso mehr zu schätzen für seinen Offstyle, der weder zu absei-

tig noch zu eingängig ist, sondern in jedes Stück einen komplett eigenen Vibe packt, und dabei doch eine Albumlinie beibehält. Gigantische Präsenz durch die füllige Stimme und durchweg spannende Musik, schließlich waren eine ganze Reihe Produzenten beteiligt, u.a. auch Madlib, als MC-Gäste gab’s MF Doom, Sadat X, Blueprint u.a., also massig Hochkarätiges, was Vast Aire aber eigentlich gar nicht gebraucht hätte, denn es ist seine Erzählweise, die dieses Album so gelungen macht. Korrekter Flow und nachvollziehbare Perspektiven. www.chocolateindustries.com CAYND ••••• X-ECUTIONERS - REVOLUTIONS [COLUMBIA - SONY MUSIC] Die X-ecutioners haben schon bei ihrem letzten, dem zweiten Album einen neuen Weg eingeschlagen. Verglichen mit ihrem Debütalbum ging es dort wesentlich mehr um die Möglichkeit aggressiven Turntablism in einen charttauglichen Song einzubetten, anstatt wirklich innovativ am Mischer zu wirken. Das betraf sowohl Scratch-Technik als auch Beatjuggling. Interessant ist, dass dieser Bruch mit der Trennung vom vierten und vielleicht verrücktesten Mitglied Mista Sinista einherging. Analog zu ihrem letzten Alben zeigen die übrigen drei hier wieder, was sie so drauf haben und werfen nebenbei die Cash-Cow an. Wenn man sich als Gegensatz dazu den unglaublichen Ideenreichtum auf z.B. Rob Swifts letzten Soloalbum anschaut, wirkt die Teamarbeit auf dem jetzigen Werk doch ziemlich berechnend. GIANT STEPS ••• LOOTPACK - THE LOST TAPES [CRATE DIGGAS PALACE] Lootpack, das sind Madlib, Wildchild und DJ Rhomes. Ende der 90er waren sie auf jeden Fall eine der frischesten Crews in Sachen Rap, auch weil sie so krass relaxed rüberkamen. Das hier sind alte Aufnahmen von 1994 von ihnen, also fünf Jahre bevor ihr erstes Album “Tha Antidote” bei Stones Throw rauskam. Crate Diggas Palace ist übrigens das Label von Madlibs Vater, Ottis Jackson Sr., als Gäste sind Oh No, Declaime, Medaphoar uvm. dabei. Auch wenn die Aufnahmen alle recht alt sind, klingen sie gerade im Vergleich zu heutigem Stuff sweeter denn je. Man hört förmlich die Dopeschwaden und die kalifornische Sonne, es rumpelt und flowt, und es stimmt einfach alles, vor allem der Vibe. Mit dieser Platte lässt sich der Sommer garantiert gut überstehen, ein Favorit. CAYND ••••• RJD2 - SINCE WE LAST SPOKE [DEFINITIVE JUX - PIAS] Seit wir das letzte Mal was von RJD2, dem Vorzeigesymphaten von DefJux, gehört haben, ist tatsächlich so einiges passiert. Vor allem bei RJD2. Der hat nämlich noch tiefer in den Rock geblickt und anstrengende Hits heraus geholt. Wer Gitarren mag und die bombastischeren Tracks auf RJs, meiner Meinung nach besserem, ersten Album sehr gerne gehört hat, wird vermutlich entzückt sein. Ich mochte an RJD2 eigentlich seinen virtuosen Freestyle am liebsten, und der ist auf dieser Platte leider nur eingeschränkt zu hören, sie ist etwas einseitig, manchmal leicht schwülstig, dabei recht geschickt, vielleicht aber etwas zu abgefedert und an die Land-Bar gelaufen. Ansonsten eine sehr lebhafte Komposition voller potentieller Hit-Songs. www.definitivejux.net CAYND •••• V.A. - DEFINITIVE JUX PRESENTS III [DEFINITIVE JUX - PIAS] Die dritte Runde ist eingeläutet und so langsam spielen sie in der großen Liga mit. Denn DefJux

machen nicht nur CollegeRap, sondern haben ein wesentlich breiteres Spektrum drauf, wie man hier sieht. Alle sind sie dabei: das neue Dreamteam The Perceptionists aka Mr.Lif, Akrobatik und Facts One, Rob Sonic, Camu Tao, zudem die neueren Signings Hangar 18, Carnage, 4th Pyramid, Despot und alte Bekannte wie Murs, RJD2, Aesop Rock, Cage und natürlich El-P. Die meisten Stücke sind sehr frisch und klingen vom Sound her immer leicht schräg und trotzdem dick; einfach und glatt scheint hier zumindest nichts. Irgendwie sind schrille Soulvocals zu stumpf schleppenden Beats ja langsam wieder modern geworden, was auch nicht schlecht ist, weil es das bombastisch Finstere nett aufwertet. Gespannt sein kann man definitiv auf das kommende Album von Hangar 18 aus der Atom’s Fam um Cannibal Ox. Keine schlechte Sache, dass es bei DefJux noch neue Signings gibt. www.definitivejux.net CAYND ••••• MURS - 3:16 THE 9TH EDITION [DEFINITIVE JUX - PIAS] Das coolste an Murs ist, dass man seine Lyrics immer versteht, denn er versucht weder einen Rekord im Schnellrappen noch im Nuscheln zu bekommen. Daneben sind die Beats von 9th Wonder, angeblich alle mit Fruity Loops produziert, sehr sweet und droppen oft ein soulig verzerrtes Vocalsample, das die angerauhten und slowen Beats charmant aufpeppt. Murs spricht sowohl über persönlicheren Stuff wie Sex oder den Tod eines guten Freundes, als auch über in anderer Weise Belangvolles, wie weiße und schwarze Raphörer und es klingt alles ziemlich soulfull, vermutlich spricht er einer ganzen Reihe von Hörern aus dem Herzen. Die Lyrics wirken alle relativ offen und ehrlich und passen zu den Beats, so dass man gerne zuhört. Nette Geschichten und reflektierte Beobachtungen und vor allem sehr nette Musik. Perfekte EP. www.definitivejux.net CAYND ••••• BOOT CAMP CLIK - THE CHOSEN FEW [DUCK DOWN - EDEL] Boot Camp Click ist kein unbeschriebenes Blatt, schließlich sind sie schon eine Weile dabei. Zur Clik gehören Buckshot, Cocoa Brovas, Sean Price, Heltah Skeltah, Originoo Gunn Clapaz etc. Die Beats sind schlicht aber effektiv, die Raps haben Flow und klingen im Vergleich zu vielen Majorproduktionen oder dem avantgardistischeren Stuff ziemlich oldschoolig, was auch das Beste an dieser Platte ist, bei der man vielleicht nicht jede Zeile auf die Goldwaage legen sollte, die aber ein rundes und durchaus anhörbares Album, mit allem, was so dazugehört, also hittigere Tunes und ein paar Abfälle, abgibt, also auf jeden Fall ein Anhören wert ist. Es bounct und federt solide und symphatisch, u.a. waren Hi-Tek, Curt Cazal, Da Beatminerz und The Alchemist involviert. Die Platte ist zwar schon von 2002, kommt aber erst jetzt offiziell in Europa raus und klingt noch immer cool. www.duckdown.com CAYND ••••• PROMOE - LONG DISTANCE RUNNER [DVSG / BURNING HEART - GROOVE ATTACK] Dass Lootroop samt ihren Fronttexter Promoe in Europa - Frankreich ausgenommen - in einer eigenen Liga spielen, ist kein Geheimnis mehr. Seit mehreren Jahren liefern die Schweden Beats&Rhymes auf nahezu NYC Niveau ab. Schön ist auch, dass Promoe wie üblich das Maul aufmacht, wo andere aus Mangel an Interesse lieber die Fresse halten - nämlich in politischen Fragen. Passend dazu finden sich auf dessen zweitem Soloalbum überdurchschnittlich viele jamaikanische Einflüsse; man kann davon ausgehen, dass hier mit einem Auge auf die anstehende, alljährliche Festivalsaison im Sommer geschielt wird. So weit, so gut; trotzdem kann ich mir einen Minuspunkt nicht verkneifen. Promoe sowie betreffende Produzenten haben ohne Frage eine Menge Potential. Dieses bleibt aber auf der Strecke, wenn man es bei Text und Musik nicht schafft, über den eigenen Tellerrand hinauszublicken. Insbesondere Promoes recht monokausaler Ansatz zur Analyse/ Lösung politischer Probleme überzeugt nicht. GIANT STEPS ••• TONY TOUCH - THE PIECEMAKER II [FAST LIFE / PIAS - ROUGH TRADE] Yo, Tony Touch, New Yorker Mixtapegott mit MC- und Produktions-Ambitionen, aufgrund seiner lateinamerikanischen Roots auch Tony Toca genannt, hat es geschafft, eine ganze Garde angesehener MCs auf seiner mittlerweile zweiten Platte zu versammeln: Masta Ace, Slick Rick, Method Man, Redman, Erick Sermon, JuJu, Nore, Large Professor, Dead Prez und mehr, zudem haben u.a. RZA, Psycho Les und Pete Rock Beats beigesteuert. Features sind hier also nicht gerade spärlich gesäht, das Album klotzt damit nur so und stellt damit die Tatsache, dass es sich um ein Tony Touch Album handelt auch fast etwas in den Hintergrund, was auch mehr als ok ist, denn seine salsaesken Reimversuche sind nicht immer amüsant. Seine Beats gehen aber eigentlich weitgehend in Ordnung und der Rest d.h. besagte MCs, unter die sich auch Sean Paul, das Rag-

TRAPEZ 40

TRAUM V48

RILEY REINHOLD & STEVE BARNES - Mondrian

DOMINIK EULBERG - Die Rotbauchunken vom Tegernsee

TRAUM V47 & CD15

TRAPEZ 39

MBF 12004

TRAPEZ ltd 18

OZY - Imaginary Rockstar Syndrome

THOMAS BRINKMANN - Tour de Traum Release: 26.04.04 JORGE GEBAUHR - My Best Friend Theme

TRAPEZ ltd 18

HANSEN & DJ DANIEL - Only Love

DIE MACHT DER TRÄUME

TRAUM_WWW.TRAUMSCHALLPLATTEN.DE_EMAIL TRAUM@NETCOLOGNE.DE FON 0049 (0)221 71 641 56_FAX + 57_WERDERSTRASSE 28 D-50672 KÖLN

gamaskottchen, geschlichen hat, geben ihr Bestes. Klingt nach New York und straight nach Rap. www.tonytouch.com CAYND •••• DUAL CONTROL - LEFT OR RIGHT [GRAND CENTRAL/126 - ROUGH TRADE] Selten geben sich Samples in ihrer Samplehaftigkeit so schroff und ungeschönt wie auf diesem eher relaxten als kickenden Dope-Beat-Kompendium. Da Phil Davies und Mike Ball dabei durchaus die richtigen Quellen konsultiert haben, gibt es auf “Left or Right” schon mal eine Handvoll Loops, die in Kombination mit so ziemlich jedem Funkbeat die halbe Miete auf dem Weg zum guten Track ausmachen. Dementsprechend finden sich auf der CD auch eine Anzahl Stücke, die sich - nimmt man Coverartwork und Fahrschulatmo vom Beginn mal beim Wort - zum geselligen Herumkurven durch sommerliche Gegenden anbieten. Manchmal wäre es nur einfach noch besser, sie würden mit ihrem ganzen Potential mal richtig losgehen ... beispielsweise wenn über dem Dancehall-Beat in “Global People” immer nur ein Shabba-Sample und eine komische Harfe durch die Weed-Schwaden irren. So muss dann Spikey T. am Mikrophon im folgenden Track das Spiel heimholen. “Left or Right” erinnert an die Wiener Kaffeehausmusik aus G-Stone-Tagen, aber in Manchester spielt man nicht nur ungeschönter und schroffer Fußball als auf dem Kontinent, man fährt auch aus Prinzip auf der falschen Seite und die Musik hat mehr Soul. EM ••• FINGATHING AND THE BIG RED NEBULA BAND - [GRAND CENTRAL/127 - ROUGH TRADE] Gibt keinen Grund, das Kind beim Namen zu nennen: Es ist ein Big Beat, oder? Immer unter 110, wenn auch nicht so richtig bloke rockin, wenn mir der Kalauer erlaubt ist. Aber die Beats sind wahrhaftig keine Machomanifeste, sondern sexuell eher in der Richtung angesiedelt, die Fingathing mit ihrem neuen Outfit auch konzeptmäßig eingeschlagen haben: Nenn es SpaceHop. Douglas Adams trifft die Hausband von Jabba The Hut, und da wusste man ja auch nicht, welche sexuellen Vorlieben diese Musiker(innen?) eigentlich hatten. Auf dem Cover sehen wir ausserdem an den Turntables und dem schlanken Viersaiter Peter Parker und Sneaky. Die beiden Teufelskerle haben schon Wurmlöcher kotzen sehen und erkennen nicht nur ein Killerloop, wenn sie es sehen, sie wissen es auch einzusetzen. “Walk In Space” hätte auch Deltron 3030s Space-Oper gut zu Gesicht gestanden, “Themes from The Big Red” ist “Kashmir” für die Jem ‘Hadar-Disco”, und “Big Bang” ist genau das, auf dem klassisschten aller Uff-die-zwölf-Breaks der Galaxie. Aber nun mal Schluss mit Metaphernschleuderei: Das Album ist groß, auch unter Erdbedingungen. EM ••••-••••• RUSTY P´S - IS IT LIVE? [GRAND CENTRAL/177 - IMPORT] Die Rusty P´s kommen aus Milwaukee. Dort haben sie sich nicht nur in High Fives mit The Roots oder The Pharcyde geübt, sondern rauchen und rappen sich auch um den Verstand. “Is It Live” kommt mit diesem Life-Knoten daher, den ein paar nervöse Sprechsänger beim Performen nun mal in das Kabel laufen, wenn für jeden augenblicklich der nächste Einsatz naht. Eine easy schunkelnde Nummer, an der Rob Smith sich bei seinem Mix gerne abarbeitet. Nichts mehr mit Konsens-Flow, sondern Synkopen und ein Hauch Darkness. M.PATH.IQ •••• TAJAI - POWER MOVEMENT [HIEROGLYPHICS - GROOVE ATTACK] Es wird langsam Zeit, dass sich diese Crew aus Oakland einen Claim ausdenkt, sowas wie “Hiero - a crew u can trust.” Schließlich liefern sie schon seit einer ganzen Weile so soliden wie frischen und bodennahen Rap von der sonnigen Küste mit Qualitätsgarantie. Nicht anders ist es bei dieser Platte, dem ersten Soloalbum von Tajai von Souls of Mischief. Klar hat er einen eigenen Rapstil und auch was zu berichten, das über Battlerap rausgeht und mit Worten und Tönen zu spielen weiß. Die Beats sind mürbe breit und fetzen und bouncen, dass es eine Freude ist, klar, dass die Lyrics hier nicht daneben liegen, schließlich ist hier kein Anfänger am Werk. Der Rest der Crew und die Sängerin Goapele sind natürlich auch dabei und machen diese LP mal wieder zu einem Meisterwerk aus dem HieroCamp. www.hieroglyphics.com CAYND ••••• PRINCE PO - HOLD DAT [LEX RECORDS - ROUGH TRADE] Prince Po ist nicht Prince Paul, sondern war einst zusammen mit Pharoahe Monch als Organized Confusion unterwegs. Das ist schon eine Weile her, aber erst jetzt irgendwann, wahrscheinlich nächsten Monat, kommt sein erstes Soloalbum raus, auf das diese Maxi ein Vorgeschmack ist. Schlaue Köpfe hören natürlich sofort, dass mit dem Move zu Warp auch die Referenzquelle nicht gerade HipHop-typisch geworden ist. Hier hat Richard X, der Mann am Regler, Nightmares On Wax “I’m For Real” in einen monströsen HipHop-Track verwandelt. Prince Po gelingt darauf zwar vielleicht kein Rap-Klassiker, er versucht sich zusammen mit Jemini, bekannt von Danger Mouse, im Angeruchten, was nicht ganz gelingt, da es zu abgekupfert wirkt, aber bis auf den dämlichen Hook auch ganz ok ist (die bei Lex hätten anscheinend auch gerne mal einen Charthit), denn die Musik ist sehr cool. CAYND •••• PERVERTED MONKS - VOL. 1 [LIFE FORCE/008 - GROOVE ATTACK] “Ooom” ... ein vielversprechender Start: Ein Stück Spoken Word. Dann ein Schnipsel StudioGelaber, witzig. Und dann noch ‘n Intro, oder was sollte das sein. Auch wer prinzipell kein Problem damit, hat, dass Solar, Aqua und Caged Monk und der unter dem Namen Afu-Ra zu einiger Größe gelangte Poisonous Taoist selbst in Situationen noch schwanzgesteuert argumentieren, wenn andere sich auf die Systemtheorie oder einen 15er Maulschlüssel besinnen würden, muss feststellen, dass das Quartett sich mit einigen verschenkten Gelegenheiten, obsoleten Kiffund Porno-trifft-Quincy Jones-Hörspielen einige Zeit lässt, auf Reiseflughöhe zu kommen. Die von Heimproducer PF Cuttin eingebrachten Beats, die eigentlich das Rückgrat der Platte bilden sollen, sind statische Routine-Arbeiten, über die sich gut repräsentieren lässt, aber viel mehr passiert dann auch nicht. Letzen Endes rettet der Einfluss europäischer Beatschrauber der Platte den Hintern: Dazu gehöert dann ausgerechnet eine Tomekk-Produktion - liegt vielleicht auch daran, dass er einfach mal das Mönchs-Image der Truppe wörtlich genommen und in (indische) Sounds gegossen hat, ebenso übrigens wie Kollege Clueso. Hier läuft die Crew dann auch lyrisch zu einiger Form auf. Oder hört nur das rhythmisch abgedrehte “Sun God” des kroatischen Baby Dooks oder den auf Kesselpauken heranpirschenden Beat der kontemplativen SoulNummer “Understanding”. Fazit: Noch mal gutgegangen. EM ••-•••• ARIANNA PUELLO - ASÍ LO SIENTO [ZONABRUTA] Nein, hier sind nicht die Spanien-Wochen ausgebrochen. Diese CD kommt auch wirklich aus dem europäischen Spanien und nicht aus Lateinamerika oder Miami. Arianna Pento ist anscheinend die bekannteste female MC aus Spanien und seit mehr als zehn Jahren dabei, das hier ist ihr zweites Album. Wenn Ari rappt, klingt das allein wegen der Sprache gut, abwechselnd singt sie auch, ebenfalls cool. Vor allem aber scheint sie was zu sagen zu haben, was genau, wird mit leider aufgrund mangelnder Spanisch-Kenntnisse nicht klar, es scheint aber belangvoll zu sein und ist auch ohne volles Verständnis nett zum Hören. Vielleicht könnte man an der Musik noch etwas feilen, die hängt nämlich ab und zu etwas hinter-

her indem sie teilweise etwas monoton poppig fidel ist, größtenteils geht aber auch die Produktion in Ordnung und es ist definitiv eines der besten spanischen HipHop-Alben, das mir je zu Ohren gekommen ist. CAYND ••••

SIXTOO - CHEWING ON GLASS & OTHER MIRACLE CURES [NINJA TUNE/86 - ROUGH TRADE] Nach der historischen Aufarbeitung auf vertical Form kommt Sixtoo jetzt als Band zurück und bleibt doch er selbst. Irgendwie machen das ja im Moment alle. Und wer glaubt, wenn Sixtoo Schlagzeug spielt, kann er nicht mehr rappen, hat sich geschnitten. Sehr fein ausgedachte Tracks, deren akustische Instrumentierung einen großen Schritt nach vorne machen und zwischen ihrer moschenden Darkness und ambienter Keller-Verlegenheit eigentlich immer den Killer-Groove für verhuschte Mützenträger im Blick haben, machen “Chewing On Glass ...” zu einer tollen Angelegenheit. Wir sehen uns am Kettensägen-Buffet. THADDI ••••• ZION I - THE COLLECTION [PENALTY - PIAS] In Sammlung gehören bekanntlich nur solche Dinge, die so wertvoll, selten und schön genug sind, dass man sie von anderen unterscheiden kann. Zion I denken da auch eher in Sternschnuppen und haben 14 Tracks in ihrer Collection zusammengestellt, eine Kombination aus bereits auf ihrem ersten Album “Deep Water Slang” veröffentlichten Tracks, unveröffentlichten und neuen Stücken. Es wird also wie gewohnt voller Lebhaftigkeit über die aufgrund der sehr vielfältigen und unterschiedlichen Sounds etwas ungewöhnlichen Beats gerappt und gesungen, und damit so deepe und soulvolle wie frische Musik kreiert. Mit dabei waren auch The Grouch, Goapele, Killa Kela, Pep Love, Ty und viele mehr. Divers und cool. www.zionicrew.com CAYND ••••• ILL BILL - WHAT’S WRONG WITH BILL? [PSYCHO+LOGICAL RECORDS - GROOVE ATTACK] Rap ist keine Schmusemusik, sondern unter anderem ein idealer Kanal für Aggros jeglicher Art, das wird bei Ill Bill sehr deutlich. Und sowas hört man ab und zu ja ganz gerne. Ill Bill ist Teil der New Yorker Untergrund Formation Non Phixion und steht offensichtlich auf finstere und psychotische Tracks. Was bitter klingt, ist wohl nur eine Art von urbanem Realismus. Mit dabei im paranoiden Rapspektakel mit geladenem und getränktem Frankenstein-Appeal sind Necro und die Non Phixion Jungs. Hat auf jeden Fall wahre Momente und auch lichtere Augenblicke. CAYND •••• V.A. - NO MORE PRISONS VOL. 1&2 [RAPTIVISM - PIAS] Viel zu viele Menschen, vor allem dunkelhäutige, werden unnötig für zu lange Zeit in Gefängnissen eingebunkert, momentan sind es in den USA über 2 Millionen. Keine Frage, gerade das amerikanische Rechtssystem beruht auf eigentümlichen Rechten. Das und mehr ist Thema dieser Doppel-CD, auf der prominente und erfahrene MCs eingeladen wurden, Tracks beizusteuern, um den Missstand des “prison-industrial complex” ins Bewusstsein zu rücken und sich anderen Lösungen für die offensichtlichen Probleme anzunähern. Das Prison Moratorium Project hat dazu aufgerufen und sammelt den Erlös des Projekts für ihren guten Zweck. Positiv ist nicht nur, dass es überhaupt eine solche Compilation gibt, sondern auch, dass eine Menge Frauen zu Wort kommen, u.a. Apani B-Fly Emcee, Pri The Honey Dark, Helixx C. Armageddon, Hurricane G., Mystic und ein paar andere in der traditionellen Gesangsrolle, z.B. Vinia Mojica. Daneben sind Zion I, The Coup, Dead Prez, Akbar, Lil Dap, Krumbsnatcha, Shabaam Sahdeeq, Grandmaster Caz und eine Reihe mäßig bekannter oder nicht sonderlich bekannter MCs mehr dabei. Alle haben sich so ihre Gedanken über das Thema gemacht und entstanden ist eine durchweg hörenswerte und motivierende Zusammenstellung. www.nomoreprisons.org CAYND ••••• V.A. - THE THIRD UNHEARD [STONES THROW - PIAS] Hier gibt’s HipHop aus Connecticut zu hören, aus den Jahren 1979-83. Neben New York waren Anfang der 80er ja New Jersey und eben Connecticut das heiße Pflaster in Sachen HipHop. Stones Throw packen also mal wieder die Kinderstiefel des Rap aus und damit so einige Blüten aus der Zeit, in der es noch voll hip und cool war, über Diskobeats und Feedbackfunk zu reden und das dann HipHop zu nennen, sowie seinen MCNamen ab und an mal nonchalant auszubuchstabieren. Besonders frisch an diesem Sampler ist, dass die Stücke, auch wenn einige Basslines inzwischen vielleicht etwas überstrapaziert sind und man weiß, dass die Sugarhill Gang nicht das Maß aller Dinge ist, noch heute das Gefühl verbreiten, sie wären mit das Neuste, was es auf der Welt gibt. Das liegt größtenteils an dem vereinenden Gerede und den enthusiatischen Beats voller Funk. Mr. Magic war neben The Chillie 3 MCs, The Outlaw Four und Rappermatical 5 der Star schlechthin dieser güldenen Rapstunde. Nicht ohne Grund sind hier ein Drittel der Stücke von ihm, daneben ist aber auch, damals gab es ja noch ein paar mehr Frauen im HipHop, Pookey Blow dabei. Klingt alles wie locker aus der Hosentasche geschüttelt und noch einen Dancemove obendrauf gelegt. Daneben gibt’s hier auch ein paar funklastig-futuristische BandPerlen. Schade, dass sie nicht eine kleine Zeitmaschine in die CD miteingebaut haben. Für ihr Bemühen, Ungehörtes hörbar zu machen, verdienen Peanut Butter Wolf und die Stones Throw Crew definitv eine Krone. www.stonesthrow.com CAYND ••••• LMNO - ECONOMIC FOOD CHAIN MUSIC [UP ABOVE - PIAS] Es ist nicht zu übersehen, dass LMNO, was Leave My Name Out heißt, etwas verändern möchte. Als Teil der Visionaries wohnt er im kalifornischen Long Beach und bekommt eine Menge amerikanischen Stumpfsinn mit, der ihn in der Hinsicht prägt, als dass er ihn mittels Rap kritisiert, z.B. Oberflächlichkeit und Dummheit, so fehlt auch ein Bush-Sample nicht. Einen Großteil der Beats hat Oh No produziert, daneben war DJ Rhomes und Evidence mit dabei. Wenn LMNO nicht konstant so klingen würde, als wäre Rappen wahnsinnig anstrengend und ein unvermeidbarer Krampf, wäre diese Platte sicher etwas netter und würde neben ihrer korrekten Aussage auch Spaß machen. www.upabove.com CAYND ••••



NETAUDIO

• = NEIN / ••••• = JA

BAURI (RACEWILLBEGIN) www.racewillbegin.com Die Schweden von Racewillbegin bezeichnen ihr Baby als virtuelles 7” MP3-Label. Daher sind ihre EPs dann auch immer schön auf 2 Songs begrenzt. Ähnlich unbeschwert und ohne Labelsoundgedanke wie Wurlitzer Jukebox oder Earworm (R.I.P.) springen die MP3s von Elektro zu Indierock und wieder zurück und machen so auch richtig Spaß. Den Start in den Frühling gestaltet der alte Bekannte Bauri aus Malmö. Liest man dessen Playlist auf seiner Website so durch, bringt einen der Electromix von Purple Nights noch mehr zum Schmunzeln. Richtig super ist allerdings dann doch eher die ”B-Seite”. In Zusammenarbeit mit Erik Lavender breitet Bauri wunderschöne Gitarrenmotive aus und unterlegt diese mit atmosphärischem Geknackse, das Remote Viewer auch nicht besser hinbekommen hätten. Und, Premiere! Bauri singt, naja, es ist vielmehr

ein sanftes Flüstern, aber es sollte Euch alle erreichen. RENÉ •••-••••• V/A (INTERPLANETARY MATERIALS) www.comfortstand.com Irgendwo muss es ein Wurmloch zu einem Netaudio-Paralleluniversum geben, in dem Schubladen gesetzlich verboten sind. Und Schränke gleich dazu. Jeder hat einfach alles frei auf dem Boden anzuordnen, Teenager-Rebellion-Style. Nur ohne die Wut, bitteschön. Mitten aus diesem herrlich chaotischen Paralleluniversum erreicht uns diese wunderschöne Compilation, die Comfort Stand in einer Geste der intergalaktischen Freundschaft herausgebracht hat. Sage und schreibe 36 Tracks von eben so vielen Mitwirkenden, die sich locker auf zwei CDs ausbreiten lassen, wenn man doch nicht ganz Abschied nehmen kann vom Ordnung halten. Mit dabei sind ei-

AMERIKA

• = NEIN / ••••• = JA

[AESOTERIC/017 - WORDANDSOUND] Tja, keine Ahnung, von wem diese EP auf Brett Johnsons Label ist. Aber es ist eine Platte mit zwei sehr deepen Housetracks, die mal wieder die ruhigere Seite des Labels zeigen. Warme Chords, Streicher mit leichtem Discoflavour, dahinfloatende Vocals auf der A-Seite in soulig männlich, und flüsternd sweet auf der besseren, slickeren Rückseite, die die Orgeln etwas quirliger rollen lässt und irgendwie so friedlich ist wie ein kariertes Kücken. www.aesoteric.com BLEED ••••-•••••

nen Strait Mix, der dem Track aber auch nicht mehr viel hinzuzufügen hat. Deephousefans only. BLEED ••••

THE MOVES - IF YOU LEAVE ME NOW PART 1 & 2 [CENTRAL PARK/022/023 - W&SOUND] Sehr smoothe Vocalhousetracks mit allem, was dazugehört. Orgeln, Rhodes, und leichtem 70erJahre-Flavour. Die Rückseite mit ihren knisternderen kantigeren Beats (dabei aber immer noch sehr sehr smooth) gefällt mir persönlich besser, auch wenn es irgendwie noch souliger ist, aber die Art, wie die Beats arrangiert werden, klingt einfach etwas moderner und mutiger. Auf der zweiten EP gibt es dann noch einen leichten Instrumental Mix des Alvarez Sole Remixes und ei-

COWBOY JOHNNY CHRIST - ARE YOU A LONELY GIRL / IF HE`S SO SPECIAL [COCO MACHETE/016 - WORDANDSOUND] Soul bis über beide Ohren, klar, aber klar auch, dass es auf Coco Machete mit warpenden Basslines und clickernden Beats daherkommt und trotz aller Soloausrutscher irgendwie stimmig bis zum Ende diesen Vibe aus solider Discokugelfunkextase hält. Im Doppelpack gibt es allerlei Mixe und Dubs, so dass eigentlich jeder irgendwann drauf hängen bleibt. Für mich als eher unsouliger Typ, rocken natürlich vor allem die Dubs von “So Special” und “Lonely”. BLEED •••• HAZEL - EYE KANDY [COCO MACHETE/015 - WORDANDSOUND] Hiphouse lebt! Wir sind überrascht. Eigentlich hätten wir damit kaum noch gerechnet, aber irgendwie sind es auch nur die Mixe auf der A-Seite, die mit ihrer Verbindung aus fiepsigem Retro-

housesound mit Acidinfusion und sehr lockeren Raps, die mich an die Zeit von Monie Love erinnern, dann einen Track machen, der Kylie links liegen lässt. Auf der Rückseite dann noch zwei HipHop Mixe mit verdammt kickenden Beats und ein Accapella. Killer. BLEED ••••• WANG INC. VS WANG INC. WOODEN ROADS - THE PREMIXES [CONTEXT/013 - KOMPAKT] Premixe also. Ein neues Genre ist erfunden. Allerlei Endlosrillen als kleine Geschenke auf dieser neuen Context EP, die genau weiß, wo der Dancefloor sich befindet und sich bei allem schnarrend und clickenden, trockenen Minimalismus ziemlich schnörkellos und kickend darauf zu bewegt. Verschrobener Funk, der weiß, was er will. Sehr schön. SVEN.VT ••••-••••• SAFETY SCISSORS - FRIDGELIFE (NEW & IMPROVED) [PROPTRONIX/007 - KOMPAKT] 4 Remixe von diesem sweeten Force Tracks Track mit den zeitlos guten Vocals “living in a refrigerator” von DJ Pooterhoots und SS, Watson Macle-

UNITED KINGDOM

• = NEIN / ••••• = JA

DIGITAL MOTION - AUTOMATON EP [A.D.S.R. MUSIC/001] Walisische, bangende Housesounds mit viel Percussion und komprimiert slammendem Sound, der irgendwie eher aus einer Technoästhetik zu kommen scheint, aber trotzdem so Dinge wie Walking Basslines aus dem Ärmel schüttelt und zu einem Sound zusammensetzt, der glatt die fettesten Soma Hits übertreffen kann. Sehr deep und dennoch in your face. BLEED ••••-•••••

vorstellen kann. Das Einzige, was diesen vier stellenweise harmonisch zerzausten, stellenweise grob funkigen Tracks fehlt, ist eine Art von Tiefe im Sound, der wirkt nämlich irgendwie etwas dürr, vielleicht soll es aber einfach nur trocken klingen, weil trocken, da rockt es mehr. Sehr eigenwillig. www.breakin-records.co.uk BLEED ••••-•••••

Folk und ergreifende Arrangements transportieren Rhodes, Percussions und Bläser ins offene Herz. Einen nicht weniger tief gehenden Remix steuert New Yorks Antonio Ocasio alias Calor (Tribal Winds) bei. Afro-Latin-Hammond-House wie ihn auch Masters At Work lieben! Insgesamt einfach zu schön, um wahr zu sein. M.PATH.IQ •••••

MIKA VAINIO / CHICKS ON SPEED - FLAME ON [CHICKS ON SPEED RECORDS/018] Dass sie sich auf ihrem Elektrokunsttrashruhm ausruhen würden, der sie bis in alle Kultursendungen der Öffentlich-Rechtlichen gebracht hat, kann man den Chicks echt nicht vorwerfen, denn sonst würden sie nicht so einen darken strangen Unsinn mit Mika verzapfen, der darkeste Dubs liefert, auf denen die Chicks dann ein paar Lyrics verstreuen, als wäre es ihre Art, Asche in die See zu werfen. Dunkel und düster, aber auf keinen Fall bedrückend und dabei dennoch so schwergewichtig, dass man fast hintenüberfällt beim Hören. Fein. BLEED •••••

PHONIQUE - WHERE’S THE PARTY AT? [CROSSTOWN REBELS /007 - INTERGROOVE] Eine weitere Auskopplung aus der Future Rebels Mix-CD. Phonique ist zur Zeit in Höchstform. Ein Partytrack, der bei jedem Chord das Wissen von unzähligen Blockpartys, von Chicago, von Old School eben auf einen neuen unkomplizierten Stand bringt. Freestyle Man variiert das Thema, bis er schönste HipHouse-Erinnerungen zu einem fröhlich bouncenden und jackenden HouseTrack verrührt hat. Now you know where the Party is at! SVEN.VT ••••-•••••

DOCTOR ROCKIT - THE VINYL RESTING PLACE [ACCIDENTAL] Sag mal Herr Herbert, da hätte man doch gleich alle zusammen rausbringen können, oder? Du weisst schon, was wir meinen, ja, die gesammelten Clear Platten von damals. Nicht nur so 5 Tracks auf einer 12”” und 13 auf der dazugehörigen CD, das ist doch ein Desaster. Jedem, der welche anzubieten hat, werden doch auf Ebay die Clear 12”es von Dr. Rockit aus der Hand gerissen! Und die bleiben dann selten dran und all dieses Spekulationsobjekt Musik, das kann doch nicht in deinem Sinne sein, den Corporates von Ebay die Knete überlassen, wenn das ökologisch propere Accidental das viel schöner tun könnte und überhaupt, verdammt wo ist, und das nehme ich dir richtig übel, “Hopter the Docter” (und “Lullabye for William” auf der CD?)? Tststs. Naja, versteh schon, sollte wohl alles etwas moderner klingen als es damals war. So, und nun zum positiven: Die Tracks sind Killer! Immer noch. Versteht sich ja wohl von selbst. www.magicandaccident.com BLEED ••••• PAUL MURPHY / MARC WOOLFORD PROJECT - JAZZ ROOM [AFRO ART - IMPORT] Ein absoluter Killer kommt diesen Monat von Urgestein Paul Murphy. Mit geradezu detroitischer Präzision hämmert er zusammen mit Marc Woolford ein Percussion-Monster auf die wehrlose Masse, um nach einem manischen und bis zum Exstatischen gesteigerten Intro doch in Richtung Latin-Phusion abzubiegen, die Arme stets frei schwebend. Für den Remix genügte ein Anruf bei Spiritual South, die unlängst mit ihrem Green Gold für eine Hymne 2003 gesorgt haben. Hier bleibt es bei einer furiosen tribalnden Nummer, die auch das letzte Bisschen Rio aus der feiernden Meute kitzelt. M.PATH.IQ ••••• OCTAVCAT - BIGGERABIT EP [BLACKNIGHT RECORDS] Was die nicht so alles treiben, diese Engländer. Hier ein Projekt aus London mit völlig verschroben grabbelndem Elektrosound, der vor allem seine Effektboxen liebt. Die Beats berühren mal so grade eben den Boden, aber vor allem geht es darum den Sound völlig zu verknautschen, wozu hat man diese DSPs denn, aber es ist dann trotzdem noch ein Sound der sich in der Tradition von Black Dog verstehen will, was dazuführt, dass man manchmal ein wenig kitschig wird, etwas trancig, aber dennoch vor allem so kleinteilig verschroben dabei bleibt, dass man sich wirklich wundert, wie das alles zusammenwirken kann. 6 Tracks, die einen gerne mal überraschen und so verschroben wie sie sind auch noch ganz schön unterhaltsam bleiben. www.blacknightrecords.co.uk BLEED ••••-••••• CYLOB - SPIDER REPORT [BREAKIN RECORDS/045 - BAKED GOODS] Offensichtlich, so jedenfalls das Info, hat sich Cylob eine Software geschrieben, mit der er nun seine Tracks macht, und wer weiß, vielleicht denkt die sich ja einige der sehr skurrilen Sequenzen aus und lässt das Ganze so wirr durcheinander gleiten, aber dabei dennoch so smooth und verdreht klingen, dass man es sich kaum alberner

DRUM’N’BASS DIGITAL FEAT. IRIE J / VERSION - GET AWAY / SPICE [BASSBIN/1210] “31st Century Inner City Life” sagen sie dazu, kein Wunder, das ist aber auch verdammt deep und verdammt ungewöhnlich. Digitals präzise Beats und endlose Dubvorliebe mit einem Vocal von Irie J, der das Ganze irgendwie mythisch erscheinen lässt und dazu dann noch eine sehr getragene Gitarre und dieser Flow, der gar nicht aufzuhören scheint, immer mehr Raum in seinen dunklen Groove einbezieht und dabei immer mehr Spannung aufbaut, bis es kaum noch auszuhalten ist. Und dann explodiert es so soft, wie man es sich erhofft hat mit der Bassline und den Congas. Perfekter Bassbin Track. Auf der Rückseite dann Version, ein geheimgehaltenes Alias eines anderen Acts, der mit einem so vertrackten Break beginnt, dass man es kaum aushält herauszufinden, wie weit er es damit treiben wird, dann kommen erste spacig skurrile Soundeffekte und er landet in einem Breakgewitter, das jedem Fan von Source Direct das Herz höher schlagen lässt. Unglaublicher Track, von dem man sofort eine ganze Kiste haben möchte, um alles, was die letzten Jahre war, zu vergessen. www.bassbin.com BLEED ••••• BREAKAGE - STONEHEART / BRING BACK [BASSBIN/1211] Wie so gerne von Breakage ein sehr dubbiger Track mit Raggaflavour und verdammt solide und lässig rollenden Beats, Sounds, die sich selbst überleben und tief in die Hirnwindungen fressen, Harmonien, die einen einfach glattbügeln und so sweet dabei, dass man den Track einfach sofort

REKID - LOSE STAR EP [CLASSIC/016 - ZOMBA] Verdammt, jetzt holen sie aber deepen Wahnsinn aus der Kiste, die Leute von Classic. Rekid ist eine der strangesten Classicplatten ever mit einem Slowmotionhouseappeal, der dennoch sehr funky bleibt und dabei Dubs setzt, als wäre es das Einfachste von der Welt, alles in einen Flow zu bringen, der so schwarz und dunkel ist, dass er einfach nach diesem Raum verlangt. Mit dem shuffelnderen Track “Pillows” baut er dann auf eine tiefer gelegte Lofiästhetik, die ihn in die Nähe von Theo Parrish rücken könnte, einen extrem sweeten Housetrack, der kaum mehr braucht als eine handvoll Samples und dennoch völlig eigenwillig in einer Tiefe grooved, die noch gar nicht auszuloten ist. “Lost Star” beginnt mit einem ähnlich verkratzen kleinen Loopsound und lässt sich endlos Zeit für ein verdubbtes Intro eines Tracks, in dem sich der Groove anhört, als käme er von einer anderen Galaxie reingerauscht, in der fundamentale Housemusik eben durch einen kleinen Sternenfilter läuft. Zum Abschluss noch “Silent One” und fertig ist das ultrakomprimierte Housepaket für alle, die ihre Beats gerne aus dem Holz kriechen sehen und wie geschnitzt haben, dabei aber wissen, dass Schnitzen letztendlich nur eine Unterform von Nanotechnologie ist. Extreme, wundervolle und sehr konstitutionelle Houseplatte. w.classicmusiccompany.com BLEED ••••• INDUCEVE - TIME TO BEGIN [CLASSIC/015 - ZOMBA] Sehr bouncig, diese EP von Induceve, sehr perkussiv auch. Klar, die beiden, Jesse Rose und David Taylor von Front Room und Switch lassen es aber nicht dabei sondern füllen die Tracks mit lässigen Oldschoolnoises und extrem coolem Sprechgesang, der einen sofort in seinen irgendwie Dub-artigen Bann zieht. “On You” rockt dann verschrobener und mit quitschigen Effekten und steppend vertracktem Beat und “Papillon” lässt die Hihats durch den Phaser jagen und schafft sich eine sehr ruhige, lässige Atmosphäre mit nur wenig Sounds, die perfekt klingelnd und mit sehr gut platzierten Dubs jeden Sonnenaufgang willkommen heißt. Classic macht einfach nichts falsch. www.classicmusiccompany.com BLEED ••••• DWH - STILL HERE [COUNTERPOINT/21] DWH steht für DeeperWiderHigher. Dahinter steckt ein Kollektiv von Live-Musikern aus Sheffield um die Sängerin Genifa Vernon-Edwards, das hier ihr Album ankündigt. Ähnlich wie bei Fertile Ground stehen spirituell Texte und warme Instrumentierungen im Vordergrund. Soul, Jazz,

MUM - NIGHTLY CARES [FAT CAT - ROUGHTRADE] Schön, dass Mum auch noch daran denken, dass ihre besten Fans bestimmt 7” Sammler sind, und diese sehr hübsche, fast wie ein kleines Buch aussehende Single rausbringen, mit dem vom Album bekannten, sweeten, supersäuseltrack “Nightly Cares” und dem für Mum Verhältnisse sehr rockenden “Once 4 Shiny Morning ...” (letztes Wort Krikelkrakel war unlesbar). Das klingt wie ein Treffen von Sun Ra im Sonic Youth Proberaum oder so. Ein Hit, jedenfalls für alle, die ihre Beats am liebsten in Transistorradioqualität am See hören. www.fat-cat.co.uk BLEED ••••• SWITCH - GET ON DOWNZ [FREERANGE/039 - IMPORT] Nach dem massiven Get Ya Dub On und dem anschließenden Remix-Hype kehren Dave Taylor und Trevor Loveys zurück an die Homebase. Was zunächst wie ein Zurücklehnen erscheint, pumpt dann doch vergleichsweise sublim und weitaus cleverer. Die Loops funken und der Aufbau lässt immer wieder genug Platz für spontanen Beifall im techy Drama. Als Remixer kommt ein weiterer nach wie vor zu Recht gehypter Mann zum Einsatz: Henrik Schwarz (Sunday Music). Der Berliner bleibt sich auch nach Chicago, Marvin usw. treu, zeigt sich erneut von der epischen Seite und muss sich vermehrt Vergleiche mit Theo Parrish oder Pepe Braddock gefallen lassen. Aber da kann einem ja sicher Schlimmeres passieren. M.PATH.IQ •••••-•••• JON KENNEDY - WAY I FEEL [GRAND CENTRAL/178 - IMPORT] Jon Kennedy setzt hier auf ganz deepe Downbeats. Während bei Way I Feel Karen Wilson, ein Piano, eine Querflöte und Streicher schon zum Frühstück zur Lungenverschmutzung einladen, zeigt er bei Smoke City und Something That´s Real wieder seine Qualitäten als Live-Drummer. Ein Kontrabass, eine kleine Bläsersektion, eine Akustikgitarre, Flöten und ein Klarinetten-Sample halten den Ball in Smoke City flach. Zeitlos. Dann wird er schließlich aber doch noch etwas funky. Nur die beinahe psychedelische Gitarre kann den neuen Drive etwas aus der Realität zerren. M.PATH.IQ •••••-••••

ne herrlich verrückte Version des Chicken Dance (hier zu Lande auch als Ententanz bekannt) von Jack Fetterman and the in Hi-Fi Music Direction, ein Pulp-Fiction-würdiger Track von den Vivisectors, Handpuppen-Swing von Mr. Fab, Retro-ScifiFusion von Seksu Roba, Kinderchöre mit nettem niederländischem Akzent, Gitarrenwände, stranger Pop und vieles mehr. Lange nicht mehr so viel Freude an einem Download-Album gehabt. Mehr davon! JANKO ••••• SKYPHONE - MODERN HOME (SKYPHONE) skyphone.dk Skyphone haben ein super Album auf Rune Grammofon draußen, das sich bei mir zum Dauerläufer entwickelt hat und das Hektik einfach so absorbiert. Auch die MP3s älterer Stücke auf ihrer Website haben diese wohl typisch dänischen, kullernden Clicks und getupften, dubbigen

tus und SS, John Tejada und Actual Jackson, und letztendlich sind alle so funky, dass selbst die Leute, die sich bislang immer nicht getraut haben, Proptronix auf den Dancefloor loszulassen, völlig überzeugt sein sollten. Der “Spray & Sponge” Mix kommt mit mehr Vocals und Alienschnurren, clashig und funky, digital und konkret, der “Oxymoronic Original Remix” versetzt einen in einen Chansonvibe mit Macken, John Tejadas “Cool Man, Keep Me Posted” Mix, ist einer seiner lässigsten spielerischsten Tracks seit einer ganzen Weile, der sehr viel mit geheimen Hallräumen arbeitet, die die Spitzen des Tracks irgendwie davon fliegen lassen und Actual Jackson reduziert das Ganze auf eine Lofiorgelpicknicksause für alle, die gern die Haarpracht im Wind ihres Cabrios baumeln lassen und sich einfach nur wohlfühlen. Sehr amüsant und trotzdem funky. www.proptronix.com BLEED ••••• OSBORNE - BOUT READY TO JACK REMIXES [SPECTRAL/14 - NEUTON] Osborne lässt seinen Hit aus dem Herbst remixen und greift zunächst selbst zum Rechner. Ge-

Beats flocken, gelegentlich taucht aus der Tiefe etwas auf, das klingt wie ein Scratching, kurze Vocals, Boogie-Claps und ein Sax und ein Xylophon. Easy. Und zu guter letzt das Instrumental von Clip My Wings, dem auch ohne die Stimme von Veba kein Deut Drive fehlt. Der HipHop-Background leitet Rae durch eine Vielzahl von Einflüssen, die er bis hier frei von Attitüden in ein eigenes konsistentes Universum zusammenfügt. Es darf genickt werden. M.PATH.IQ •••••-•••• JOUJOUKA - BOX ROCKER EP [MADSKIPPERS/002 - INTERGROOVE] Nee, Cyberminded und Elektro und dann auch noch aus Japan, das kann ja gar nicht gutgehen. Und so ist es auch. Überpathetischer Peitschenschlagtechno mit Tranceeinflüssen und Oldschoolplatitüden zu Gitarrensamples, die klingen wie der Rest der Musik: nachgenudelt. Auch die Progressive House und Progressive Rock-House Remixe bringen da nix nur das etwas alberne “BoinkBoink” Traxverarschungssample auf dem Justin Robertson Remix rettet da überhaupt noch was. BLEED •• LONSOME ECHO PRODUCTIONS - SPIRTI OF DRUMS - SUMO REMIXES [MR. BONGO - VITAL] An diesem Track der Tokioter Combo, den sie zusammen mit dem jamaikanischen Dubpoeten Mutabaruka aufnahmen, haben sich nun die Stockholmer Sumo, die bislang z.B. auf Africanism, Compost und Bitches Brew veröffentlichten, ausgetobt. Eine Weltreise für einem Afrobounce! Und wie könnte ich etwas Schlechtes sagen, wenn sich doch Danny Krivit, Mr. Scruff und Dimitri From Paris längst einig sind? Das es vielleicht etwas zu plakativ sei? Vielleicht. Doch abgesehen von geringer Komplexität sitzen das Drum- und Percussionprogramming, die Vocals und die Bläsersätze exakt auf dem Punkt und wenn die Gitarre einsetzt, ist ein höchstgradig angeheizter Tanzflur sicher. Zwei Versionen, die ganz massiv den Uptempo-Afro-House stompen. Hands up! M.PATH.IQ •••••-•••• ZOO BRAZIL FEAT SHAWNDARK LOSE CONTROL [MUSIC FOR FREAKS/037 - ROUGHTRADE] Mit zwei Freaks-Mixen versehene EP eines neuen Tracks von Zoo Brazil, von denen wir uns wirklich verdammt viel erwartet haben und die uns mit einem Vocaltrack überraschen, der soviel Popappeal hat, dass man denken könnte, auch in England herrscht in der Housewelt das Kylie Fieber immer noch. Sehr niedliche Vocals, die fast schon an Hiphouse grenzen und ultrasolide slammende Beats dazu. Was will man mehr. Die Freaks lassen es auf ihrem Dub etwas hintergründiger funken und erweisen sich mal wieder als strange Wissenschaftler in ihrem Labor, das Studio heisst. www.musikforfreaks.com BLEED •••••

MARK RAE - DEPTH CHARGE [GRAND CENTRAL/179 - IMPORT] Mark Raes neues Album steht in den Startlöchern. Da gehört eine amtliche Maxi her. Depth Charge kommt wie eine Mischung aus Unterwasser-Ragga mit Melodica und einer Schnellbootjagd Marke Miami Vice. Mind, Body & Soul zeigt den Altmeister von der Saite der Funkgitarre. Die

T.RAUMSCHMIERE - A MILLION BROTHERS (BLAHBLAHBLAH) [MUTE] Ouch, ich hatte das erst auf 45, das war der reinste Slomotioncomicrap. In Wirklichkeit aber ist der Remix von Sub Species (Justin Broadrick) ja so langsam, das man zwischen jedem der Takte eigentlich genug Zeit hat, sich einen Wiskey zu kippen, aber trotzdem verliert er nicht an Intensität und MC Soom T gibt wirklich ihr bestes. Aber auch hier finde ich irgendwie, wenn es dazu kommt, dass sie ihren Chorus singt, dann sackt es doch ein wenig ab, und sie muss es hinterher durch die Raps wieder aufholen, aber eben das kann sie auch. Der Pole Remix wäre als Instrumental dann sehr fein, aber hat auch hier schon wieder den Nachteil, das Vocal einfach so als Ne-

ple” Seite wird es dann in den Strings noch deeper, fast so als würde man mehr Luft ausatmen, als man je bekommen wird, und eigentlich ist es ein versteckter “Take My” Remix, der floated wie nichts anderes. Etwas härter das Ganze als man von Influx UK gewohnt ist, aber so ein Hit, dass man gar nicht anders kann als Drum and Bass zu lieben. www.formationrecords.com BLEED •••••

nox die Beats verschachtelt und laufen lässt. Ruhiger und etwas Atmo mässig in den Sounds ist “The Sixth Spirit”, die Drums rollen hier mal lässig das ganze Pattern lang und kümmern sich einen Dreck um konventionelle Bassdrum/ Snare Strukturen. Wie auch schon “Acid Rain” eine super Platte, die klar macht, was Drum and Bass eigentlich bedeutet. ORSON •••••

CONCORD DAWN - TONITE PENDULUM REMIX / APOLLO13 [FUNCTION RECORDS/017] Klar, dieses bleepig trancige Monster hat schon einen Remix verdient und natürlich lassen sich Pendulum da nicht lange bitten und treiben es noch mal ein klein wenig tiefer in die Filterbeats und digitalen Effekte und rocken trotzdem wie die Hölle los, ohne auch nur einen Funken peinlich dabei zu wirken. Perfekt gechoppte Breaks, Killer-Effekte und sehr locker bei aller Brachialität. Die “Apollo 13” Seite mit seinen SynthesizerGitarrensounds und dem etwas sehr weit draußen im All angesiedelten Soundscape-Intro ist wesentlich technoider, aber auch völlig überzeugend, wenn man eben diesen Sound hyperaktiver Trancetracks mag, und irgendwie muss ich zugeben, tue ich das manchmal schon. BLEED •••••

FRACTURE + NEPTUNE/PARADOX - COLEMANISM/SKULL MINDED [OUTSIDER/003 GROOVE ATTACK] Endlich ist der Fracture und Neptune Track draußen, hat auf Grund von Problemen im Presswerk länger gedauert. “Colemanism” ist einer meiner absoluten lieblings Amen-Tracks. Faszinierend, wie die beiden hier dem meist gesampleten Break noch einmal etwas abgewinnen können, dabei endlich mal nicht nur die Drums samplen sondern den gesamten Original-Track mit einbeziehen. Killertune! Paradox überrascht mit einem Stepper. Skull Snaps “Its a New Day” ist der Break auf dem er hier konsequent rumrockt, ansonsten total reduziert in den Sounds und mit schiebende Bassline, die das Ganze weit nach vorne drückt. ORSON •••••

EQUINOX - TROUBLED MIND/THE SIXTH SPIRIT [INPERSEPCTIVE/009 - GROOVE ATTACK] Equinox macht auf “Troubled Mind” erstmal auf verhangene Soundscapes und lässt dann verdammt gut gecutete Breaks und tiefe Subs, die im Club für Frischluft sorgen loshüpfen. Wahnsinnig gut dieser Track und faszinierend wie locker Equi-

V.A. - SCHOOL OF HARD KNOCKS [RENEGADE HADWARE - GROOVE ATTACK] Das Imperium schlägt zurück. Und noch eine Mix-CD aus dem mächtigen TOV-Camp. Bad Company UK unterweisen den Hörer in fortgeschrittener Drum-and-Bass-Kompromisslosigkeit. Geradlinig, unnachgiebig und extrem trei-

Flächen. Da muss wohl doch was im Wasser oder Trinkjoghurt sein. Sie schicken die Gitarre durch die Filter und singen über den Vocoder den Slogan für alle Tech-Gadgets-Abhängigen. Everybody dreams of a modern home. Wenn es sich so anhört, ja. RENÉ ••••• V/A - THE AQUAVELAS SAMPLER EP (AQUAVELAS) www.aquavelvas.com Web- und vor allen Dingen Coverdesign haben mich ja schlimmstes erwarten lassen. Industrial oder anderen Kitschlärm zum Beispiel. Aber die erste EP des norwegischen Netzlabels Aquavelvas entpuppt sich als angenehme Überraschung. Maaske Kraake z.B. ist ein Track, der sich seine Gitarren-Sample auf den Rücken schnallt und loszieht, um schlurfend die leicht neblige Welt der Berge zu erkunden. Illuminated Advertising in

meinsam mit Tadd Mullinix zerrt der TNT-AcidMix von vorn bis hinten komplett und huldigt dem shuffelnden Tom-Gebolze. Shake ist da etwas sachter, zieht das Tempo mitten in einen dieser unwirklichen Akkorde, fleddert in leicht betrunkenen MPC-Beats, dreht die Toms um und zieht die Tapete des dunklen Himmels auf. Matthew Dear gräbt seine alte 909 wieder aus und ist irgendwie auf dem Klassik-Trip. Trocken und kickend. Mit viel 303. Schließlich kommt das Hieroglyphic Being im sehr visionären Retro-Gewand und läutet mit einem ganzen Orchester nie losgehen wollender Percusion die Sperrstunde ein. Spectral in full effect! www.ghostly.com THADDI ••••• AUDION - KISSES EP [SPECTRAL/15 - NEUTON] Audion ist Matthew Dear, der mit diesem neuen Projekt ganz offenbar den gepflegten Rave unter der neu erfundenen Mentasm-Decke feiern will. “Kisses” ist einfach komplett bangin’ mit fast schon peitschender 909 und ordentlichem ClapGewitter. “Titty F**k” lässt den Blick nach Detroit und Herrn Hood zu (ist ja nicht weit) und ver-

bensache nebenherlaufen zu lassen und nicht wirklich drauf einzugehen, so dass man das Gefühl bekommt, hier hätte jemand ein ok.es aber dennoch nicht so ganz überzeugendes Mashup gemacht. Auf der Rückseite gibt’s zum Sub Species Dub noch einen Technoremix des Tracks “Querstromzerspaner” von LFO der vermutlich wegen “Freak” ausgewählt wurde, hier aber erst mal etwas zahmer tut, bis das glöckchenhafte Intro vorbei ist und die Beats hämmern, als wäre das Technoinferno immer noch zu übertreffen. www.mute.de BLEED •••••-•••• TIM WRIGHT - THE RIDE [NOVAMUTE - NEUTON] Auf der ersten Auskopplung des Albums gibt es einen Dancefloor Mix von Tim Wright, dieses Steppatracks, der brachial die Basslines auf den Schädel drückt, als wollte er einem die Decke zerquetschen und lustigerweise kommt er selbst da noch mit den Vocals klar. Ein massiver Technoslammer mit verdammt vielen Effekten und irgendwie brachialem Oldschoolmonstereffekt ohne nach Oldschool klingen zu müssen. Auf der Rückseite dann ein Remix von Luciano, der minimalst und perfekt in knisterndem wackelnd dickem Sound einen dieser Grooves rocken lässt, der so fett ist, dass es einen umhaut und dazwischen noch so viel Raum lässt, dass er mit klingelnden Xylophonsamples völlig neben sich steht und die Vocals dazu klingen lässt, als wäre das nun wirklich das letzte Wort. Irre guter Track, eigentlich einer der besten, den ich von Luciano kenne und Luciano macht nun wirklich einiges an herausragenden Tracks. www.novamute.de BLEED ••••• DA LATA - CAN IT BE? [PALM BEATS] Da Lata starten zum Album nun die Flooroffensive. Dazu haben sie sich mit Spiritual South einen aktuellen Sure Shot als Remixer gesichert. Die zeigen bei Ihrer Version von Can It Be überraschenderweise keine Anzeichen, auf der LatinSchiene zu versacken, sondern liefern einen Future Boogie ab, der den Soul der Vocals von Courtney Denni mit dem typischen West-London-Sound kombiniert und alsbald auch die Co Op-Posse zum Betätigen ihres berüchtigten Alarmknopfs bewegte. Patrick Forge und Kollege Chris Franck haben sich zudem aber auch selbst ins Studio verkrochen und kamen mit einem Hybriden aus Detroit und Marokko wieder heraus. Das dreisaitige Instrument verleiht dem ShellyMix nicht nur seinen Namen, sondern auch einen absolut eigenen Sound. M.PATH.IQ •••••-•••• NYLON - [REBEL/001 - INTERGROOVE] Neues Sublabel von Crosstown Rebels, für den etwas minimaleren, technoideren Dreh. Nylon lassen es endlos brodeln und brutzeln bis quäkende Synthies den Weg zur Raveeuphorie weisen. Einseitig bespielte Platte, dessen Track sich viel Zeit nimmt, aber nach dem dritten oder vierten Hören auf dem Dancefloor Berge versetzen kann. Groß! SVEN.VT ••••• ANDREW B - CIRCLES IN A CIRCLE [ON TEST/8] Irgendwie ist der Vince Watson Remix des Tracks eine Art von klassischer Ravetechno mit Pianodubs und wummernd überdrehter 909 Bassdrum, einheizenden Beats mit leichten Craig Erinnerungen und natürlich berstend euphorischer Stakkatomelodie. Oldtimersound aber irgendwie, wenn es so gemacht ist, immer noch bezaubernd. Das Orginal des Tracks wirkt dagegen etwas flach, auch wenn man alle Elemente deutlich raushört, kann man die Tiefe eher ahnen als hören. Dafür aber macht der Bonustrack “B-Zani” dann wieder ernste mit deisem Sound zwischen Looptechno-Wirbelwind und deep eingeschleu-

Space ist mir persönlich ein bisschen zu naiv-synthiesonnig. Kremet Bernaise dagegen ist eine nette House-Nummer mit Electronica-Melodien zum Mitsingen und definitiv einer der Höhepunkte der EP. LSD-Ninja klingt erst mal bedrohlich, nicht nur wegen des Titels, morpht dann aber plötzlich zu etwas Flirrend-Funkigem – nur um dann wenig später die Human Beatbox auszupacken, ein bisschen rumzuspuken und schließlich versöhnlich die Sonne aufgehen zu lassen. Kaum zu glauben, dass das alles in viereinhalb Minuten geht. Aber wer einmal mit Ninjas rumexperimentiert hat, kennt ja solche Zeitgefühls-Verwirrungen. Waiter schließlich ist noch eine ganz nette Synthie-Electronica-Nummer mit steppenden Beats. Auf jeden Fall interessant. JANKO ••••

zwirbelt sich in schrägen Akkorden mit hoch digitalem Funk. “The Great Compromise” bricht dann mit allen guten Vorsätzen, ist schleppend langsam und hebt den emulierten Sägezahn auf den Thron des guten Geschmacks. Hakelig brilliant, wie immer bei Dear, der gen Ende seine Liebe zur Straightness doch noch feiern muss und die Potis der 909 wahrscheinlich mit Sekundenkleber hat einrasten lassen. www.ghostly.com THADDI ••••• PETER GRUMMICH - SEAROOM [SPECTRAL/17 - NEUTON] Dass Spectral das Killer-Label der Stunde ist, wissen mittlerweile alle. Grummich aus Berlin verwirrt auf “Searoom” zunächst mit einem sehr lang fließenden Dubtrack, der mittendrin den AmenBreak reinlässt und so manche aus dem Konzept bringen müsste. Sehr gut. “Jakmonster” knarzt die Schloßgärten runter ohne Gnade. “No Reason” dann wieder sehr fluffig ruhig und dubbig, bevor das “Searoom”-Motiv in ein paar Loops nochmal auf den Punkt gebracht wird. www.ghostly.com THADDI •••••

stem Discoretroflavour. Softe Platte für On Test. BLEED ••••-••• DJ RUSH - FUNK U UP! GET ON UP REMIXES [PRO-JEX] Killer dieser Track von DJ Rush, der schon lange nicht mehr relaxter, schneller und ausgelassener die Diva raushängen lassen hat, als auf diesem Track. Ein Video gibts dazu auch noch und wer da nicht allen Tanzanweisungen des Grossmeisters Schritt für Schritt folgt, ist selbst schuld. Shaker des Monats. Auf der Rückseite ein Si Begg Remix, der alles etwas komprimierter, böser und dennoch mit der gleichen Lässigkeit macht. Chicagojackstyle mit Bergen von futuristischer Attitude und Acidbatterien in Blubbermodus zu Hauf. Chris Liebing, tja, macht das so Chris Liebing Style. Eher läpsch. BLEED •••••-••• FUNK D`VOID - WAY UP HIGH [SOMA/148 - NEUTON] Klar, mit den Vocaltracks des Albums von Funk D`Void kamen nicht alle klar, aber ich finde das hier dann doch so sweet, dass ich mir vorstellen kann, man wird ihn, speziell wenn die Abende heiß werden und die Dancefloors unter den offenen Himmel kommen, sehr gern haben, diesen Track. Sweet bis zum Umfallen und vielleicht stört letztendlich nur das “Uhhuuu” in den Vocals, den ansonsten ist es purer schwärmend glückseeliger Sommertechno für alle, die Detroit irgendwie doch immer noch gern haben. Auf der Rückseite kommt ein Alexander Kowalski Dub, der glücklicherweise die Grundharmonie da lässt, wo sie ist, und mit den Beats ein klein wenig drängender wird, aber dennoch diese schwebende Stimmung beibehält. Fast fehlt einem da dann schon wieder ein klein wenig Vocal. Aber dennoch eine sehr schöne, leicht kitschige, aber passende Platte. www.somarecords.com BLEED ••••-••••• FUNK D`VOID - WAY UP HIGH REMIXE [SOMA/148R - NEUTON] Hier dann gleich noch 3 Remixe hinterher, der Smoke Strings Mix mit seinen mehr Richtung Disconouveau-gelagerten Sequenzen und dem dark dazu brodelnden Bass, in den die Vocals hereinpurzeln wie ein Sonnenaufgang. Der Vector Lovers Mix übertreibt es meiner Meinung nach aber mit Elektroallerlei aus Wavezeiten und der letzte Mix mit seinen knorrig verspulten Sounds und den trockenen Beats ist mit Sicherheit für die Freunde Somas in Deutschland produziert worden, denn hier kann es ruhig und minimal mit drängendem Kölnflavour losrocken, ohne sich auch nur eine Kante Strings abzuschneiden. Irgendwo auf der Mittellinie zwischen No Ears Dub und Areal. www.somarecords.com BLEED •••-••••• MURCOF - UTOPÍA REMIXES [THE LEAF LABEL/40 - HAUSMUSIK] Murcof, jajajajaja, das passt eigentlich immer. Sutekh remixt “Memoria”, lässt das dunkle Piano leicht im Hintergrund verschwimmen, versprüht ein bisschen Funk und pumpt die letzten mexikanischen Wasser-Reservoirs gnadenlos leer. Gut, dass Murcof gerade nach Spanien gezogen ist. Auf der B-Seite kommt “Utopía” im Remix von Fax, ein Buddy aus Tijuana, der die Murcof-typischen Sounds noch dichter fließen lässt und den Track in unwirkliches Meisterwerk verwandelt, plinkernde Akkorde inklusive. Essentiell, ganz klar. Ende Mai erscheinen die gesammelten Remixe der letzten beiden Maxis (+ weitere, u.a. von Jan Jelinek) auf CD, ein neues Album ist für den Herbst angesetzt. Was kann man sich da noch wünschen? posteverything.com/leaf THADDI •••••

• = NEIN / ••••• = JA liebt. Die Rückseite “Bring Back” hat ein souligeres Vocal und slammendere Beats, die mit ihren Amenbreaks tiefe Gräben aufreißen, in denen sich dieses Vocal einnistet, als würde es die einzige Wahrheit sagen. Ein perfekter Nachfolger von “So Vain”. www.bassbin.com BLEED ••••• NUCLEUS+PARADOX - FUZZY SOMETHING [ESOTERIC/001 - GROOVE ATTACK] Esoteric ist das Label für Nucleus + Paradox Material, und die beiden Tracks hier lassen schon mal erahnen, wie gut das Album auf Reinforced wird. “Fuzzy Something” ist unheimlich tricky in den Beats, die für Nucleus typisch schrägen Samples hängen irgendwo dazwischen. Einer der besten Tracks der beiden in der letzten Zeit, finde ich. Weiter geht’s mit Melvin van Peebles Samples und brodelndem Bass, “Sweetback” ist durch und durch Breakdance und irgendwie mag ich diesen rauen, fast schon trashigen Sound der beiden im Moment. Fett! ORSON ••••• INFLUX UK - GHOST PEOPLE /GHETTO MESSIAH [FORMATION RECORDS/109] Ach je, wie sweet ist das, dieses “Ghetto Messiah” Vocal zu den Strings. Verdammt, bin sofort hin und weg und verliebt und möchte ihn kennenlernen, den “Ghetto Messiah”, da kann man doch dran glauben, da muss man dran glauben, da weiß man, da kommt gleich die Bassline und packt einen und treibt einen hinaus ins ewige Glück. Ya! Und diese Bassline rockt auch noch so verdammt wild und hat gefilterte Amenbreaks die einem das Herz rausreißen. Killer! Auf der “Ghost Peo-

bend. Jeder Track sägt, schraubt und klöppelt sich bis zur Bewusstlosigkeit. Vorwärts ist de einzige Vektor, den wir kennen und das Ravesignal ist unsere Religion. Universal Project, Friction, Concord Dawn, Pendulum, Keaton, Dylan, Future Cut, Loxy & Ink, alles sind dabei. Um einiges stringenter als die Mix-CD von Shy Fx, was aber bei Renegade Hardware nicht anders zu erwarten war. Mosh-Kids werden ihre Freude haben. SVEN.VT •••-•••• ARIES - DNB STARSIGNS [SIGNS O. T. ZODIAC] Schon die 4te in der Serie der Sternenseher EPs auf dem Formation Sublabel. Hier kommen zwei rockend in ihre Basslines versunkene Tracks, die zwar slammen, aber eigentlich eher darauf aus sind, in den Schatten der gebogen gedehnt gezerrten Bassline nach dem Groove zu suchen, der den Track ausmachen könnte. Stellenweise gespenstisch und mit vielen Soundeffekten, gerne natürlich auch mit bretterndem Rockschlagzeug, aber auf eigenwillige Weise dann doch eher ein deepes Tool. BLEED •••• EZEKIEL HONIG - PEOPLE PLACES AND THINGS [SINGLE CELL MUSIC/001 - IMPORT] Diese 12” ist die erste Veröffentlichung auf Single Cell Music und zugleich ein vorab Sampler für die im Juni erscheinende Ezekiel Honig CD “People Places and Things”. Auf der A Seite geht’s mit einem locker kickenden, schwebenden John Tejada Remix los, der mit cooler Bassline eigentlich alles klar macht. Die drei anderen Tracks sind vom Album und floaten sehr nett und ruhig daher. Subtil konstruiert Ezekiel Honig hier mit Mini-Loops,

gecutteten Samples und warmen Pads 4/4 Strukturen, die immer etwas im Off liegen und sich langsam im Raum zerstreuen. Sehr schöne erste Platte für das Label, ich bin gespannt auf das komplette Album. ORSON ••••• SALMONELLA DUB - NU STEPPA / EZ ON [TIMELESS RECORDINGS/028] Digital und Nat Clarxon machen sich an “Nu Steppa” und entwickeln dabei einen ziemlichen Popmusikflow, denn die Vocals reimen sich einfach gut mit den breiten Basslines und rufen einfach auf zum solide bekifften Widerstand. Die Rückseite bestreiten Concord Dawn mit einem Remix eines ähnlich gelagerten Tracks voller Vocals, der fast ein wenig nach 80er Wavetracks klingt. Kitschig, aber sehr poppig. BLEED •••• V.A. - SHY FX PRESENTS FAST LANE [TROUBLE ON VINYL - GROOVE ATTACK] Drum and Bass Mix-CDs und kein Ende. Shy FX schwingt die Ravekeule und lässt Fußball-Sirenen. “22 of Todays biggest Drum and Bass Anthems” verkündet das Cover mit TOV typisch stolz geschwollener Brust. Da weiß jemand um seine Marktführerschaft. Unrecht haben sie natürlich nicht, denn Shy wirft wirklich einen Rewind-verdächtigen Tune nach dem anderen in den Mix und achtet dabei darauf, nicht zu stromlinienförmig zur Raveerlösung zu marschieren. Von Breakage über Concord Dawn bis The Militia vereint er Soul mit Tunnelvision, Breaks und Junp Up zu einem schönen Mix. Nice one. SVEN.VT ••••-•••••


BUCH

HENRI LEFEBVRE - RHYTHMANALYSIS. SPACE, TIME AND EVERYDAY LIFE [CONTINUUM] Dieses letzte Buch des Stadttheoretikers Lefebvres, 1992 posthum veröffentlicht, ist nun zum ersten Mal in englischer Übersetzung erschienen. Ergänzt durch die beiden mit seiner letzten Frau Catherine Régulier geschriebenen Artikel ‘The Rhythmanalytical Project’ und ‘Attempt at the Rhythmanalysis of Mediterranean Cities’ birgt jeder Absatz freundlich springende Funken von Ideen. Lefebvres Blick aus dem Fenster seiner Wohnung im Zentrum von Paris lässt für immer unverständlich sein, wie Raum und Zeit keine spielerische Einheit bilden könnten. Alle Beziehungen von Gesten, Bewegungen und Körpern nehmen beide Dimensionen zugleich ein, produzieren politischen ZeitRaum durch alltägliche Handlungen. Der Rhythmusanalyst ist der in allen Sinnen geschulte Aufmerksame, unterrichtet an den Rhythmen des eigenen Körpers, eine Komparatistik der Phänomene und Atmosphären betreibend. isorhythmia - eurhythmia - arrhythmia. Access Rhythm! 28 € www.continuumbooks.com MATT ••••• KUNSTHALLE DÜSSELDORF (HRSG.) - DOKU/FICTION - MOUSE ON MARS REVIEWED & REMIXED [DIE GESTALTEN] Trotz 10 Jahre Mouse on Mars sehen Jan St. Werner und Andi Thoma keine Notwendigkeit, sich einfach zu wiederholen: Statt eines Best of Albums gaben sie lieber eine Remix-Ausstellung in Auftrag, denn doppelt verschoben hält besser. Über 30 Künstler, Musiker, Designer und Autoren verfassten für den Band “doku/fiction” stumme Remix-Arbeiten zu Mouse on Mars, die derzeit auch in der Kunsthalle Düsseldorf ausgestellt werden. Der Band mit Essays von Dietmar Dath,

Siegfried Zielinski und einem Gespräch zwischen Oswald Wiener und Jan St. Werner kreist im Grunde um die Frage nach dem Umgang mit Musik, ihrer Produktion, Rezeption und natürlich des Remixes an sich. Denn allein die Bedingung des Auftrages, Remixe ohne Ton herzustellen, disqualifiziert das übliche Remixverständnis, Tonspuren neu zusammenzumischen und fordert eine Erweiterung des Remix-Begriffs. Auch wenn viele der dokumentierten Exponate damit nicht sehr weit zu kommen scheinen: Sie bleiben an einer recht naheliegenden, oberflächlichen Abbildung der Musikstruktur stehen, wenn sie beispielsweise verschiedene Objekte oder Motive analog zu den Sounds der Musik zusammen montieren. Und auch wenn der Leser mit ihnen nicht immer klarer sieht, weil manche Exponate auf einer kaum durchdringbaren Ebene der Musik begegnen, lohnt sich der Band allein schon wegen der Eingangstextexte, die textuelle MoM Remixe schaffen: Wenn sie verschiedene Spuren aufgreifen, ineinanderlaufen lassen, aufgeben, darauf zurückkommen oder eben nicht. Motive werden so wie in der Musik umspielt, offene Momente blitzen darin auf, Undeutlichkeiten und Dissonanzen werden durch ein klares, angenehmes Text- und Taktgefüge zusammengehalten. Nebenbei lernen wir von Dietmar Dath, was eine gute Undeutlichkeit von einer schlechten unterscheidet, nämlich, dass sie auf etwas hinauswill, das ein Leser/Hörer ablehnen oder annehmen kann. Und dass es nicht schaden kann, wach wie Mouse on Mars zu sein. Die geben im übrigen auch nicht Ruhe und haben noch eine Aufmerksamkeit mit eingeheftet: eine Remix-Cd mit 9 Kurz-Tracks als Antwort auf die Ausstellungobjekte, eingespielt mit deren Tools wie Pinsel, Glas, Nägel oder Tintenstrahldrucker. Vielleicht dürfen ein paar der neu gewonnenen Instrumente auch mit aufs Studioalbum, das noch in diesem Herbst erscheint. 25 € www.die-gestalten.de KAREN •••• VERSCHIEDENE - POSTSCRIPT - ZUR FORM VON SCHRIFT HEUTE [HATJE CANTZ VERLAG] PostScript ist eine Seitenbeschreibungssprache,

GAMES

• = NEIN / ••••• = JA

METAL GEAR SOLID - THE TWIN SNAKES [GAMECUBE - KONAMI] Metal Gear Solid hat alles, was ein Spiel zum absoluten Witz machen kann: einen mit Hilfe von Gentechnik entwickelten Supersoldat, der einen terroristischen Angriff auf ein Atomwaffenlager verhindern muss, Bossgegner, die wie depressive Marvel-Helden wirken und Dialoge, die auf beiden Seiten der Grenze zum unfreiwillig Komischen rumlungern. Als Film wäre Metal Gear Solid mit diesen Zutaten schlicht nicht möglich. Als Spiel dagegen funktioniert es ganz wunderbar. Denn jedes der unzähligen Klischees wirkt wie ein Zitat aus einem Film, aus einem Spiel - nur, dass wir die Originale nicht kennen. Und natürlich ist es das nahezu perfekte Gameplay, welches fesselt. Auch wenn es Schleich-Action-Spiele inzwischen im Dutzend billiger gibt, ist die Spielmechanik hier so gut, dass man nicht über Gegner flucht, die einen sehen, obwohl das logisch gar nicht möglich ist, dass man nicht vor einem Feind entlanglaufen kann, ohne gesehen zu werden. Ebenso schön und abwechslungsreich die Bosskämpfe, die man zum Teil nur bestehen kann, wenn man auch die Hardware manipuliert, sich also vom eigentlichen Spiel löst und auch die eigene Umgebung in die Lösung mit einbezieht. Manchmal wirkt Twin Snakes wie ein großer Witz auf Kosten der Spieler - aber wie ein sehr guter und manchmal trauriger Witz. Dass dieser Witz ein Remake des Originalspieles von 1998 ist, macht das alles noch verworrener - und besser. RYD •••••

Indoktrination nicht so richtig Zeit ist. Wenn schon Shooter, dann also so. MWM ••••

KILL SWITCH - [PS2 - NAMCO] Soll man einen brutalen Shooter gut finden? Bei dem man nichts machen muss, außer sich durchs Gelände zu schlagen und alle Gegner mit einem Arsenal von Schusswaffen auszuschalten? Wie immer im Leben lautet die Antwort: Es kommt darauf an. Auf die Kunstfertigkeit, mit der man diese Aufgabe erledigt. Auf die Gestaltung des Geländes, das der eigentliche Gegner ist, den man zu besiegen hat - liest man zum Beispiel Sunzis Kunst des Krieges, so interessiert der feindliche Soldat nicht, sondern nur die verschiedensten Arten des Geländes und der Aufenthalt darin. Vor allem aber kommt es darauf an, dass der Shooter nur das sein will, ein Shooter, und nicht ein Pamphlet für irgendeinen reaktionären bis faschistoiden Zweck. So gesehen ist Kill Switch ein ziemlich gutes Spiel, um das alte Räuber und Gendarm-Feeling aufkommen zu lassen. Zwar verzichtet es nicht ganz auf eine Story - irgend etwas mit einem Cyborg-Soldaten, der von außen gesteuert wird, gewissermaßen also ein Spiel im Spiel und eine Reflexionsebene auf das eigene Tun am Controller - aber das ist so dezent zwischen die Level gepackt, dass für irgendwelche

FORBIDDEN SIREN - [PS2 - SONY] Survival Horror als intellektuelle Reflexion auf das Erzählen im Computerspiel? Alle GutenbergZeit-alten Kulturkritiker haben wahrscheinlich jetzt schon weitergeblättert. Aber es ist so. Forbidden Siren ist eine großartige Studie über das Genre des Adventures, ohne dass es irgendwo aufhören würde, selbst ein Spiel zu sein. Es geht dabei genau den umgekehrten Weg wie Deus Ex IW. Statt die Übergänge mit Game-Mechanik zu übertünchen und damit endlos auszudehnen, werden sie ausgestellt, als gleichberechtigtes narratives Element begriffen und zum eigenständigen Spielobjekt geadelt. Konkret, indem man eine Art Storyboard bespielen muss, auf dem einzelne Handlungsfetzen angeordnet sind und sich erst am Schluss des Spiels zu einer linearen Geschichte angeordnet haben. Also genau dann, wenn das Spiel vorbei ist. Dann, wenn der Film beginnen könnte. Und nicht so halbherzig vermischt wie sonst immer. Dass die Einzelteile dabei in Grafik, Sound und sonstiger Aufmachung sehr filmisch daherkommen (und man muss hinzufügen: sehr raffiniert), widerspricht dem überhaupt nicht. Denn es handelt sich ja um Partikel eines zukünftigen, erst herzustellenden Films. Und das Hantieren damit ist eben das Spiel. Hinzu kommt eine clevere, weil spielerische Interpretation des aus Strategie-Titeln wie Commandos bekannten Prinzips der Bewegungs- und Sichtkegel-Muster, durch die man sich bewegt. Statt wie dort in Draufsicht und mit grüner Färbung gezeigt zu werden, muss man sich hier durch eine Art Hyper-Dyper-Eso-Seelen-Irgendwas-Fähigkeit in die Köpfe der Gegner einwählen und sieht dann, was sie sehen. So kann man erst einmal in ihnen stecken und ihr Verhalten auswendig lernen, bevor man es dann in die eigene Third-Person-Action übersetzen muss. Ein Spiel, bei der die “Ego”-Perspektive” für die Gegner eingesetzt wird, während der “eigene Avatar” in Ansicht präsentiert wird - interpretionsverwirrender geht’s wohl nimmer. Sehr schön. MWM ••••• R-TYPE FINAL - [PS2 / IREM / BIG BEN] Sag zum Abschied laut Servus: Nach 17 Jahren fällt angemessen feierlich der letzte Vorhang für die Proto-2D-Shooter Reihe R-Type. Vielen von euch ist sicherlich mindestens der erste Teil ein Begriff, welcher ca. 1987 als Automatenumsetzung auf nahezu allen Plattformen, Konsolen wie Heimcomputer, einen Siegeszug sondergleichen feierte. Auch anno 2004 fliegen wir mit unserem recht stylishen Raumgleiter immer noch von links

DVD

• = NEIN / ••••• = JA

CAPTURING THE FRIEDMANS REGIE: ANDREW JARECKI, USA 2004 A&E HOME VIDEO Die Doku ”Capturing The Friedmans“ rollt das Schicksal der Familie Friedman in Long Island auf: Beim pensionierten Lehrer Arnold Friedman werden 1987 Kinderporno-Magazine gefunden. Verhaftet wird er, weil er mehr als ein Dutzend Kinder und Jugendliche in seinem Familienhaus während der Computernachhilfe missbraucht haben soll. Zusammen mit seinem 18jährigen Sohn Jesse. Immer mehr Kinder werden verhört, die immer schauerlichere Geschichten von Orgien bezeugen. Es gab aber nie Beweise. Arnold und Jesse bekennen sich schließlich für eine milde Haftstrafe schuldig. Der Vater stirbt 1995 im Gefängnis, der Sohn kommt im Jahr 2001 nach 13 Jahren auf Bewährung frei. Der Regisseur Andrew Jarecki wollte eigentlich was über den New Yorker Kinderclown Arnold Friedman drehen, und landete bei der Familientragödie in einer versteinert arrivierten Gemeinde auf Long Island, die sich ganz gern in eine kollektiv aufgebauschte Hysterie reingesteigert hat. Er gewann damit den Dokumentarfilmpreis in Sundance. Auch wenn man den Fall nicht kennt, ist „Capturing the Friedmans“ die heftige Bestandsaufnahme einer modernen Hexenjagd in Salem. Jarecki setzt in seinem Debut die Aussagen der Beteiligten gegeneinander, nicht ganz unparteiisch. David, Jesse und die Ehefrau sprechen offen, genauso die Opfer, Eltern, Anwälte, Mitarbeiter der Polizei. Die Hausdurchsuchungen, die Verhaftung und das Verfahren werden rekonstruiert. Kernstück der

Doku ist das originale Videofilmmaterial der Familie. Drastisch filmen sich alle gegenseitig beim Zerfleischen und Schuld Zuweisen, und bei hilflosen Verdrängungstaktiken mit Tunnelblick. Anfang Januar wurde am Nassau County Court ein Antrag von Jesse Friedman gestellt, seine Verurteilung aufzuheben. Das DVD-Set mit einigem Zusatzmaterial und weiteren Interviews könnte sogar das wieder aufgenommene Verfahren entscheidend beeinflussen. Weil es die Verhörmethoden der Polizei genauer beguckt, die mit Einschüchterung und Druck die Aussagen der missbrauchten Kinder erzwungen haben soll. Regie: Andrew Jarecki, USA 2004, 107 Min., $ 22,49 VERENA •••• JAM MASTER JAY PRESENTS - SCRATCH DJ ACADEMY (PENALTY RECORDINGS / PIAS) Man kann zwar HipHop nicht lernen, wohl aber sich über seine Gesetze und Ausprägungen verständigen. Sowas ännliches passiert auf dieser, von dem mittlerweile verstorbenen Jam Master Jay präsentierten DVD, einer Dokumentation zu der von ihm ins Leben gerufenen "Scratch DJ Academy" von 2002. Diese diente eigener Aussagen zufolge vornehmlich zwei Zwecken: für Anerkennung des DJs als Künstler zu sorgen, und ein Forum für DJ-relevante Wissensvermittlung zu bieten. Es ist scheinbar sowas wie eine Sommerschule oder Uni, in der man lernen kann, wie man DJ wird, oder sich weiterbilden kann und dafür entsprechende Preise zahlt. Glaubt man der Dokumentations-DVD, war die Scratch DJ Academy 2002 ein mäßig spannendes Unterfangen, das

die außer den Profis in den Druckereien, Grafikstudios und Belichtungsbüros eigentlich niemand kennt. Muss ja auch gar nicht. Denn als Bibliophile und geschmacksbegabte ZeitungsleserInnen interessiert uns vor allem, wie gut die Drucksachen aussehen und ob sie angenehm lesbar sind. Die Ausstellung “Postscript - Zur Form von Schrift heute. A / CH / D” in Wien, zu welcher der Reader entstanden ist, hat jedoch auch die Hintergründe im Visier, allen voran das Plattform-unabhängigen Tool PostScript, welches Mitte der 1980er Jahre die Produktionsmittel der Schriftgestaltung demokratisierte. Im Reader verankern vier fundierte Essasy über die Geschichte der Schriften bis hin zu den Gestaltern der “Post-PostScript-Generation” das weite Feld der Typografie fest im wissenschaftlichen Boden. Im daran anschließenden zweiten Teil werden in Blindtexten, Entwurfszeichnungen und Anwendungsbeispielen so unterschiedliche Schriften wie eBoys grobpixelige Icon-Schrift “FF Peecol”, der Cover-Schriftzug des Wallpaper-Magazins und die Typo der Kampagne zum neuen MINICooper vorgestellt. Nicht zu glauben, wie detailliert eine solche Schrift ausgearbeitet werden muss und wie unterschiedlich die Herangehensweisen sind. War PostScript die zweite Revolution nach Gutenberg, wie der Reader behauptet? Vielleicht geht es bei der Schriftgestaltung ein wenig mehr um Optik, als darum, heiligen Text und Gebetsbücher in die Welt zu tragen. Aber die Lektüre dieses Readers macht deutlich, wie variantenreich Schrift ist - und dass sie selbst auch ein bisschen anbetungswürdig ist. Denn schlichtes “form follows function” gilt so einfach nicht mehr. Form follows itself - und in diesem Reader mit dem größten Vergnügen. 35 € ARNE •••• REBEL:ART - MAGAZIN [REBEL:ART VERLAG] Rebel Art ist ein neues Magazin über Kunst, Aktivismus und Urban Art. Es kommt im handlichen 21*18 Format, ist bilingual und erscheint vierteljährlich. In verschiedenen Rubriken verweist es versiert auf Netzseiten, Aktivisten und verschiedene Künstlergruppen, stellt Bücher und Magazine aus dem Bereich vor und featured einige ausgewählte Projekte auch größer. In der ersten Ausgabe finden sich beispielsweise Texte über Monochrom, die Space Hijackers, 100101110 101101.org oder auch ein Interview mit Futurefarmers sowie eine Bildstrecke zum Thema: “How to provoke today?”. Überhaupt nehmen Bilder und Freiraum mindestens immer genauso viel Platz wie die Texte ein, die sich inhaltlich auf das Wesentliche konzentrieren. Unaufdringlich versetzt das Layout mit diesem Freiraum im Hintergrund punktuell Lesegewohnheiten, wenn es diagonale Textspalten einfügt, horizontale und vertikale Textausrichtung gelten lässt und mithin für angenehme Drehmomente beim Lesen sorgt. Als Anschauungsmaterial liegt noch eine CD bei, mit Video und Audio-Files, Pdf-Magazinen und Aktivisten-Software zum Einarbeiten. Symphatisch. 12 € www.rebelart.net KAREN •••• BRUNO LATOUR - KRIEG DER WELTEN [MERVE VERLAG] Dieser kleine, kurze Text “Krieg der Welten - wie wäre es mit Frieden?” des französischen Soziologen Bruno Latour weißt genau auf einen Punkt hin, den der Westen so ungern sehen will: Dass man nicht einfach in die arabische Welt kommen und sich dort dann schon irgendwie verständigen kann. Wir werden dort von vielen nicht verstan-

nach rechts durch die zweidimensionalen Stages, weichen mit Geschick Schüssen, Schergen und der Szenerie aus und besiegen jeweils einen besonders deftigen Unhold am Ende einer Stufe. Was unterscheidet nun den Typus R von anderen 2D-Shootern? Zunächst einmal ist das Tempo sehr gemächlich. Wer wie ich zuletzt Dodonpachi auf dem Saturn durchgespielt hat, also sozusagen die orgiastische Grindcore-Spielweise unter den Shootern, dem mag das alles, nicht nur in den Momenten, wo die Grafik technisch in die Knie gerät, wie auf einem Kaffeekränzchen vorkommen, so gemächlich gleitet unser Schiff durch die, übrigens nahezu durchweg intelligent designten Stufen. Serientypisch fehlt ein Zweispielermodus, statt dessen besitzt unser Raumschiff quasi einen “Satelliten”, eine entweder an Front oder Heck zu koppelnde, unkaputtbare Wumme, als taktisches Element. Die Abschiedsparty von R-Type artet fast schon in Völlerei aus, denn es stehen sukzessiv ganze 101, sich mehr oder weniger unterscheidende, schön lexikalisch aufbereitete Raumschiffe zur Verfügung. Die Umgebungen sind atmosphärisch dicht und offerieren teilweise sogar unterschiedliche Möglichkeiten das Terrain zu durchqueren. Die Junggeborenen unter Euch mögen die Chose hier derbe retro finden und das wohl durchaus mit Recht, denn außer etwas dicker aufgetragener Kosmetik hat sich in anderthalb Jahrzehnten ehrlich gesagt nicht viel bewegt. Das muss es auch nicht, denn in den heutigen “Wir nennen es 3D, aber eigentlich ist es nur die Zentralperspektive”-Ära lässt sich solch ein Gameplay aufgrund der mangelnden Transparenz des Raumes bzw. daraus resultierend unser ungenügenden Sicht auf selbigen nicht realisieren: Keine Probleme mit der Kamera, keine mit der Steuerung, sondern immersives Reiz-Reaktions-Gameplay in Reinkultur. Weiterhin sehr wertvoll, wenn auch das Ziel der Macher, mit der Krönung des gesamten Genres abzutreten, leider nicht erreicht wurde. Genre-inhärent geht es hier zwar sehr souverän zur Sache, aber eigentlich reichen auch alte Vertreter zur selben Sause. BUB ••••-••••• TOM CLANCY’S SPLINTER CELL 2: - PANDORA TOMORROW [XBOX - UBI SOFT] Wer ein Produkt mit dem Markennamen „Tom Clancy” kauft, weiß, was zu erwarten ist: Ein nervenaufreibender Polithriller mit weltweit agierenden Geheimdienst- und Terrornetzwerken, gewürzt mit viel Technologie und Datenklau, und das alles durch die rot-weiß-blau-sternerne Brille (nicht Bootsy Collins) gesehen. Diese geheimnisvolle, fremde Welt wird dann in Romanform, Romanverfilmung oder auch als Computerspiel nahegebracht. Was John Grisham für die Gerichtsthriller, ist Tom Clancy für die Militär- und Polit-

viele belangvolle Themen, wie z.B. digitales DJing, anschnitt, dabei jedoch nicht immer eine wünschenswerte Tiefe erlang. Zu Gesicht bekam man neben Jam Master Jay DJ Logic, Mista Sinista, A-Trak, Kuttin Kandi, D-Stroy, DJ Premier, Evil Dee und andere. Unterteilt ist diese vom Sound her herausragend schlechte DVD in 5 Unterkapitel plus Bonus, wo es dann auch langsam interessant wird. Das Kapitel über Club-DJs ist beispielsweise eher mager, das Britney Spears "I'm a slave" doppelnde Mädel macht da auch nichts wett, das Kapitel übers Produzieren auch nicht besonders lehrreich, trotz der kleinen Demonstration von Evil Dee. Die meisten in der Academy Anwesenden nutzen diese weitgehend zur Selbstdarstellung, was ja voll ok wäre, wenn die Skillz dabei, wie vorbildlich von einem enthusiatischen Rholi Ro demonstriert, deutlicher rüberkommen würden, und etwas mehr hängen bleiben würde, als das New York ein großes Pflaster ist, in dem man vor allem gut reden muss und so tun, als ob man the shit wäre. Ob diese DVD eine gelungene Dokumentation ist, ist unklar. Für den Hausgebrauch ist sie jedenfalls nur mäßig spannend. CAYND ••• PURE & DEKAM - REQOIL, DISPLACED, PEACEOFF (D0C / A-MUSIK) Sehr feine, krisslige Zusammenarbeit von Pure (Musik) und Dekam (Video). Zu Pures Tracks entwickelt Dekam zunächst sehr grobe schwarzweiß-Visuals, die die zurückhaltenden Drones von "Reqoil" und das schon rhytmischere "Displaced" wunderbar abfedern. Zu "Peaceoff" werden

den und wir werden dort von vielen nicht einmal gemocht. Das Attentat auf das World Trade Center setzte dieses Signal, der Irakkrieg, der zum neuen Vietnam der Amerikaner wird, verdeutlicht dieses Zeichen noch mal: Wir sind dort die anderen. Feinde. Bruno Latour plädiert deshalb dafür, dass es höchste Zeit ist, unserem eigenen, althergebrachten modernistischen System ins Gesicht zu sehen. Wir müssen uns davon verabschieden, die eigenen Werte als weltweiten Fortschritt zu begreifen und die Unterschiede anzuerkennen: “Niemand kann die Welt für irgendjemand anderen einrichten, wie es früher gerne getan wurde (...): das heißt, indem man die anderen großzügig hereinbittet, unter der Bedingung, dass sie an der Eingangstür alles zurücklassen, was ihnen wichtig ist: ihre Götter, Seelen, Gegenstände, ihre Zeiten und Räume, kurzum, ihre gesamte Ontologie.” Frieden, so erklärt Latour, kann man nur schaffen, wenn man nicht als Mittler einer universalen Ordnung auftritt und dem anderen damit jede Einspruchsmöglichkeit verwehrt. Demokratie oder Menschenrechte sind in unserer Argumentation eben keine universale Ordnung, sondern die Legitimation des Westens. Damit müssen wir aufräumen. Wir befinden uns, so meint Latour, nicht in einer Polizeiaktion, sondern in einem Krieg, der zu wichtig ist, als dass wir ihn mit unseren alten modernistischen Werten zudecken können - weil wir ihn nämlich durchaus auch verlieren können. Und er meint deshalb: “Anders als in der Geschichte, wo er zu modernisieren suchte, muss der Westen, um Frieden zu schließen, zugeben, dass es Krieg gibt: akzeptieren, dass er Feinde hat, die Unterschiedlichkeiten von Welten ernst nehmen, sich weigern, bloße Toleranz zu üben...”. Die letzte Fassung von Bruno Latours Rede stammt eigentlich aus dem Jahr 2002. Sie ist aktueller denn je. 6€ MERCEDES •••• PAUL D MILLER AKA DJ SPOOKY THAT SUBLIMIINAL KID - RHYTHM SCIENCE [MIT PRESS] It’s a jazz thing? Paul D Miller präsentiert einen umfassenden WortMix aus Behauptungen, der in der Vielfalt seiner verwobenen Bezüge alle DiskursCues schwirren lässt. Andauernd knickt das autobiographische Gesamtgefüge dank Datenüberflusses ein. Nach unbestimmter Freisetzung aller Bedeutungen, aber gleichzeitiger uneingeschränkter Rehabilitierung der Metapher klingt der Begriff des ‘cybernetic jazz’ abgeschmackt. Doch die in Form einer MixCD beigefügten ‘Excerpts and Allegories from the Sub Rosa Audio Archives’ lassen im Aufeinandertreffen von gesprochenem Wort (Joyce, Cummings, Burroughs, Apollinaire, Deleuze, Gertrude Stein) und Musik eine wirklich teils unerwartete ‘Rhythm Science’ entstehen. Das Buch mit seiner weichen ‘Curious Touch’-Beschichtung wieder zur Hand genommen, zeigt sich jeder Satz plötzlich als gut gedrillte Parole für gehaltvolle Produktion. Unentschieden. 20 € press.mit.edu MATT ••-•••• CHRIS CRAWFORD - ON GAME DESIGN [NEWRIDERS] Der gute Chris Crawford ist immer noch einer der profiliertesten Gamedesigner around the globe. In der Tat hat er sich vor vielen Jahren selbst einmal als den größten von allen bezeichnet, einen Titel den er übrigens in diesem Buch offiziell an Gevatter Sims, Will Wright, weiterreicht. An Selbstbewusstsein mangelt es dem werten Herrn also nicht gerade und das macht dieses, sein

fraktion. Nicht erst seit Kurzem steht der Bestsellerautor dem Amerikanischen Militär nahe und unterhält Verbindungen zur Videospielindustrie. Immer wieder gelang es ihm erfolgreich, diese beiden nur scheinbar ungleichen Geschwister zusammen zu bringen. Wie bei den vorangegangenen Stealthaction-Spielen, wie Rainbow Six, Rogue Spear und vor allem dem ersten Teil von Splinter Cell ist bei Pandora Tomorrow das Spielprinzip gleich geblieben: Sehen und besser nicht gesehen werden. Also im Einzelspieler Modus mit Hilfe von ausgefeilter technischer Ausrüstung, wie Nachtsichtgerät, Bewegungsmeldern, Haftminen und Fiberglaskamera möglichst unsichtbar durch die Level schleichen und hangeln, Lampen ausschießen und Computerterminals hacken, feindliche Agenten niederschlagen und dabei Informationen über den Anführer der Terroristischen Vereinigung sammeln und so einen geplanten Anschlag verhindern - also evtl. einen Tom Clancy Roman nachspielen. Klingt langweilig, ist aber in diesem Falle sogar ganz spannend. Der Einzelspieler Modus gibt zwar einen relativ engen, linearen Spielverlauf innerhalb der üblichen U-Bahnschächte und Labortrakte vor, die aber auch im indonesischen Dschungel sind, und lässt einen in manchen Leveln verzweifeln, weil man entweder einen bestimmten Lichtschalter nicht bedient hat, oder beim Gegner-in-denSchwitzkasten-Nehmen zu lange zauderte, und der letzte Speicherpunkt zu weit zurückliegt, entschädigt dann aber vollends durch die gelungene Atmosphäre des Agentenspiels. Hierzu trägt in erster Linie die tolle Grafik bei. Unser Agent bewegt sich in den realistisch ausgeleuchteten Räumen grazil wie eine Katze, wirft lange Schatten, wenn die Sonne tief steht und staunt selbst über das Flimmern der Luft über offenem Feuer, das Plätschern des Wassers aus den Sprinkleranlagen und das Sich-Wiegen des Dschungelgrases im Wind. Merkwürdig ist dann bei aller Eleganz aber die Starrheit von Wasserflächen. Auch der ansonsten tadellose Sound verwirrt manchmal mit unmotivierten Hintergrundgeräuschen. Etwas inkonsequent verhalten sich leider die Gegner. Einerseits tolerieren sie einen im Abstand von einigen Zentimetern an ihnen vorbeischleichenden Spion und wundern sie sich nur beiläufig über nacheinander ausgeschossene Lampen, aber andererseits bedeutet der kleinste Fehltritt in einen Lichtkegel oder zwei, drei Schußtreffer das sofortige Aus. Egal, die Stimmung stimmt, die Story ist nicht allzu blöd und die Propagandakeule bleibt dezent im Sack. Bei Tom Clancy ist am Ende der brave Soldat doch bloß ein kleines Rad im weltpolitischen Machtgefüge. Die eigentliche Praline scheint bei Pandora Tomorrow allerdings der Mehrspieler Modus zu sein. Entweder in der XBox-Live Welt von Microsoft, oder in der vollge-

zweites Buch, auch zu einer stimulierenden Lektüre. Crawford ist seit 1978 im Biz und tritt hier als Granddaddy des Gamedesigns auf, eine Rolle in der er sich scheinbar sehr gefällt. Er formuliert frei nach Schnauze, polarisiert mit provokativen Statements und ist vor allem auf die wirtschaftliche Seite der Gameindustrie nicht sonderlich gut zu sprechen. Die Grenze zu altklugen Ratschlägen wirkt manchmal durchlässig, wird aber durch eine stets präsente eigenironisch-humoristische Komponente gebrochen. Crawford erzählt eckig und kantig im mündlichen Plauderton. Seine Kommentare zur Spieleentwicklung kommen weniger didaktisch-lehrbuchmäßig, sondern arbeiten sich assoziativ meist an wichtigen Strategietiteln ab. Wichtig meint hier natürlich oft seine eigenen. Die Zukunft liegt für ihn in einer Interaktivität, die sich von der Interselektivität heutiger Prominenz gänzlich unterscheidet. Er proklamiert einen systemischen Ansatz, der statt gescripteten Events (vorgefertigt, datenintensiv, statisch) den dynamischen Prozess in den Vordergrund stellt. Unter diesem Blickwinkel scheint auch der Award für Will Wright nachvollziehbar. Dessen Sims könnte man unter dem Blickwinkel eines spielerisch wie erzählerisch offenen, kybernetisch-systemischen Puppenhauses sehr wohl als das wichtigste (wenn auch nicht gerade beste) Spiel der letzten Jahre bezeichnen. On Game Design ist von der Intention zwar Fachlektüre für Entwickler, kann aber aufgrund des lockeren Schreibstils auch von der, wie heißt es immer so schön, „interessierten Öffentlichkeit” sehr wohl produktiv genutzt werden, vor allem wenn man sich für die Themenkomplexe Strategie und Simulation interessiert. Chris, wir sind unten mit Dir. 40 USD www.newriders.com BUB ••••• KATHRIN RÖGGLA - WIR SCHLAFEN NICHT [S. FISCHER - ROMAN] Ganz böse könnte man Kathrin Rögglas neuen Roman als DokuRoman bezeichnen. Ein Machwerk hart an der Realität also!? Einer von sieben fiktiven Erzählern in ‘Wir schlafen nicht’ ist der Senior Associate Oliver H. Benders, der keine Geheimnisse hat, wie er sein Privatleben ‘managt’. Ganz offen hat er Kathrin Röggla auf der Messe in einem Interview berichtet, wie etwas nicht mehr Vorhandenes organisiert werde. Schließlich ist Organisation seine Profession. Diese und andere Stimmen zu einem betrieblichen Mikrokosmos hat sie synthetisiert. Nun blicken Benders und seine Kollegen gelangweilt auf die “Zwischenjungs” am anderen Stand, fossile New Economy Hippies von gegenüber ohne Vergangenheit. Und wenn sich schließlich ganz schleichend unvermittelt ein Todesfall ereignet, kollabiert mit der metaphorischen Kündigung der euphorisch brillante Wortberg der Schlaflosen, es bleibt ein behutsamer Tonfall respektvoller Nachdenklichkeit. 18,90€ MATT ••••• MARION VON OSTEN (HG.) - NORM DER ABWEICHUNG [SPRINGER] Und zack, steht man nicht mehr auf der sicheren, nämlich der richtigen Seite. Waren vormals Künstler, Kritiker, Nonkonformist oder Bohemien Ausnahmesubjekte, die bereits ein richtiges Leben im falschen versuchten und im Gegensatz zum Rest der Welt selbstbestimmte Arbeit betrieben, wird nun die Ausnahme zur Regel: Der neoliberale Kapitalismus preist die Flexiblisierung und ruft damit Non-Konformismus und Subversion zum neuen kapitalistischen Paradigma

quarzten Link-Welt der eigenen vier Wände bietet PT hier ein schönes Teamgeschleiche. Mit maximal vier Spielern übernehmen zwei die Spione, und die anderen zwei übernehmen die nicht minder spannende Aufgabe der Söldner. Toll ist hierbei, dass zu den beiden optischen Geräten des Spions, also dem Infrarot und der Lichtverstärkung die elektromagnetische und die Bewegungsmelder-Optik des Söldners hinzukommen. Je nach Missionsziel müssen von den Söldnern in der Ego-Perspektive Objekte verteidigt, oder von den Spionen in der 3rd-Person Perspektive sabotiert werden. Durch die verschiedenen Sichtgeräte gewinnen die super gestalteten Räume zusätzliche Dimensionen. So bewegt sich der Spion im Dunklen hervorragend durch Aktivieren seiner Sehhilfen und im Licht hat der Söldner den Überblick, da er mit seinen Geräten erkennen kann, wo sich geschlichen wird, bzw. wo ein Infrarot-Gerät benutzt wird. Diese beiden Positionen erfordern also völlig andere Vorgehensweisen und Taktiken, sind aber beide gleich schwer, bzw. unschwer. Es kommt auf die Gegner an. Wem also dieses linkische Gesneake und im Taucheranzug Gewarte hinter Ecken und an Rohren nicht zu langweilig ist, kann eine tolle Partie Räuber und Gendarm nachspielen. State of the Art Stealth Action. BUDJONNY ••••• DEUS EX INVISIBLE WAR - [XBOX - EIDOS] Immer wieder hört man, das klassische Adventure sei tot. Aber was soll das eigentlich gewesen sein? Analysiert man die Schilderungen, dann ist das “klassische” Adventure eine Mischung aus Zork, Baldur’s Gate, Monkey Island und The Gauntlet. Und wenn man das Scheinargument abzieht, diese Spiele hätten “epischere” Geschichten erzählt, was sich jetzt wieder mit Hinweis auf Deus Ex Invisible War tun lässt, dann wird der Begriff “Adventure” wohl mit einer bestimmten Art des Interface verbunden. Nämlich einer völlig beschränkten Auswahl von Befehlen aus Textmenüs in darstellerisch völlig beschränkten szenischen Umgebungen. Das soll nun nicht die “klassischen” Adventures diskreditieren, es soll nur darauf hinweisen, dass sie nicht tot sind. Wenn man akzeptiert, dass sich das Interface verändert hat, dann lebt das Adventure mehr denn je, und Deus Ex IW ist einer seiner avanciertesten Vertreter. Es ist genauso pseudo-antilinear, wie es Adventures immer schon gewesen sind, es hat eine ebenso vertrackte hanebüchene Geschichte wie seine Vorläufer anno dunnemal - die mit wild gewordenen Versatzstücken aus Hardt/Negris Empire, Hollywood-Übersetzungen von William Gibson-Romanen und Feuilleton-Debatten über das Human-Genome-Project um sich schmeißt, es muss immer noch auf Amnesie/Paranoia/Ver-

CUBAN HIPHOP ALLSTARS (PENALTY RECORDINGS / PIAS) Nach Cuba geht's auf dieser DVD, da macht das Format doch mal Sinn. Dort explodiert momentan anscheinend HipHop und es scheint, als wür-

RUDOLF MARESCH, FLORIAN RÖTZER (HRSG.) - RENAISSANCE DER UTOPIE - ZUKUNFTSFIGUREN DES 21. JAHRHUNDERTS. [[SUHRKAMP EDITION]] Oh, schon wieder eine! Eine Erklärung nämlich, dass es wieder Zeit für Utopien sei. Nach der Transmediale (Fly Utopia!) und der Utopia Station auf der letzten Biennale in Venedig (die fortgeführt wird im Herbst im Haus der Kunst/München) drängelt sich jetzt ein blaues Bändchen in unsere Bücherregale, was die Renaissance der Utopie ausruft. Und zu Recht, muss man bekennen, wenn man sich nach der Lektüre zurücklehnt, und nach dem eigenen visionären Potential befragt. Der einleitende Artikel von Rudolf Maresch beginnt mit einem Zitat: “Bist du bereit für eine kleine Utopie?” - Blumfeld wollen uns nicht sofort den ganz großen Umsturz zumuten. Und genau so lässt sich auch die Essenz des Readers zusammenfassen: Utopien kennzeichnen die Werte, Wünsche und den Ist-Zustand einer Gesellschaft. Und sie zeigen mögliche Entwicklungstendenzen und die in ihrer Existenzform angelegten Ideale auf. Eine Utopie entfesselt nicht die Revolution, doch keine Revolution kommt ohne utopische Ideale aus. 14 Texte kreisen die “Zukunftsfiguren des 21. Jahrhunderts” aus unterschiedlicher Perspektive ein. Guillaume Paoli entwickelt die Vor- und Nachteile von realisierten Idealwelten in einem Gespräch zwischen Bill und Ted im Jahre 2052. Gundolf S. Freyermuths Artikel zu Designermutanten & Echtzeitmigranten stellt zentral die These auf, dass “mit der Digitalisierung der Prozess neuzeitlicher Individuierung zur Utopie des virtuellen Menschen” eskaliert. Und Mercedes Bunz untersucht die Utopie der Kopie im Spannungsfeld von Kunst, Politik, Internet, Ökonomie und Musik. Wie wird das Morgen unserer Gesellschaft? Es gilt weiterhin der große Ausspruch von Ulrich Beck: “Bekanntlich ist es schwierig, eine Voraussage zu treffen, insbesondere wenn sich diese auf die Zukunft bezieht” Aber dieser kleine Reader macht den Weg ins Dunkel ein bisschen heller. 10 € ARNE ••••

schwörung/Geschichtsfälschung als narrative Konstituenten setzen, die immer schon die verpuzzelten narrativen Strukturen rechtfertigten. Kurzum: Für die ludologischen Snobs ist es genauso schlecht, wie Adventures immer schon waren, für die narratologischen Liberalen ist es genauso großartig, wie ein gutes Adventure eben ist. Wenn es ein Problem gibt, dann nicht, dass Adventures (wie alles) früher besser waren, sondern dass Deus Ex IW besser ist als früher. Denn die Entwicklung des Interfaces hin zu übergangslosem, dreidimensionalem, real-physikalischem, auf-alles-einwirkbarem Engineering passt nicht so recht zur Puzzleteil-Narration. Die holprigen Parser und begrenzten Menüs der Urzeit waren wie Raster, in denen man die Teile der Erzählung drehen, wenden und von allen Seiten betrachten konnte, um sie sukzessive zu einer später zu erzählenden Geschichte zusammenzusetzen. Bei der Echtzeit-Engine des zeitgenössischen Adventures wird mir suggeriert, dass durch meine Bewegung ständig und überall etwas passieren könnte, dabei ist es immer noch nur eine Ansammlung von Erzählteilen und Abzweigungen. So rennt man eigentlich die meiste Zeit nur sinnlos herum. Ganz so, als würde man sich in all den Zeiträumen aufhalten müssen, die die Schnitte eines Films, eines Romans, eines Theaterstücks ausmachen. Tom Stoppard konnte darüber Rosenkranz und Güldenstern sind tot schreiben, was wir als Spieler aus Deus Ex IW machen können, ist nicht ganz klar. MWM ••• MAX PAYNE ADVANCE - [GBA - TAKE 2] Ein Actionspiel kann mehr sein als simples Rumgeschieße - Max Payne hat das bewiesen. Mehr als bei allen anderen Spielen der letzten Jahre war die Sprache des Spieles, der Rhythmus und das Gameplay Literatur - ein perfekt durchkomponierter Krimi Noir, ein kleiner Cop in einer großen Verschwörung. Natürlich lässt sich das nicht werkgetreu auf den Gameboy Advance übertragen. Dennoch funktioniert Max Payne Advance auf dem Handheld sehr gut. Um einige Level gekürzt, unter Auslassung der verstörenden Traumszenen, sind die wichtigsten Elemente erhalten geblieben: die sonore Stimme des Helden Max, hier durch die Datenkompression leicht verzerrt, die Erzählung der Geschichte in gezeichneten Bildern und das Action-Gameplay mit Matrixbeeinflussten Zeitlupeneinstellungen, nicht aus Ego-Sicht, sondern von oben gefilmt. Max Payne Advance ist die Reader’s Digest-Variante eines großen Spiels und funktioniert auch als solche ganz wunderbar. RYD •••••

sondern weil dementsprechend die Probleme, über die die Jungs und auch Mädels was zu sagen haben, anderer Natur und doch gleich sind. Lustig ist auch, dass man anscheinend rund um den Globus WuTang-, Hiero- oder Pharcyde-T-Shirts trägt. Die DVD ist in fünf Unterkapitel unterteilt und beinhaltet über 40 Minuten Zusatzmaterial. Auf jeden Fall ein cooler und recht umfangreicher Einblick, der sich anzusehen lohnt. CAYND •••••

die Bilder konkreter, zersetzen die alte Fabrik, lassen Fahrstühle im Rhythmus der übersteuerten Bassdrum fahren und fransen schließlich im unscharfen Testbild der Kabeltrommel auseinander. Sehr cool. THADDI ••••• SNOOP DOGG PRESENTS THE DOGGY WORLD (DIAMOND REC / ROUGH TRADE) Snoop Dogg ist bekanntlich ein ganz schön lässiger Typ, der voller THC steckt. Das hier ist eine Ansammlung von ungefähr vierzig Videoclips, in denen er entweder gefeatured ist, oder die zu seinen Stücken gedreht wurden, einige sind auf jeden Fall sehr unterhaltsam. Die Krönung dieser Doppel-DVD ist wohl die "Girls Gone Wild"-Section, in der Snoop sich eine Stunde lang von hauptsächlich weißen, betrunkenen CollegeChics abfeiern lässt. Die ziehen abwechselnd ihre T-Shirts hoch, kriegen dafür zur Belohnung ein "Girls Gone Wild"-T-Shirt und können einmal den Master angucken. So unerotisch können Brüste wohl nur in Amerika sein. Snoop dagegen steht vollgedröhnt am Mic und verdient sein Geld. Und da er davon vermutlich schon genug hat, muss man sich diese DVD eigentlich nur als HardcoreSnoop-Dogg-Fan zulegen. CAYND ••

aus. In der Schweiz widmet sich Marion von Osten (beispielsweise mit der Ausstellung “be creative! - Der kreative Imperativ!”) schon seit einigen Jahren diesem Thema. Jetzt hat sie einen sehr lesenswerten Sammelband herausgebracht, der neben vielen anderen Kulturwissenschaftler wie Angela McRobbie, Soziologen wie Ulrich Bröckling und Kunstwissenschaftler wie Tom Holert oder Beatrice von Bismarck zu Wort kommen lässt. Grundtenor ist dabei, gängige Positionen der Kritik nicht einfach zu verteidigen, sondern aufmerksam und offen zu beobachten, wie Manager von linken Revolutionsstrategien lernen sollen oder Arbeiter mit dem Verweis auf den selbstbestimmten Künstler ihre Sicherheit am Arbeitsplatz verlieren. Momente wie diese legt der Reader in seinen 11 Textbeiträgen und visuellen Beispielen der Ausstellung offen. Ab und an würde man dann aber doch ganz gerne in Mitten dieses selbstkritischen Blicks einen kämpferischen Fuß auf den Boden bekommen. Sich in der Dialektik der Verhältnisse zu weiden, das kann es ja auch nicht sein. Aber vielleicht ist das ja auch zuviel verlangt, der Reader selbst sieht sich mehr als Anstoß einer Debatte - und in dieser Debatte stehen wir eben noch ganz am Anfang. 27 € MERCEDES ••••

de fast jeder rappen, auf Spanisch versteht sich. Im Originalton mit Untertitel erzählen auf dieser DVD verschiedene MCs und Crews davon, wie es gerade so in Cuba abgeht, was die Probleme sind, beispielsweise der Spagat zwischen traditionelleren Musikarten wei Salsa und dem importierten Rap, der von vielen Älteren nicht gerne gesehen wird, und natürlich, dass es kaum Plattenverträge gibt. Einige der in die Kamera rappenden MCs haben es auf jeden Fall drauf, andere haben weder was zu erzählen noch Flow, aber das ist ja eigentlich überall so. Es ist auf jeden Fall spannend, zu sehen, was da so passiert, vor allem weil es nicht nur vom Wetter und vom Szenario eine komplett andere Lage als New York, Berlin oder Paris ist,

NIGHT SESSIONS - NUTHIN TO LOSE (PENALTY / PIAS) "Nuthin to lose" ist definitiv ein reales und daher cooles Videomag. Im Grunde laufen die Jungs von Night Sessions TV mit der Kamera durch die Gegend, z.B. das nächtliche New York und treffen dabei auf eine Menge Rap-Prominenz. Man sieht 50Cent seine ja immer etwas dümmlich wirkende Visage in einem pseudo-Radio-Freestyle hinhalten, KRS One in einer lauen Sommernacht auf einer Bank philosophieren und dann auf der Straße zufällig auf Q-Tip treffen, bekommt Xzibit, Breez Evaflowin, Rahzel, Ruff Ryders, Cam'Ron uvm. zu Gesicht, daneben auch die Macher vom F.E.D.S. Magazine, Wyclef mit ein paar heißen Schlitten und Bräuten, ein paar Konzerte, einen Videodreh, besucht den "Harlem Music Hut", einen offensichtlich vertrauensvollen Musikladen etc. Das Ganze ist recht geschickt aneinander geschnitten, wirkt nicht inszeniert und ist daher vermutlich insbesondere außerhalb von New York ein Spaß. CAYND ••••

<47> - DE:BUG.82 - 05.2004

TANJA THOMAS - DEUTSCH-STUNDEN [CAMPUS VERLAG] Das Kompliment gleich vorneweg: Tanja Thomas liefert hier mit “Deutsch-Stunden. Zur Konstruktion nationaler Identität im Fernsehtalk” ein gutes analytisches Werk ab. Die Medienwissenschaftlerin der TU Ilmenau fragt auf über 400 Seiten, wie nationale Identität im deutschen Fernsehtalk konstruiert wird. Ihre Antwort: Seit den 90er Jahren boomen Themen mit Schlagworten wie “Nation” oder “Wir” und hatten 1999 mit der Debatte um die doppelte Staatsbürgerschaft ein Hoch. Ständig wird seitdem im Fernsehen darüber verhandelt, wer zur Nation gehört und wer nicht. Thomas nimmt hier Talkshows wie Fliege, Christiansen oder Bärbel Schäfer unter die Lupe. Die Ergebnisse sind bezeichnend: Selten flutschen den Moderatoren und Talkgästen offenkundige Rassismen und Nationalismen über die Lippen, meist sind es subtilere Formen, und hin und wieder denken die Akteure gar, dass sie sich für die “Anderen”, die “Nichtdeutschen” aussprechen. So zum Beispiel, wenn immer wieder über die “Nützlichkeit” so genannter “Ausländer” aufgrund des demografischen Wandels diskutiert wird. “Deutsch-Stunden” unterstreicht somit den Moment, auf den schon Mark Terkessidis in “Psychologie des Rassismus” hinwies: Rassismus setzt in einer modernen Gesellschaft keineswegs mehr den Ausschluss bestimmter Gruppen voraus. Ausgrenzung kann gar durch ihre “Einverleibung” erfolgen. Ein interessantes Buch, mit zahlreichen Wortwechseln, das zum Nachdenken anregt. 45 € JENS THOMAS ••••

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20.04.2015

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LOUDNESS <48> - DE:BUG.82- 05.2004

DE:BUG PRÄSENTIERT POP-UP LEIPZIG, 6.-9. MAI Fährst du nicht zur Pop-Up: Kopp ab! Bereits zum dritten Mal trifft sich in Leipzig das Who-Is-Who der deutschen Indieszene zur entspannten Business-Messe. Im direkten Körperkontakt mit den Usern werden hier Demos durch das WERK II gefeuert, Deals gecheckt und neue Schulterschlüsse mit Vodka begossen. Und dann die Parties und Konzerte. Das genaue Line-Up gibt auf der Website. Und natürlich droppt Debug die fetteste aller Sausen: Am 8.5., dem eigentlichen Messetag, rocken die Martini Brös, Jay Haze, Mikael Stavostrand, Bleed, Caynd und Matthias Tanzmann die Distillery. P.S.: Das Honky-Tonk-Festival am gleichen Wochenende ist nach Dresden verlegt. www.popup-leipzig.de

CARL CRAIG Der Carl Craig ist ein Rocker, schüttelt die Hits aus der Hüfte locker, sieht dabei gut aus und kam in den letzten Jahren ganz groß raus. Er kommt aus Detroit und spielt nun in Europa, voller Freud. Eine Legende durch und durch, mit oder ohne Kumpel Lurch. Gerade geremixt hat er Throbbing Gristle, drum holt jetzt raus eure Whistle. Wir knien nieder und hören genau hin ... in unserem Club ist heut' Carl Craig drin. 20.05 PARIS, REX CLUB / 21.05. MÜNCHEN, HARRY KLEIN / 22.05. KÖLN, SENSOR / 27.05. HAMBURG, TANZHALLE / 28.05. DORNBIRN (A), CONRAD SOHM / 29.05. LEIPZIG, DISTILLERY / 30.05. OFFENBACH, ROBERT JOHNSON

GIARDINI DI MIRO Nicht tot zu kriegen, diese Italiener. Zum Glück. Mit einer neuen Compilation mit älterem, in Deutschland nie veröffentlichtem Material im Gepäck, drängelt sich diese BigBand auf Bühnen rum, mit iBook, Trompete und Verstärkerwänden bis unter den Himmel. Laut und schön, made in Italy. Hingehen. 19.05. STUTTGART, SCHOCKEN / 20.05. STRAUSBERG/, PLUGIN FESTIVAL / 21.05. HAMBURG, MOLOTOW / 22.05. OFFENBACH, JUZ SANDGASSE (+ SOMETREE / BATS & MICE) / 23.05. MARBURG, CAFE TRAUMA

CLUBEXCHANGE PROGRAMM Was für Studenten gut ist, kann für Clubs nur billig sein. Ein nettes, lehrreiches Austauschprogramm. Von Mai bis Juli werden Clubs aus Berlin mit Clubs aus Zürich mit allem Sack und Pack ausgetauscht. Über 200 Künstler (neben Djs auch Leute, die sonst nur unmittelbar die Clubs mitgestalten) werden alle elektronischen Stilrichtungen präsentieren. Denn wer hatte nicht schon mal die Lust verspürt, bei einem schweizer Barkeeper nen Cocktail zu bestellen? GRUPPE 1: JAZZANOVA, SONARKOLLEKTIV & WMF - BASSTARD & STRAIGHT AHEAD PARTY 8.5.2004, GRUPPE 1 IN ZÜRICH - AUFTAKT, PARTY 14.5.2004, GRUPPE 1 IN BERLIN GRUPPE 2: HAUS SCHWARZENBERG & GOLDMUND - BOGEN 13 & PLATTENSTRAßE AUF DER FLUCHT PARTY 22.5.2004, GRUPPE 2 IN BERLIN, PARTY 29.5.2004, GRUPPE 2 IN ZÜRIC, GRUPPE 3: MARIA - DACHKANTINE, PARTY 5.6.2004, GRUPPE 3 IN BERLIN, PARTY 12.6.2004, GRUPPE 3 IN ZÜRICH - DATUMSVERTEILUNG NICHT FEST GRUPPE 4: PYONEN - G5, PARTY 12.6.2004, GRUPPE 4 IN BERLIN, PARTY 26.6.2004, GRUPPE 4 IN ZÜRICH, GRUPPE 5: KINZO - LOUNGECHIC & MUTE, PARTY 3.7.2004, GRUPPE 5 IN BERLIN PARTY 17.7.2004, GRUPPE 5 IN ZÜRICH, GRUPPE 6: TRESOR - ROHSTOFFLAGER, PARTY 24.7.2004, GRUPPE 6 IN ZÜRICH, PARTY 31.7.2004, GRUPPE 6 IN BERLIN - ABSCHLUSS

TERMINE IM MAI CARL CRAIG / 21.05. - München, Harry Klein / 22.05. - Köln, Sensor / 27.05. - Hamburg, Tanzhalle / 28.05. - Dornbirn, Conrad Sohm / 29.05. - Leipzig, Distillery / 30.05. - Offenbach, Robert Johnson

06.05. MÜNCHEN, REGISTRATUR / 07.05. DORNBIRN (A), CONRAD SOHM / 08.05. ZÜRICH, ROHSTOFFLAGER / 09.05. AARAU, KIFF / 13.05. SALZBURG, KULTURGELÄNDE NONNTAL / 14.05. BERLIN, MARIA / 15.05. OSCHERSLEBEN - MOTOPARK / 16.05. HAMBURG, PUDEL / 18.05. FRISON (CH), FRIBOURG / 19.05. ESSEN, MUDIA GELÄNDE / 20.05. WIEN, WUK / 21.05. GRAZ, PPC / 22.05. DRESDEN, SCHEUNE

LALI PUNA TOUR Wie wir aus zuverlässiger Quelle wissen, hat Valerie Trebeljahr den Original-Lederoverall von Suzie Quattro auf eBay ersteigert - Lali Puna haben nämlich den Rock für sich entdeckt . ”Faking The Books” greift in die Saiten für Political Correctness und korrekte Politik und lässt es elektronisch Krachen für eine bessere Welt. Klar, dass wir da die Hüften schwenken. Röcke, Hosen und Overalls geschlossen zur Bühne, bitte! 20.05. BERLIN, VOLKSBÜHNE (MORR MUSIC NACHT) / 27.05. FRANKFURT/MAIN, MOUSONTURM / 28.05. LEIPZIG, CONNE ISLAND / 29.05. NEUSTREELITZ, IMMERGUT FESTIVAL

MÚM TOUR Múm bilden die schluffigste Tangente des inländischen Supermusikdreiecks aus Björk, Sigur Ros und eben diesen drei jungen Menschen. Mit ihrem neuen Album "Summer Make Good" (FatCat / Pias) gehen sie jetzt auf ausgedehnte Deutschlandtournee, um ihre isländischen Leutturm-Tracks in voller BigBand-Besetzung umzusetzen. Mit akustischem Multiinstrumentarium gegen das Island-Klischee! Wir freuen uns und gehen hin. 18.05. MÜNCHEN, FEIERWERK / 19.05. NÜRNBERG, K4 / 24.05. BERLIN, MARIA / 26.05. HAMBURG, WESTWERK / 05.06. DRESDEN, STAR CLUB / 06.06. FRANKFURT/MAIN, MOUSONTURM

HIEROGLYPHICS, SOULS OF MISCHIEF, ENCORE, APPROACH Die Oaklander Legenden kommen auf Tour und bringen die gesamte Crew mit. Neue Alben sind im Gepäck und die Styles frisch wie eh und je. Mit dabei auch Encore, ein Neuerwerb im Hieroimperium, und Approach von Coup d'État. Hier wird der Rap noch selbst gehäkelt und die Beats handgeschmiedet. From 93 'til infinity. 05.05. ERLANGEN, E-WERK / 07.05. MÜNCHEN, BACKSTAGE / 08.05. RIESA, BATTLE OF THE EAST / 09.05. WILHELMSHAVEN, KLINGKLANG / 11.05. HAMBURG, WAAGENBAU (TBC) / 12.05. DUISBURG, HUNDERTMEISTER / 14.05. ZÜRICH, DYNAMO / 15.05. AARAU, KIFF / 19.05. MATTSEE, POSTKUTSCHE / 22.05. MÜNSTER, MÜNSTER BATTLE @ SKATERS PALACE / 25.05. PARIS, NOUVEAU CASINO / 26.05. KÖLN, TBA / 27.05. BERLIN, BASTARD / 28.05. KASSEL, SPOT / 29.05. AMSTERDAM, PARADISO / 30 - ARNHEM, GOUDVISHAL

GETIPPT James Flavour, Leo Kraftczyk, Recyver Dog (live), K-Led / 05.05. - Tama Sumo, Daffy, Troy McClure / 07.05. - Lukas Greenberg, Max Montana, Neer, Cut-X, beagle, Der Flurff, beavis, Der Töpper / 08.05. - Dan Curtin, Senze, Lako, Alexander Kowalski, Joris Voorn, (live), Luke / 12.05. - Phonique, Dash, Subtronic / 16.05. - kareem (live), Society Suckers (live), Hanno Hinkelbein, Cora S., / 19.05. - Sammy Dee, Kitnap (live), Dana, Phil K., Micha Stahl / 21.05. - Ralph Ballschuh, Stuff, Anim, Jaxson, Sender Berlin (live), Oli H., Oliver Klangschneider / 22.05. - Wimpy, Like, Brixton (live), , Dash / 26.05. - Dinky, Dave DK, Liquid Sky / 29.05. - Daypak + Padberg (live), Daniel Rajkovic, Sebrok, Micha Stahl, Bill Youngmann (live), Kriek

BERLIN - BACKFABRIK / 14.05. - Keith Rowe, Sachiko M, Toshi Nakamura, Otomo Yoshihide Quartet / 15.05. - Burkhard Stangl, Dieb 13, Billiy Roisz, Axel Dörner, John Butcher (solo), Radian, Radian/John Butcher, Rowe/Nakamura, Andrea Neumann, Burkhard Beins / 16.05. - Toshi Nakamura (solo), Oren EIVIND AARSET / 11.05. - Hamburg, Fabrik / 12.05. - Berlin, Trä- Ambarchi (solo), Keith Rowe (solo), Christian Fennesz (solo), nenpalast / 14.05. - Mannheim, Alte Feuerwache / 16.05. - Rowe/Ambarchi/Fennesz/Nakamura Quartet BERLIN - VOLKSBüHNE, 26.05. - Matmos München, Muffathalle BERLIN - BASTARD / 05.05. - Mediengruppe Telekommander BERLIN - WATERGATE / 01.05. - Mitja Prinz, Kiki, Smash Tv (liFUNKSTöRUNG / 06.05. - München, Registratur / 14.05. - / 09.05. - Tex La Homa / 14.05. - Felix Kubin / 18.05. - Squares ve), Housemeister, Sascha Funke / 07.05. - Defraq, Vern, ApBerlin, Maria / 15.05. - Magdeburg, Camp Music / 16.05. - On Both Sides, Xiu Xiu / 22.05. - Panacea, Knifehandchop, pollo, Defiant, 40 Oz, Sebo K / 08.05. - Akufen, Zip, Matthew Hamburg, Pudel / 19.05. - Essen, Krupp Gelände / 22.05. - Modeselektor Dear (live), Soulphiction, Thomas Melchior, Sammy Dee / Dresden, Scheune 13.05. - Ricardo Villalobos, Ivan Smagghe, Ata, Highfish, Sasse BERLIN - C-BASE / 08.05. - Suzi Wong, Gianni Vitello, Sven aka Freestylemann, Carsten Klemann / 14.05. - Edecay, Loo-P, GUNKHOLE, D-STYLES, MIKE BOOGIE, RICCI RUCKER, ACE Dohse, Neal White (live) Metro, Sweet´n Candy, DJ Cab, Flowpro / 15.05. - Roman Flü03.05. - Athen, Onoma Toy Rodoy / 05.05. - Amsterdam, Bitgel, James Flavour, Sieg über die Sonne (live), Jens Bond, Carterzoet / 06.05. - Zürich, Dynamo (tbc) / 07.05. - Bern, Reit- BERLIN - CASINO / 01.05. - Marcel Dettmann, Boris, Frenzen sten Klemann, Dandy Jack (live) / 21.05. - Rollin B. aka Syncoschule / 08.05. - Madrid, tba / 09.05. - Gent, Democrazy @ Texas, Marro, Golgfinger pix, MTC Yaw, Metro, MC Soultrain, Such a Sound SoundsyCharlatan / 10.05. - Paris, Nouveau Casino / 13.05. - Linz, Kapu stem / 22.05. - DJ Naughty, Sebo K, Sex in Dallas (live), Brian (tbc) / 14.05. - Trieste, Hip Hop Music Club / 15.05. - Bologna, BERLIN - CLUB DER POLNISCHEN VERSAGER / 10.05. - Keith Cares , Headmann / 28.05. - Metro, Appollo, Defiant, MC SanITF Italy / 17.05. - Düsseldorf, Unique / 19.05. - Basel, ITF Swit- Rowe/Burkhard Beins, Sachiko M/Annette Krebs, Andrea tana, Roskow, Kay Meseberg / 29.05. - Savas Pascalidis, Anja zerland / 21.05. - München, ITF Qualifying Tour / 22.05. - Inns- Neumann/Toshi Nakamura Schneider, Lasse Lovelace, Terrible, Disko, Ralf Kollmann / bruck, tba 30.05. - Woody, Philip Bader, Autotune (live), The Dose (live), BERLIN - ICON / 01.05. - Bassface Sascha, M.Path.Iq, Obiwan, M.A.N.D.Y. Diringer, Lars Sommerfeld (live) LTJ BUKEM & MC CONRAD / 07.05. - Wuppertal, 45 RPM / MC Mace / 07.05. - Rima feat. Domu, Les Gammas / 08.05. 08.05. - Freiburg, F-Club / 13.05. - Berlin, 2BE Club / 19.05. - Shroombab, N'Dee, Flower, White MC / 15.05. - Optical, Ap- BERLIN - WMF / 07.05. - Nobody Beats The Beats, Maliq, JanDresden, 01099 Eventlocation / 21.05. - Heidelberg, Halle 02 pollo, Emisz, MC Mace / 29.05. - Alley Cat, Counter Strike, N'- sen & Kowalski, Akanni feat. The Cast OF "Clap Ya Hands", / 28.05. - München, Muffathalle / 29.05. - Dornbirn, Conrad Dee, Appollo, Obiwan, MC Mace, MC RQM Bintia, Manumantei, DJ Noize, Christopher Julian Smith, Fat Sohm / 30.05. - Nürnberg, Hirsch Tony Crew / 10.05. - Fat Freddys Drop , Jazzanova, Eva Bé / BERLIN - KLUB DER REPUBLIK / 03.05. - Herrmann & Kleine 14.05. - Earthboud aka Dallas + Gustafson, Sequel, Stephane NEULANDER / 05.05. - Dresden, Scheune / 06.05. - Leipzig, DJ-Team Attias, Dimlite, Domenico, Lexx / 15.05. - Leroy Hanghofer (liNato / 07.05. - Berlin, School / 11.05. - Frankfurt / Main, Mouve), Munk DJ-Team, andreas Sachwitz, Daniel Wetzel / 21.05. sonturm / 12.05. - Köln, Studio672 / 13.05. - Bremen, Junges BERLIN - MARIA / 01.05. - Mediengruppe Telekommander, Jazzanova, Needs / 28.05. - Clé, Dixon, Terrible Theater / 18.05. - Innsbruck, Kulturgasthaus Bierstindl / 19.05. Die Türen, Naked Lunch / 08.05. - Ian Pooley, Pitchtuner, Ju- Wien, B72 / 20.05. - Graz, Springfour Festival / 31.05. - Linz, stus Köhncke, M.A.N.D.Y., Captain Comatose, Chelonis R. Jo- BERLIN - WMF-SOMMERLAGER / 19.05. - Tob Hood, HighStadtwerkstatt nes, Spitting Of Tall Buildings / 14.05. - Funkstörung (live) fish, Sven VT, Andreas Sachwitz, Daniel Wetzel / 22.05. - Cafeat. Tes & Enik, Superdefekt, Raf Le Spoink, Pony Pop, No banne (live), Zip. Highfish, Barbara Preisinger RHYTHM KING AND HER FRIENDS / 06.05. - Leipzig, Nato Berlin, Manosh / 15.05. - The Modernist, Antonelli Electr, Su/ 08.05. - Berlin, Chicks Deluxe @ International / 09.05. - perpitcher, Ralph H. Christoph, Sami Koivikko / 22.05. - And- BONN - 3-RAUMWOHNUNG / 19.05. - Basic, Rinc, Forward, Dresden, Groove Station / 10.05. - München, Harry Klein / ré Galluzzi, Misc (live) / 27.05. - Jimi Tenor & Band / 29.05. - Giana Brotherz, Selecta, MC Engine 11.05. - Frankfurt / Main, Mousonturm / 12.05. - Köln, Stu- T.Raumschmiere, Das Bierbeben, Peter Grummich, James dio672 / 13.05. - Berlin, Hau 2 / 14.05. - Hamburg, Hafenklang Cotton, Phon.O BREMEN - NFH / 29.05. - DJ Vadim, XL, Phunkee, Phlex, Graze, Demolition Man VADIM, WOODY, BLU RUM13, YAHRAH BRAVO / 03.05. - BERLIN - NEUROTITAN / 17.05. - Otomo Yoshihide/Takeshi Hamburg, Boomerang Club @ Echochamber Fumimoto BREMEN - STADTHALLE / 01.05. - Andy C, DJ Craze, Mickey Finn, Bryan Gee, Temper D, E Decay, MC Skibadee, MC IC3, VISIONARIES, 2MEXX, WRITERS BLOCK, KEY KOOL, LMNO, BERLIN - PFEFFERBERG / HAUS 13 / 07.05. - Djoker Daan, Vin- MC Shabba, MC Tali, MC Navigator, Bailey, Teebee, Concord RHETTMATIC, SHORTKUT / 19.05. - München, Feuerwerk / cent Vega, Julia Lautner, Peak, Swift, Tas Toyo, Thomas Bene- Dawn, Counterstrike, Typecell, Phace, Soulsurfer, DMS, Ri20.05. - Leipzig, Conne Island / 21.05. - Wil, Remise / 22.05. - dict, Udo Raaf se'N'Shine, Pleasure Prag, Semtex Festival / 26.05. - Wilhelmshaven, KlingKlang / 28.05. - Wiesbaden, ITF Qualifying Tour @ Schlachthof / BERLIN - POLARTV / 01.05. - Woody, Rok, Pan/Tone (live), C- DRESDEN - FESTSPIELHAUS HELLERAU / 29.05. - Intricate 29.05. - Münster, Write for Gold @ Skaters Palace / 30.05. - Rock, Diringer / 08.05. - Stacey Pullen, marcel Dettmann, An- (live), Estonji (live), Michael Richter (live), DJ Cio Göggingen, No Stress Party / ja Schneider, Daniel Dreier, Phonique / 15.05. - Toktok (live), Housemeister, MC Wuzi Khan, Wolle XDP, Martini Brös DJ- DRESDEN - STARCLUB / 29.05. - To Rococo Rot Team / 16.05. - Sammy Dee, The Jet set, Patrique / 22.05. - Die FESTIVALS ............................................................... Raketen (live), Westbam, Kiki, Silversurfer, Lasse Lovelace / DüSSELDORF - JOHANNESKIRCHE / 27.05. - Senking (live), 29.05. - Adam beyer, Cora S., Sebroik, Kid Alex, Paige Ilise, Hauschka (live) BERLIN - TEMPODROM Bushmasta 10 Jahre Gauloises Cookin’ Blue DüSSELDORF - KAMMERSPIELE / 15.05. - Kabuki, Philipp Mai21.05. - Rinocérose, De-Phazz, Kosheen, DJ Shantel, Dj Llorca, BERLIN - ROTER SALON / 06.05. - Portable (live), Spasm, Di- burg, Christian Hühn, MC Glacius London Elektrocity, A Guy Called gerald / 22.05. - Soulounge, matrix, Shellybelle, Annette Sihler Beanfield, Jazzkantine, Orishas, MEndoza Dance Parti, Dixon DüSSELDORF - UNIQUE / 14.05. - Dabrye (live), Gee / 26.05. & Georg Levon, DJ Hefner, Smith & Mighty BERLIN - SOMMERSAFARI / 08.05. - Agoria - Mouse On Mars (live) BERLIN - STERNRADIO / 01.05. - Goldfish + Der Dulz (live), Matthias Tanzmann / 07.05. - Dole & kom, Mohan, Daniel Sunn, Tabion / 08.05. - Kombinat 100, Michi Noiser, Toby Dreher / 14.05. - Kiki, Silversurfer / 15.05. - Philip Bader, Brian Cares / 19.05. - Marcel Dettmann, Daniel Dreier, Patrique, Rüdiga Schneider, Dirty Deyster / 21.05. - Gianni Vitello, Haito / 28.05. - Jake Fairley (live), Sascha Funke, Housemeister / 29.05. - Ada (live), Raz Ohara (live), gebrüder Teichmann, Martin Landsky, Michi Noiser, Toby Dreher

ELAN - MEININGEN / 08.05. - Ricardo Villalobos, Cathy, Curtis Flesh

BERLIN - TAUCHER / 01.05. - Monosurround (live), Kotai (liAUGSBURG - KEROSIN / 08.05. - Superpitcher, Stefan Sieber ve), Incage (live), Telemen (live), Dole&Kom (live), Matthias Schaffhäuser, Eric D. Clark, Mike Vamp, Chica Paula, Diringer, BAD KLOSTERLAUSNITZ - MUNA / 08.05. - Sieg über die JayRay, Ralph Ballschuh / 06.05. - Chloé, KCPK Sonne (live), Good Groove, Mathias Kaden, Aniem, Carina BERLIN - TRESOR / 01.05. - The Dirst Crew aka Break 3000 &

HAMBURG - KUKUUN / 04.05. - Kim Cascone, Elektronengehirn, Renoised Guitar

ON THE FLOOR ...............................................................

Und aus dem Track wurde der Song. Fakesch und De Luca, Kulturbotschafter Rosenheims und des PlugIns an sich, zerbröseln jeden Beat und rocken straight nach vorne. Mit reichlich Gästen und Freunden (Tes, Enik usw), shuffeln sich ihre Powerbooks neuederdings brav von der Strophe zur Bridge zum Refrain. Das tut dem granulierten Gewitter keinen Abbruch. Keep rockin', keep it locked.

DEADLINE FÜR DIE JUNI AUSGABE 10.05.2004 / DATES@DE-BUG.DE

TOUR ............................................................................. BERLIN - APOLLO SAAL / 06.05. - Martini Brös (live) BERLIN - AUSLAND / 13.05. - Keith Rowe/Annette Krebs, AndBUGGE WESSELTOFT / 04.05. - Heidelberg, Karlstorbahnhof reas Neumann/Burkhard Beins, Günter Müller/Toshi Naka/ 05.05. - Aachen, Jakobshof / 06.05. - Aschaffenburg, Colos- mura / 19.05. - Keith Rowe/Axel Dörner/Frank Hautzinger, SaSaal / 07.05. - Hannover, Pavillion / 08.05. - Berlin, Kultur- chiko M/Toshi Nakamura/Otomo Yoshihide, Martin Siebrauerei / 09.05. - Erlangen, E-Werk / 10.05. - Hamburg, Fabrik wert/Martin Brandlemayr

OSCHERSLEBEN - MOTORPARK Camp Music 2004 14.05. - Sven Väth, Air Liquide, Ego Express, Der Dritte Raum, Wighnomy Brothers, Vikter Duplaix, Cris Liebing, Josh Wink / 15.05. - Goldfrapp, Funkstörung, Swayzack, Ricardo Villalobos, International Pony, Rush, Kid Alex, Beanfield, Michael Reinboth, Jazzanova

ACCUSTIC DISCONNECTED TOUR 2004 LIVE: FUNKSTÖRUNG & FRIENDS

FRANKFURT / MAIN - POP AND GLOW / 08.05. - Luomo (live), D. Diggler, Misc, M. Rahn, Vlasdislav Delay (live), Tillmann Ehrhorn (live), Stephan Lieb FREIBURG - ELEKTROLOUNGE / 07.05. - Ark, Constar, Marek Dima

HAMBURG - PHONODROME / 07.05. - Rocko Schamoni, Ascii Disco, Disco Inc. Spillsbury

HAMBURG - PUDEL / 01.05. - Phono / 02.05. - Hauptschluss 2004 (live), Raf, Superdefekt / 04.05. - Pantha Du Prince (live) / 05.05. - Mixwell, BuzzT / 08.05. - Dr. Pommes Piratenn Park / 09.05. - Raf, Superdefekt / 12.05. - Mr. Subtitle aka Viktor Marek / 16.05. - Funkstörung (live) feat. Enik & Andreas Kellner & MC Tes, Mark Boombastic, Raf, Superdefekt / 18.05. Christian Harder / 22.05. - Bonnie, Carsten Jost / 23.05. - Titti Kakka Base (live), Toni Ambient TOuch, Ethno Schorsch, Raf, Superdefekt / 26.05. - Mr. Son, Twizzard, Hysteria / 27.05. - DJ DSL / 28.05. - Carsten Jost, Lawrence / 29.05. - Turner, Popnebo / 30.05. - Dabrye, Raf Superdefekt

THADDEUS HERRMANN / ARNE LINDE

MüNCHEN - FLOKATI / 07.05. - Agoria MüNCHEN - HARRY KLEIN / 27.05. - ISO 68, Christoph Kurzmann MüNCHEN - KRANHALLE / 07.05. - Stacey Pullen, MArkus Metha, Stefan Riedel / 08.05. - Thomas Schumacher, Alex Kühl, Glenn Louis, Triicle, Spike / 15.05. - Luke Slater, Flow, Glenn Louis, Westend Ghetto, Lux Lupo / 22.05. - John Acquaviva, Shannon Shalako, Emdejot / 28.05. - Marco Carola, EPos, Ramirez, Jay Funk, Nixon / 30.05. - Joey Beltram, Angela Flame, Mark Maniku, Amre

HAMBURG - SCHILLEROPER / 03.05. - Räuberhöhle, Miki Mikron, HipHop 200 MüNCHEN - WORLDLEAGUE IN DER BADEANSTALT / 14.05. - Finlandia Fresh Styles Approved: Jeff Mills HAMBURG - TANZHALLE ST. PAULI / 01.05. - Justin Case, Stanley Ipkiss / 06.05. - Tex La Homa (live) / 07.05. - Turner, Car- OFFENBACH - HAFEN 2 / 28.05. - Iso 68 (live) sten Jost / 08.05. - Vincenzo, Innocent Lovers / 14.05. - Anton Silber, Ali Tiefschwarz / 15.05. - Benjamin Wild, Meta.83 / OFFENBACH - ROBERT JOHNSON / 07.05. - Taktlo$$, Miss 21.05. - Superpitcher, Deine Villa / 28.05. - Pfeil, M.Max, 3 DJ Dee, Real, Tucker, MBR & Draft, Chopper, Simon, MC GlaDirsch cious, MC Ronin / 08.05. - Sasse, Sebastian / 14.05. - Ricardo Villalobos, Ivan Smagghe, Highfish, Ata / 15.05. - Heiko MSO, HAMBURG - WAAGENBAU / 19.05. - Anthony Rother (live), Johnny Love, Weller / 21.05. - Yannick, Marek, Lars Bartkuhn / Carson Plug, Maurizio Schmitz / 21.05. - Club Le Bomb (live), 21.05. - Roman Flügel, Sven / 28.05. - Ark, Losoul / 29.05. - Ali Christian Harder (live), Dr. Mooner, Miss Le Bomb, Superde- & Basti Schwarz / 30.05. - Carl Craig fekt, Raf Le Spoink OFFENBACH - ROTARI / 06.05. - Digital Kranky (live) / 08.05. HAMBURG - WELTBüHNE / 30.05. - ISO 68, Christoph Kurz- - Radiosity (live) / 21.05. - Miriam Schulte, Trackspotter mann, Halma RECKLINGHAUSEN - RUHRFESTSPIELE / 27.05. - Matmos HANNOVER - NEUE WELT / 07.05. - Terrence Parker, Tricky ROSTOCK - MS STUBNITZ / 15.05. - Jake Failrey, Benno BloJENA - OGS / 07.05. - MTC Yaw, MC Soultrain, Shlomsen, me, Daniel Nistch, Yo-Dah, Onet-T Crashcut STUTTGART - LE FONQUE / 14.05. - Richard Bartz, Mick Wills KIEL - LUNA / 14.05. - Ada (live) STUTTGART - NEUE HEIMAT / 01.05. - Attuk, Shon, Mark KöLN - ARTHEATER / 15.05. - Highfish, Sven VT, Stephan Eul, Mautz / 08.05. - Rotorik, Frank Yentner, Daniel Benavente / Alexander Colliere & Gabriel Ananda 15.05. - Lenny Dee, Mark Mautz, Chris Sonaxx / 22.05. - Cynthia Stern, Zan, Daniel Früh / 29.05. - Sueme, Daniel BenaKöLN - BLUE NOTE / 04.05. - Triple R, Uh-Young Kim vente, Electric Fuel KöLN - ESSIGFABRIK / 30.05. - Rob Acid, Dave Angel, Jamie STUTTGART - PRAG / 19.05. - Pacou (live), Sender Berlin (live), Anderson, Massimo Diego, Oli H & Oliver Klangschneider KöLN - JUGENDPARK / 22.05. - Strobocop, Wicked, Talle, Ca- STUTTGART - SUITE 212 / 15.05. - Losoul, Daniel Varga, Michtya, Cartoonfish On The Rocks, Fankiebassbeton, Slowmo Lo- ael Kuebler, flow WIEN - KüNSTLERHAUS PASSAGE / 01.05. - Quehenberger KöLN - KUNSTWERK / 29.05. - Telemen (live), DJ Good Groo- (live), Tibcurl, Baumann / 14.05. - Mocky (live), Tibcurl, Bauve, Markus Oswald, Justina Rzychon mann / 21.05. - Nino Stenzl, Timi Hausmann, Tibcurl, Baumann / 28.05. - Tschamba FII, Tibcurl, Baumann KöLN - PHILHARMONIE / 03.05. - Matthew Herbert Big Band WIEN - KüNSTLLERHAUS PASSAGE / 01.05. - Quehenberger KöLN - SENSOR / 01.05. - Detroit In Effect (live), Alden Tyrell (live), Tibcurl, Baumann / 14.05. - Mocky (live), Tibcurl, Bau(live), Dexter (live), Serge / 22.05. - Carl Craig, Henrik Schwarz mann / 21.05. - Nino Stezl, Timi Hausmann, Tibcurl, Baumann (live), Butterfly Potion, Uh-Young Kim / 28.05. - Tschamab Fii, Tibcurl, Baumann KöLN - STADTGARTEN / 14.05. - E-Z Rollers (live), J-Cut, Kolt WUPPERTAL - 45 RPM / 07.05. - LTJ Bukem, MC Conrad Siewerts, Amaning, Canoma WUPPERTAL - U-CLUB / 14.05. - Thomas Fehlmann, RechenKöLN - STUDIO672 / 07.05. - Superpitcher, Pantha Du Prince zentrum, Apparat, reuber, Klangwart / 14.05. - Superpitcher / 21.05. - Tobias Thomas, Westbam / 28.05. - Michael Mayer, Maral Salmassi WüRZBURG - DAS BOOT / 21.05. - Tiefschwarz, M.A.N.D.Y., Marco Cannata, Groove Rebels, Ali.S / 21.05. - Tiefschwarz, KöLN - SUBWAY / 14.05. - Munk, Guido Brang, Jörg Waschat / M.A.N.D.Y., Marco Cannata, Grove Rebels, Ali.IS 15.05. - Matias Aguayo & Christian S, Khan / 28.05. - Seiji, UhYoung Kim, Action Schmidt WüRZBURG - SüDPOL / 21.05. - Tiefschwarz, M.A.N.D.Y., Marco Cannata LEIPZIG - DISTILLERY / 01.05. - Wighnomy Brothers, Frog, Lars Christian Mueller / 07.05. - Namusoke (live), Jazzanova, ZEULENRODA - UNO / 01.05. - Ellen Allien, D. Hoerste, Sevensol + bender, Ada (live), Jan Eric Kaiser, Rentek / 08.05. Aniem - Martini Brös (live), Matthias Tanzmann, Jay Haze (live), Mikael Stavostrand (live), Bleed, Caynd / 15.05. - Carl Finlow aka ZüRICH - BOGEN 13 / 01.05. - Felix Kubin (live), Wanga, MicroSilicon Scally (live), Disko 69, Bronco T / 21.05. - Bassface metroplise Sascha, Derrick, Fabman Flash, MC Phowa / 28.05. - Puppetmastaz (live), Disko 69, Derrick, Mister K, Mightly Flo, Selec- ZüRICH - MOODS / 22.05. - Louie Austen tah Spinback / 29.05. - Carl Craig, Tiny, Steven Curl, Windy, Remasuri / 30.05. - Luciano (live + DJ), Cassy, Stalker, Chris ZüRICH - ROHSTOFFLAGER / 01.05. - Westbam, SuperpitManura, Mille, Slowhand cher, Takkyu Ishino, Lexy & K-Paul, Gunjah / 08.05. - Funkstörung (live), Miss Kittin, Tes (live) / 14.05. - Roni Size feat. LEIPZIG - UT CONNEWITZ / 07.05. - Kotai (live), Jahcoozi (li- MC Dynamite (live), Tali (live), Goldie, Minus 8 / 15.05. - Clauve), Andreas Sachwitz, Daniel Wetzel / 21.05. - Kevin Blech- de Young, Mikky B., Eric Borgo / 22.05. - Der dritte Raum (lidom (live), Knifehandchop (live), Mak, MFO ve), Styro 2000, Mirko Loko, Matthew Dear (live) / 29.05. Bad Company, MC Verse, Pendulum, Cronic / LUDWIGSHAFEN - LOFT / 19.05. - Alter Ego, Heiko MSO, Cess / 30.05. - Der dritte Raum, Marc bean, Leila Abu-Er-Rub


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